„Wir waren eins der ersten Forschungsinstitute mit einem strukturierten Doktorandenprogramm“

Im Graduate Center des DIW Berlin können Promovierende seit knapp zwanzig Jahren ein strukturiertes Ausbildungsprogramm durchlaufen, das ihnen ein Vollzeitstipendium im ersten Jahr und eine Anstellung in einer der wissenschaftlichen Abteilungen des DIW Berlin in den Folgejahren bietet. Wir sprechen mit dem Gründer Dr. Georg Meran und der jetzigen Leiterin Prof. Dr. Kerstin Bernoth über die Idee des Programms, die Unterschiede zu einer Promotion an einer Universität und legendäre Sommerfeste.

Herr Meran, Sie haben das Graduate Center im Jahr 2006 ins Leben gerufen. Wie ist die Idee entstanden? Inwiefern war das GC des DIW Berlin Vorreiter?

Meran: Der Gründung gingen natürlich viele Schritte voraus. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses war schon zuvor ein integraler Bestandteil des DIW Berlin, zunächst an das Modell der traditionellen Individualpromotion angelehnt, auch Meister-Lehrling-Modell genannt. Nach der Jahrtausendwende wurde sie in eine moderne institutionalisierte Programmstruktur überführt und ging 2006 unter dem Namen Graduate Center for Economics and Social Research (GC) an den Start.  Unterstützt wurde dies auch durch die Leibniz-Gemeinschaft. Wir waren eines der ersten Forschungsinstitute mit einem solch strukturierten Programm, in dem die Graduierten nicht nur von exzellenzorientierter Forschung profitieren, sondern auch in die Welt hochrangiger Beratung von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit eingeführt werden. Von Anfang an war es das Ziel des Programms, die Nachwuchsförderung an die Alleinstellungsmerkmale des DIW-Forschungskonzepts anzupassen. Zudem haben wir die Kooperation mit den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten der Berliner Universitäten ausgebaut und die Interdisziplinarität durch Vernetzung mit den sozialwissenschaftlichen Fakultäten intensiviert.

Georg Meran, erster Dekan des Graduate Center, und Kerstin Bernoth, Co-Dekanin im Gespräch.
© DIW Berlin

Frau Bernoth, wie viele Wissenschaftler*innen haben bereits am GC promoviert? Und was kann das GC Promovierenden bieten, was die Universität nicht kann?

Bernoth: In den fast zwanzig Jahren seit der Gründung haben rund 160 junge Menschen erfolgreich ihre Promotion abgeschlossen. Die akademische Ausbildung am Graduate Center ist der Promotion an einer Universität gleichwertig. Unser Kursprogramm ist identisch mit dem der Studierenden an den Berliner Universitäten und sie werden offiziell auch an einer dieser Universitäten promoviert. Wir unterscheiden uns jedoch insofern, dass die Promovierenden ab dem zweiten Jahr in eine unserer wissenschaftlichen Abteilungen mitarbeiten und aktiv in die Politikberatung eingebunden werden. In den Abteilungen arbeiten unsere Promovierenden mit erfahrenen Senior Economists, Post-Docs und mehreren PhD-Studierenden zusammen. Neben der Unterstützung, die sie durch das Team erfahren, ist die Promotionszeit dadurch auch weniger mit Einsamkeit verbunden als vielleicht an kleineren Lehrstühlen an einer Universität.

Welche Vorteile hat es für die weitere akademische Karriere der jungen Wissenschaftler*innen, am GC zu promovieren? Haben Sie es leichter, danach auf dem Job Market zu bestehen?

Bernoth: Die Mitarbeit in den wissenschaftlichen Abteilungen des DIW eröffnet Promovierenden die Möglichkeit, an Beratungs- und Forschungsprojekten oder der vierteljährlichen Konjunkturprognose mitzuwirken. Wir motivieren unsere Promovierenden zudem, ihre Fachkenntnisse und Forschungsergebnisse in Form von DIW-Wochenberichten oder durch den Austausch mit Ministerien und Medien auch außerhalb der wissenschaftlichen Community zu vermitteln. Diese Arbeitserfahrung macht unsere Absolvent*innen sehr attraktiv auf dem Jobmarkt – sowohl für akademische als auch außerakademische potenzielle Arbeitgeber wie etwa Ministerien, Zentralbanken oder internationale Organisationen.

Welche bedeutenden Wissenschaftler*innen hat das GC schon hervorgebracht? Wann sind erste Nobelpreisträger*innen zu erwarten?

Meran: Wir blicken mit Stolz auf die große Anzahl an GC-Absolvent*innen, haben aber noch keinen Nobelpreisträger oder keine Nobelpreisträgerin hervorgebracht. Das könnte aber noch kommen; unsere Alumni sind ja noch recht jung. Aktuell sind rund 40 Prozent von ihnen an Universitäten oder Forschungseinrichtungen tätig, darunter einige mit Professuren an deutschen und internationalen Universitäten, beispielsweise Astrid Cullmann, unsere allererste Absolventin, oder Nicolas Ziebarth. Das ist eine tolle Errungenschaft und zeigt, dass das GC einen wertvollen Beitrag für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung leistet.

Georg Meran (links) und Kerstin Bernoth betrachten Fotos der ersten Absolvent*innen des Graduate Centers.
© DIW Berlin

Woher kommen die Studierenden? Wird es immer internationaler?

Meran: Unser Doktorandenprogramm ist im Laufe der Jahre immer internationaler geworden. Bei der Rekrutierung der Kohorten streben wir einen 50-prozentigen Anteil an nicht-deutschen Promovierenden an – und wir erreichen unser Ziel fast immer. Der Großteil der Studierenden hat europäischen Hintergrund.

Gibt es noch die legendären Summermeetings am Griebnitzsee?

Bernoth: Nein, unser legendärer Summer Workshop findet nicht mehr am Griebnitzsee statt. Da wir seit zwei Jahren den Workshop gemeinsam mit der Berlin School of Economics organisieren, ist das Hotel dort zu klein geworden. Wir haben in den letzten drei Jahren neue Hotels ausprobiert, die auch sehr schön, entweder am Wasser oder im Grünen, lagen. Die Workshop-Atmosphäre war auch immer wunderbar. Der Summer Workshop ist und bleibt ein jährliches Highlight bei unseren Promovierenden. Aber wir sind – ehrlich gesagt – noch auf der Suche nach der neuen „perfekten“ Location für die kommenden Jahre. Falls jemand einen Tipp hat …

Das Interview führte Claudia Cohnen-Beck, Pressereferentin im DIW Berlin

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