DIW Wochenbericht 4 / 2025, S. 47-54
Franziska Holz, Claudia Kemfert, Christian von Hirschhausen, Charlotte Baron, Björn Steigerwald
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„Trumps Rückkehr ins Weiße Haus bedeutet einen Rückschlag für die US-Klima- und Energiepolitik. Mit einem Fokus auf fossile Energien und einer Abkehr von Klimaschutzmaßnahmen rücken die US-Klimaziele in weite Ferne, was globale Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels erheblich gefährdet.“ Franziska Holz
Mit der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten steht die amerikanische Energie- und Klimapolitik erneut vor einem fundamentalen Einschnitt. Während Trumps Vorgänger Joe Biden mit Investitionsprogrammen wie dem Inflation Reduction Act den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft unterstützte, ist Trump ein ausgesprochener Klimaskeptiker und Freund der fossilen Energien sowie der Atomkraft. Er dürfte erneut Initiativen für Umwelt- und Klimaschutz zurück- und die Förderung fossiler Energien hochfahren, dieses Mal vermutlich deutlich zielgerichteter und planvoller als während seiner ersten Amtszeit. Jedoch sind die von ihm angekündigten Maßnahmen widersprüchlich: Eine Ausweitung der Energieexporte könnte zu einer Anpassung der US-Energiepreise ans höhere Weltmarktniveau führen, obwohl es Trumps erklärtes Ziel ist, die Lebenshaltungskosten zu senken. Gleichzeitig werden wohl in einzelnen Bundesstaaten klimapolitische Maßnahmen wie CO2-Preise aufrechterhalten. Deutschland und die EU dürfen sich nicht auf einen klimapolitischen Unterbietungswettbewerb einlassen, sondern müssen den Green Deal der Europäischen Union und den Ausstieg aus fossilen Energien konsequent vorantreiben.
Am 20. Januar ist Donald Trump als US-Präsident ins Weiße Haus zurückgekehrt. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um nationale und internationale Klimaziele zu erreichen. Mit Präsident Trump rücken diese Ziele aber in weite Ferne. Die USA sind einer der größten Energieproduzenten und das Land mit den zweithöchsten Emissionen der Welt. Damit ist der US-Kurs entscheidend für die globalen Bemühungen, den Klimawandel einzudämmen. Dieser Bericht gibt einen Ausblick, was in Klima- und Energiefragen von Trump zu erwarten ist und ordnet die möglichen Entwicklungen ein.
Die USA bestreiten traditionell einen Großteil ihres Energieverbrauchs aus eigener Förderung und sind somit weitgehend energieautark. Zwar ist in den vergangenen Jahren ein Ausbau der erneuerbaren Energien zu beobachten, allerdings ist die fossile Energieproduktion nicht gleichzeitig gesunken, sondern im Zuge des Booms von Schiefergas und -öl sogar gestiegen (Abbildung 1). Der Anteil aller erneuerbaren Energien (Wind, Solar, Wasserkraft) an der US-Primärenergiegewinnung ist seit 1990 von 5,6 Prozent auf 8,2 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Erneuerbaren an der Primärenergiegewinnung in Deutschland bei über 60 Prozent.Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Auswertungstabellen (online verfügbar, abgerufen am 7. Januar 2025. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen des Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Außerdem nutzen die USA weiterhin Kernenergie, deren Anteil ebenfalls rund acht Prozent beträgt.
Einerseits hat die Kohle in den USA an Bedeutung verloren, die noch bis Mitte der 2000er Jahre der wichtigste Energieträger war, nun aber nur noch rund 11,5 Prozent der Primärenergieerzeugung ausmacht. Auch während der ersten Präsidentschaft Trumps von 2017 bis 2020 wurde der Abwärtstrend der Kohleförderung nicht aufgehalten. Andererseits stieg die Bedeutung von Erdgas und Öl. Ihr Anteil an der Primärerzeugung lag 2005 noch bei 27,5 Prozent beziehungsweise 20 Prozent, ist mittlerweile (2023) aber auf 38 beziehungsweise 34 Prozent gewachsen, Tendenz weiter steigend. Somit hat der Zuwachs in der Öl- und Gasproduktion den Rückgang der Kohle mehr als kompensiert. Insgesamt machen fossile Energien derzeit 84 Prozent der US-Energieerzeugung aus. Die USA sind seit 2019 nicht mehr Nettoimporteur von Energie, sondern Nettoexporteur (Abbildung 2). Insbesondere die Abhängigkeit von ausländischem Öl hat durch den Boom von Schiefergas und -öl massiv abgenommen. Seit 2017 fördern die USA zudem mehr Erdgas, als sie verbrauchen. Auch Deutschland importiert seit dem Ende der Gaslieferungen aus Russland infolge des Ukraine-Kriegs seit 2023 US-Flüssiggas (LNG), das in Trumps erster Amtszeit als „Freedom gas“ vermarktet wurde.Für eine ökonomische Bewertung der Rolle von US-LNG auf dem europäischen und globalen Erdgasmarkt siehe Ruud Egging-Bratseth, Franziska Holz und Victoria Czempinski (2021): Freedom Gas to Europe: Scenarios analyzed using the Global Gas Model. Research in International Business and Finance, Vol. 58, 101460 (online verfügbar).
Ein Großteil der in den USA produzierten Energie wird dort auch verbraucht. Das Argument, dass einheimische Erneuerbare zur Energiesicherheit beitragen, hat für die USA wenig Bedeutung, weil dort Energiesicherheit insbesondere über Erdöl definiert wird und dieses seit dem Schieferölboom auskömmlich verfügbar ist. Daher spiegelt der Energieverbrauch die hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wider, deren Anteil am Primärenergieverbrauch bei rund 83 Prozent liegt (Abbildung 3). Das ist deutlich höher als in Deutschland, wo der Anteil Fossiler am Primärenergieverbrauch mit knapp 78 Prozent vergleichsweise hoch ist.Der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch beträgt in Deutschland knapp 20 Prozent. Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, a.a.O.
Der Anteil fossiler Energien am Verbrauch ist seit 2005 aber trotz des Schieferöl- und gasbooms leicht zurückgegangen, denn bis 2005 betrug er viele Jahre lang stabil rund 88 Prozent. Dies liegt daran, dass zumindest in einigen Regionen ein teilweise starker Ausbau erneuerbarer Energien erfolgt ist, deren Anteil am gesamten Primärenergieverbrauch 2023 neun Prozent betrug. In den Bundesstaaten Iowa, South Dakota, Kansas und Oklahoma werden bereits mehr als 40 Prozent der Stromerzeugung aus Wind bereitgestellt; in Kalifornien und Texas mehr als 25 Prozent aus Solarenergie.Vgl. Energy Information Administration: Net Generation by State by Type of Producer by Energy Source (EIA-923, online verfügbar). Der Erneuerbaren-Ausbau wurde vor allem durch sinkende Investitionskosten sowie aufgrund regional sehr guter Potenziale für erneuerbare Energien (wie Wind und Sonnenenergie) und in regional liberalisierten Strommärkten wie Kalifornien und Texas erreicht. Aus energiewirtschaftlicher Sicht ist auch ein weiterer Ausbau erneuerbarer Energien machbar und kostengünstig.Vgl. Mark J. Jacobson et al. (2015): Low-Cost Solution to the Grid Reliability Problem with 100 % Penetration of Intermittent Wind, Water, and Solar for All Purposes. Proceedings of the National Academy of Sciences 112 (49), 15060–15065 (online verfügbar).
Die Energiepreise sind für die US-Politik ein Gradmesser für die Zufriedenheit der Bevölkerung. Die zuletzt gestiegenen und volatileren Preise für Benzin, Gas und Öl waren ein zentrales Thema im Wahlkampf. So waren die Preise für Rohöl und damit vor allem für Benzin während der Biden-Amtszeit deutlich höher als während der ersten Regierung von Trump (Abbildung 4). Die höheren Preise der vergangenen Jahre dürften mit der immer stärker gewordenen Einbindung der US-Öl- und Gasproduzenten in den Weltmarkt in Verbindung stehen. Damit hängen die US-Preise stärker von Entwicklungen auf dem Weltmarkt ab als in den Jahren vor der Aufhebung der Exportverbote 2015/16, was beispielsweise die Preisspitzen 2022 während der durch Russland ausgelösten Energiekrise in Europa erklärt.Auch das US-Energieministerium geht davon aus, dass Exporte von US-LNG zu höheren Gaspreisen im Inland führen, siehe U.S. Department of Energy (2024): Energy, Economic, and Environmental Assessment of U.S. LNG Exports. Office of Fossil Energy and Carbon Management (online verfügbar).
Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten beanspruchten im Wahlkampf für sich, die Lösung für die „cost of living crisis“ (Lebenshaltungskostenkrise) zu haben und gaben jeweils der anderen Partei die Schuld an den hohen Energiepreisen. Dieser Fokus auf Energiepreise macht eine preisbasierte Klimapolitik mit einem Instrument wie dem CO2-Preis für alle Parteien schwierig. Dementsprechend gibt es in den USA kein nationales Emissionshandelssystem und bereits seit der Präsidentschaft von Barack Obama keine ernsthaften Bemühungen mehr, ein solches einzuführen.
Die USA sind nach China der weltweit zweitgrößte Treibhausgasemittent. Auch bei den Pro-Kopf-Emissionen liegen die USA weit vorn – mit einem Emissionsniveau, das mehr als doppelt so hoch wie das deutsche ist.Die US-Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen lagen 2023 bei 17,6 Tonnen CO2e pro Person; die deutschen bei 8,3 Tonnen CO2e (Platz 49). Vgl. Europäische Kommission(2024): Emissions Database for Global Atmospheric Research (EDGAR), 2024 Report (online verfügbar). Laut UN-Klima-Rahmenabkommen UNFCCC haben die USA 2021, dem letzten Jahr, für das Zahlen vorliegen, ihre Treibhausgasemissionen nur um 2,3 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 reduziert.Hier sind alle Treibhausgasemissionen ohne Landnutzungsveränderungen betrachtet. Vgl. UNFCCC (online verfügbar). Im Gegensatz dazu sanken die Emissionen von Deutschland und der Europäischen Union seit 1990 um jeweils rund 23 Prozent.
Die USA haben sich 2021 unter Präsident Biden wie die allermeisten Industriestaaten zum langfristigen Ziel der Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet.„The Long-Term Strategy of the United States: Pathways to Net-Zero Greenhouse Gas Emissions by 2050”. Long-term strategy submitted to the UN Framework Convention on Climate Change, November 2021 (online verfügbar). Jedoch sind die bisherigen mittelfristigen Ziele auf dem Weg dahin noch unklar und wenig ambitioniert. Allerdings wurden noch im Dezember 2024 neue nationale Klimaverpflichtungen veröffentlicht, sogenannte Nationally Determined Contributions (NDC). Dies war Teil der im Pariser Klimaabkommen vorgesehenen regelmäßigen Aktualisierung der nationalen Klimaverpflichtungen. Konkret wurden die bisher nur für 2030 quantifizierten Ziele (Senkung der Emissionen um 50 bis 52 Prozent im Vergleich zu 2005, also um circa 42 Prozent gegenüber 1990) für das Jahr 2035 fortgeschrieben. So sollen die USA ihre Emissionen gegenüber 2005 um 61 bis 66 Prozent verringern, das entspricht einer Halbierung der Emissionen im Vergleich zu 1990. Dieser Emissionspfad wäre nicht ausreichend, um das 2-Grad-Ziel oder gar das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.Vgl. beispielsweise die Analyse des Climate Action Trackers (online verfügbar). Angesichts der Trends der vergangenen Jahre, insbesondere im Hinblick auf die Produktion und den Verbrauch fossiler Energien, erscheint das Erreichen der Emissionsziele für 2030 und 2035 aber bereits heute wenig wahrscheinlich.
Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) und dem Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA)Der „Infrastructure and Jobs Act” (IIJA) ist auch unter der Bezeichnung überparteiliches Infrastruktur-Gesetz (Bipartisan Infrastructure Law, BIL) bekannt (online verfügbar). Er wurde Ende 2021 verabschiedet. wurden während der Präsidentschaft von Biden große Investitionsprogramme beschlossen, die den klimafreundlichen Umbau der US-Wirtschaft fördern sollten. Mit den umfangreichen Paketen wurde unter anderem der Ausbau erneuerbarer Energien, Elektromobilität, Batterieherstellung, Wasserstofferzeugung und Technologien für Carbon Capture & Storage (CCS) und Carbon Capture & Use (CCU) gefördert.
Die Treibhausgasemissionen könnten mit dem IRA bis 2030 um 32 bis 42 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken, ohne den IRA würde die Reduktion voraussichtlich nur 24 bis 35 Prozent betragen.Die Bandbreite der Emissionsänderungen ergibt sich durch unterschiedliche Annahmen für die Entwicklung der Energiepreise, der Kosten für erneuerbare Energien und Elektromobilität und für das Wirtschaftswachstum. Siehe John Larsen et al. (2022): A Turning Point for US Climate Progress: Assessing the Climate and Clean Energy Provisions in the Inflation Reduction Act. Rhodium Group (online verfügbar). Modellberechnungen für den 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC zeigen jedoch, dass zum Erreichen des 1,5-Grad- und selbst des 2-Grad-Ziels deutlich stärkere CO2-Einsparungen notwendig wären (Abbildung 5). Diese müssten sofort einsetzen, was jedoch unrealistisch ist. Vielmehr ergeben die Modellrechnungen auch, dass bei einem Aussetzen der klimapolitischen Maßnahmen sogar noch weiteres Steigerungspotenzial der Treibhausgasemissionen besteht, weil die USA ihre Nutzung fossiler Energien sogar ausbauen könnten (Szenario „Drill, baby, drill“). Ein solches Szenario entspricht den Erwartungen für die Amtszeit von Trump, der mit Maßnahmen wie der Ausweitung von Förderlizenzen auf öffentlichem Land die Förderung von Öl und Gas weiter steigern will.
Die USA sind ein noch stärker ausgeprägter föderaler Staat als Deutschland. Umweltschutz wird nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch von den Bundesstaaten betrieben. Einzelne Bundesstaaten und Städte waren auch während der ersten Präsidentschaft von Trump mit progressiver Umwelt- und Klimaschutzpolitik vorangegangen.So haben sich beispielsweise mehr als 300 Städte im Verbund „Climate Mayors“ zusammengefunden und bereits kurz nach der Wahl angekündigt, sich weiterhin für Klimaschutz einzusetzen (online verfügbar). Kalifornien hat bereits seit den 1970er Jahren eine Vorreiterrolle für den Umweltschutz in den USA. Eine Vielzahl von Bundesstaaten hat sich außerdem zu Emissionsreduktionszielen ihrer Volkswirtschaften, 100-Prozent-Erneuerbare-Energie-Zielen und Null-Emissions-Kraftfahrzeugstandards verpflichtet.Siehe auch IEA (2024): United States 2024. Energy Policy Review. International Energy Agency, 21ff. (online verfügbar).
Einige demokratische Bundesstaaten wie Kalifornien, Oregon und Washington sowie ein Zusammenschluss aus elf Ostküstenstaaten haben regionale Emissionshandelssysteme mit CO2-Preisen implementiert. Gleichzeitig kann davon ausgegangen werden, dass die mehrheitlich republikanisch wählenden Bundesstaaten überdurchschnittlich vom IRA profitiert haben, zum Beispiel durch die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien (Abbildung 6).
Dennoch sind die republikanischen Bundesstaaten deutlich abhängiger von fossilen Energien als die meisten demokratischen Bundesstaaten. Dies betrifft zum einen die Produktion fossiler Energien wie Öl, Gas und Kohle, zum anderen aber auch deren Nutzung, wie eine Analyse anhand der Standorte von Kohle- und Gaskraftwerken zeigt (Abbildung 7). So wird ein fossiler Lock-in deutlich, also eine langfristige Abhängigkeit sowohl der Stromerzeugung als auch von Arbeitsplätzen und anderen wirtschaftlichen Faktoren wie Steuereinnahmen, der insbesondere die republikanischen Bundesstaaten und die bisherigen Swing States betrifft, die 2024 alle republikanisch gewählt haben. Die Erzeugung aus den aktuell laufenden Kohlekraftwerken wird zwar selbst bei einer konservativ angenommenen Lebensdauer von 70 Jahren stetig weiter abnehmen. Zudem werden bereits seit Jahren keine neuen Kohlekraftwerke mehr gebaut.Vgl. Christian Hauenstein und Franziska Holz (2021): The U.S. Coal Sector between Shale Gas and Renewables: Last Resort Coal Exports? Energy Policy, Vol. 149, 112097 (online verfügbar). Die Kapazitäten zur Verstromung von Erdgas sind in den vergangenen 15 Jahren aufgrund des Schiefergasbooms stark gestiegen und liegen mit über 66 GW auf einem sehr hohen Niveau. Wenn diese weiterhin zur Stromerzeugung genutzt werden, sind selbst mit konservativen Annahmen wie einer durchschnittlichen Kapazitätsauslastung von 40 Prozent große Mengen an Emissionen für die nächsten Jahrzehnte festgeschrieben, die überwiegend in den republikanischen Bundesstaaten anfallen.
Von der Präsidentschaft Trumps ist zu erwarten, dass Versuche zur Wiederbelebung der Atomenergie fortgesetzt beziehungsweise sogar verstärkt werden. In diesem Punkt sind die Unterschiede zwischen der Biden- und der Trump-Regierung geringer als bei Erneuerbaren oder dem Kohleausstieg. Traditionell bauen die USA seit Jahrzehnten auf Atomenergie im Energiemix (Abbildung 1).Vgl. Mycle Schneider et al. (2024): The World Nuclear Industry Status Report 2024, Mycle Schneider Consulting (online verfügbar), Energy Information Administration (2024): Nuclear Energy in Monthly Energy Review November (online verfügbar). Mit noch 94 Kernkraftwerken in Betrieb, die 2023 mit 753 Terawattstunden (TWh) Strom 18 Prozent des Strommixes erzeugten, sind die USA mit Abstand der weltweit größte Produzent. Allerdings lag der Boom des Kernkraftwerkbaus in den 1970er Jahren, sodass der US-Kernkraftwerkspark heute mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren zu den ältesten weltweit gehört.
Die seit den 1990er Jahren laufenden Bemühungen um eine „Renaissance“ der Atomenergie haben keine merklichen Effekte gehabt. So ist von den circa 20 im Energiegesetz von 2005 geplanten Kernkraftwerken lediglich eines in Vogtle (Georgia) ans Netz gegangen – und auch dieses mit erheblicher Zeit- und Kostenüberschreitung.Vgl. Power Magazine (2023): Plant Vogtle: Not a Star, but a Tragedy for the People of Georgia. POWER Magazine vom 11. August 2023 (online verfügbar).
Es ist davon auszugehen, dass Bemühungen um Laufzeitverlängerungen sowie in Richtung Neubau von Kernkraftwerken weiter forciert werden. Bereits im IRA wurden hierfür erhebliche Mittel bereitgestellt.Vgl. Nahuel Guaita und Jason K. Hansen (2024): Analyzing the Inflation Reduction Act and the Bipartisan Infrastructure Law for Their Effects on Nuclear Cost Data. INL Report 23-72925 (online verfügbar). In jüngerer Zeit fordern insbesondere die Unternehmen der Digitalbranche (wie Microsoft, Google, Amazon), angesichts ihres steigenden Stromverbrauchs den Bau neuer, angeblich kostengünstiger Kernkraftwerke.Vgl. Soto Gonzalez et al. (2024): Powering Data Centers with Clean Energy: A Techno-Economic Case Study of Nuclear and Renewable Energy Dependability (online verfügbar). Auch Elon Musk, Berater von Trump, hat sich vielfach für den Ausbau von Kernkraft ausgesprochen (online verfügbar).
Bei der Betrachtung internationaler Trends und des geringen Interesses der für Neubauten zuständigen Energie- und Anlagenbauer ist jedoch eher zu erwarten, dass die Erzeugung von Atomstrom in den USA mittelfristig rückläufig sein wird und es nicht zu signifikanten Neubauvorhaben kommt. Bei den laufenden Kernkraftwerken aus den 1970/80er Jahren sind zwar Laufzeitverlängerungen im Gespräch, jedoch sind diese sowohl in den Betriebskosten als auch den notwendigen Ertüchtigungen kostenintensiv, sodass sie nur durch hohe Subventionen am Leben erhalten werden können. Neubauprojekte mit der derzeit dominanten Technologie (Leichtwasserreaktoren) gibt es bisher nicht, und die letzten von den USA oder von US-Firmen gebauten Kernkraftwerke benötigten erhebliche Subventionen.Vgl. Geoffrey Rothwell (2022): Projected Electricity Costs in International clear Power Markets. Energy Policy 164 , Mai (online verfügbar), Jens Weibezahn und Björn Steigerwald (2024): Fission for Funds, Energy Policy 195 (online verfügbar).
Als Alternativen zu den Leichtwasserreaktoren werden in den USA (und auch anderswo) derzeit zwei Entwicklungen diskutiert, die jedoch ebenfalls nicht für eine höhere Bedeutung von Atomenergie im US-Strommix sorgen dürften:Vgl. Alexander Wimmers et al. (2023): Ausbau von Kernkraftwerken entbehrt technischer und ökonomischer Grundlagen. DIW Wochenbericht Nr. 10, 111–121 (online verfügbar). SMR-Konzepte (Small Modular Reactors) werden als mögliche Alternative zu Reaktoren mit höheren Leistungen seit circa 2010 besonders in den USA mit Nachdruck gefördert. Allerdings ist bis heute keines zur Stromerzeugung kommerziell verfügbar.Vgl. Sara Boarin et al. (2021): Economics and Financing of Small Modular Reactors (SMRs). In Handbook of Small Modular Reactors, 2nd ed., 241–278 (online verfügbar). Selbst Pilotprojekte wurden jüngst abgebrochen beziehungsweise haben Schwierigkeiten bei der Umsetzung.So wurde beispielsweise 2024 das Projekt von NuScale in Utah wegen geringer Erfolgschancen abgebrochen, vgl. Reuters vom 9. November 2023: NuScale ends Utah project, in blow to US nuclear power ambitions (online verfügbar). Bei weiteren Projekten fehlen die Zulassung oder Nachfrager. Auch wenn es in Zukunft einzelne Demonstrationsprojekte geben sollte, ist die Errichtung einer Vielzahl von wettbewerbsfähigen Reaktoren mit geringer Leistung nicht zu erwarten.Siehe Christoph Pistner et al. (2021): Sicherheitstechnische Analyse und Risikobewertung einer Anwendung von SMR-Konzepten (online verfügbar) sowie Björn Steigerwald et al. (2023): Uncertainties in Estimating Production Costs of Future Nuclear Technologies: A Model-Based Analysis of Small Modular Reactors (online verfügbar).
Darüber hinaus läuft eine Diskussion zu sogenannten neuartigen Reaktorkonzepten (SNR).Vgl. Christoph Pistner et al. (2024): Analyse und Bewertung des Entwicklungsstands, der Sicherheit und des regulatorischen Rahmens für sogenannte neuartige Reaktorkonzepte. BASE – Forschungsberichte zur Sicherheit der nuklearen Entsorgung, BASE-018/24 (online verfügbar). Dies bezieht sich insbesondere auf Weiterentwicklungen des in den 1960er Jahren entwickelten Brüterreaktors.Christian von Hirschhausen (2022): Nuclear Power in the Twenty-first Century (Part II) – The Economic Value of Plutonium. DIW Discussion Paper 2011 (online verfügbar). Auch bezüglich dieser „neuen“ Reaktorklasse gilt, dass ein systemweiter Durchbruch wegen technischer und ökonomischer Mängel nicht zu erwarten ist, selbst wenn einige wenige Demonstrationskraftwerke in den nächsten Jahrzehnten gebaut werden sollten.
Es ist zu erwarten, dass Trump sowohl die Produktion als auch die Nutzung fossiler Energien in den USA stärken und erneuerbare Energien und Elektromobilität schwächen wird. Er dürfte wie schon in seiner ersten Amtszeit Umweltregulierungen und klimapolitische Maßnahmen zurückdrängen, auch indem er Posten in Regierung, Energieministerium und Umweltbehörde mit Klimawandelleugner*innen besetzt. Nunmehr liegt mit dem Programm seiner ultra-konservativen Berater, dem sogenannten Project 2025, ein konkreter und sehr detaillierter Fahrplan für Trumps Präsidentschaft vor, der deutlich schnellere Entwicklungen als während seiner ersten Amtszeit erwarten lässt.Vgl. Webseite Project 2025 (online verfügbar). Es handelt sich dabei nicht um ein Programm von Trump selbst, sondern es wurde von einer Gruppe Berater erstellt. Die ersten Ankündigungen von Trump seit seiner Wahl stimmen jedoch zu einem Großteil mit den Politikmaßnahmen im „Project 2025“ überein.
Eine komplette Rückabwicklung der Förderungen der grünen Wirtschaft im Rahmen des IRA ist jedoch eher unwahrscheinlich, weil auch republikanische Staaten vom IRA profitieren (Abbildung 6).
Für die internationale Klimapolitik ist Trumps Wahl ein Problem. Ein neuerlicher Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, wie Trump ihn 2019 schon einmal verfügt hat, ist wahrscheinlich.Siehe u.a. Reuters (2024): Trump prepares to withdraw from Paris climate agreement, NYT reports. 8. November 2024 (online verfügbar). Zusätzlich könnte er dieses Mal sogar aus der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) aussteigen, sodass die USA auf unbestimmte Zeit nicht an globalen Klimaverhandlungen teilnehmen würden und als wichtiger Geldgeber wegfielen. Der spätere Wiedereinstieg würde enorm schwierig werden, da dafür eine Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus nötig wäre.
Für die Klimaverhandlungen der nächsten Jahre wäre der Wegfall der USA problematisch, da sich dann womöglich auch andere Länder wie China, Indien oder Argentinien nicht mehr zu Klimaschutz verpflichtet sähen. Die USA sind als einer der größten Treibhausgasverursacher für die internationalen Klimaverhandlungen sehr wichtig. Wenn sie wegfallen, verfestigt sich die globale Klimakrise und selbst das 2-Grad-Ziel könnte unerreichbar werden. Allerdings sind die USA nur selten in der Geschichte in Sachen Klimaschutz vorangegangen, so dass ihr Ausstieg nicht zwangsläufig ein Ende der globalen Klimaschutzbemühungen bedeuten muss.
Die EU sollte angesichts der zweiten Amtszeit Trumps nicht auf das niedrige Ambitionsniveau der USA zurückfallen, sich also nicht auf einen Unterbietungswettlauf einlassen. Auch beim industriepolitischen Wettbewerb darf die EU die Klimapolitik nicht aus den Augen verlieren. Deutschland und Europa sollten vielmehr am Green Deal festhalten und finanzielle Anreize für grüne Märkte erhöhen. Die „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) sollten ausgeweitet werden, mit denen gezielt Unternehmen aus Zukunftsbereichen wie erneuerbare Energien, Batterieherstellung sowie Smart- und Clean-Technologien unterstützt werden. Derartige Technologien sind weltweit gefragt. Wenn die USA als Handelspartner wegen hoher Zölle eher ausfallen, sind andere trotzdem mehr interessiert.
Die Bedingungen für grüne Unternehmen werden sich in den USA höchstwahrscheinlich verschlechtern. So könnten jetzt Unternehmen aus den USA angelockt oder zurückgeholt werden. Dadurch könnte die deutsche Wirtschaft insgesamt profitieren und gestärkt werden. Die Präsidentschaft Trumps bietet die Chance, dass Deutschland in den Clean-Tech-Sektoren und -Unternehmen an alte Wettbewerbsvorteile anknüpfen und diese zurückholen kann, wenn hierzulande die Rahmenbedingungen stimmen und anders als in den USA politische Verlässlichkeit vorherrscht. Investitionen in emissionsfreie Technologien tragen zur dringend notwendigen Modernisierung der Industrie durch Innovationen bei. So werden langfristig Wettbewerbsvorteile und zukunftsfähige Jobs geschaffen. Wenn die USA diese schon aufs Spiel setzen, sollte Deutschland es besser machen.
Gleichzeitig sollte Deutschland seinen eigenen Ausstieg aus fossilen Energien konsequent verfolgen und deswegen nicht langfristig auf LNG setzen, also keine Langfristverträge mit US-Anbietern abschließen, die dort zu weiteren Investitionen in die Gasförderung und -verflüssigung führen. Atomenergie ist keine Option, weil sie teuer ist, sehr lange Bauzeiten benötigen würde und mit erheblichen ökologischen Herausforderungen der Entsorgung behaftet ist. Entscheidungsträger*innen in Deutschland und der EU sollten trotz der zu erwartenden Rückschritte in der US-Bundesklimapolitik im Kontakt mit US-Partnern bleiben, insbesondere in den progressiven Bundesstaaten und Städten.
Themen: Ressourcenmärkte, Klimapolitik, Europa, Energiewirtschaft
JEL-Classification: Q58;Q48;Q38
Keywords: USA, energy policy, climate policy
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-4-1