DIW Wochenbericht 28 / 2024, S. 443-451
Catherine Marchewitz, Franziska Schütze, Fernanda Ballesteros
get_appDownload (PDF 5.04 MB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 7.25 MB)
„Taxonomien sind entscheidend für die Definition nachhaltiger Aktivitäten und damit für die Finanzierung des Übergangs zur Klimaneutralität. Um ihre Wirksamkeit zu erhöhen und eine Verlagerung von Emissionen in andere Länder zu vermeiden, sollten Taxonomien weltweit harmonisiert werden.“ Catherine Marchewitz
Nachhaltige Finanztaxonomien wie die Taxonomie der Europäischen Union (EU) können den Übergang zur Klimaneutralität unterstützen. Als Klassifizierungssysteme sollen sie Transparenz und Orientierung bieten, wie Finanzströme in nachhaltige und klimaschonende Aktivitäten gelenkt werden können. In diesem Wochenbericht werden nachhaltige Taxonomien in 26 Ländern und Regionen weltweit anhand von fünf Kriterien analysiert. Die Untersuchung zeigt: Viele Taxonomien verfolgen zwar einen umfassenden Nachhaltigkeitsansatz, die Entwicklung verbindlicher Kriterien steht aber oft noch aus. Der Anteil der durch die Taxonomie erfassten Emissionen eines Landes beziehungsweise einer Region variiert stark, da unterschiedliche Ansätze für die Bestimmung taxonomiekonformer Aktivitäten bestehen. Taxonomien gelten oft nur für einen begrenzten Kreis an Marktteilnehmer*innen und sind selten an verbindliche Berichtspflichten geknüpft. Die Ergebnisse zeigen, dass es unter anderem einer besseren Abstimmung zwischen den Taxonomien weltweit bedarf und die Kriterien und Schwellenwerte für die Auswahl taxonomiekonformer Tätigkeiten im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen sollten, damit Taxonomien ihr volles Lenkungspotenzial entfalten können.
Mit dem 2019 beschlossenen Green Deal will die EU bis 2050 klimaneutral werden.Allein in Europa werden bis 2030 Investitionen in Höhe von bis zu 350 Milliarden Euro pro Jahr in kohlenstoffarme Infrastruktur wie etwa Anlagen für erneuerbare Energien oder Stromnetze- und -speicher benötigt. Vgl. Lena Klaaßen und Bjarne Steffen (2023): Meta-analysis on necessary investment shifts to reach net zero pathways in Europe. Nature Climate Change, 13, 58–66 (online verfügbar, abgerufen am 1. Juli 2024. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben). Dazu beitragen soll auch ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, die EU-Taxonomie. Sie definiert für jeden Wirtschaftssektor, welche Aktivitäten als nachhaltig eingestuft werden.Franziska Schütze et al. (2020): EU-Taxonomie stärkt Transparenz für nachhaltige Investitionen. DIW Wochenbericht Nr. 51, 973–981 (online verfügbar). Der EU-Aktionsplan „Sustainable Finance“ knüpft die EU-Taxonomie an weitere Offenlegungspflichten. So müssen große kapitalmarktorientierte UnternehmenIm ersten Schritt sind alle Unternehmen betroffen, die bereits jetzt nach der Non-financial Reporting Directive (NFRD) berichtspflichtig sind. Dies sind kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. in der EU seit dem Geschäftsjahr 2022 den Anteil ihrer Aktivitäten offenlegen, die taxonomiekonform sind. Weitere Unternehmen folgen schrittweise.Im Rahmen der Corporate Sustainability Disclosure Directive (CSDR, Richtlinie (EU) 2022/2464 (online verfügbar) wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen um nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und Umsatzerlösen über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme über 24 Millionen Euro erweitert. Auch Kreditinstitute müssen ihre Taxonomie-Quote (engl. Green Asset RatioEntsprechend Artikel 8 der EU-Taxonomie-Verordnung, vgl. Europäische Union (2020): Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088, ABlEU vom 22.06.2020 (online verfügbar).) offenlegen. Anbieter*innen von Finanzprodukten, die mit ökologischen Merkmalen werben, müssen die Taxonomie-Quote berichten.Im Rahmen der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), siehe Europäische Kommission (2024): Sustainability-related disclosure in the financial services sector (online verfügbar).
Das Klassifizierungssystem der Taxonomie ist in erster Linie ein Informationsinstrument und soll die Transparenz sowohl für private Endkund*innen als auch institutionelle Finanzmarktakteure erhöhen, damit sie ihr Kapital nachhaltiger anlegen können. Zudem sollen sie dadurch die Risiken entwerteter beziehungsweise gestrandeter Vermögenswerte (Stranded AssetsStranded Assets sind Investitionen beziehungsweise Vermögenswerte, die nicht mehr genutzt werden können und damit unrentabel werden. So können beispielsweise Investitionen in ein Kohlekraftwerk, das auf Grund von klimapolitischen Maßnahmen nicht mehr betrieben werden darf, massiv an Wert verlieren.) besser abschätzen und diese Erkenntnisse bei der Allokation ihrer Investitionen berücksichtigen können.
In den vergangenen Jahren ist bereits eine Vielzahl von nachhaltigen FinanztaxonomienIn diesem Bericht wird nachfolgend von Taxonomien gesprochen, gemeint sind hier nachhaltige Finanztaxonomien. entstanden, um die Bereitstellung von Kapital für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu fördern (Kasten 1). Bis Ende 2023 haben 26 Länder und Regionen ihre eigenen Taxonomien eingeführt oder mit deren Entwicklung begonnen. Weitere 25 Länder haben die Entwicklung einer Taxonomie initiiert, jedoch noch keinen Text veröffentlicht (Abbildung 1).
Die Klassifizierung nachhaltiger Aktivitäten und Investitionen wird als Sustainable Finance Taxonomy (nachhaltige Finanztaxonomie,In diesem Artikel wird der allgemeine Begriff der nachhaltigen Finanztaxonomien verwendet, abgekürzt Taxonomie. nachfolgend „Taxonomie“ genannt) bezeichnet. Die Entstehung von Taxonomien in verschiedenen Ländern, Regionen und internationalen Organisationen wurde insbesondere durch das Pariser Klimaabkommen und die UN-Nachhaltigkeitsziele (engl. Sustainable Development Goals, SDGs) vorangetrieben. Allerdings zeigen sich in der Benennung dieser Taxonomien bereits Unterschiede, die auf unterschiedliche Ausrichtungen und Prioritäten hindeuten: So enthalten sie entweder die Begriffe „nachhaltig“, „grün“, „Klima“, „Transition“ und „sozial“. Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist per Definition am weitesten gefasst, da der Begriff eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension hat.BMZ. Nachhaltigkeit. (online verfügbar). So konzentriert sich eine grüne Taxonomie auf rein grüne Aktivitäten oder solche, die einen positiven Beitrag zu den von der Taxonomie abgedeckten Umweltzielen leisten. Die Granularität, der Umfang, die Kriterien und die Umweltziele der Taxonomien können jedoch sehr unterschiedlich sein. Sozialtaxonomien konzentrieren sich hauptsächlich auf den positiven Beitrag zu sozialen Zielen wie menschenwürdige Arbeit und einen angemessenen Lebensstandard.EU Platform on Sustainable Finance (2022): Final Report on Social Taxonomy.Platform on Sustainable Finance (online verfügbar). Im Gegensatz dazu verfolgen Übergangs- oder Transitionstaxonomien einen dynamischeren Ansatz, da sie Aktivitäten benennen, die aktuell nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen stehen, wo es bislang jedoch an geeigneten „grünen“ Alternativen fehlt. Fördert eine Taxonomie ausschließlich grüne Aktivitäten, klammert sie damit wichtige Teile der Wirtschaft aus, die noch transformiert werden müssen. Eine grüne oder nachhaltige Taxonomie kann auch Elemente von Übergangsaktivitäten enthalten.
Um den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu beschleunigen, müssen neben grünen Projekten und Aktivitäten wie etwa dem Ausbau der Solar- und Windenergie auch die Einführung von Technologien wie grünem Wasserstoff in emissionsintensiven Sektoren wie Stahl oder Zement unterstützt werden.Mritiunjoy Mohanty und Runa Sarkar (2024): The Role of Coal in a Sustainable Energy Mix for India. Routledge (online verfügbar). Eine Taxonomie, die das berücksichtigt, kann Unternehmen in diesen Sektoren einen besseren Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten ermöglichen. Aufbauend auf dieser Einordnung untersucht der vorliegende Bericht das Potenzial der weltweit entwickelten Taxonomien zur Unterstützung der Transformation.Catherine Marchewitz et al. (2024): Sustainable Finance Taxonomies – Enabling the Transition towards Net Zero? A Transition Score for International Frameworks. DIW Berlin Discussion Papers 2083 (online verfügbar). In diesem Bericht werden die Begriffe Transformation und Transition als Synonyme verwendet.
Die offiziellen Dokumente der 26 bereits veröffentlichten Taxonomien wurden anhand von fünf Kriterien analysiert. Es wurde eine Transitionskennzahl ermittelt, die einen Vergleich der Taxonomien erlaubt (Kasten 2). Je höher die Kennzahl, desto höher ist das Transformationspotenzial. Es ergibt sich ein gemischtes Bild (Abbildung 2).Marchewitz et al. (2024), a.a.O. Die detaillierte Bewertung der einzelnen Taxonomien ist im Anhang zu finden. Die aktuelle Bewertung basiert auf dem Stand der Dokumente zum 31. Dezember 2023. Für Länder, die sich in der Entwicklungsphase befinden, kann sich die Bewertung ändern, sobald die Taxonomie fertiggestellt und veröffentlicht ist. Die Transitionskennzahl reicht von 2,0 bis 3,6 Punkten. Im Durchschnitt kommen die Taxonomien auf 2,8 Punkte. Diejenigen mit der höchsten Punktzahl (drei und mehr, also insgesamt ein „moderater bis hoher Beitrag“) sind die des Verbandes der südostasiatischen Nationen (ASEAN), Kolumbiens, der EU, Georgiens, Singapurs, Südkoreas und Sri Lankas. Die Taxonomien mit der niedrigsten Punktzahl sind die von Israel, Malaysia, Russland, Südafrika und Usbekistan (zwischen zwei und 2,4 Punkten, also ein „geringer Beitrag“).
Der Übergang zur Klimaneutralität gestaltet sich in jedem Land aufgrund der individuellen Voraussetzungen unterschiedlich. Um das Transformationspotenzial dennoch vergleichbar einschätzen zu können, wurde als objektives Bewertungssystem eine „Transitionskennzahl“ entwickelt. Diese besteht aus fünf Kriterien, die die analysierten Informationen strukturiert zusammenfassen:Für eine detaillierte Beschreibung der Kriterien und der Punktvergabe vgl. Marchewitz et al. (2024), a.a.O.. politische Einbettung, sektorale Abdeckung, Screening-Ansatz, Anwendungsbereich und Berichterstattung und Offenlegung (Tabelle).
Kriterium | Definition |
---|---|
Politische Einbettung | Dieses Kriterium zeigt, ob die Taxonomie auf Klimaziele in internationalen Rahmenwerken wie das Pariser Klimaabkommen und die SDGs sowie auf nationale oder regionale Klimapolitik Bezug nimmt. Auch wird bewertet, ob sie umfassendere Nachhaltigkeitsziele beinhaltet. |
Sektorale Abdeckung | Bezieht sich auf den Anteil der direkt erfassten Emissionen in einer Taxonomie, also der Sektoren oder Technologien, die im jeweiligen Taxonomie-Rahmen ausdrücklich genannt sind.1 |
Screening-Ansatz | Dieses Kriterium erfasst, ob Taxonomien (technische) Auswahlkriterien oder Schwellenwerte für die Erfassung von Wirtschaftstätigkeiten festlegen und ob diese einem glaubwürdigen, wissenschaftsbasierten Dekarbonisierungspfad folgen. |
Anwenderkreis | Bezieht sich darauf, welche Marktakteur*innen des Finanzsektors und der Realwirtschaft sowie welche Finanzinstrumente (zum Beispiel Anleihen, Darlehen, Garantien, Fonds) von der Taxonomie betroffen sind. |
Berichterstattung und Offenlegung | Hier wird untersucht, ob die Taxonomie mit Berichtspflichten für Unternehmen in dem jeweiligen Land verknüpft ist. |
1 Um die prozentuale Abdeckung der länderspezifischen Treibhausgasemissionen pro Sektor zu bewerten, verwenden wir die Datenbank der World Emissions Clock (WEC). Zugriff unter: https://worldemissions.io/
Quelle: Eigene Darstellung.
Für alle Kriterien gibt es jeweils vier Abstufungen mit entsprechender PunktzahlIn diesem Wochenbericht wurde eine Gleichgewichtung der Kriterien vorgenommen, da alle fünf Kriterien für die Transformation der Wirtschaft notwendig sind. In der zugrundeliegenden Veröffentlichung wurde zusätzlich eine andere Gewichtung vorgenommen, welche das Ranking jedoch nicht grundlegend verändert hat. – hier in Klammer: kein Beitrag (1); geringer Beitrag (2); moderater Beitrag (3) oder hoher Beitrag (4).
Hinsichtlich der Einbettung in politische Prozesse, also wie die Taxonomie Bezug auf die Ziele in internationalen Rahmenwerken wie etwa dem Pariser Klimaabkommen nimmt, ergibt sich in der Analyse ein überwiegend positives Bild (Abbildung 3). Die vollen vier Punkte für dieses Kriterium bekommen 18 der 26 Taxonomien, während sieben drei Punkte und die Taxonomie von Usbekistan zwei Punkte erhalten. Einige Taxonomien beziehen sich ausdrücklich auf die nationalen Klimaschutzbeiträge (engl. Nationally Determined Contributions, NDCs).Georgien, Indonesien, Kolumbien, Lateinamerika und Karibik, Malaysia, Singapur, Sri Lanka. Zudem wird häufig auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens, die Sustainable Development Goals (SDGs) und die nationale Klima- und Energiepolitik des Landes verwiesen. Mehrere Taxonomien zielen darauf ab, den Geltungsbereich auf ein breiteres Spektrum von Umweltzielen wie Kreislaufwirtschaft und Biodiversität auszudehnen. 13 Taxonomien, darunter die für Kolumbien, die Mongolei, Russland, Südafrika und Ruanda beziehen naturbezogene Aspekte ein oder planen, dies zu tun. Andere berücksichtigen spezifische regionale Aspekte, etwa in Malaysia das islamische Finanzwesen. Länder wie Georgien, die Mongolei oder Mexiko beziehen bereits soziale Aspekte ein oder streben dies an, beispielsweise Brasilien. Dies deutet darauf hin, dass viele Taxonomien einen umfassenden Nachhaltigkeitsansatz verfolgen, auch wenn die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Umwelt- und Sozialthemen noch nicht vollständig berücksichtigt werden und die Entwicklung entsprechender Kriterien noch aussteht.
Der Anteil der Emissionen in den Wirtschaftssektoren, die im jeweiligen Taxonomie-Rahmen ausdrücklich genannt sind,Teilweise werden bei den Taxonomien noch nicht alle Sektoren abgedeckt, da sie sich noch in der Entwicklung befinden. war im Jahr 2022 sehr unterschiedlich (Abbildung 4). Eine Erfassung bedeutet, dass für diese Wirtschaftsaktivitäten Kriterien und Schwellenwerte entwickelt wurden. In sechs Taxonomien ist dies für weniger als 50 Prozent der Fall.Diese Werte sind vorläufig: So haben Hongkong und Thailand angekündigt, dass sie in den nächsten Überarbeitungen weitere Sektoren einbeziehen wollen, da bisher nur Entwürfe veröffentlicht wurden. Zehn Taxonomien wiederum beinhalten mehr als 90 Prozent der Emissionen.ASEAN, Brasilien, China, EU, Kolumbien, Südkorea, Lateinamerika und Karibik, Mongolei, Philippinen, Singapur. Die Philippinen stellen einen Sonderfall dar, da es sich um einen sektorunabhängigen Ansatz handelt, bei dem keine spezifischen Aktivitäten klassifiziert werden. Alle weiteren Taxonomien beinhalten zwischen 50 und 90 Prozent der Emissionen.
Die Ergebnisse zeigen große Unterschiede im Screening-Ansatz, das heißt, welche Auswahlkriterien oder Schwellenwerte für die Erfassung von Wirtschaftstätigkeiten festgelegt werden (Kasten 3). Die Taxonomien der ASEAN und von Kolumbien, Japan, Hongkong, Singapur und Thailand erhalten in dieser Kategorie die höchste Punktzahl (Abbildung 5), da sie dynamische, also im Zeitablauf veränderliche Schwellenwerte definieren, die auf wissenschaftlich fundierten Klimaneutralitätsszenarien basieren. Sie enthalten zudem Übergangsaktivitäten, indem sie entweder ein Ampelsystem nutzen oder eine regelmäßige Anpassung der Schwellenwerte vorsehen. Die Taxonomien von Lateinamerika und Malaysia haben die niedrigste Punktzahl, da sie nur generelle Prinzipien definieren, aber keine messbaren Schwellenwerte und Kriterien enthalten.
Im Allgemeinen werden drei Ansätze zur Einstufung der Wirtschaftsaktivitäten als taxonomiekonform unterschieden. Diese überschneiden sich teilweise und werden unabhängig voneinander oder in Kombination verwendet (G20 SFWG, 2022). Zum einen gibt es technische Screening-Kriterien (engl. Technical screening criteria, TSC), die von vielen Taxonomien, wie beispielsweise der EU-Taxonomie, genutzt werden.Zum Beispiel von der EU, Kolumbien, Südkorea, Südafrika, Indonesien und Vietnam sowie teilweise in Usbekistan. Dabei wird eine Aktivität nur dann als taxonomiekonform eingestuft, wenn ihr erwarteter Beitrag zu einem in der Taxonomie definierten Umweltziel eine Reihe von Kriterien und Schwellenwerten zur Emissionsintensität erfüllt. Da hierbei die Technologien nicht eingeschränkt werden, ist der TSC-Ansatz technologieneutral. Der sogenannte Weißlisten-Ansatz (engl. Whitelist-Design WL), der beispielsweise in den Taxonomien von Bangladesch, China, Georgien, Russland und der Mongolei verwendet wird, nennt im Gegensatz dazu explizit die taxonomiekonformen Aktivitäten und ist damit technologiespezifisch. Eine „Weißliste” bedeutet, dass eine Tätigkeit nur dann taxonomiekonform ist, wenn sie ausdrücklich darin aufgeführt ist und sie die einschlägigen nationalen Umweltleistungsstandards erfüllt. Schließlich enthalten einige Taxonomien einen prinzipienbasierten Ansatz (engl. principles-based). Dieser Ansatz legt eine Reihe von Grundprinzipien fest und ist eher technologieoffen, wie zum Beispiel in den Taxonomien der ASEAN sowie von Malaysia, den Philippinen und Singapur. Die meisten Taxonomien kombinieren ihren Ansatz mit zusätzlichen Screening-Kriterien, wie etwa sozialen Mindeststandards, und/oder dem Grundsatz „Do No Significant Harm“ sowie spezifischen Ausschlusskriterien.
In Bezug auf den Anwender*innenkreis der Taxonomie geben die meisten Taxonomien zwar an, für welche Marktteilnehmer*innen sie gelten oder potenziell genutzt werden können. Sie richten sich aber meist nur an eine sehr begrenzte Gruppe von Akteur*innen oder bleiben sehr vage (Abbildung 6). Die EU kommt hier auf vier Punkte, da die Zielgruppen wie eingangs beschrieben sehr breit gehalten sind.Vgl. Europäische Union (2022), a.a.O.. Vietnam und Usbekistan erhalten drei Punkte, da sie zumindest verbindliche Verpflichtungen für eine definierte Liste an Akteur*innen und Produkten festlegen. Die Taxonomien der übrigen Länder und Regionen erhalten nur zwei Punkte, da sie entweder nur eine begrenzte Zielgruppe definieren oder freiwillig anzuwenden sind. Darüber hinaus gilt die Taxonomie in einigen Fällen wie etwa in Bangladesch, China, Kasachstan, Russland und Vietnam nur für bestimmte Finanzinstrumente, zum Beispiel grüne Anleihen.Während Anleihen nach wie vor eine wichtige Komponente der Projektfinanzierung darstellen, spielen auch andere Finanzprodukte wie Darlehen, Fonds, Versicherungsprodukte und Mischfinanzierungen eine wichtige Rolle. Darlehen sind in vielen Fällen weiterhin die vorherrschende Form der Projektfinanzierung, Vgl. Frédéric Holm-Hadulla et al. (2022): Firm debt financing structures and the transmission of shocks in the euro area. Economic Bulletin Articles, 4 (online verfügbar).
Viele Taxonomien sind bisher nicht direkt an verbindliche Offenlegungs- und Berichtspflichten geknüpft (Abbildung 7). In den meisten Fällen sind die Unternehmen nicht verpflichtet, Informationen offenzulegen oder über ihre Konformität mit der Taxonomie zu berichten. Da es sich bei den Taxonomien oft um freiwillige Rahmenwerke handelt, sind sie vielfach nicht mit Berichtspflichten verbunden, auch wenn einige Taxonomien auf bestehende internationale Standards und Rahmenwerke verweisen.In der Studie wurde nur untersucht, ob in der Taxonomie auf Offenlegungs- und Berichtspflichten verwiesen wird. Es wurde nicht untersucht, ob es in dem jeweiligen Land Berichtspflichten gibt, die ihrerseits auf die Taxonomie verweisen. Die Taxonomien von Bangladesch, China, Georgien und der EU gehören zu den wenigen, in denen es verbindliche Vorschriften gibt. Marktteilnehmer*innen, die zur Zielgruppe der Taxonomien gehören, müssen Informationen offenlegen und über ihre an der Taxonomie ausgerichteten Aktivitäten berichten.
In den meisten Taxonomien werden nicht nur bereits klimaneutrale wirtschaftliche Aktivitäten (wie Solar-, Windenergie, Elektroautos oder ähnliche) als nachhaltig eingestuft, sondern auch einige Aktivitäten in emissionsintensiven Branchen. In diesen Branchen erweisen sich die genauen Kriterien und Schwellenwerte als entscheidend für die Frage, inwieweit sie einen potenziellen Beitrag zu einer klimaneutralen Wirtschaft leisten können. In vielen Taxonomien werden die Schwellenwerte jedoch nicht regelmäßig angepasst oder sie sind nicht dynamisch angelegt. Dies kann zur Folge haben, dass entsprechende Investitionen nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen sind oder zu Verlusten bei den Vermögenswerten führen. Um die Bedeutung dynamischer Schwellenwerte zu veranschaulichen, werden im Folgenden beispielhaft die Kriterien und Schwellenwerte im Energie- und Transportsektor in den Taxonomien der EU, Thailands und Indonesiens verglichen (Tabelle 2).
EU | Thailand | Indonesien | |
---|---|---|---|
Energiesektor* |
Schwellenwert für Grün <100 gCO2e/kWh, bisher kein Reduktionspfad |
Schwellenwert für Grün im Ampelsystem: <100 gCO2e/kWh Senkung im Jahr 2040 auf <50 gCO2e/kWh |
Schwellenwert für Grün im Ampelsystem: <100 gCO2e/KWh |
Kein Ampelsystem, daher keine gelbe Kategorie | Gelb im Ampelsystem: wird von <382 auf <148 gCO2e/kWh in 5 Jahresschritten bis 2040 auf null reduziert | Gelb im Ampelsystem: <510 gCO2/KWh (basierend auf dem IEA Sustainable Development Scenario (SDS)) | |
Transport (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge) |
Schwellenwert: <50 Gramm CO2 pro Fahrtkilometer (g CO2/km). Emissionen müssen ab 2026 auf null sinken |
keine Übergangsphase d.h. Schwellenwert liegt bei null Emissionen | nicht explizit enthalten in der Taxonomie/bisher keine Schwellenwerte definiert |
Anmerkungen: * Lebenszyklusemissionen in der Stromerzeugung. gCO2e/kWh = Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde.
Quellen: Eigene Darstellung, Taxonomieverordnung der EU, Thailand und Indonesiens.
In der EU-Taxonomie ist der Weg zur Klimaneutralität im Energiesektor sowie in den meisten Industriesektoren noch nicht definiert. So wurde für die CO2-Intensität der Stromerzeugung ein binärer Schwellenwert (zum Beispiel für Strom aus Wasserkraftwerken, Biomasse, Kraft-Wärme-Kopplung oder Gaskraftwerken) festgelegt. Die Taxonomie in Thailand, die ein Ampelsystem hat, enthält hingegen zwei Schwellenwerte für den Energiesektor, die im Zeitverlauf gesenkt werden. Auch das Ampelsystem in Indonesien orientiert sich in der strengsten Kategorie an internationalen Benchmarks schreibt jedoch noch keine Reduktion vor.Das Ampelsystem der ASEAN-Taxonomie enthält ähnliche Schwellenwerte für den Energiesektor: Für „grün“ liegt der Schwellenwert ebenfalls bei unter 100 gCO2e/kWh. Die „orange“ Kategorie wird noch einmal unterteilt mit den Schwellenwerten 100 bis 425 und 425 bis 510 gCO2e/kWh.
Im Transportsektor definiert die EU-Taxonomie für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge einen Schwellenwert, der ebenfalls über die Jahre sinkt. In der thailändischen Taxonomie gibt es für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge hingegen bereits jetzt einen Schwellenwert von null Emissionen.
Die Beispiele verdeutlichen, dass in den verschiedenen Ländern und Regionen unterschiedliche Anpassungen der Schwellenwerte vorgesehen sind, die sich auf die Geschwindigkeit der Transformation auswirken können.
Taxonomien sind entscheidend für die Definition nachhaltiger Aktivitäten und damit für die Finanzierung des Übergangs zur Klimaneutralität. Mit eindeutigen Kriterien und Standards können sie dazu beitragen, einen robusten Markt für Investitionen in klimafreundliche Aktivitäten zu schaffen.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Potenzial der analysierten Taxonomien zur Lenkung von Finanzströmen im Sinne des Pariser Klimaabkommens noch nicht ausgeschöpft ist. Um das Potenzial zu heben, sollten alle in den Taxonomien enthaltenen Umwelt- (und Sozial-) Standards wissenschaftlich fundiert sein und einen klaren Pfad zur Klimaneutralität aufzeigen. Darüber hinaus muss eine Anpassung an die internationalen Klimaziele für alle Sektoren sichergestellt werden. Dies erfordert einen dynamischen Ansatz, also eine kontinuierliche Überarbeitung und Anpassung der Taxonomie auf Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Zudem sollte eine Taxonomie auf alle relevanten Finanzinstrumente und Akteur*innen im Finanzsektor und in der Realwirtschaft angewendet werden und Teil der Unternehmensberichterstattung sein.
Trotz Bemühungen um eine internationale Angleichung bestehen weltweit große Unterschiede und abweichende Definitionen, was „grün“ und „nachhaltig“ ist. Viele Unternehmen und Investor*innen sind in mehreren Ländern tätig. Um die Wirksamkeit der Taxonomien zu erhöhen und eine Verlagerung von Emissionen in andere Länder zu vermeiden, sollten Taxonomien weltweit harmonisiert werden.
Die Taxonomien sollten besser aufeinander abgestimmt werden, damit Nachhaltigkeitspolitik und -programme kohärent bewertet werden können und eine Verlagerung von Emissionen in andere Länder sowie eine Fragmentierung des Kapitalmarktes vermieden werden. Eine Harmonisierung trägt außerdem dazu bei, dass der Verwaltungsaufwand für die Berichterstattung verringert und der Übergang zur Klimaneutralität in verschiedenen Ländern unterstützt werden kann.WWF and Climate & Company (2022): When Finance talks Nature, WWF France in cooperation with Climate & Company (online verfügbar).
Themen: Umweltmärkte, Klimapolitik, Finanzmärkte, Europa
JEL-Classification: G18;P00;Q01;Q58
Keywords: Sustainable Finance Taxonomy, Green Finance, Transition Finance, EU Taxonomy, climate policy, transition plans
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-28-1