DIW Wochenbericht 27/28 / 2025, S. 435-440
Olimpia Cutinelli-Rendina, Sonja Dobkowitz
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„Die Automobilbranche in den USA zeigt, dass Unternehmen ihre Lobbyausgaben gegen mehr Umweltschutz erhöhen, wenn das Umweltbewusstsein von Verbraucher*innen wächst. Strengere Transparenzvorschriften für Unternehmen und Politiker*innen könnten ein Instrument sein, um diesem Effekt entgegenzuwirken.“ Sonja Dobkowitz
Ein Anstieg der Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten bedeutet oftmals auch einen Rückgang der Nachfrage nach emissionsintensiven Produkten. Für die betroffenen Unternehmen hat dies einen Einbruch bisheriger Einnahmequellen zur Folge. Anhand der Automobilbranche in den USA zeigt dieser Bericht, dass Lobbyausgaben gegen Umweltschutz als Reaktion auf eine grünere Nachfrage zunehmen. Auf diese Weise versuchen Unternehmen ihre Gewinne aus dem Verkauf konventioneller Produkte zu schützen. Zwar nutzen alle Unternehmen Lobbyismus gegen Umweltschutz, aber Unternehmen mit einem hohen Anteil von Verbrennungsmotoren in ihrem Produktportfolio erhöhen ihre Ausgaben besonders stark. Dies vergrößert ein mögliches Ungleichgewicht zugunsten von Lobbyismus gegen Umweltschutz. Die Politik sollte diesen Fallstrick eines gestiegenen Umweltbewusstseins berücksichtigen und ihm durch striktere Transparenzvorgaben und Verhaltenskodizes für Politiker*innen entgegenwirken, wenn sie Haushalte zu einem umweltfreundlicheren Konsumverhalten ermuntert.
Der Automobilsektor ist einer der wichtigsten Sektoren für die grüne Transformation. Im Jahr 2022 machte der Verkehr knapp 20 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen aus, und der Anteil ist seit 1990 um gut sieben Prozentpunkte gestiegen.Umweltbundesamt (2024): Verkehr belastet Luft und Klima – Minderungsziele der Bundesregierung (online verfügbar; abgerufen am 15. Juni 2025. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Gleichzeitig sind in diesem Sektor emissionsarme Technologien durchaus vorhanden: elektrisch oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge. Ein Grund für ein Festhalten an konventionellen, emissionsintensiven Fahrzeugen stellt die politische Einflussnahme der Automobilhersteller dar.Zum Beispiel zählt laut LobbyControl der Verband der Automobilindustrie zu den drei Verbänden mit den höchsten Lobbyausgaben im Jahr 2022. LobbyControl (2024): Lobbyreport 2024.
Grundsätzlich ist die Vertretung von Interessen in der Politik durch die Bereitstellung von Informationen ein förderlicher Bestandteil der Demokratie. Allerdings sind oftmals Schieflagen zu beobachten. So zeigt die Forschung, dass Lobbyarbeit, die den Status Quo beibehalten will, erfolgreicher ist,Siehe Amy McKay (2012): Negative Lobbying and Policy Outcomes. American Politics Research, 1, 116–146. und dass Unternehmen, die von Umweltschutz negativ betroffen wären, mehr Lobbyarbeit betreiben als solche, die profitieren würden. Zudem belegt sie, dass Lobbyarbeit gegen Umweltschutz hohe gesellschaftliche Kosten mit sich bringt und zu einer Abweichung politischer Entscheidungen vom Wähler*inneninteresse führt.Vgl. hierzu unter anderem Sung Eun Kim, Johannes Urpelainen und Joonseok Yang (2016): Electric utilities and American climate policy: lobbying by expected winners and losers. Journal of Public Policy 36 (2), 251–275; Kyle C. Meng und Ashwin Rode (2019): The social cost of lobbying over climate policy. Natural Climate Change, 9, 472–476.
Neben Unternehmen sind Haushalte ein zentraler Faktor für die grüne Transformation. Tatsächlich gilt eine grünere Nachfrage als eine Stellschraube der grünen Transformation.Siehe Sachverständigenrat für Umweltfragen (2023): Politik in der Pflicht: Umweltfreundliches Verhalten erleichtern. Sondergutachten (online verfügbar); Sonja Dobkowitz (2025): „Grüne“ Einstellungen von Verbraucher*innen sind effektive Stellschraube für mehr Umweltschutz. DIW Wochenbericht Nr. 23, 335–341 (online verfügbar). Dieser Wochenbericht bringt beide Aspekte zusammen und fragt nach der Bedeutung von grüneren Haushaltspräferenzen für das Lobbyverhalten von Unternehmen. Die Untersuchung stützt sich auf Daten zur Automobilbranche zwischen den Jahren 2006 bis 2019 in den USA.Die Untersuchungsmethode basiert auf der Arbeit von Olimpia Cutinelli-Rendina, Sonja Dobkowitz und Antoine Mayerowitz (2025): Environemntally-Responsible Households: Irresponsible Corporate Lobbying. DIW Discussion Paper Nr. 2115 (online verfügbar). Die betrachteten Automobilhersteller sind BMW, Daimler, FCA (Fiat Chrysler Automobiles), Ford, Geely Automobile Hld., General Motors, Honda, Hyundai Kia Automotive Group, Isuzu, Mazda Motors Group, Renault-Nissan-Mitsubishi, Subaru Group, Suzuki, Tata Group, Toyota Group, Volkswagen. Dabei handelt es sich häufig um Unternehmensgruppen, so umfasst Tata Group zum Beispiel die Marken Jaguar, Land Rover und Tata. Tesla wird als einziges Unternehmen, das ausschließlichelektrisch betriebene Fahrzeuge produziert, nicht betrachtet.
Grundsätzlich können Haushaltspräferenzen nur sehr schwer direkt gemessen werden. Befragungen sind eine Möglichkeit, eine andere ist, beobachtetes Verhalten als Ausgangspunkt zu verwenden. Bei den Lobbyausgaben von Unternehmen stellt sich das Problem, dass diese zum einen beobachtet und zum anderen mit Blick auf die gewünschte Wirkung klassifiziert werden müssen.
Zur Messung der Haushaltspräferenzen wird ein Index herangezogen, der auf der Häufigkeit von Online-Suchanfragen (Google) in US-Bundesstaaten basiert. Dabei wird das Interesse an Begriffen genutzt, die auf eine Bereitschaft zu umweltbewussten Verhaltensveränderungen schließen lassen – konkret handelt es sich um die Suchbegriffe „Recycling“, „Solar Energy“ und „Electric Car“.Der Index wird ausführlich beschrieben in Cutinelli-Rendina, Dobkowitz und Mayerowitz (2025), a.a.O.
Der Index stellt aus mindestens zwei Gründen einen zuverlässigen Indikator für die umweltbezogene Bereitschaft zur Verhaltensveränderung von Haushalten dar. Erstens demonstriert ein Vergleich mit Umfragedaten von Gallup zur Sorge über Klimawandel, dass der Index ähnliche zeitliche Muster wie die Umfragedaten aufweist. Zweitens zeigen die Daten, dass ein höherer Index mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einhergeht, dass ein Haushalt ein Elektroauto besitzt oder Solarenergie nutzt. Auch die spätere Unterstützung von Umweltpolitik ist positiv mit früheren Indexwerten verknüpft.
Seit 1995 besteht in den USA die gesetzliche Vorgabe, dass Lobbyist*innen ihre Tätigkeiten gegenüber dem Office of Public Records des US-Senats transparent machen müssen. Deutschland hat ein Lobbyregister beim Deutschen Bundestag eingerichtet. Eintragungensind seit 2022 verpflichtend. Dennoch beklagt die GRECO (Group of States against Corruption),eine vom Europarat etablierte Einrichtung zur Bekämpfung von Korruption, in ihrer letzten Evaluierung von 2022, dass Deutschland nur teilweise die Empfehlungen gegen Korruption umgesetzthat. GRECO (2022): Fünfte Evaluierungsrunde (online verfügbar). Die geforderten Informationen umfassen unter anderem Angaben zu den Auftraggebern, den finanziellen Mitteln, den behandelten Politikfeldern sowie den angesprochenen Institutionen.Informationen aus den Lobbyberichten werden von LobbyView bereitgestellt. Vgl. In Song Kim (2018): LobbyView: Firm-level Lobbying & Congressional Bills Database (online verfügbar). Auf Grundlage der thematischen Zuordnung lassen sich Lobbyausgaben zu Umweltthemen separat betrachten. Dazu zählen etwa Ausgaben im Zusammenhang mit Umweltschutz, Energie- und Atompolitik, Luft- und Wasserqualität sowie dem Bereich fossile Energieträger.
Lobbyausgaben zu Umweltthemen können nicht direkt in solche gegen und solche für mehr Umweltschutz unterteilt werden, da Informationen zu der Intention der Einflussnahme fehlen. Die Literatur nutzt daher Informationen zur politischen Ausrichtung der beauftragten Lobbyist*innen, um annäherungsweise das Motiv hinter den Lobbyausgaben zu erfassen.Diese Herangehensweise folgt Sungjoung Kwon, Michelle Lowry und Michela Verardo (2023): DP18327 Firms’ Transition to Green: Innovation versus Lobbying, CEPR Discussion Paper No. 18327 (online verfügbar). Die Grundannahme ist, dass Unternehmen republikanisch gesinnte Lobbyist*innen einsetzen, um Umweltregulierung zu verhindern, und demokratisch orientierte, um sie zu fördern.
Als Datengrundlage dienen zum einen Lobbyberichte, die im Rahmen der offiziellen Offenlegungspflicht beim US-Senat eingereicht wurden.Die für die Analyse genutzten Berichte stammen von der Senate Disclosure Website (online verfügbar). Diese erlauben die Verbindungen zwischen Unternehmen und Lobbyist*innen konkreten Lobbyausgaben zu Umweltthemen zuzuordnen. Zum anderen werden Informationen über die politischen Verbindungen der Lobbyist*innen eingesetzt. Ein Lobbyist wird als demokratisch (republikanisch) eingestuft, wenn mindestens 75 Prozent seiner bisherigen Wahlkampfspenden an demokratische (republikanische) Kandidat*innen gingen.Informationen zu Wahlkampfspenden basieren auf Kim (2018), a.a.O. Zusätzlich werden in der hier betrachteten Datengrundlage frühere berufliche Verbindungen zu Abgeordneten berücksichtigt.Grundlage bilden die Daten aus Rodrigo Garza, Nicholas Liu und Cole Ruehle (2023): Who Are America’s Lobbyists? A Comprehensive Dataset of Histories, Donations, and Influence (online verfügbar). So wird ein Lobbyist ebenfalls als demokratisch (republikanisch) eingestuft, wenn er oder sie früher für eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten der entsprechenden Partei gearbeitet hat.Wird ein Lobbyist sowohl mit einem republikanischen als auch einem demokratischen Abgeordneten in Verbindung gebracht, wird der Lobbyist als politisch neutral betrachtet. Ebenso wird einem Lobbyisten keine politische Zugehörigkeit zugewiesen, wenn die Informationen zu Wahlkampfspenden und früheren Tätigkeiten widersprüchlich sind. Etwa 38 Prozent der Lobbyausgaben zu Umweltthemen im genutzten Datensatz gelten als für mehr Umweltschutz gerichtet, während 20 Prozent als gegen mehr Umweltschutz eingestuft werden. 42 Prozent bleiben ohne Klassifizierung.
Mithilfe einer Shift-Share-Instrumentvariablenschätzung werden die beschriebenen Daten auf die Frage hin untersucht, wie Automobilhersteller Lobbyismus in Reaktion auf eine grünere Nachfrage einsetzen (Kasten). Zwei gegenläufige Hypothesen sind plausibel. Auf der einen Seite können Unternehmen zu mehr Lobbyarbeit gegen Umweltschutz tendieren, um zusätzliche Umweltregulierungen zu vermeiden. Auf der anderen Seite ist es denkbar, dass Unternehmen mehr umweltfreundliche Lobbyausgaben tätigen. Wenn Firmen mehr umweltfreundliche Produkte anbieten, um auf eine grünere Nachfrage zu reagieren, dann könnten sie ein Interesse daran haben, den Wettbewerb in diesen Märkten gering zu halten. Strengere Umweltregulierungen, die die Unternehmen aufgrund ihrer neuen Produkte erfüllen, können dies erreichen.Vgl. Felix Grey (2018): Corporate lobbying for environmental protection. Journal of Environmental Economics and Management, 90, 23–40.
Ziel der empirischen Analyse ist es, den Einfluss einer Veränderung der Bereitschaft von Haushalten, umweltbewusst zu handeln, auf Unternehmen zu schätzen. Hierfür wird eine Instrumentvariablenschätzung (IV-Schätzung) mit einem Shift-Share-Ansatz kombiniert. Im Rahmen der IV-Schätzung wird nur der Teil von Haushaltspräferenzen genutzt, der durch ein Instrument erklärbar ist. Diese werden mit Hilfe von Informationen zu Waldbränden in den verschiedenen Bundesstaaten geschätzt. Dieser Ansatz soll sicherstellen, dass der gemessene Effekt auf Unternehmen tatsächlich auf Präferenzveränderungen zurückzuführen ist. Die Annahme ist, dass Waldbrände Präferenzen beeinflussen, aber nicht systematisch mit den Lobbyausgaben der Unternehmen korreliert sind.
Um dies zu gewährleisten, werden systematische Unterschiede zwischen Unternehmen und Zeitpunkten mit sogenannten Fixed Effects für Zeiträume und Unternehmen erfasst. Zusätzlich werden weitere Kontrollvariablen auf Bundesstaatenebene berücksichtigt, zum Beispiel der Anteil der Bevölkerung, der öffentliche Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit nutzt. Letztendlich bedeutet dies, dass nur solche Abweichungen der Lobbyausgaben berücksichtigt werden, die unerwartet sind.
Haushaltspräferenzen und Unternehmen werden zusammengebracht, indem der Anteil an Umsätzen, die die Automobilhersteller in den verschiedenen Bundesstaaten erzielen, genutzt wird. Dies ist der Shift-Share-Anteil der Analyse. Damit kann erfasst werden, in welchem Umfang Automobilhersteller von Präferenzänderungen auf Bundestaaten-Ebene betroffen sind.
Für den methodischen Ansatz ist es wichtig, dass eine ausreichende Variation in den von Waldbränden verursachten Veränderungen der Haushaltspräferenzen vorliegt, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist.Dass dies der Fall ist, wird in Cutinelli-Rendina, Dobkowitz und Mayerowitz (2025), a.a.O. gezeigt. Dies ist gegeben, denn zum einen sind lokale Märkte (Bundesstaaten) für Unternehmen unterschiedlich wichtig. Zum Beispiel verkaufen Ford, Toyota und Jeep recht gleichmäßig in den USA. BMW und General Motors sind dagegen eher auf bestimmte Regionen konzentriert. Zum anderen variieren sowohl die Intensität als auch die Bundesstaaten, in denen Waldbrände auftreten.
In dem Modell wird für jedes Quartal zwischen Anfang 2006 und Ende 2019 die Wachstumsrate des Index für die Haushaltspräferenzen berechnet. Die Wachstumsrate bezieht sich auf die vorangegangenen zwei Jahre. Im Anschluss wird untersucht, welchen Effekt diese Wachstumsrate auf die Wachstumsrate der Lobbyausgaben (wiederum bezogen auf die vorangegangenen zwei Jahre) in dem gleichen Quartal hat. Dies geschieht anhand einer Regressionsanalyse (ein Bestandteil des Shift-Share-Ansatzes), in der die logarithmierten Wachstumsraten berücksichtigt werden. Diese Transformation erlaubt eine Interpretation der Ergebnisse in Prozent. Für eine einprozentige Erhöhung der Wachstumsrate des Index ist die Höhe des Effektes gleich dem Wert für das Quartal 0 in den Abbildungen.
Darüber hinaus werden die Effekte veränderter Präferenzen über größere Zeitspannen untersucht, also solche Effekte, die nach der Veränderung der Haushaltspräferenzen auftreten (Local-Projections-Ansatz). Hierzu werden Wachstumsraten der Lobbyausgaben über verschieden lange Zeiträume betrachtet (Quartale 1 bis 20 in den Abbildungen). Die Steigung der Wachstumsraten der Lobbyausgaben in den Abbildungen 1 und 2 gibt die Richtung des Effekts auf die vierteljährliche Wachstumsrate an. Eine negative Steigung zwischen zwei benachbarten Quartalen bedeutet einen negativen Effekt des Index auf die Wachstumsrate zwischen diesen beiden Quartalen.
Für die US-Daten aus den Jahren 2006 bis 2019 zeigt sich, dass Automobilhersteller im Durchschnitt als Reaktion auf grünere Haushaltpräferenzen mehr Lobbyarbeit gegen Umweltregulierung betreiben (Abbildung 1). Auf einen Anstieg der Wachstumsrate des Index für grünere Haushaltspräferenzen um ein Prozent reagieren Unternehmen unmittelbar mit einer Erhöhung der Wachstumsrate ihrer Lobbyausgaben gegen Umweltschutz: im Durchschnitt um gut fünf Prozent. In den folgenden acht Quartalen bleiben die Lobbyausgaben gegen Umweltschutz erhöht. Nach diesem Zeitpunkt reduzieren Unternehmen ihre Lobbyausgaben gegen Umweltschutz wieder, so dass in der langen Frist, ab einem Horizont von gut zwei Jahren (neun Quartalen), das Wachstum der Ausgaben auf demselben Niveau wie ohne eine Veränderung der Haushaltspräferenzen liegt. Damit nutzen Automobilhersteller Lobbyausgaben gegen mehr Umweltschutz vor allem in der kurzen bis mittleren Frist (bis zu neun Quartale nach Veränderung der Haushaltspräferenzen), um mit einer grüneren Nachfrage umzugehen.
Im Gegensatz dazu werden Lobbyausgaben für Umweltschutz zunächst reduziert: Ihr Wachstum fällt etwa elf Prozent niedriger aus als ohne eine einprozentige Veränderung des Wachstums des Index für Haushaltspräferenzen (Abbildung 1). Allerdings erhöhen Unternehmen ihre Ausgaben für mehr Umweltschutz in den folgenden Quartalen bis zum Ende des Analysehorizontes wieder, so dass etwa acht Quartale nach der Veränderung der Haushaltspräferenzen ein positiver Effekt auf Lobbyausgaben für Umweltschutz zu verzeichnen ist. Letztlich kumuliert der stetige Anstieg der umweltfreundlichen Lobbyausgaben bei einer um 15 Prozent höheren siebenjährigen Wachstumsrate.Gemessen vom Beginn der zweijährigen Periode, in der die Veränderung der Haushaltspräferenzen stattfindet, bis 20 Quartale (fünf Jahre) danach.
Zusammengenommen bestätigen die Ergebnisse beide zu Beginn dargestellten Hypothesen: Kurzfristig schützen Unternehmen ihre Einnahmen aus dem Verkauf von Verbrennungsmotoren mit umweltunfreundlicher Lobbytätigkeit, während sie langfristig saubere Marktsegmente durch mehr Lobbyausgaben für Umweltschutz schützen.Die anfängliche Reduktion der Lobbyausgaben für mehr Umweltschutz lässt sich zum Beispiel durch eine geringere Notwendigkeit erklären, wenn Haushalte mehr saubere Produkte konsumieren wollen.
Die vorherigen Ergebnisse zeichnen ein Bild für einen durchschnittlichen Automobilhersteller in der zugrundeliegenden Stichprobe, nicht jedoch für einzelne Hersteller. Auf der einen Seite könnten alle Hersteller Lobbyismus ähnlich einsetzen, um auf eine grünere Nachfrage zu reagieren. Auf der anderen Seite könnten manche Unternehmen den Umfang ihrer Lobbyarbeit erhöhen, während andere Lobbyismus gar nicht einsetzen. Konkret kann vermutet werden, dass sich die Reaktionen der Hersteller in Abhängigkeit von ihrem Produktportfolio unterscheiden, insbesondere mit Blick auf die Anteile aus dem Verkauf von Verbrennungsmotoren an ihren Umsätzen. Diese Anteile können als Maß für die Relevanz einer Reduktion der Nachfrage nach Verbrennungsmotoren auf Unternehmensebene verstanden werden.
Die Hypothese lautet, dass Unternehmen mit einem schmutzigeren Produktportfolio stärker auf Lobbyismus zurückgreifen. Dahinter stehen drei mögliche Erklärungen: Erstens dürften Unternehmen mit einem höheren Anteil von Verbrennungsmotoren stärker von einer sinkenden Nachfrage nach diesen Produkten betroffen sein. Zweitens könnte für sie ein größerer Anpassungsdruck bestehen, in eine grüne Transformation ihrer Technologie zu investieren. Drittens könnten sie von neuen Regulierungen stärker betroffen sein.
Es zeigt sich, dass Hersteller mit einem höheren Anteil von Verbrennungsmotoren in ihrem Verkaufsportfolio zu einem stärkeren Einsatz gegen Umweltregulierung tendieren (Abbildung 2). Besonders in der mittleren Frist, zwei bis acht Quartale nach der Veränderung der Haushaltspräferenzen, steigt das Wachstum der Lobbyausgaben bei Unternehmen mit einem höheren Anteil von Verbrennungsmotoren schneller an. So steigt zum Beispiel die vierjährige WachstumsrateGemessen mit Beginn der Veränderung der Haushaltspräferenzen bis zu acht Quartalen danach. des Unternehmens mit dem größten Anteil verkaufter Verbrennungsmotoren (ein Anteil von 93 Prozent) um 13 Prozent, während das Unternehmen mit dem durchschnittlichen Anteil (45 Prozent) diese nur um etwa acht Prozent erhöht. In der langen Frist ist kein Unterschied im Verhalten der Unternehmen festzustellen.
Die grüne Transformation birgt Kosten für Unternehmen: Umsätze aus konventionellen Produkten gehen zurück, gleichzeitig werden Investitionen in umweltfreundliche Technologien notwendig. Dieser Artikel zeigt am Beispiel der Automobilindustrie in den USA, dass Unternehmen in den Jahren 2006 bis 2019 ihre Ausgaben für Lobbyarbeit gegen umweltpolitische Maßnahmen erhöht haben, um die für sie negativen Effekte einer grüneren Nachfrage abzumildern. Zudem setzen Unternehmen, die auf den Verkauf von Verbrennungsmotoren spezialisiert sind, Lobbyismus gegen Umweltregulierung als Reaktion auf grünere Haushaltspräferenzen stärker ein. Im Hinblick auf die Bedeutung der gegen Umweltschutz gerichteten Lobbyaktivitäten für eine effektive Umweltregulierung ist dieses Ergebnis nicht zu unterschätzen – selbst wenn die Lobbyaktivitäten nur zeitlich begrenzt erhöht werden.
Die Politik sollte sich dieser Problematik bewusst sein, zumal grünere Haushaltspräferenzen als vielversprechende Ergänzung zu steuerpolitischen Anreizen gelten. Insbesondere könnten strengere Transparenzvorgaben und Verhaltenskodizes für Politiker*innen einem übermäßigen Lobbyismus gegen Umweltregulierung entgegenwirken.
Themen: Verbraucher, Unternehmen, Klimapolitik, Energiewirtschaft
JEL-Classification: D9;D70;P28
Keywords: Green transition, corporate environmental lobbying, green household preferences
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-27-4