Pressemitteilung vom 1. April 2020
ForscherInnen des DIW Berlin untersuchen Unterschiede in der Kita-Nutzung unter Dreijähriger und deren Gründe nach Bildungsgrad der Mutter und Migrationshintergrund beider Eltern – Kinder von Müttern ohne Abitur oder mit Migrationshintergrund beider Eltern gehen seltener zur Kita – Gute-KiTa-Gesetz will Teilhabe im Kita-Bereich verbessern – Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze hilft, aber auch zielgruppenspezifische Maßnahmen wie geringere Kosten und mehrsprachige ErzieherInnen sind wichtig
Seit einigen Jahren nimmt der Anteil von Kindern unter drei Jahren in Kitas beständig zu. Wird näher betrachtet, wer die Kita-Plätze in Anspruch nimmt, zeigen sich erhebliche Unterschiede: Kinder von Müttern ohne Abitur besuchen seltener eine Kita als diejenigen, die eine Mutter mit höherem Bildungsgrad haben. Das gleiche gilt für unter Dreijährige mit Migrationshintergrund beider Eltern. Sie werden seltener in einer Kindertagesstätte betreut als Kinder, von denen höchstens ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat.
Ein Ziel des im vergangenen Jahr von der Bundesregierung verabschiedeten Gute-KiTa-Gesetzes ist, die Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen in der Kindertagesbetreuung zu verbessern, um so die frühkindliche Bildung zu fördern. Ob diese Strategie aufgeht, kann unter anderem anhand der unterschiedlichen Kita-Nutzungsquoten von Kindern unter drei Jahren nach Bildung der Mutter und Migrationshintergrund der Eltern abgelesen werden.
„Wenn ab dem zweiten Lebensjahr mehr Kinder in Kitas gehen, ändert sich dies fundamental: In den Kitas sind Kinder mit höher gebildeten Müttern über- und Kinder, deren Eltern beide einen Migrationshintergrund haben, unterrepräsentiert.“ Jonas Jessen
Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) beleuchtet eben diese Unterschiede der Kita-Nutzung bei unter Dreijährigen (U3) und die Gründe dafür. Die DIW-ÖkonomInnen C. Katharina Spieß, Jonas Jessen und Sevrin Waights analysieren, wie insbesondere Kinder aus bislang unterrepräsentierten Gruppen mehr von früher Betreuung und Bildung in Kitas profitieren könnten. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Schaffung weiterer Kita-Plätze zwar Abhilfe schaffen würde, aber noch weitere zielgerichtete Maßnahmen notwendig sind. Die Untersuchung basiert auf der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) der Jahre 2012 bis 2016.
„Die Kita-Nutzung von Kindern im ersten Lebensjahr ist bei allen untersuchten Gruppen in etwa gleich gering“, sagt Studienautor Jessen. „Wenn ab dem zweiten Lebensjahr mehr Kinder in Kitas gehen, ändert sich dies fundamental: In den Kitas sind Kinder mit höher gebildeten Müttern über- und Kinder, deren Eltern beide einen Migrationshintergrund haben, unterrepräsentiert.“ So unterscheidet sich die Kita-Nutzungsquote nach dem Bildungsabschluss der Mutter über die Jahre um durchschnittlich 14 Prozentpunkte. 38 Prozent der Kinder von Müttern mit Abitur besuchen eine Kita, in der anderen Gruppe sind es lediglich 24 Prozent. Bei Kindern mit Migrationshintergrund beider Eltern und ihrer Vergleichsgruppe beträgt der Abstand im Mittel der Jahre zwölf Prozentpunkte.
© DIW Berlin
Eine Ursache für die Nutzungsunterschiede ist, dass Mütter ohne Abitur seltener eine Kita-Betreuung wünschen als ihre Vergleichsgruppen. Bemerkenswert ist, dass sich Eltern mit Migrationshintergrund im gleichen Maß wie andere Eltern eine Betreuung in einer Kita wünschen. Eltern, die beide einen Migrationshintergrund haben und deren Kinder noch keine Kita nutzen, erhoffen sich einfachere Anmeldeformalitäten. Eine zu große Entfernung zur Einrichtung hält zudem einige von ihnen von einer Kita-Betreuung ab. Sie würden sich insbesondere auch mehrsprachige ErzieherInnen und mehr Rücksicht auf Kultur und Religion wünschen.
Wenn regional nicht ausreichend Kita-Plätze vorhanden sind, haben der Untersuchung zufolge oft Mütter mit einem niedrigeren Schulabschluss das Nachsehen: Konkurrieren sie mit Müttern mit Abitur um einen Kita-Platz, gehen sie eher leer aus. Bei Kindern mit Migrationshintergrund scheint der Aspekt des Wettbewerbs um Betreuungsplätze zwar auch eine Rolle zu spielen, aber hier sind zudem andere Faktoren sehr wichtig.
Insgesamt legt die Studie nahe, dass nach wie vor gerade Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Kita nutzen als beispielsweise diejenigen aus einem bildungsstärkeren Umfeld. Hier setzen die Empfehlungen der StudienautorInnen an: So sollten nicht nur generell mehr Betreuungsmöglichkeiten geschaffen werden. Wichtig ist auch, mehr auf die Bedürfnisse der in Kitas unterrepräsentierten Gruppen einzugehen, um die Unterschiede in der Kita-Nutzung zu verringern.
„Ein weiterer Ausbau der Kita-Plätze für den U3-Bereich kann dabei helfen, Unterschiede zu verringern, aber es sind auch weitere zielgruppenspezifische Maßnahmen erforderlich“, sagt C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin. Für Mütter ohne Abitur wären etwa Informationen über die Bedeutung der Kita-Betreuung denkbar. Auch bessere Betreuungszeiten, geringere Kosten für bestimmte Gruppen und eine leichtere Anmeldung könnten zu einer größeren Teilhabe ihrer Kinder führen. Darüber hinaus dürften mehrsprachige ErzieherInnen dafür sorgen, dass mehr Kinder mit einem Migrationshintergrund beider Eltern die Kindertagesbetreuung besuchen.