Das Coronavirus und die Wirtschaft – Forschung zur Pandemie

Es war im März 2020, als sich unser Leben radikal veränderte. Jede und jeder von uns hat unterschiedliche Erinnerungen an die Zeit des ersten Corona-bedingten Lockdowns, den die Bundesregierungen zusammen mit den Regierungschef*innen der Länder am 22. März 2020 verkündete.infoBMI (2020): Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 22. März 2020, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/hinweis-einschraenkung-soziale-kontakte.html Je nach Lebenslage, beruflicher oder familiärer Situation traf die Coronapandemie die Menschen sehr unterschiedlich. Auf einmal blieben Kita- und Schulkinder zuhause, sollten dort betreut und beschult werden, häufig während ihre Eltern im Homeoffice arbeiten mussten. Gastronomie und Veranstaltungsbetriebe mussten schließen. Schutzmasken und Toilettenpapier waren knapp, man durfte sich nur noch in kleinen Gruppen treffen.

Und natürlich beeinflusste die Pandemie nicht nur das Leben der Menschen, sondern auch die Wirtschaft weltweit. Das DIW Berlin hat beide Aspekte seit Pandemie-Beginn intensiv begleitet, beobachtet und die Auswirkungen in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, aber auch Konsequenzen für die Menschen erfasst und analysiert. Die Themen, die in den verschiedenen Publikationen analysiert wurden, waren sehr vielfältig: Von der allgemeinen Wirtschaftslage und Konjunkturerwartung, über die Situation von Schüler*innen und Kita-Kindern und ihren Eltern, den Auswirkungen auf die Bauwirtschaft oder das Insolvenzgeschehen in Deutschland. Über 100 DIW-Publikationen zur Coronapandemie sind seit März 2020 erschienen.

Wissenstransfer in Zeiten von Corona: Schnell, relevant, formatreich
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Abschwung der Wirtschaft prognostiziert

Der erste von insgesamt 35 DIW Wochenberichten mit Corona-Bezug wurde am 19.März 2020 veröffentlicht, also noch vor dem offiziellen Lockdown. Er trug den Titel „Corona-Pandemie schockiert die Weltwirtschaft: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Frühjahr 2020“ (WB12/2020). Auf rund sechzig Seiten analysierten die DIW-Forschenden die Auswirkgen der Coronapandemie auf die deutsche Wirtschaft. „Das Coronavirus trifft die deutsche Wirtschaft im Frühjahr 2020 hart“, schreiben die Forscher*innen im WB 12/2020, der bis heute über 17.100 Mal abgerufen oder heruntergeladen worden ist. Wegen der weitreichenden Quarantäne und Vorsichtsmaßnahmen auch in anderen Ländern seien die Herstellungsprozesse und das alltägliche Leben beeinträchtigt, was zur Unterbrechung von Lieferketten führe und dafür sorge, dass der Konsum eingeschränkt werde.infoDIW (2020): Grundlinien der Wirtschaftsforschung im Frühjahr 2020, WB 12/2020, abrufbar unter: https://www.diw.de/de/diw_01.c.743576.de/publikationen/wochenberichte/2020_12_2/corona-pandemie_schockiert_die_weltwirtschaft__grundlinien_der_wirtschaftsentwicklung_im_fruehjahr_2020.html S. 188 Deshalb senkte das DIW seine Prognose für Deutschland gegenüber der Einschätzung vom vorherigen Winter um 1,3 Prozentpunkte. Man ging im März 2020 davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen würde.infoVergl. DIW (2020): Grundlinien der Wirtschaftsforschung im Frühjahr 2020, WB 12/2020, abrufbar unter: https://www.diw.de/de/diw_01.c.743576.de/publikationen/wochenberichte/2020_12_2/corona-pandemie_schockiert_die_weltwirtschaft__grundlinien_der_wirtschaftsentwicklung_im_fruehjahr_2020.html S. 188 Heute, im Jahr 2025, wissen wir, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2020 um viel mehr, nämlich um fast um drei Prozent, geschrumpft ist.infoVergl. Statista (2025) : Wachstum des weltweiten realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1980 bis 2026, abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/197039/umfrage/veraenderung-des-weltweiten-bruttoinlandsprodukts/

Im WB vom 19. März 2020 stellten die DIW-Forschenden fest, dass in der Krise der Staat nicht sparen, sondern mit staatlichen Ausgaben die schwache Nachfrage anregen sollte.infoVergl. DIW (2020): Grundlinien der Wirtschaftsforschung im Frühjahr 2020, WB 12/2020, abrufbar unter: https://www.diw.de/de/diw_01.c.743576.de/publikationen/wochenberichte/2020_12_2/corona-pandemie_schockiert_die_weltwirtschaft__grundlinien_der_wirtschaftsentwicklung_im_fruehjahr_2020.html S. 189 Sie schlugen in drei Feldern der Wirtschaftspolitik Maßnahmen vor:infoVergl. DIW (2020): Grundlinien der Wirtschaftsforschung im Frühjahr 2020, WB 12/2020, abrufbar unter: https://www.diw.de/de/diw_01.c.743576.de/publikationen/wochenberichte/2020_12_2/corona-pandemie_schockiert_die_weltwirtschaft__grundlinien_der_wirtschaftsentwicklung_im_fruehjahr_2020.html S. 188/189

1. Die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen sollte durch Bürgschaften und Ausfallkredite verhindert werden.

2. Das Kurzarbeitergeld sollte verlängert und die anspruchsberechtigten Unternehmen ausgeweitet werden, um Entlassungen zu verhindern und die Kaufkraft der privaten Haushalte zu stützen.

3. Um die Nachfrage der privaten Haushalte zu stärken, sollte außerdem über die vorzeitige Abschaffung des Solidaritätszuschlags oder die zeitweise Absenkung der Mehrwertsteuer nachgedacht werden.

Tatsächlich senkte die Bundesregierung später den Umsatzsteuersatz von 19 auf 16 Prozent, bzw. den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben auf fünf Prozent. Diese Regelungen galten vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020.infoVergl. Bundesfinanzministerium /2020): Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz), abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/19_Legislaturperiode/Gesetze_Verordnungen/2020-06-30-Zweites-Corona-Steuerhilfegesetz/4-Verkuendetes-Gesetz.pdf S. 1514

Auswirkungen der Coronapandemie für Familien

Im Mai 2020 betrachtete Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Studies und ein Team aus DIW-Forscher*innen, wie die Corona-Krise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für allem für Mütter erschwerte und forderte Entlastungen für Familien. Dieser Wochenbericht 19/2020 war mit über 24.130 Aufrufen der mit Abstand am meisten abgerufene Wochenbericht in der Coronapandemie.

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Das Forscher*innenteam zeigte auf, dass durch die weitgehende Kita- und Schulschließungen über vier Millionen Familien mit erwerbstätigen Eltern vor großen Herausforderungen mit Blick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie ständen. Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Vorkrisenzeiten zeigten außerdem, dass viele erwerbstätige Eltern nicht einmal theoretisch die Möglichkeit haben, von zu Hause zu arbeiten, bei Alleinerziehenden-Haushalten sind es noch weniger. Bei zwei erwerbstätigen Elternteilen liege das Home-Office-Potential bei 57 Prozent, unter erwerbstätigen Alleinerziehenden bei 35 Prozent.

Die Forscher*innen schreiben im Wochenbericht: „Arbeiten im Home-Office kann die Vereinbarkeitsprobleme also nicht lösen, ganz abgesehen davon, dass wirklich produktives Arbeiten parallel zur Kinderbetreuung oftmals nicht möglich ist.“infoDIW (2020): Corona-Krise erschwert Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für Mütter – Erwerbstätige Eltern sollten entlastet werden, WB 19/2020, abrufbar unter: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.787650.de/20-19.pdf S.332 Es ist davon auszugehen, dass die Hauptlast der zusätzlich anfallenden Kinderbetreuung und Hausarbeit vermutlich die Mütter tragen würden. Die Forderung: Die Politik sollte eine Corona-Elternzeit und Corona-Elterngeld einführen, um erwerbstätige Eltern zu entlasten. Dafür sollten bei Paaren beide Elternteile Arbeitszeit reduzieren müssen.

Im Juli 2020 veröffentlichte das DIW Berlin einen Wochenbericht (PDF, 3.36 MB), der zeigte, dass es vor allem Familien mit Kindern im Kita- und Grundschulalter schlechter ging. Dieser Wochenbericht wurde bis heute über 14.700 Mal im Internet abgerufen. Der Bericht zeigte, dass die größte Unzufriedenheit Mütter und Eltern von Kindern unter sechs Jahren zeigten.

Im Bericht heißt es: „Die Ergebnisse dieses Berichts helfen, die gesellschaftlichen Gesamtkosten der Corona-Einschränkungen besser einzuschätzen.“ Für künftige Pandemien oder ähnliche Krisensituationen empfehlen die Forscher*innen daher dringend, familien- und bildungspolitische Expert*innen dauerhaft in Krisenstäben zu verankern, „damit die Belange der Familien von vornherein mitbedacht werden.“infoVergl. DIW Berlin (2020): abrufbar unter: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.794106.de/20-30.pdf

Ungleiche Verteilung von Sorgerechtsarbeit durch Pandemie noch verstärkt

Dass es vor allem Mütter waren, die die Hauptlast der Sorgearbeit bei geschlossenen oder nur eingeschränkt nutzbaren Kitas und Schulen waren, ist heute klar. Das DIW Berlin hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung negative Auswirkungen auf eine schon vor der Pandemie ungleichen Aufteilung der Sorgearbeit hat. Im Wochenbericht 09/2021  (PDF, 3.15 MB)zeigen die Wissenschaftler*innen, dass der Anteil der Familien, in denen Frau die Kinderbetreuung (fast) vollständig übernimmt, sich von acht auf 16 Prozent in etwa verdoppelt hat. Dieser Wochenbricht wurde bis heute über 10.000 Mal aufgerufen oder heruntergeladen.

Katharina Wrohlich analysierte im Wochenbericht: „Paare, die vor der Pandemie die Kinderbetreuung gleichmäßig aufgeteilt haben, bleiben offenbar dabei. In Familien, in denen Mütter schon zuvor den größeren Teil übernommen haben, verschärft sich hingegen die Ungleichheit in der Aufteilung.“infoDIW (2021): Sorgearbeit während der Corona-Pandemie: Mütter übernehmen größeren Anteil – vor allem bei schon zuvor ungleicher Aufteilung, Wochenbericht 09/2021, abrufbar unter: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.812214.de/21-9.pdf S. 131 Das Forschungsteam wies auch auf große Unterschiede in der Wahrnehmung hin. Während 24 Prozent der Mütter angaben, dass sie im Lockdown die Kinderbetreuung allein gestemmt hätten, sahen das nur fünf Prozent der Väter so. Das DIW Berlin analysierte aber im Anschluss an die Coronapandemie, dass der Gender Care Gap 2024 wieder auf das Niveau von vor der Pandemie gesunken war. Die Verteilung der Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen sei aber gerade im internationalen Vergleich noch sehr ungleich.

Auch in 36 verschiedenen Ausgaben des DIW aktuell weisen Wissenschaftler*innen auf aktuelle Entwicklungen und Folgen der Coronapandemie hin. Die Themen waren auch hier sehr vielfältig: Von den geldpolitischen Maßnahmen der EZB und der Fed gegen die Corona-Krise (DIW Aktuell 31/2020), den Folgen der Corona-Schulschließungen und Kita (DIW Aktuell 34/2020), einem Green Deal nach Corona (DIW Aktuell 39/2020) oder der Akzeptant von Maßnahmen oder die psychische Gesundheit junger Menschen.

Forschung zu Angst vor dem Coronavirus

Im August 2020 erschien ein DIW Aktuell mit dem Titel „Menschen überschätzen Risiko einer Covid-19-Erkrankung, berücksichtigen aber individuelle Risikofaktoren“, bis heute wurde die Ausgabe über 48.000 Mal abgerufen. Darin betrachten die Forscher*innen Ergebnisse aus der Befragung des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) in Bezug auf die Coronapandemie.

Ebenfalls viel abgerufen (44.500 Mal) wurde ein DIW Aktuell aus dem Juni 2020, indem es um die sogenannten systemrelevanten Berufe ging. „Die Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Unverzichtbarkeit und tatsächlicher Entlohnung ist in Krisenzeiten besonders offensichtlich“, schreiben die DIW-Forscher*innen. Bereits vor der Krise seien die Berufe, die von Beginn der Pandemie an als system-relevant eingeschätzt wurden insgesamt wenig anerkannt. Der Anteil weiblicher Beschäftigter sei in diesen Berufen hoch, heißt es in dem DIW Aktuell. Deshalb sollte nach den Danksagungen auch eine konkrete Besserstellung folgen, wie höhere Entlohnung und eine breitere tarifvertragliche Absicherung.

Die weltweite Coronapandemie hatte Einfluss auf Unternehmen, Menschen, Familien – all das erforschten DIW-Wissenschaftler*innen.
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Über die Folgen des Coronavirus sprach auch DIW-Präsident Marcel Fratzscher im Inforadio-Poscast „Corona – das Virus und die Wirtschaft“. Zwischen 1.4.2020 und 30.6.2021 war Fratzscher zu Gast in 40 Podcastfolgen. Zentrale Themen waren die Belastungen für den Arbeitsmarkt, insbesondere für Frauen, Geringverdienende und Soloselbstständige, sowie Fragen nach fairer Bezahlung und sozialer Gerechtigkeit. Der DIW-Präsident analysierte die Wirkung von Konjunkturpaketen, Staatsschulden und Hilfsprogrammen und diskutierte die Risiken von Inflation, Unternehmenspleiten und einer möglichen Bankenkrise. Darüber hinaus befasste er sich mit branchenspezifischen Herausforderungen etwa in der Tourismus-, Automobil- oder Luftfahrtindustrie und beleuchtet die Rolle des Staates bei Investitionen und Regulierung. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der internationalen Dimension: Handelskonflikte, Chinas Rolle in der Weltwirtschaft und die europäische Zusammenarbeit. Immer wieder betonte Fratzscher, dass die Krise auch eine Chance für langfristige Veränderungen bietet – hin zu mehr Nachhaltigkeit, Digitalisierung und gesellschaftlicher Gerechtigkeit.

Im Laufe der Coronapandemie hat das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) im DIW Berlin zahlreiche Studien mit verschiedenen Partner*innen durchgeführt, beispielweise indem es mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) von 1. September 2020 - 31. März 2021 erhoben hat, wie viele Menschen bereits eine Coronavirus-Infektion durchgemacht haben. Außerdem startete das SOEP gemeinsam mit der Universtität Bielefeld eine Befragung zur Coronapandemie im Zeitraum von Anfang April bis Juli 2020 and dann erneut im Januar und Februar 2021. Hier wurden verschiedenen Aspekte rund um die Coronapandemie und die Auswirkungen auf die Menschen beleuchtet.  

In einem Dossier hat die Webredaktion die vielen Publikationen rund um die Folgen der Coronapandemie gesammelt.

Autorin: Lena Högemann

 

100 JAHRE DIW BERLIN IN FÜNF EPOCHEN

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