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Trumps Wirtschaftspolitik wird Wohlstand vernichten

Blog Marcel Fratzscher vom 8. November 2024

In Deutschland wurden große Reformen oft nur durch eine Krise möglich. Die Wahl Donald Trumps wird einen Kurswechsel wahrscheinlicher machen.

 

Donald Trumps Wahlsieg ist ein Schock; die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und vor allem sicherheitspolitischen Folgen könnten dramatisch sein. In einer Demokratie müssen wir das Wahlergebnis respektieren. Europa muss jetzt die Lehren aus dieser Wahl ziehen und einen harten Kurswechsel einleiten. Dies gilt insbesondere für Deutschland.

Donald Trump lässt keinen Zweifel daran, dass er die demokratischen Institutionen schwächen will. Die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus erleichtert ihm dies. Aber auch wenn er in seiner zweiten Präsidentschaft erfolgreicher darin sein wird, sollten wir auf die Stärke der US-Demokratie vertrauen. Selbst der mächtigste Mann der Welt kann nicht gegen die Bevölkerung regieren, sondern muss sie vereinen. Die US-Demokratie hat starke Kontrollmechanismen (checks and balances), die hoffentlich großen Schaden verhindern werden.

Diese Kolumne von Marcel Fratzscher erschien am 8. November 2024 auf ZEIT ONLINE in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.

Trump schürt Ängste

Trump hat die Wahl auch durch populistische und faschistische Methoden gewonnen: Er spielt verletzliche Gruppen systematisch gegeneinander aus, um Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren, selbst jene, die am meisten unter seiner Politik leiden werden. Er schürt Ängste mit Verschwörungstheorien und Lügen, um Gegner und Gegnerinnen zu diskreditieren und Unterstützung für absurde politische Maßnahmen zu gewinnen. Dies zeigt, dass die US-Demokratie sich reformieren muss, damit künftig informierte Wahlberechtigte entscheiden, und nicht manipulierte.

Denn die Wiederwahl Donald Trumps ist die Quittung für eine über 40-jährige Politik, die die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit in den USA vergrößert hat. Dass Trump zum zweiten Mal gewählt wurde, obwohl er in seiner ersten Amtszeit nichts Grundlegendes für die sozial und wirtschaftlich Schwachen verbessert hat, zeigt, wie frustriert und unzufrieden die Mehrheit der US-Bürgerinnen und Bürger ist.

Donald Trump versteht es wie kein Zweiter, die Sorgen und Frustrationen der Menschen für sich zu mobilisieren. Er hat es geschafft, vielen Menschen in der Mittelschicht und strukturschwachen Regionen, ihren Stolz und Selbstwertgefühl zurückzugeben, wie es die renommierte US-Soziologin Arlie Russell Hochschild ausdrückte. Er konnte den Menschen vermitteln, dass sie mit ihren Sorgen und Wünschen gesehen werden. Und sie identifizieren sich mit Donald Trump, weil er sich als Opfer der Mächtigen und der Eliten darstellt.

Daher haben wohl viele Trump-Wählerinnen und -Wähler akzeptiert, dass er ihnen wirtschaftlich in seiner ersten Präsidentschaft nicht geholfen hat. Sie sind offensichtlich bereit, auf Wohlstand zu verzichten, wenn sie das Gefühl haben, Respekt und Anerkennung zu bekommen.

Einigung und stärkere Integration Europas sind unumgänglich

Donald Trump wird die soziale Polarisierung der US-Gesellschaft verschärfen. Er grenzt Frauen und Minderheiten systematisch aus – von ethnischen Minderheiten über queere Menschen bis zu Migrantinnen und Migranten. Seine Wirtschafts- und Sozialpolitik wird diese Polarisierung noch weiter verschärfen.

Trumps Wirtschaftspolitik wird zudem in den USA und weltweit viel Wohlstand vernichten. Die angekündigten Strafzölle und Handelskonflikte werden zu höherer Inflation, weniger Kaufkraft und dem Verlust von Arbeitsplätzen führen. Die Hauptleidtragenden dürften nicht die USA sein, sondern offene Volkswirtschaften wie Deutschland. Die Wirtschaftsleistung Deutschlands dürfte in den kommenden zwei Jahren um mindestens ein Prozent geringer ausfallen. Private Investitionen in Deutschland dürften weiter zurückgehen, was die Deindustrialisierung beschleunigt.

Größte Gefahr: Außen- und Sicherheitspolitik

Die größte Gefahr für die Welt wird wohl von Trumps Außen- und Sicherheitspolitik ausgehen. Neue Konflikte dürften geschürt, die liberale Demokratie geschwächt und die Unsicherheit weiter erhöht werden.

Ich befürchte, dass Deutschland und Europa in keiner Weise auf einen US-Präsidenten Trump vorbereitet sind. Deutschland hat sich zu lange mit sich selbst beschäftigt und seine Verantwortung für Europa und die Welt vernachlässigt. Das wird sich jetzt rächen. Die künftige Bundesregierung wird dringend umsteuern müssen, auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie wird sich entscheiden müssen, ob sie die Lähmung des letzten Jahres fortsetzen will.

In der Europapolitik, der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik wird die Wahl Trumps Deutschland zwingen, einen Kurswechsel vorzunehmen. Wenn es einen positiven Aspekt dieser US-Wahlen gibt, dann den, dass Deutschland zukünftig mit seinen nationalen Alleingängen nicht mehr durchkommen wird. Eine Einigung und stärkere Integration Europas sind unumgänglich.

Aus dem Wahlsieg Trumps 2016 wurden in Deutschland kaum Lehren gezogen, sondern man hat unverändert am Kurs festgehalten. Der Rechtsruck, die Radikalisierung und die Aushöhlung der Demokratie schreiten auch in Deutschland ungebremst voran.

Unsere liberale Demokratie und damit die Wertschätzung von Vielfalt, einer offenen Gesellschaft und Menschenrechten sind mehr denn je in Gefahr. Deutschlands Geschichte zeigt, dass große Reformen meist erst durch eine tiefe Krise möglich werden. Dieser Zeitpunkt könnte mit der Wiederwahl Donald Trumps deutlich näher gerückt sein. Der Optimismus muss überwiegen: Unsere westlichen Demokratien sind stark genug, um diese Krise zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.

 

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