Jahrzehntelang wurde in Deutschland zu wenig investiert, die DIW-Studie zu Investitionen zeigte den Bedarf schon 2013. Jetzt soll ganz viel auf einmal investiert werden. Wäre es nicht besser gewesen, das früher und laufend zu machen?
Kriwoluzky: Es wurde viel unterlassen, gerade was Investitionen in Brücken, Straßen, Schulen, Internet und Digitalisierung angeht. Das kann man auch nicht von heute auf morgen aufholen. Die Unternehmen, die diese Arbeit machen, sind begrenzt und es wäre besser gewesen, das über zehn Jahre zu machen als jetzt auf einmal. Das Sondervermögen und die kurzfristigen Ausgaben für das Militär werden natürlich dazu führen, dass eine sehr hohe Nachfrage auf ein relativ fixes Angebot trifft, was inflationär wirken wird. Trotzdem ist es richtig, das jetzt zu machen. Es werden sukzessive neue Kapazitäten entstehen. Das ist die große Stärke der Marktwirtschaft, dass sie auf solche Entwicklungen reagieren kann.
Wenn wir in die USA schauen, sehen wir nicht nur Beamte, die weniger Gehalt bekommen, sie werden gleich reihenweise gefeuert. Ist das, was gerade in den USA passiert, eine Austeritätspolitik 2.0?
Kriwoluzky: Das lässt sich nur schwer vergleichen. Natürlich senken die USA ihre Staatsausgaben gerade drastisch, aber bei Brüning lässt sich das eher nachvollziehen. Man kann bei den Beamten am einfachsten kürzen und deshalb hat Brüning das gemacht, mit dem Ziel, die Reparationszahlungen erlassen zu bekommen. Die Beamten haben darunter gelitten, das erklärt unter anderem auch, warum es für die Nazis so einfach war, die öffentliche Infrastruktur und Verwaltung so schnell gleichzuschalten. Die Menschen in den öffentlichen Ämtern waren offensichtlich willig, mit den Nazis zusammenzuarbeiten. Sie waren von den vorherigen Regierungen stark enttäuscht. Immerhin wurde ihnen mehrmals drastisch das Gehalt gekürzt.
Ganz grundsätzlich gefragt: Warum ist es denn so wichtig, gerade in Zeiten von Krisen und Rezession, neue Schulden aufzunehmen und zu investieren? Was bringt das?
Kriwoluzky: Dazu gibt es unterschiedliche Theorien, die bekannteste ist sicherlich die, die nach der Großen Depression 1929 und Anfang der 30er-Jahre von John Maynard Keynes entwickelt wurde. Keynes meinte, dass in der Krise, wenn Menschen arbeitslos werden, der private Konsum zurückgeht. In dieser Rezession sollte der Staat antizyklisch mehr konsumieren und so dafür sorgen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter stabil bleibt, Firmen weiter produzieren und wieder Menschen einstellen. Das ist aber nicht das, was bei uns gerade passiert. Es ist viel mehr so, dass in den letzten Jahren bei uns so wenig investiert worden ist, dass wir auf eine zerfallene Infrastruktur schauen. Es gibt kaum einen Monat, in dem nicht irgendwo in Deutschland eine Brücke kaputt geht und ein weiterer Verkehrsweg geschlossen wird. Und jetzt ist klar: Wir können unser Wirtschaftsleben nicht mehr aufrechterhalten, wenn wir nicht investieren. Wir müssen uns dringend für die Zukunft wappnen, in Digitalisierung und Infrastruktur investieren. Der Bedarf ist so groß, dass das aus dem laufenden Haushalt nicht geht – und deshalb braucht es jetzt das Sondervermögen.