Blogbeitrag vom 24. Oktober 2023
Von Wolf-Peter Schill und Alexander Roth
Die Regierungskoalition hat sich im Koalitionsvertrag ein Ziel von "mindestens 15 Millionen vollelektrische(n) Pkw bis 2030" gesetzt, was wir hier mit rein batterieelektrischen Fahrzeugen gleichsetzen. Zum Start der Ampel Ende November 2021 gab es laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) knapp 0,6 Millionen solcher Pkw in Deutschland.
Die hier gezeigten Abbildungen geben den Datenstand Ende Oktober 2023 wieder. Jederzeit aktuelle Daten finden sich auf dem Open Energy Tracker.
On the Open Energy Tracker, you always find up-to-date graphs also in English.
Zur Erreichung des Ziels müssten bis zum Jahr 2030 im Durchschnitt 0,13 Millionen Fahrzeuge pro Monat hinzu kommen. Ein solcher linearer Verlauf ist in der Abbildung zur Illustration dargestellt, ist aber unplausibel. In Wirklichkeit ist eher mit einem logistischen Verlauf zu rechnen. Auf Basis einer Studie des Fraunhofer ISI lässt sich ein logistischer Pfad ableiten, mit dem genau 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 erreicht werden (Dank an Patrick Plötz und Kollegen).
Demnach liegt die aktuelle Bestandsentwicklung auch unter dem logistischen Zielpfad, und der Abstand wächst fast jeden Monat weiter. Die Elektroauto-Flotte muss also künftig deutlich stärker wachsen als zuletzt. Zur Erreichung des 15-Millionen-Ziels muss die Flotte bis 2030 im Durchschnitt mehr als vier mal so schnell wachsen wie im Trend der letzten zwölf Monate.
Jährlich werden in Deutschland rund drei Millionen Pkw neu zugelassen. Um das oben genannte Flottenziel von 15 Millionen Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 zu erreichen, müssen Elektroautos in den kommenden Jahren somit sehr hohe Anteile an den Neuzulassungen erreichen.
Seit dem Start der Ampel lag der Anteil von rein batterieelektrischen Pkw an den monatlichen Neuzulassungen im Mittel bei knapp 18 Prozent, wobei die monatlichen Werte stark schwankten. Insbesondere zum Jahreswechsel gab es mehrfach Brüche, z.B. wegen Änderungen bei den EU-Flottengrenzwerten (2021) oder bei den Fördermaßnahmen. Der Spitzenwert im Dezember 2022 und der darauf folgende Einbruch im Januar 2023 sind durch Vorzieheffekte wegen allgemeiner Kürzungen beim Umweltbonus zum Jahreswechsel 2022/23 bedingt; der hohe Wert im August 2023 und der folgende Einbruch im September lassen sich auf das Auslaufen der Förderung für gewerbliche Neufahrzeuge zurückführen.
Ergänzend zeigt die Abbildung die Neuzulassungsanteile von Plug-in-Hybriden, auch wenn diese keine reinen Elektroautos sind. Hier liefen die Kaufprämien Ende 2022 komplett aus, was sich ab Januar 2023 stark in gesunkenen Neuzulassungsanteilen bemerkbar macht.
Während sich die Regierungskoalition ein Ziel für den absoluten Ausbau der vollelektrischen Pkw-Flotte gesetzt hat, gibt es keine Ziele für den Anteil von Elektroautos an der Gesamtflotte oder für eine Begrenzung des Pkw-Bestands insgesamt. Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung der gesamten Pkw-Flotte in Deutschland nach Antriebs- bzw. Kraftstoffarten seit 2012 (von 2013 bis Ende 2017 als Jahresdaten und ab Mitte 2018 als Quartalsdaten vom Kraftfahrt-Bundesamt).
Insgesamt wächst die deutsche Pkw-Flotte weiterhin auf zuletzt rund 49 Millionen. Seit Anfang 2020 nimmt der Bestand von Pkw mit Benzin- oder Dieselmotoren leicht ab; sie machen aber immer noch über 90 Prozent der Pkw-Flotte aus. Der Anteil reiner Elektrofahrzeuge liegt noch bei unter drei Prozent. Brennstoffzellen-Pkw spielen mit nur rund 2000 Fahrzeugen (0,004 Prozent) in der Gesamtflotte übrigens keine Rolle.
Während der Pkw-Bestand zunahm, wuchs auch die Bevölkerung in Deutschland. Die folgende Abbildung zeigt die Pkw-Dichte gemessen als Anzahl an Pkw pro 1000 Personen in Deutschland. Von 2013 bis Ende 2017 können lediglich Jahresdaten ausgewiesen werden, ab Mitte 2018 sind Quartalsdaten verfügbar. Die Daten zur Bevölkerungsentwicklung kommen vom Statistischen Bundesamt. Im dritten Quartal 2021 erreichte die Pkw-Dichte mit 585 Pkw pro 1000 Personen ihren bisherigen Höchststand, derzeit sind es 580. Somit ist die Pkw-Dichte rund acht Prozent höher als noch vor zehn Jahren.
In anderen Worten: rein rechnerisch hätte die gesamte Bevölkerung Deutschlands, vom Säugling bis zur Greisin, auf den Vordersitzen aller Autos platz.
Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag ein Ziel von "einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 mit Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur" gesetzt. Zum Ampel-Start Ende 2021 waren laut Bundesnetzagentur gut 60.000 öffentliche Ladepunkte in Betrieb, davon 84 Prozent Normalladepunkte (bis 22 kW) und 16 Prozent Schnellladepunkte (>22 kW).
Zur Erreichung des Ziels von einer Million Ladepunkte müssten vom Ampel-Start bis Ende 2030 im Durchschnitt monatlich rund 8600 neue Ladepunkte in Betrieb gehen. In der Abbildung ist ein entsprechender linearer Verlauf dargestellt. Ein linearer Verlauf erscheint etwas plausibler als bei der Elektroauto-Flotte, wenn der Ausbau der Ladeinfrastruktur tatsächlich der Flotte vorausgehen soll, wie von der Regierung angestrebt. In Anbetracht des aktuell noch relativ langsamen Wachstums der Flotte kann aber auch hier alternativ ein logistischer Wachstumspfad angenommen werden, der dem oben dargestellten logistischen Verlauf der Flottenentwicklung folgt. Derzeit liegt der Ausbau der öffentlichen Ladepunkte knapp unter diesem logistischen Pfad.
Ergänzend wird in der folgenden Abbildung die Entwicklung der an öffentlichen Ladepunkten verfügbaren Ladeleistung dargestellt. Hierfür hat die Regierung bisher keine expliziten Ziele formuliert. Allerdings müsste die kumulierte öffentlich verfügbare Ladeleistung schneller steigen als die Zahl der öffentlichen Ladepunkte, wenn der Schwerpunkt des Ausbaus tatsächlich auf Schnellladepuntken liegen soll.
Dies ist aktuell tatsächlich der Fall. Die insgesamt installierte Ladeleistung ist zuletzt vor allem aufgrund des Wachstums bei den Schnellladepunkten stark gestiegen auf zuletzt über drei Gigawatt (drei Millionen kW). Die durchschnittliche Ladeleistung pro öffentlichem Ladepunkt wuchs ebenfalls, aber deutlich langsamer, auf zuletzt knapp 35 kW.
Die folgende Abbildung zeigt das Verhältnis von batterieelektrischen Pkw und öffentlich zugänglichen Ladepunkten. Hierfür hat die Regierung kein explizites Ziel formuliert. Aus den Bestands- und Ladeinfrastrukturzielen für 2030 ergibt sich ein impliziter Zielwert von 15 batterieelektrischen Pkw pro Ladepunkt, wobei die Aufteilung auf Schnell- und Normalladepunkte nicht spezifiziert wurde.
Vor allem die Zahl der Elektrofahrzeuge, die sich rechnerisch einen öffentlich zugänglichen Schnellladepunkt teilen, ist seit dem Jahr 2020 deutlich angestiegen. Zuletzt stagnierte sie und liegt derzeit bei rund 63 Elektroautos pro öffentlichem Schnellladepunkt. Die Abbildung zeigt zusätzlich die durchschnittlich installierte Ladeleistung pro elektrischem Pkw. Sie ist seit 2020 deutlich gesunken und lag zuletzt bei knapp drei kW pro Elektro-Pkw. Das heißt, die Ladeinfrastruktur wuchs seit dem Start der Ampel-Regierung ungefähr im Gleichschritt mit der Fahrzeugflotte - eilte dieser aber nicht voraus.
Themen: Energiewirtschaft , Klimapolitik , Ressourcenmärkte