DIW Wochenbericht 3 / 2022, S. 34-42
Anja Kirsch, Virginia Sondergeld, Katharina Wrohlich
get_appDownload (PDF 286 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.83 MB)
Geschlechterquoten sind ein effektives Instrument, um den Frauenanteil in Spitzengremien großer Unternehmen in Europa zu erhöhen. Dabei unterscheiden sich die Quotenregelungen mitunter stark zwischen den einzelnen Ländern, etwa mit Blick auf die Zahl der betroffenen Unternehmen, die konkreten Quotenziele oder Sanktionen. Zu diesen Ergebnissen kommt dieser Bericht als zweiter Teil des DIW Managerinnen-Barometers 2022. Auf Basis europäischer Daten für die Jahre 2003 bis 2021 zeigt sich, dass die Gruppe der neun EU-Länder, die eine Geschlechterquote eingeführt haben, der Gruppe der übrigen EU-Länder mittlerweile deutlich voraus ist, was die Repräsentanz von Frauen im Spitzengremium betrifft (knapp 35 im Vergleich zu gut 22 Prozent). In der Regel ist der Frauenanteil unter den nichtexekutiven DirektorInnen – in Deutschland die AufsichtsrätInnen – höher als unter den exekutiven DirektorInnen. Berechnungen, die berücksichtigen, dass sich die Länder hinsichtlich Faktoren wie kultureller Normen bezüglich der Geschlechterrollen oder der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik unterscheiden, bestätigen die Wirksamkeit von Quotenregelungen. Vor diesem Hintergrund erscheint die jüngste Initiative der EU-Kommissionspräsidentin, den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission für eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in Spitzengremien großer Unternehmen voranzubringen, hilfreich. Derzeit wird er noch im Rat der Europäischen Union blockiert. Würde sich dies ändern, könnten die Frauenanteile in den Spitzengremien insbesondere in jenen Ländern steigen, die noch keine gesetzliche Geschlechterquote haben.
Frauen sind in Spitzenpositionen der Wirtschaft nach wie vor stark unterrepräsentiert – sowohl in Deutschland als auch im Durchschnitt aller Länder der Europäischen Union (EU). In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden in mehreren europäischen Ländern, inklusive Deutschland, verschiedene Maßnahmen ergriffen, um den Frauenanteil in diesen Positionen zu erhöhen.Anja Kirsch (2021): Women on Board Policies in Member States and the Effects on Corporate Governance. Study commissioned by the European Parliament’s Policy Department for Citizens’ Rights and Constitutional Affairs at the request of the JURI Committee, 7. Dezember (online verfügbar; abgerufen am 4. Januar 2021. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Unter „Spitzenpositionen“ werden DirektorInnen verstanden, die entweder geschäftsführend (exekutiv) oder nichtgeschäftsführend (nichtexekutiv) tätig sind. Bei dualistischen Corporate-Governance-Systemen handelt es sich dabei um Positionen in Vorständen und Aufsichtsräten und bei monistischen Systemen um Positionen im sogenannten Board of Directors.
Besonders hervorzuheben sind hierbei gesetzliche Geschlechterquoten für die Besetzung von Spitzengremien, die bisher in neun EU-Ländern eingeführt wurden. Eine weitere Maßnahme, die in 18 EU-Ländern ergriffen wurde, sind Empfehlungen zur Berücksichtigung von Diversität bei der Besetzung von Spitzengremien in nationalen Corporate-Governance-Kodizes.Eine ausführliche Beschreibung der Corporate-Governance-Kodizes finden sich zum Beispiel in Paula Arndt und Katharina Wrohlich (2019): Geschlechterquoten im europäischen Vergleich: Harte Sanktionen bei Nichteinhaltung sind am wirkungsvollsten. DIW Wochenbericht Nr. 38, 691–698 (online verfügbar). Auf EU-Ebene wurde im Jahr 2014 eine gesetzliche Berichtspflicht eingeführt, die Unternehmen vorschreibt, öffentliche Angaben zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane zu machen, ihr Diversitätskonzept für diese Organe zu beschreiben und über dessen Umsetzung und Ergebnisse zu berichten.EU-Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen (Non-Financial Reporting Directive 2014/95/EU) (online verfügbar).
Die gesetzliche Berichtspflicht zur Zusammensetzung der Spitzengremien und dem dazugehörigen Diversitätskonzept ist eine indirekte Maßnahme, um den Frauenanteil in Spitzenpositionen zu erhöhen. Empfehlungen in nationalen Corporate-Governance-Kodizes haben einen unverbindlichen Charakter. Demgegenüber sind gesetzliche Geschlechterquoten eine direkte und verbindliche Maßnahme, um den Frauenanteil in Spitzengremien zu erhöhen. Entsprechend kontrovers werden solche Geschlechterquoten diskutiert.Vgl. dazu beispielsweise Heike Anger und Dieter Fockenbrock (2020): Frauenquote für Vorstände: Gefährliches Glatteis oder überfällige Maßnahme? Handelsblatt Online vom 25. Februar (online verfügbar).
Dieser zweite Teil des DIW Managerinnen-Barometers 2022 analysiert die in der EU in einzelnen Ländern vorhandenen Geschlechterquoten im Detail. Zunächst wird die Geschlechterquote für Aufsichtsräte in Deutschland sowie das im vergangenen Jahr beschlossene Beteiligungsgebot für Vorstände dargestellt. Dann werden die Geschlechterquoten in neun EU-Mitgliedstaaten detailliert verglichen. Dieser Bericht enthält außerdem eine empirische Analyse europäischer Daten zum Frauenanteil in Spitzengremien über einen längeren Zeitraum. Er zeigt, dass der Frauenanteil unter den nichtexekutiven DirektorInnen im EU-Durchschnitt höher ist als der Frauenanteil unter den exekutiven DirektorInnen. Weiterhin zeigt der Bericht einen positiven Zusammenhang zwischen der Einführung nationaler Geschlechterquoten in den EU-Ländern und dem dortigen Frauenanteil in Spitzengremien auf. Der Bericht schließt mit einem Blick auf die neuesten Entwicklungen auf dem Weg zu einer Geschlechterquote auf EU-Ebene.
Im Mai 2015 trat das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG I) in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, die börsennotiert sind und gleichzeitig der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, zu einer Geschlechterquote im Aufsichtsrat von 30 Prozent.
Im Frühjahr 2020 legten die Bundesfrauenministerin Franziska Giffey und die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (beide SPD) einen Gesetzentwurf vor, der eine gesetzliche Vorgabe zur Beteiligung von Frauen und Männern in den Vorständen privatwirtschaftlicher Unternehmen vorsah. Mehr als ein halbes Jahr lang schien es, als könnten sich die damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD nicht auf diesen Gesetzesvorschlag einigen. Im November 2020 kam dann die für viele BeobachterInnen überraschende Nachricht: Eine vom Koalitionsausschuss eingesetzte Arbeitsgruppe hatte sich auf ein Gesetzesvorhaben zu einem Beteiligungsgebot in Vorständen geeinigt.Vgl. Thomas Sigmund und Heike Anger (2020): Koalition einigt sich: Frauenquote in Vorständen kommt. Handelsblatt Online vom 21. November (online verfügbar). Am 6. Januar 2021 beschloss das Bundeskabinett den Entwurf für ein Zweites Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II), das unter anderem eine gesetzlich verbindliche Mindestbeteiligung von einer Frau beziehungsweise einem Mann in mindestens vierköpfigen Vorständen großer börsennotierter Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, beinhaltete. Der Gesetzentwurf wurde am 11. Juni 2021 in etwas abgeänderter Form vom Bundestag verabschiedet. Das Gesetz wurde am 11. August 2021 verkündet.Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021): Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II (online verfügbar). Es betrifft derzeit 66 Unternehmen,Eigene Recherche auf Basis der Liste der im Herbst 2021 der Geschlechterquote im Aufsichtsrat unterliegenden Unternehmen. Diese Liste wurde dankenswerterweise von der Initiative FidAR e.V. zur Verfügung gestellt. die eine Untergruppe aus jenen Unternehmen bilden, für die die Geschlechterquote im Aufsichtsrat gilt.Die Geschlechterquote im Aufsichtsrat von 30 Prozent gilt für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen, unabhängig von der Größe des Aufsichtsrats. Das sind derzeit 103 Unternehmen. Das Gesetz bestimmt, dass jeweils mindestens eine Frau und ein Mann im Vorstand vertreten sein müssen. Eine Bestellung unter Verstoß gegen das Beteiligungsgebot ist nichtig. Dies gilt für Vorstandsbestellungen ab 1. August 2022. Bestehende Mandate können bis zu ihrem Ende wahrgenommen werden.§ 76 Absatz 3a des Aktiengesetzes.
Neben Deutschland haben acht weitere EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen 15 Jahren Geschlechterquoten für die Spitzengremien von Unternehmen eingeführt (Tabelle 1). Spanien war ab dem Jahr 2007 das erste Land der Europäischen Union mit einer solchen Geschlechterquote.Weltweit als erstes Land hat Norwegen bereits im Jahr 2003 eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte eingeführt. Siehe dazu zum Beispiel Arndt und Wrohlich (2019), a.a.O. Belgien, Frankreich, Italien und die Niederlande folgten im Jahr 2011. Deutschland führte die Quote für Aufsichtsräte im Jahr 2015 ein, gefolgt von Österreich und Portugal im Jahr 2017.Sara Falcão Casaca et al. (2021): Is a progressive law accelerating the longstanding snail’s pace? Women on corporate boards in Portugal. RAE-Revista de Administração de Empresas 61 (2), 1–7. Theresa Haager und Christina Wieser (2021): Frauen.Management.Report.2021. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien. In Griechenland gibt es seit dem Jahr 2020 eine Geschlechterquote für Spitzengremien in der Wirtschaft.
Land | Einführung der Quote (Jahr) | Dauer | Quotenziel (in Prozent) | Kriterien für den Geltungsbereich der Quote | Anzahl erfasster Unternehmen (ungefährer Wert) | Reichweite | Sanktionen | Art der Sanktionen | Dominantes Board-System | Anwendungsbereich (DirektorInnen) |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Spanien | 2007 | Unbefristet | 40 | Unternehmensgröße | 5000 | Weit | Nein | Keine | Monistisch | Exekutive und nichtexekutive zusammen |
Belgien | 2011 | Unbefristet | 33,3 | Börsennotierung | 200 | Mittel | Ja | Leerer Stuhl und Stundung der Tantiemen | Monistisch | Exekutive und nichtexekutive zusammen |
Frankreich | 2011 | Unbefristet | 40 | Börsennotierung oder Unternehmensgröße | 950 | Mittel | Ja | Leerer Stuhl und Stundung der Tantiemen | Monistisch | Nichtexekutive |
2021 | Unbefristet | 40 | Unternehmensgröße | unklar | Mittel | Ja | Geldstrafe | Monistisch | Exekutive | |
Italien | 2011 | Befristet | 33,3 | Börsennotierung | 350 | Schmal bis mittel | Ja | Geldstrafen und Abberufung | Dualistisch (Board of Auditors) | Exekutive und nichtexekutive (getrennte Gremien) |
2019 | Befristet | 40 | Börsennotierung | 350 | Schmal bis mittel | Ja | Geldstrafen und Abberufung | Dualistisch (Board of Auditors) | Exekutive und nichtexekutive (getrennte Gremien) | |
Niederlande | 2011 | Befristet | 30 | Börsennotierung oder Unternehmensgröße | 5000 | Weit | Nein | Keine | Dualistisch und monistisch | Exekutive und nichtexekutive (getrennt bei dualistischen Boards) |
2022 | Befristet | 33,3 | Börsennotierung | 100 | Schmal bis mittel | Ja | Leerer Stuhl | Dualistisch und monistisch | Nichtexekutive | |
Deutschland | 2015 | Unbefristet | 30 | Börsennotierung und Unternehmensgröße | 100 | Schmal | Ja | Leerer Stuhl | Dualistisch | Nichtexekutive |
2021 | Unbefristet | Eine Frau bzw. ein Mann | Börsennotierung, Unternehmensgröße und Vorstandsgröße | 66 | Schmal | Ja | Leerer Stuhl | Dualistisch | Exekutive | |
Österreich | 2017 | Unbefristet | 30 | Börsennotierung oder Unternehmensgröße | 70 | Schmal bis mittel | Ja | Leerer Stuhl | Dualistisch | Nichtexekutive |
Portugal | 2017 | Unbefristet | 33,3 | Börsennotierung | 70 | Schmal bis mittel | Ja | Leerer Stuhl und Geldstrafen | Dualistisch (Board of Auditors) | Exekutive und nichtexekutive |
Griechenland | 2020 | Unbefristet | 25 | Börsennotierung | 160 | Mittel | Ja | Geldstrafen | Monistisch | Exekutive und nichtexekutive zusammen |
Quelle: Heike Mensi-Klarbach und Cathrine Seierstad (2020): Gender quotas on corporate boards: Similarities and differences in quota scenarios. European Management Review 17 (3), 615–631; sowie eigene Zusammenstellung auf Basis der nationalen Quotengesetze.
Die 2011 in Frankreich eingeführte Geschlechterquote gilt ausschließlich für nichtexekutive DirektorInnen. Eine zusätzliche Quote für die höchsten zehn Prozent der oberen Managementpositionen inklusive der exekutiven DirektorInnen wurde im Dezember 2021 vom Parlament verabschiedet.Gesetz Nr. 2021-1774 vom 24. Dezember 2021 zur Beschleunigung der wirtschaftlichen und beruflichen Gleichstellung (online verfügbar); Le Monde (2021): Parité femmes-hommes: le Sénat vote pour l’établissement de quotas aux postes de direction des grandes entreprises, 28. Oktober (online verfügbar). Auch in Deutschland wurden die gesetzlichen Regelungen im vergangenen Jahr, wie oben beschrieben, um Vorgaben für exekutive DirektorInnen – also VorständInnen – erweitert.
Während die meisten Länder zeitlich unbefristete Geschlechterquoten haben, sind sie in Italien und den Niederlanden auf unterschiedliche Weise befristet. In Italien bezog sich das Quotengesetz von 2011 auf drei Amtszeiten der DirektorInnen, die in der Regel jeweils drei Jahre betragen.Gesetz 12/07/2011, Nr. 120, Änderungen des konsolidierten Wortlauts der Bestimmungen über die Kredit- und Versicherungsgewerbe gemäß Gesetzesdekret Nr. 58 vom 24. Februar 1998 über den gleichberechtigten Zugang zu den Verwaltungs- und Kontrollorganen der an geregelten Märkten notierten Gesellschaften (Golfo-Mosca-Gesetz) (online verfügbar). In der Änderung des Gesetzes im Jahr 2019 wurde erneut eine Befristung festgelegt, dieses Mal für sechs Amtszeiten. Die Änderung trat im Januar 2020 in Kraft.Haushaltsgesetz, 27/12/2019, Nr. 160 (online verfügbar). White & Case (2020): Italy increases gender quotas in corporate boards of listed companies, 29. Januar (online verfügbar).
In den Niederlanden galt das 2011 beschlossene Gesetz erst ab dem Jahr 2013. Es war zunächst für drei Jahre gültig und lief im Januar 2016 aus. Im Anschluss wurde es erneut für drei Jahre eingeführt und galt bis Januar 2020. Dann war für zwei Jahre kein Quotengesetz mehr in Kraft. Ein Gesetzentwurf für eine neue, stark veränderte Geschlechterquote wurde im Februar 2021 von der zweiten Kammer und im September 2021 von der ersten Kammer des Parlaments gebilligt. Es trat am 1. Januar 2022 in Kraft. Auch dieses Gesetz sieht eine Befristung vor, und zwar von acht Jahren.Gesetz vom 29. September 2021 zur Änderung des Buches 2 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches, um das Verhältnis zwischen der Anzahl der Männer und Frauen im Vorstand und im Aufsichtsrat großer Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ausgewogener zu gestalten (online verfügbar); Mijntje Lückerath-Rovers (2021): The Dutch Female Board Index 2021. Tilburg University TIAS School for Business and Society (online verfügbar).
Welche Organe mit der Unternehmensführung betraut sind, ist im Gesellschaftsrecht festgelegt und unterscheidet sich daher von Land zu Land. Zwei grundlegende Ordnungsrahmen sind das dualistische Modell, in dem Unternehmensleitung und -überwachung von getrennten Gremien (Vorstand und Aufsichtsrat) wahrgenommen werden, und das monistische Modell, in dem beide Funktionen in einem Gremium (Board of Directors) vereint sind.Beim dualistischen Modell lassen sich mehrere Varianten unterscheiden. Beim dualistischen Modell, das in Italien und Portugal vorherrscht, werden sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand von der Hauptversammlung gewählt. Die Aufgaben des Aufsichtsrats beziehen sich hauptsächlich auf die Rechnungsprüfung. Beim dualistischen Modell, das in Deutschland vorgeschrieben ist, wird nur der Aufsichtsrat von der Hauptversammlung gewählt. Seine Aufgaben gehen über die Rechnungsprüfung hinaus, denn er bestellt den Vorstand und legt dessen Vergütung fest. Außerdem bedürfen bestimmte Arten von Geschäften seiner Zustimmung. Vgl. OECD (2021): OECD Corporate Governance Factbook 2021, 30. Juni (online verfügbar).
In der Vergangenheit war in den EU-Ländern meist eines dieser Modelle vorgeschrieben. Seit Mitte der 2000er Jahre ermöglichen mehrere EU-Mitgliedstaaten es den Unternehmen, sich für eines der beiden Modelle zu entscheiden. Aktuell ist ein monistisches Board-System in Griechenland, Irland, Malta, Spanien, Schweden und Zypern vorgeschrieben. Ein dualistisches Modell ist in Deutschland, Estland, Lettland, Österreich, Polen und der Slowakei verpflichtend. In den übrigen Mitgliedstaaten besteht die Wahl zwischen mehreren Modellen. Dennoch bleibt in vielen dieser Länder das ehemals vorgeschriebene Modell dominant.So bleibt das monistische Board-System dominant in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich und Luxemburg. Das dualistische Modell ist in Kroatien weiterhin vorherrschend, während in Italien und Portugal ein dualistisches Board-of-Auditors-Modell dominant bleibt. Vgl. Martin Gelter und Mathias Siems (2021): Letting companies choose between board models: An empirical analysis of country variations. European Corporate Governance Institute – Law Working Paper Nr. 573/2021 (online verfügbar).
Die Geschlechterquoten unterscheiden sich darin, für welche Gremien und für welche DirektorInnen sie gelten. In Spanien, Belgien und Griechenland ist das monistische System vorherrschend oder sogar vorgeschrieben. Hier bezieht sich die Geschlechterquote auf das Gesamtgremium (Board of Directors) und unterscheidet nicht zwischen exekutiven (geschäftsführenden) und nichtexekutiven (nichtgeschäftsführenden) DirektorInnen. In Frankreich ist das monistische System ebenfalls vorherrschend, aber dort gilt die Quote aus dem Jahr 2011 ausschließlich für nichtexekutive DirektorInnen. Bei französischen Unternehmen mit einem dualistischen Board-System gilt die Quote nur für den Aufsichtsrat. Aktuell kommt eine Quote speziell für exekutive DirektorInnen hinzu.
In Italien und Portugal, wo ein dualistisches System mit einem Board of Auditors gängig ist, gelten die Quoten für beide Gremien getrennt. In den dualistischen Systemen Deutschlands und Österreichs gelten die Quoten ausschließlich für den Aufsichtsrat (und damit nur für nichtexekutive DirektorInnen). Das neue Beteiligungsgebot in Deutschland gilt für VorständInnen, also exekutive DirektorInnen.
Das niedrigste vorgeschriebene Quotenziel beträgt 25 Prozent in Griechenland, das höchste 40 Prozent in Spanien, Frankreich und Italien. In Frankreich gibt es allerdings im aktuell beschlossenen Gesetz für die exekutiven DirektorInnen ein Zwischenziel von 30 Prozent bis 2027, bevor im Jahr 2030 das Quotenziel von 40 Prozent erreicht werden soll. In Italien betrug die Quote ursprünglich 33,3 Prozent und wurde auf 40 Prozent angehoben. In Deutschland und Österreich hingegen beträgt das Quotenziel für Aufsichtsräte, also die nichtexekutiven DirektorInnen, 30 Prozent. Bei der neuen Regelung für VorständInnen in Deutschland gibt es kein festes Quotenziel. Stattdessen besteht ein Beteiligungsgebot von einer Frau und einem Mann in Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern, unabhängig von deren genauer Anzahl. In Belgien, Portugal und den Niederlanden beträgt das Quotenziel 33,3 Prozent. In den Niederlanden lag es ursprünglich bei 30 Prozent und wurde im neuen Gesetz auf 33,3 Prozent erhöht.
Der Geltungsbereich der Geschlechterquote wird in verschiedenen Ländern durch die Kriterien Börsennotierung und/oder Unternehmensgröße definiert. Börsennotierung ist ein Kriterium für den Geltungsbereich der Quote in allen Ländern außer Spanien. In Belgien, Italien, Portugal und Griechenland ist dies sogar das einzige Kriterium. In diesen Ländern gilt die Quote ausschließlich für börsennotierte Unternehmen.
In Frankreich und Österreich sind zusätzlich nichtbörsennotierte Unternehmen von der Quote erfasst, wenn sie eine bestimmte Mindestgröße erreichen. Diese Mindestgröße wird anhand der Vermögenswerte, des Umsatzes oder der Beschäftigtenzahl gemessen. Dies war auch bei der ersten niederländischen Quote der Fall. Die neue Quote in Frankreich für obere Managementpositionen gilt in Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten.
In Spanien ist die Unternehmensgröße das einzige Kriterium, anhand dessen der Geltungsbereich der Geschlechterquote festgelegt wird. Sie gilt für alle Unternehmen, die eine ungekürzte Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen müssen. Dazu sind Unternehmen verpflichtet, die eine Mindestgröße in Bezug auf Vermögenswerte, Umsatz oder Mitarbeiterzahl aufweisen.
In Deutschland ist der Geltungsbereich der Quote besonders eng begrenzt, denn er umfasst nur einen Teil der börsennotierten Unternehmen. Zusätzlich zur Börsennotierung muss ein weiteres Kriterium erfüllt sein, nämlich die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat. Diese gilt in Kapitalgesellschaften mit mehr als 2000 Beschäftigten.
Das neue Beteiligungsgebot für Vorstände hat sogar einen noch schmaleren Geltungsbereich. Es gilt für eine Untergruppe dieser großen, börsennotierten Unternehmen, die zusätzlich einen Vorstand mit mindestens vier Mitgliedern haben.
Die Kriterien für den Geltungsbereich beeinflussen Reichweite und Bedeutung der Geschlechterquote in einer Volkswirtschaft. Wenn Börsennotierung das Kriterium für die Geltung der Quote ist, können die erfassten Unternehmen leicht ermittelt werden, zum Beispiel über die Veröffentlichungen der Börsenaufsichtsbehörden. Wenn hingegen Kennzahlen für die Unternehmensgröße ausschlaggebend sind oder mehrere Kriterien erfüllt sein müssen, ist die Ermittlung der an die Quote gebundenen Unternehmen schwieriger. Daher wird die Zahl der erfassten Unternehmen meist geschätzt.Tabelle 1 beinhaltet Angaben zur ungefähren Anzahl der erfassten Unternehmen. Während die Zahl der erfassten Unternehmen in Spanien und bei der ersten niederländischen Quote auf circa 5000 geschätzt wird, sind es in anderen Ländern deutlich weniger Unternehmen. In Frankreich sind circa 950 Unternehmen an die Quote gebunden,Für die neue Quote für exekutive DirektorInnen konnte die Zahl der erfassten Unternehmen nicht geschätzt werden. in Italien um die 350 und in Belgien etwa 200. Die griechische Quote gilt für ungefähr 160 Unternehmen. In Deutschland gilt die Quote in Aufsichtsräten für derzeit 103 Unternehmen und das Beteiligungsgebot für Vorstände für 66 Unternehmen; die neue Quote in den Niederlanden erfasst ebenfalls ungefähr 100 Unternehmen. In Österreich und Portugal gelten die Quoten jeweils für rund 70 Unternehmen.
So oder so erfasst die Quotenregelung in jedem Land nur einen kleinen Teil der dort ansässigen Unternehmen. Um zu einer Einschätzung der Reichweite der Quoten zu kommen, genügt es nicht, die absoluten Zahlen der erfassten Unternehmen zu vergleichen, denn sie müssen jeweils in Beziehung zur Zahl aller Unternehmen betrachtet werden. Auch die wirtschaftliche Bedeutung der an die Quote gebundenen Unternehmen im Vergleich zu allen Unternehmen sollte bei einer solchen Einschätzung berücksichtigt werden. Daher ist es aufwendig, die Reichweite der Quotenregelungen in der EU miteinander zu vergleichen. Ein Vergleich unter Einbezug dieser Faktoren wurde in einer wissenschaftlichen Studie angestellt.Heike Mensi-Klarbach und Cathrine Seierstad (2020): Gender quotas on corporate boards: Similarities and differences in quota scenarios. European Management Review 17 (3), 615–631. Ergänzend fand persönliche Kommunikation mit der Erstautorin dieser Studie statt. In dieser wurde die Reichweite der Geschlechterquote in Deutschland als schmal eingeordnet. In Italien, Österreich und Portugal hat die Quote der Studie zufolge eine schmale bis mittlere Reichweite, in Belgien und Frankreich eine mittlere und in Spanien eine große Reichweite. Letzteres gilt auch für die erste niederländische Quote. In Anlehnung an die Studie kann man die Reichweite der neuen niederländischen Quote als nur noch schmal bis mittel und die Reichweite der Quote in Griechenland als mittel einstufen.Mensi-Klarbach und Seierstad (2020), a.a.O.
In acht Ländern sieht das Quotengesetz Sanktionen bei dessen Nicht-Einhaltung vor. In Spanien enthält das Gesetz keine Sanktionen; daher wird die spanische Quote manchmal als nichtverpflichtende Empfehlung angesehen. Allerdings enthält sie einen Anreiz eingehalten zu werden, denn öffentliche Aufträge können bevorzugt an Unternehmen vergeben werden, die die Quote erfüllen.Dennoch ist kein signifikanter Anstieg an Einkommen aus öffentlichen Aufträgen bei Unternehmen, die die Quote einhalten, feststellbar und es scheint, dass die Einhaltung der Quote nicht konsequent bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt wird, vgl. Ruth Mateos de Cabo et al. (2019): Do ‘soft law’ board gender quotas work? Evidence from a natural experiment. European Management Journal 37 (5), 611–624. Das erste Quotengesetz in den Niederlanden enthielt ebenfalls keine Sanktionen, das neue Gesetz hingegen schon.
Die häufigste Form einer Sanktion ist der sogenannte „leere Stuhl“. Dabei bleibt eine Position solange unbesetzt, bis eine Besetzung gefunden wird, die der Quote entspricht. Die Benennung einer Person des überrepräsentierten Geschlechts ist null und nichtig. Diese Sanktion ist in Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und Portugal vorgesehen, seit dem laufenden Jahr auch in den Niederlanden.
Eine zusätzliche Sanktion ist die Stundung der Tantiemen aller DirektorInnen, solange die Besetzung des Gremiums nicht der Quote entspricht. Diese Sanktion ist in Belgien und Frankreich vorgesehen. Die dritte Möglichkeit sind Geldstrafen, die in Italien, Portugal und Griechenland verhängt werden können. In Portugal ist eine Geldstrafe für Unternehmen vorgesehen, wenn diese eine Position nicht innerhalb von 360 Tagen der Quote entsprechend besetzen. In Italien ermahnt die Börsenaufsichtsbehörde Unternehmen, die die Quote nicht einhalten, und verhängt eine Geldstrafe. Bei weiterer Nicht-Einhaltung der Quote werden alle vorhandenen DirektorInnen abberufen. In Griechenland sind Geldstrafen möglich, jedoch nicht im Gesetz konkretisiert. Das neue Gesetz in Frankreich sieht eine Geldstrafe in Höhe von einem Prozent der Lohnsumme für Unternehmen vor, die die Quote für exekutive DirektorInnen und TopmanagerInnen nicht einhalten (masse salariale).
Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) stellt statistische Daten zum Thema Geschlechtergleichstellung in der Europäischen Union zur Verfügung.Vgl. EIGE: Gender Statistics Database (online verfügbar). In seiner Datenbank für Gender-Statistiken bietet EIGE unter anderem für alle Jahre seit 2003 einen Indikator zum Frauenanteil unter den DirektorInnen („Board Members“) der größten börsennotierten Unternehmen (Blue-Chip-Unternehmen) der EU-Mitgliedstaaten.Von 2003 bis 2006 wurden jeweils die 50 größten Unternehmen in jedem Land zu Grunde gelegt, seit 2007 werden nur noch die Unternehmen des jeweiligen nationalen Blue-Chip-Index verwendet. Daher schwankt die Zahl der Unternehmen in den Ländern zwischen zehn Unternehmen zum Beispiel in Luxemburg oder der Slowakei und 40 Unternehmen in Deutschland, Frankreich und Italien. „Board Members“ sind in dieser Datenbank die Mitglieder des Aufsichtsrats bei Unternehmen, in denen Unternehmensleitung und -überwachung von getrennten Gremien (Vorstand und Aufsichtsrat) wahrgenommen werden, und alle Mitglieder (sowohl exekutiv als auch nichtexekutiv) des Board of Directors bei Unternehmen, in denen beide Funktionen in einem Gremium vereint sind. Wie eine Auswertung dieser EIGE-Daten zeigt, ist der Frauenanteil unter den DirektorInnen der größten börsennotierten Unternehmen im EU-Durchschnitt von gut acht Prozent zu Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2003 auf fast 31 Prozent Ende 2021 gestiegen (Abbildung 1).
Daten zum Frauenanteil speziell bei den exekutiven DirektorInnen der größten börsennotierten Unternehmen gibt es EU-weit erst seit dem Jahr 2012. Damals lag dieser Anteil bei durchschnittlich gut zehn Prozent. Zuletzt (Ende 2021) belief sich der Frauenanteil unter den exekutiven DirektorInnen der größten börsennotierten Unternehmen im EU-Durchschnitt auf knapp über 20 Prozent.
In Deutschland lag der Frauenanteil unter den nichtexekutiven DirektorInnen mit 36 Prozent zuletzt über dem EU-Durchschnitt von gut 33 Prozent (Abbildung 2, linker Teil). Hingegen blieb der Frauenanteil unter den exekutiven DirektorInnen der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland – trotz des starken Anstiegs im vergangenen Jahr – mit knapp 18 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von gut 20 Prozent (Abbildung 2, rechter Teil).
In den anderen großen EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, Italien oder Spanien ist – ebenso wie in Deutschland – der Frauenanteil unter den nichtexekutiven DirektorInnen mit knapp 48, gut 45 und rund 38 Prozent deutlich höher als der Frauenanteil unter den exekutiven DirektorInnen (knapp 24, gut 14 und rund 17 Prozent). Allerdings gibt es auch einige Ausnahmen, in denen anteilig mehr Frauen unter den exekutiven als unter den nichtexekutiven DirektorInnen vertreten sind: beispielsweise in Rumänien und Estland mit einem Frauenanteil von knapp 32 beziehungsweise gut 31 Prozent unter den exekutiven DirektorInnen in den größten börsennotierten Unternehmen, aber einem Frauenanteil von nur gut 19 beziehungsweise etwas mehr als neun Prozent unter den nichtexekutiven DirektorInnen.
Die EIGE-Daten ermöglichen für den Zeitraum von 2003 bis 2021 eine empirische Analyse des Zusammenhangs zwischen der Einführung einer gesetzlichen Quote und der Entwicklung des Frauenanteils im Spitzengremium. Das ist der Aufsichtsrat (bei Unternehmen mit getrennten Unternehmensleitungs- und -überwachungsgremien) beziehungsweise das Board of Directors (bei Unternehmen mit einem solchen vereinten Gremium). Leider kann in letzterem Fall nicht zwischen exekutiven und nichtexekutiven Positionen unterschieden werden.Bei getrennten Gremien sind nur die AufsichtsrätInnen und damit die nichtexekutiven DirektorInnen erfasst, während bei vereinten Gremien sowohl exekutive als auch nichtexekutive DirektorInnen im Board of Directors in den Daten enthalten sind. Die vorliegende Analyse zeigt, dass sich gesetzliche Geschlechterquoten auf die Entwicklung des Frauenanteils im Spitzengremium positiv auswirken (Abbildung 3).Diesen Zusammenhang hat auch eine Analyse der Daten bis zum Jahr 2019 gezeigt, vgl. Arndt und Wrohlich (2019), a.a.O. In Ländern, die seit 2003 eine gesetzliche Geschlechterquote eingeführt haben, ist der Frauenanteil im Spitzengremium bei den größten börsennotierten Unternehmen stärker gestiegen als in den Ländern, die eine solche Regelung bislang nicht haben. Dabei waren Frauen zu Beginn des Beobachtungszeitraums in Ländern, die seither eine Quote eingeführt haben, zunächst anteilig weniger vertreten (im Durchschnitt knapp sechs Prozent) als in den Ländern, die im späteren Verlauf keine Quotenregelung einführten (knapp 13 Prozent). Seit dem Jahr 2010 steigt der Frauenanteil in der Gruppe von Ländern, die eine Quote eingeführt haben, jedoch deutlich stärker als in den anderen Ländern. Das liegt vermutlich daran, dass im Jahr 2011 gleich vier Länder (Belgien, Frankreich, Italien und die Niederlande) eine Quotenregelung eingeführt haben. Im Sommer 2021 lag der Frauenanteil im Spitzengremium der jeweils größten börsennotierten Unternehmen der Länder mit Quote bei knapp 35 gegenüber gut 22 Prozent in den Ländern ohne Quote. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Geschlechterquoten zu einer Erhöhung des Frauenanteils in Spitzengremien beitragen.
Diese deskriptiven Hinweise auf die Wirkung gesetzlicher Quotenregelungen bestätigen sich auch in ökonometrischen Regressionsmodellen. Dabei wird ein Panel-Modell geschätzt, das neben länderspezifischen fixen Effekten und einem allgemeinen Zeittrend auch länderspezifische lineare Zeittrends beinhaltet. Länderspezifische Faktoren sind beispielsweise gesellschaftliche Normen bezüglich der Geschlechterrollen oder institutionelle Regelungen der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Länderspezifische Zeittrends sind etwa gesellschaftliche Debatten über Gleichstellung, die in den Ländern unterschiedlich verlaufen. Die Ergebnisse dieser Schätzung zeigen, dass Länder mit einer gesetzlichen Geschlechterquote einen statistisch signifikant höheren Frauenanteil in Spitzengremien haben als Länder ohne Quote (Tabelle 2). Die Schätzung zeigt zudem, dass freiwillige Verpflichtungen wie Corporate-Governance-Kodizes keine signifikante Auswirkung auf den Frauenanteil in dem betreffenden Gremium haben.
In Prozentpunkten
Fixed-Effects-Schätzung (einzige erklärende Variable: Quote) | Fixed-Effects-Schätzung (erklärende Variablen: Quote und Corporate-Governance-Kodex) | ||
---|---|---|---|
Geschlechterquote (Referenz: keine Quote) | 3,530** | Geschlechterquote (Referenz: keine Quote) | 3,569** |
Corporate-Governance-Kodex (Referenz: keine Empfehlungen im Kodex) | –0,321 | ||
N | 505 | N | 505 |
1 Geschätzt wird ein Panel-Modell, das neben länderspezifischen fixen Effekten und einem allgemeinen Zeittrend auch länderspezifische lineare Zeittrends beinhaltet.
Lesebeispiel: Führt ein Land eine Geschlechterquote ein, steigt der Frauenanteil im Spitzengremium großer Unternehmen in diesem Land um rund 3,5 Prozentpunkte.
Anmerkungen: ** gibt die statistische Signifikanz der Schätzung auf dem Ein-Prozent-Niveau an.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten des European Institute for Gender Equality (EIGE) für die Jahre 2003 bis 2021.
Der Vergleich der Geschlechterquoten in neun EU-Ländern zeigt, wie facettenreich diese sind. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Einführung, der avisierten Dauer, des angestrebten Quotenziels und auch der Gruppe von Unternehmen, für die sie gelten, und damit in ihrer Bedeutung und Reichweite. Ferner unterscheiden sie sich in Bezug auf die Sanktionen, die bei Nicht-Einhaltung der Quote vorgesehen sind, und – nicht zuletzt – darin, ob sie nur für exekutive DirektorInnen, nur für nichtexekutive DirektorInnen oder für beide gelten. Wie die empirischen Analysen in diesem Wochenbericht zeigen, haben die Geschlechterquoten in all ihrer Unterschiedlichkeit dazu beigetragen, dass der Frauenanteil in Spitzengremien der größten börsennotierten Unternehmen gestiegen ist.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind Frauen unter nichtexekutiven DirektorInnen – in Deutschland handelt es sich dabei um die AufsichtsrätInnen – anteilig stärker vertreten als unter den exekutiven DirektorInnen (in Deutschland sind das VorständInnen). Um den Frauenanteil unter diesen zu erhöhen, sind Regelungen, wie sie im vergangenen Jahr in Frankreich und mit dem Beteiligungsgebot in Vorständen auch in Deutschland eingeführt wurden, eine erfolgversprechende Strategie. Gesetzliche Quotenregelungen steigern den Frauenanteil, beispielsweise indem sie die traditionellen, oft informellen Berufungsmechanismen durch Netzwerke („Old Boys’ Clubs“) durchbrechen.Vgl. hierzu Isabelle Allemand et al. (2021): Role of Old Boys’ Networks and Regulatory Approaches in Selection Processes for Female Directors. British Journal of Management, online first (online verfügbar).
Auf EU-Ebene hat die Europäische Kommission im Jahr 2012 einen Vorschlag für eine „Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen“ gemacht.Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen (online verfügbar). Diese Richtlinie sieht für große börsennotierte Unternehmen eine Geschlechterquote von 40 Prozent unter nichtexekutiven DirektorInnen oder alternativ eine Quote von 33 Prozent sowohl für exekutive als auch für nichtexekutive DirektorInnen vor. Der Richtlinienvorschlag beinhaltet auch Sanktionen für den Fall der Nicht-Einhaltung. Die Sanktionen sollen von den Mitgliedstaaten selbst festgelegt werden.
Das Europäische Parlament hat den Richtlinienvorschlag für eine EU-weite Geschlechterquote im Jahr 2013 befürwortet. Aufgrund fehlender Einigkeit unter den nationalen Regierungen wurde er im Rat der Europäischen Union jedoch blockiert. Dennoch bleibt der Richtlinienvorschlag eine der Prioritäten der EU-Gleichstellungsstrategie 2020–2025. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in ihren Politischen Leitlinien erklärt, dass sie versuchen werde, eine Mehrheit dafür zu gewinnen. Zudem drängt das Europäische Parlament auf Fortschritte: Im vergangenen Jahr hat es in seiner Resolution vom 21. Januar 2021 zur neuen EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter die Kommission aufgefordert, den Stillstand im Rat zu überwinden und die vorgeschlagene Richtlinie anzunehmen. Im Oktober 2021 haben ParlamentarierInnen des Rechtsausschusses im Rahmen der European Gender Equality Week des Europäischen Parlaments dazu aufgerufen, die Diskussionen im Rat wieder aufzunehmen. Auch die Arbeits- und SozialministerInnen der EU-Länder haben im Jahr 2021 den Richtlinienvorschlag debattiert und festgestellt, dass eine qualifizierte Mehrheit weiterhin außer Reichweite bleibt.European Parliament (2021): Legislative Train Schedule. Gender Balance on Boards (online verfügbar). Aktuell prüft die deutsche Bundesregierung den Vorschlag erneut. Sollte sich die deutsche Blockade lösen, käme vermutlich eine Mehrheit im Rat zustande.
Könnte sich der Rat der Europäischen Union darauf einigen, den Richtlinienvorschlag zu verabschieden, wäre das ein starkes gleichstellungspolitisches Signal und könnte insbesondere in den Ländern, die bisher keine gesetzlichen Quotenregelungen haben, den Frauenanteil in Spitzengremien signifikant erhöhen.
Themen: Unternehmen, Gender, Europa, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: D22;J16;J59;J78;L21;L32;M14;M51
Keywords: corporate boards, board composition, boards of directors, board diversity, Europe, women directors, gender equality, gender quota, Germany, Spain, France, Belgium, Italy, the Netherlands, Austria, Portugal, Greece, management, private companies, public companies, supervisory boards, executive boards, CEOs, women, board models
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-3-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/251388