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Finanzmärkte erwarten langanhaltende Krise

Pressemitteilung vom 13. Mai 2020

Renditen europäischer Unternehmensanleihen steigen auch bei langen Laufzeiten – Finanzmärkte rechnen derzeit nicht mit Bankencrash – Interventionen der EZB und der EU stabilisieren Renditen – Fiskalpolitische Maßnahmen wirken nur, wenn sie sehr groß angelegt sind wie das deutsche Rettungspaket 

Dass die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie schwerwiegend sind, ist inzwischen klar. Doch wie lange diese Auswirkungen spürbar sein werden, ist offen. Die Finanzmarktteilnehmer rechnen mit Auswirkungen, die mindestens noch fünf Jahre auf die Wirtschaft durchschlagen. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Deutschen  Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die DIW-MakroökonomInnen Stephanie Ettmeier, Chi Hyun Kim und Alexander Kriwoluzky haben anhand von Unternehmensanleihen aus den vier größten EU-Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien untersucht, wie die Renditen auf die Corona-Pandemie reagieren. Ihr Ergebnis: Die Anleiherenditen steigen in allen Ländern und über alle Laufzeiten nach dem weltweiten Börsencrash am 9. März und dem italienischen Lockdown drastisch an. Am stärksten legen aber die Renditen der Anleihen mit fünf Jahren Restlaufzeit zu. „Dies legt nahe, dass die Investoren an den Finanzmärkten nicht davon ausgehen, dass schon in diesem oder kommenden Jahr die Wirtschaft die Schäden ausgleichen kann, die durch die Corona-Maßnahmen verursacht wurden“, sagt Studienautorin Chi Hyun Kim.

Deutsches Rettungspaket wirkt auch positiv in anderen Ländern

Überraschend ist auch, dass die Renditen der Unternehmensanleihen aus dem Finanzsektor nicht stärker steigen als die der Unternehmensanleihen aus der Realwirtschaft. „Offensichtlich erwarten die Finanzmärkte derzeit keinen Bankencrash, der aus den wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie folgt – zumindest noch nicht“, schließt Studienautor Alexander Kriwoluzky aus den Ergebnissen. 

Ebenfalls untersucht haben die DIW-ÖkonomInnen, wie die Renditen auf die jeweiligen geldpolitischen und finanzpolitischen Interventionen reagiert haben. Mithilfe einer Ereignisstudie nahmen sie die Renditen der insgesamt mehr als 2600 betrachteten Anleihen an den Tagen beziehungsweise Folgetagen unter die Lupe, an denen die nationalen Regierungen Krisenpakete oder EZB, EU und die G7 ihre Maßnahmen angekündigt haben. Deutlich wird, dass sich bei den fiskalpolitischen Interventionen lediglich nach der Ankündigung des deutschen Rettungspakets die Renditen beruhigen – aber nicht nur die deutschen, sondern auch die Renditen der italienischen, französischen und spanischen Anleihen. Dagegen verpuffen die Rettungspakete der französischen, italienischen und spanischen Regierungen weitestgehend wirkungslos am Anleihemarkt.

Deutliche Wirkung zeigen dagegen die internationalen Bestrebungen – sei es das EZB-Anleihekaufprogramm am 18. März, das G7-Treffen am 24. März oder das EU-Rettungspaket vom 9. April. Die Renditen der Unternehmensanleihen beruhigten sich in der Regel oder fielen sogar.

© DIW Berlin

„Für die Zukunft empfiehlt sich, geld- und fiskalpolitische Maßnahmen aufeinander abzustimmen. Insbesondere sollte eine fiskalpolitische Antwort von allen europäischen Ländern gemeinsam getragen werden.“ Stephanie Ettmeier

„Diese Ergebnisse machen zum einen deutlich, dass die Anstrengungen einzelner Regierungen nur dann wirken, wenn sie sehr groß angelegt sind. Und zum anderen, dass auf europäischer Ebene koordinierte Maßnahmen eher zum Ziel führen als nationale Alleingänge“, urteilt Studienautorin Stephanie Ettmeier „Für die Zukunft empfiehlt sich, geld- und fiskalpolitische Maßnahmen aufeinander abzustimmen. Insbesondere sollte eine fiskalpolitische Antwort von allen europäischen Ländern gemeinsam getragen werden, zum Beispiel über ein europäisches Konjunkturprogramm oder europäische Unternehmenskredite“.

Alexander Kriwoluzky

Abteilungsleiter in der Abteilung Makroökonomie

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