DIW Wochenbericht 15 / 2025, S. 230
Sandra Bohmann, Erich Wittenberg
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Frau Bohmann, in der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen wird immer wieder das Argument vorgebracht, dass die Menschen dann weniger oder gar nicht mehr arbeiten würden. Wie haben sich die Menschen in dem von Ihnen ausgewerteten Feldexperiment verhalten? Tatsächlich stellen wir nicht fest, dass die Personen in unserem Experiment weniger gearbeitet haben. Sowohl in der Kontrollgruppe als auch in der Maßnahmengruppe, die monatlich 1200 Euro erhalten hat, arbeiteten die Befragten jeweils 40 Stunden im Durchschnitt.
Der befürchtete Rückzug in die soziale Hängematte war also nicht zu beobachten? Nein, der war nicht zu beobachten. Einschränkend muss man sagen, dass unser Experiment eine begrenzte Laufzeit von drei Jahren hatte. Wenn die Menschen wissen, dass die Geldzahlungen in drei Jahren aufhören, hören sie nicht auf zu arbeiten.
Wie hat sich die monatliche Zahlung auf die Nutzung der Zeit ausgewirkt? Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Menschen mehr Zeit mit ihren Freunden, mit der Familie sowie mit dem Partner oder der Partnerin verbracht haben und auch ein bisschen mehr geschlafen haben. In den Bereichen Ausbildung oder Arbeitszeit sehen wir keine signifikanten Veränderungen.
Wofür haben die Beziehenden des bedingungslosen Grundeinkommens das zusätzliche Geld verwendet? Mit 447 Euro pro Monat wurde mehr als ein Drittel der monatlichen Geldzahlungen gespart. Zudem wurde mehr Geld für soziale Zwecke ausgegeben, also für Freunde und Bekannte, aber es wurde auch mehr Geld gespendet. Natürlich wurde auch mehr konsumiert, und zwar vor allem in den Bereichen Kleidung, Reisen und Freizeitaktivitäten.
Welche Auswirkungen hatte das simulierte Grundeinkommen auf das Wohlbefinden? Was das Wohlbefinden angeht, haben wir überraschenderweise sehr große Effekte beobachtet. Auf einer Skala von null bis zehn stieg das allgemeine Wohlbefinden, gemessen an der Frage, wie zufrieden die Menschen mit ihrem Leben sind, von 7,1 in der Vergleichsgruppe auf 7,6 in der Maßnahmengruppe. Das erscheint wenig, aber da die meisten Menschen in der Regel irgendetwas zwischen sechs und acht antworten, ist das ein relativ großer Effekt. Im Vergleich ist dieser Zugewinn an Wohlbefinden ähnlich stark, wie das bei einer Eheschließung zu beobachten ist. Zudem hatten die Personen, die das Geld bekommen haben, im gesamten Zeitverlauf eine deutlich höhere mentale Gesundheit und betrachteten ihr eigenes Leben und Tun als sinnhafter.
Wie hat sich das Bruttoeinkommen der Teilnehmenden ohne Berücksichtigung des zusätzlichen Geldbetrags entwickelt? Wir haben uns auch die Angaben zum Bruttoerwerbseinkommen, das unabhängig von den Geldzahlungen ist, angeschaut. Dabei zeigte sich, dass die Personen in der Maßnahmengruppe im Schnitt über diese drei Jahre monatlich 127 Euro weniger verdient haben. Aber dieser kleine negative Effekt ist statistisch nicht signifikant.
Welche Bedeutung haben Ihre Ergebnisse für die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen? Für die Beantwortung der Frage, wie sich ein für alle Menschen ausgezahltes bedingungsloses Grundeinkommen auswirken würde, sind unsere Ergebnisse ein kleines Puzzleteil. Wir haben nur einen sehr kleinen Anteil der Bevölkerung untersucht, aber weltweit gibt es gerade viele andere Studien, zwei davon in den USA, ein Experiment in Finnland und eines in Spanien, die auch zum Teil andere Einkommensgruppen oder andere Zielgruppen untersuchen oder untersucht haben. In der Zusammenschau all dieser Experimente kann man dann vielleicht deutlicher extrapolieren, wie sich bedingungslose Geldzahlungen in Hocheinkommensländern wie den USA oder Europa auswirken würden.