Konjunkturprognose Sommer 2025

Zollchaos überschattet Weltwirtschaft – Finanzpaket stützt deutsche Konjunktur

  • Deutsche Wirtschaft vor dem Aufschwung – Wachstum von 0,3 in diesem und 1,7 Prozent im kommenden Jahr erwartet – DIW Berlin hebt Prognose an
  • Investitionspaket der Bundesregierung als Impulsgeber – Effekt in diesem Jahr aufgrund von Planungsverzögerungen noch gering, aber spürbare Mittelabflüsse im kommenden Jahr
  • Vorgezogene US-Exporte aufgrund erwarteter Zölle und Konsum stützen Konjunktur im ersten Quartal 2025 – wohl Abkühlung in zweiter Jahreshälfte
  • Lage am Arbeitsmarkt bleibt angespannt, die Arbeitslosigkeit steigt zunächst – Inflation verharrt 2025 bei 2,1 Prozent und steigt auf 2,2 Prozent im nächsten Jahr
  • Geopolitische Spannungen und protektionistische Tendenzen belasten Weltwirtschaft: Wachstum von 3,3 Prozent in diesem und 3,4 Prozent im kommenden Jahr erwartet

Deutsche Wirtschaft

Finanzpaket lässt auf stärkere Binnenwirtschaft hoffen

Trotz des kraftvollen Jahresauftakts bleibt die Lage der deutschen Wirtschaft zunächst durchwachsen, bevor sich gegen Ende des Jahres wohl der lang erwartete Aufschwung einstellt. Das DIW Berlin prognostiziert für dieses Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 0,3 Prozent, für 2026 werden 1,7 Prozent erwartet (Tabelle Eckwerte Deutschland - siehe weiter unten).

© DIW Berlin

Damit hebt das Institut seine Prognose deutlich an. Die expansive Finanzpolitik stemmt sich gegen die Auswirkungen der höheren Handelszölle. Aus dem milliardenschweren Finanzpaket werden voraussichtlich ab dem kommenden Jahr Mittel in beträchtlicher Höhe abfließen, die Konsum und Investitionen ankurbeln. In diesem Jahr werden die neuen Finanzspielräume kaum zu Buche schlagen, da der öffentliche Haushalt 2025 erst im Herbst verabschiedet werden dürfte und sich damit die Planungs-, Genehmigungs- und Vergabeverfahren verzögern. Auch für 2026 dürfte der Mittelabfluss den durchschnittlichen jährlichen Investitionsbetrag für Infrastruktur von rund 40 Milliarden Euro noch deutlich unterschreiten. Dennoch werden die positiven Effekte spürbar sein und den dämpfenden Auswirkungen der strukturell schwächelnden Industrie und dem durch hohe Zölle gebeutelten Außenhandel entgegenwirken. Allerdings bleiben auch Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung bestehen: anhaltende geopolitische Spannungen und eine mögliche Eskalation im Handelskonflikt zwischen den USA und der EU. Schwungvoll in das neue Jahr gestartet ist die deutsche Konjunktur maßgeblich, weil Warenexporte in die USA angesichts drohender Zollerhöhung durch die US-Regierung vorgezogen wurden. Aber auch der private Konsum legte zu, während die saisonbereinigte Sparquote ungewöhnlich stark zurückging. Für das Verarbeitete Gewerbe gab es Hoffnungsschimmer, bei den Dienstleistern trübte sich die Stimmung allerdings zuletzt etwas ein. Im laufenden Quartal dürften bei den Exporten nur noch leichte Vorzieheffekte greifen, auch wenn nicht mehr so stark wie in den ersten drei Monaten. Der private Konsum dürfte weiter zulegen, jedoch mit geringerer Dynamik. Auf dem Arbeitsmarkt bleibt die Lage angespannt, die Zahl der Arbeitslosen steigt, viele fürchten einen Jobverlust. In der zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Konjunktur leicht abkühlen und dann zum Jahresende mit den allmählich greifenden finanzpolitischen Maßnahmen erneut an Tempo gewinnen. Die Inflation bleibt mit 2,1 Prozent in diesem Jahr stabil, dürfte 2026 leicht auf 2,2 Prozent steigen.

„Der überraschend schwungvolle Jahresauftakt dürfte uns vor einem weiteren Jahr der Stagnation bewahren. Das ändert aber nichts an den strukturellen Problemen der deutschen Wirtschaft, wie der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit und dem Fachkräftemangel. Ein starker Lichtblick ist das Investitionspaket für die Infrastruktur, das im kommenden Jahr spürbar wirken dürfte.“ DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlik

Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2024 2025 2026
Bruttoinlandsprodukt1 −0,2 0,3 1,7
Erwerbstätige2 (1000 Personen) 46081 46033 46071
Arbeitslose (1000 Personen) 2787 2958 2914
Arbeitslosenquote BA3 (in Prozent) 6,0 6,3 6,2
Verbraucherpreise4 2,2 2,1 2,2
Lohnstückkosten5 5,6 3,1 1,7
Finanzierungssaldo des Staates6
in Milliarden Euro −115,6 −115,2 −149,3
in Prozent des nominalen BIP −2,7 −2,6 −3,3
Leistungsbilanzsaldo
in Milliarden Euro 246,7 233,5 209,3
in Prozent des nominalen BIP 5,7 5,3 4,6

1 Preisbereinigt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.

2 Inlandskonzept.

3 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).

4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr.

5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale BIP je Erwerbstätigenstunde.

6 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2025.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit, Bundesbank; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2025.

Weltwirtschaft

Trumps Zollpolitik hinterlässt Spuren – insbesondere in den USA

Von der alles in allem positiven Entwicklung in Deutschland dürften auch einige EU-Mitgliedsländer und damit der gesamte Euroraum profitieren. Insgesamt aber bleibt die Weltwirtschaft überschattet von der US-Zollpolitik. Dies wird aber wohl am meisten die USA selbst treffen, deren Wirtschaft nach 2,8 Prozent im vergangenen Jahr wohl nur noch um 1,4 in diesem Jahr und 1,6 Prozent im kommenden Jahr wachsen dürfte. Für die globale Wirtschaft wird mit einem Wachstum von 3,3 Prozent in diesem und 3,4 Prozent im kommenden Jahr gerechnet .

Tabelle 9: Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Weltwirtschaft

In Prozent

Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Arbeitslosenquote in Prozent
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
2023 2024 2025 2026 2023 2024 2025 2026 2023 2024 2025 2026
Europa
Europäische Union 0,6 1,0 1,5 1,8 6,4 2,6 2,5 2,3 6,1 6,0 5,8 5,8
Euroraum 0,6 0,8 1,3 1,3 5,4 2,4 2,2 2,0 6,6 6,4 6,2 6,2
ohne Deutschland 1,2 1,4 1,2 1,3 5,0 2,2 2,0 1,9 8,3 7,8 7,5 7,5
Frankreich 1,1 1,1 0,6 1,2 5,7 2,3 1,7 1,8 7,3 7,4 7,4 7,5
Italien 0,8 0,5 0,7 0,9 5,9 1,1 1,8 1,9 7,7 6,6 6,3 6,3
Spanien 2,7 3,2 2,4 2,1 3,4 2,9 2,3 1,9 12,2 11,4 10,5 10,2
Niederlande 0,1 1,0 1,4 1,1 4,1 3,2 3,0 2,0 3,6 3,7 3,7 3,6
Vereinigtes Königreich 0,4 1,1 1,3 1,4 7,3 2,5 3,2 2,4 4,1 4,3 4,4 4,3
Schweiz 0,7 1,3 1,1 1,2 2,1 1,1 0,3 0,9 4,0 4,3 4,6 4,3
Mittel- und Südosteuropa (MOE) 0,6 1,9 2,5 3,3 11,5 4,0 3,9 3,3 3,6 3,7 3,6 3,5
Türkei 5,1 3,2 2,8 3,1 54,0 58,5 36,9 29,8 9,4 8,7 8,4 8,5
Russland1 3,9 4,4 1,5 1,0 5,9 8,5 9,8 7,9 3,2 2,5 2,4 2,4
Amerika
USA 2,9 2,8 1,4 1,6 4,1 3,0 2,8 2,5 3,6 4,0 4,3 4,5
Mexiko 3,4 1,2 −0,4 0,9 5,5 4,7 3,8 3,1 2,8 2,7 3,4 3,8
Brasilien 3,2 2,9 1,8 1,9 4,6 4,4 5,3 3,8 8,0 6,9 6,9 7,0
Asien
Japan 1,4 0,2 0,7 0,6 3,3 2,7 2,7 1,7 2,6 2,5 2,4 2,3
Südkorea 1,4 2,1 0,9 2,2 3,6 2,3 2,5 1,9 2,7 2,8 2,9 3,0
China 5,4 5,0 4,3 3,9 −1,7 0,0 0,1 1,1 5,2 5,1 5,2 5,1
Indien 8,8 6,9 6,3 6,5 5,7 4,9 4,1 4,4 8,1 8,0 7,9 7,7
Total
Fortgeschrittene Volkswirtschaften 1,8 1,9 1,3 1,5 4,6 3,3 3,0 2,5 4,4 4,5 4,5 4,6
Schwellenländer 5,8 5,1 4,4 4,3 4,2 5,7 5,4 5,4 6,2 6,0 6,0 5,9
Welt 4,2 4,0 3,3 3,4 4,2 3,9 3,8 3,6 5,8 5,7 5,7 5,7
Nachrichtlich:
Exportgewichtet2 3,1 2,9 2,4 2,5
BIP in US-Dollar gewichtet3 3,4 3,1 2,7 2,7

1 Die für Russland prognostizierten Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Russland hat nur geringes Gewicht in der Gesamtprognose.

2 Gewichtung der Welt mit den Anteilen an den deutschen Ausfuhren über das Jahr 2024.

3 Gewichtung der Welt mit dem BIP in US-Dollar der Jahre 2023 bis 2026.

Anmerkungen: Die schwarzen Zahlen sind abgerechnete Zahlen. Die Werte der Ländergruppen sind ein gewichteter Durchschnitt, wobei für die Gewichtung des BIP und der Verbraucherpreise das jeweilige BIP in Kaufkraftparitäten aus IMF World Economic Outlook für die Jahre 2023 bis 2026 verwendet wird. Für die Gewichtung der Arbeitslosenzahlen in den Ländergruppen wird die Erwerbsbevölkerung (15 bis 64 Jahre) des jeweiligen Landes für das Jahr 2023 verwendet. MOE besteht aus Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn.

Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2025.

Links und Downloads

O-Ton von Geraldine Dany-Knedlik
Öffentliche Mehrausgaben schieben Konjunktur schon in der kurzen Frist an - Interview mit Geraldine Dany-Knedlik

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