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Zufriedenheit mit Einkommen, Arbeit und Gesundheit unterscheidet sich nach Haushaltseinkommen, Alter und Elternschaft

DIW Wochenbericht 34 / 2024, S. 523-531

Laura Buchinger, Theresa Entringer, Daniel Graeber

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  • Allgemeine Zufriedenheit sowie Zufriedenheit mit Einkommen, Arbeit und Gesundheit sind in den vergangenen 20 Jahren gestiegen oder stabil geblieben
  • Lücke in der Zufriedenheit mit dem Einkommen ist zwischen Frauen und Männern, Menschen in Ost- und Westdeutschland sowie jüngeren und älteren stark geschrumpft
  • Gravierende Gruppenunterschiede bestehen bei der Zufriedenheit mit der Gesundheit
  • Vor allem Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel und Eltern sind besonders unzufrieden mit ihrer Gesundheit
  • Politik sollte diese Gruppen entlasten, etwa durch eine verbesserte Betreuungssituation oder weniger Bürokratie in der Beantragung von Leistungen

„Es gibt zwischen Ost- und Westdeutschland Unterschiede in der Zufriedenheit mit dem Einkommen, der Arbeit oder auch der Gesundheit. Ein sehr positiver Befund ist aber, dass sich Ost- und Westdeutschland in der Zufriedenheit einander angleichen.“ Daniel Graeber

Das subjektive Wohlbefinden ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität und Gesundheit einer Gesellschaft. Studien zeigen, dass zufriedenere Menschen bessere soziale Beziehungen führen, produktiver sind und eine längere Lebenserwartung haben. Infolge der Debatte über die Eignung des Bruttoinlandsprodukts als Wohlstandsmaß wird auch die Lebenszufriedenheit als Alternative beziehungsweise als Ergänzung diskutiert. Daher sind die Erkenntnisse darüber für Wissenschaft und Politik relevant. Dieser Wochenbericht untersucht die Zufriedenheit der Bevölkerung in Deutschland mit den Lebensbereichen Einkommen, Arbeit und Gesundheit von 2004 bis 2021. Dabei analysiert der Bericht, ob Unterschiede zwischen Geschlechtern, Regionen (Ost/West), Altersgruppen, Elternschaft und Einkommensgruppen bestehen. Die Daten stammen aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Die Analyse zeigt, dass die allgemeine Zufriedenheit sowie die Bereichszufriedenheiten in den letzten 20 Jahren gestiegen oder stabil geblieben sind. Es bestehen jedoch teils gravierende Unterschiede zwischen den Gruppen, insbesondere in der Zufriedenheit mit der Gesundheit. Vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen oder mit Kindern im Haushalt sind vergleichsweise unzufrieden. Politische Maßnahmen zur Entlastung von Eltern und Verbesserung der Betreuungssituation sind erforderlich.

Das subjektive Wohlbefinden prägt maßgeblich die Lebensqualität einer Gesellschaft. Studien aus Psychologie und Medizin zeigen, dass zufriedenere Menschen bessere soziale Beziehungen führen,infoShannon Moore und Ed Diener (2019): Types of subjective well-being and their associations with relationship outcomes. Journal of Positive Psychology and Wellbeing, 3(2), 112–118. produktiver bei der Arbeit sindinfoJesús F. Salgado und Silvia Moscoso (2022): Cross-cultural evidence of the relationship between subjective well-being and job performance: A meta-analysis. Journal of Work and Organizational Psychology, 38(1), 27–42 (online verfügbar, abgerufen am 1. August 2024. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). und sogar eine längere Lebenserwartung haben.infoNatalia Martín-María et al. (2017): The impact of subjective well-being on mortality: a meta-analysis of longitudinal studies in the general population. Psychosomatic Medicine, 79(5), 565–575 (online verfügbar). Auch in der Wirtschaftswissenschaft wird das selbst wahrgenommene Wohlbefinden untersucht.infoRichard A. Easterlin und Kelsey J. O’Connor (2022): The Easterlin Paradox. Handbook of Labor, Human Resources and Population Economics, 1–25. Diese Debatte erlebt neuen Aufwind, wird doch die Eignung des Bruttoinlandsprodukts als Maß für Wohlstand in Zeiten von Klimakrise und immer knapper werdenden Ressourcen hinterfragt.infoEuropäische Komission (2024): Alternative Measures of Progress beyond GDP (online verfügbar). Erkenntnisse über das subjektive Wohlbefinden der Bevölkerung sind für Wissenschaft und politische Entscheidungsträger*innen folglich äußerst relevant.

In der Literatur wird unterschieden zwischen affektivem Wohlbefinden – wie häufig Menschen positive und negative Gefühle erleben – und kognitivem Wohlbefinden – wie Menschen ihre Lebenssituation verglichen mit ihrer Idealvorstellung bewerten.infoUlrich Schimmack (2008): The structure of subjective well-being. The science of subjective well-being, 54(1), 97–123. In Studien wird das kognitive Wohlbefinden mittels Einschätzung der Zufriedenheit mit der Lebenssituation insgesamt (allgemeine Lebenszufriedenheit) und der Zufriedenheit mit einzelnen Lebensbereichen (Bereichszufriedenheit) erfasst. Während sich der Großteil der Literatur auf die allgemeine Lebenszufriedenheit fokussiert, gibt es relativ wenige Studien zur Zufriedenheit mit den verschiedenen Lebensbereichen. Dieser Wochenbericht trägt zu dieser Literatur bei. Im Folgenden werden Ungleichheiten in der Zufriedenheit mit drei verschiedenen Lebensbereichen analysiert: persönliches Einkommen, Arbeit und Gesundheit. Arbeit ist ein zentraler Lebensinhalt der allermeisten Erwachsenen. Die Zufriedenheit mit dieser spielt daher eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden der meisten Menschen in Deutschland. Ähnliches gilt für die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen, ermöglicht es gleichzeitig auch soziale Teilhabe und ist zentral für individuelle Konsumentscheidungen. Gesundheit kann als Grundlage aller anderen Lebensinhalte verstanden werden. Die Zufriedenheit mit ihr ist folglich zentraler Indikator für die Teilhabe an allen Lebensbereichen.

Als Grundlage dieser Analyse dient das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), einer der wenigen Datensätze in Deutschland, der repräsentative Daten zur Lebenszufriedenheit allgemein wie auch zu verschiedenen Lebensbereichen beinhaltet (Kasten).infoJan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(2), 345–360. Der Analysezeitraum erstreckt sich von 2004 bis 2021, da die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen im SOEP seit 2004 erfasst wird.infoDie aktuelle Version des SOEP umfasst die Erhebungsjahre bis einschließlich 2021. Daten für die Folgejahre liegen noch nicht vor. Über diesen Zeitraum werden Unterschiede zwischen Frauen und Männern, zwischen Ost- und Westdeutschland, zwischen Menschen mit und ohne Kindern, zwischen Menschen bis und über 30 Jahren sowie zwischen Personen mit niedrigen, mittleren und höheren Nettohaushaltseinkommen deskriptiv analysiert.infoEs wird zwischen Einkommensterzilen unterschieden. Diese Indikatoren zeigten bereits in anderen Analysen bedeutsame Unterschiede.infoTheresa M. Entringer und Laura Buchinger (2024): Subjektives Wohlbefinden und Sorgen. Datenreport 2024 – Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Statistisches Bundesamt (Destatis), Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Die Befragten geben ihre Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen auf einer Skala von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) an. Die Erkenntnisse dieser Analyse können Politiker*innen darüber informieren, in welchen Lebensbereichen und für welche Bevölkerungsgruppen Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens besonders relevant sind.

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative und multidisziplinäre Haushaltsbefragung. Seit 1984 werden jährlich Haushalte und deren Mitglieder in Deutschland zu ihrer allgemeinen Lebenssituation befragt.infoJan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239 (2), 345–360. Inhalte dieser Befragungen sind unter anderem die Bildung, Arbeitsmarktsituation und Gesundheit der Befragten. Aktuell werden jedes Jahr rund 30000 Personen in etwa 15000 Haushalten befragt. Für die Analysen wurden die Angaben zur allgemeinen Lebenszufriedenheit und zur Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen, dem Arbeitsplatz und der Gesundheit der SOEP-Befragten verwendet. Konkret werden die Befragten gefragt: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig mit [ihrem Lebensbereich]?“ Die Befragten geben auf einer Skala über ihre Zufriedenheit Auskunft, die von 0 („ganz und gar unzufrieden“) bis 10 („ganz und gar zufrieden“) reicht. Die Frage nach der Zufriedenheit mit der Arbeit wird nur Erwerbstätigen gestellt. Die Frage nach der Zufriedenheit mit der Gesundheit wird allen in Deutschland lebenden Menschen gestellt. Die Analyse berücksichtigt zur besseren Vergleichbarkeit über die Zeit keine Geflüchteten.

Zwischen allgemeiner Zufriedenheit und Bereichszufriedenheiten bestehen große Unterschiede

Je nach Bereich war die Höhe der Zufriedenheit und auch deren Entwicklung in den letzten Jahren sehr unterschiedlich (Abbildung 1). So war die allgemeine Lebenszufriedenheit in den meisten Jahren höher als die Bereichszufriedenheiten. Sie lag im Jahr 2004 bei durchschnittlich 6,7 Punkten, die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen mit 5,5 Punkten deutlich darunter. Bis 2021 haben sich beide Werte verbessert, wobei die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen (6,9) zwar weniger stetig, dafür aber stärker stieg als die allgemeine Lebenszufriedenheit (7,4). Zum Vergleich: Der Anstieg der Reallöhne in einem ähnlichen Zeitraum, 2004 bis 2019, betrug rund zehn Prozent.infoGuido Zinke (2020): Lohnentwicklung in Deutschland und Europa. Bundeszentrale für politische Bildung vom 1. Oktober (online verfügbar). Ähnlich, wenn auch nicht ganz so steil, nahm auch die Zufriedenheit mit der Arbeit von 6,8 auf 7,2 zu. Im Gegensatz dazu blieb die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit über die Jahre stabil bei ungefähr 6,5. Lediglich im Zuge der Corona-Pandemie stieg dieser Wert auf 6,9 im Jahr 2021.

Frauen und Ostdeutsche haben bei Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen aufgeholt

Bei der Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen existieren deutliche Geschlechtsunterschiede: Männer waren über die Jahre durchweg zufriedener als Frauen (Abbildung 2).infoWichtig für die Interpretation ist, dass sich die Frage auf das Arbeitseinkommen bezieht. Infolgedessen werden nur Menschen in Arbeit in dieser Analyse berücksichtigt. Im Jahr 2004 waren Männer rund 0,4 Punkte zufriedener mit ihrem persönlichen Einkommen als Frauen, 2007 waren es dann sogar 0,6 Punkte. Danach setzte allerdings ein Aufholprozess der Frauen ein, der dazu führte, dass Männer im Jahr 2021 nur noch 0,2 Punkte zufriedener waren als Frauen. Bemerkenswert hierbei ist, dass für beide Gruppen die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen über die Jahre wuchs, für Frauen allerdings wesentlich stärker. Die Gründe für den Gender Gap in der Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen sind vielfältig. Hauptgrund ist sicherlich, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Im Jahr 2005 lag die Differenz in den Löhnen zwischen Männern und Frauen bei etwa 16,8 Prozent. Bis 2021 verkleinerte sich diese auf 13,5 Prozent.infoOECD (2024): Employment: „Gender Wage Gap“ (online verfügbar, abgerufen am 20. Juni 2024). Berichtet werden relative Unterschiede der mittleren Werte (Median). Frauen und Männer haben sich also bei der Zufriedenheit mit dem Einkommen ähnlich angenähert wie bei den Löhnen.

Auch zwischen Ost- und Westdeutschland gibt es Unterschiede. So waren Menschen in Ostdeutschland deutlich unzufriedener mit ihrem persönlichen Einkommen als Menschen in Westdeutschland. Während der Mittelwert 2004 in Ostdeutschland bei 4,9 lag, betrug er in Westdeutschland 5,7. Bis 2021 näherte sich die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen in Ost und West deutlich an. Im Jahr 2021 waren Ostdeutsche (6,7) annähernd so zufrieden wie Westdeutsche (6,9). Auch hier dürften die Verdienstunterschiede, die über die Jahre kleiner geworden sind, relevant sein. Während die Bruttostundenlöhne in Ostdeutschland 2004 nur rund 75 Prozent derer in Westdeutschland entsprachen, waren es 2021 rund 87 Prozent.infoJannik André Nauerth und Johan Pflanz (2023): Lohnlücke Ost-West – Ewige Disparität oder schiefer Vergleich? Ifo Dresden berichtet, 30(5), 8–13.

Hinsichtlich der Altersunterschiede zeigt sich: Personen bis 30 Jahre waren im Jahr 2004 deutlich unzufriedener mit ihrem persönlichen Einkommen (4,9) als Personen über 30 Jahren (5,7). Diese Altersdifferenz schrumpfte über die Jahre. So lag 2021 die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen bei Jüngeren bei 6,5, bei den über 30-Jährigen bei 6,9. Diejenigen, die jeweils am Ende ihrer Ausbildung oder in der frühen Phase ihres Erwerbslebens standen, waren also zunehmend zufriedener mit ihrem persönlichen Einkommen. Ein möglicher Grund dafür könnten die Veränderungen am Arbeitsmarkt sein. Während die frühen 2000er durch eine hohe Arbeitslosigkeit und eingeschränkte Arbeitsmarktperspektiven, insbesondere für junge Menschen, geprägt waren,infoSandra Buchholz und Karin Kurz (2005): Increasing employment instability among young people? Labor market entries and early careers in Germany since the mid-1980s. FlexCAREER Working Paper No. 3; Brigitte Schels (2009): Job entry and the ways out of benefit receipt of young adults in Germany. IAB-Discussion Paper. 16/2009. waren im Jahr 2022 die Hälfte aller Unternehmen durch den Fachkräftemangel beeinträchtigt.infoAndreas Peichl, Stefan Sauer und Klaus Wohlrabe (2022): Fachkräftemangel in Deutschland und Europa–Historie, Status quo und was getan werden muss. ifo Schnelldienst, 75(10), 70–75. All dies dürfte sich auf die Einstiegsgehälter und den allgemeinen Arbeitsmarkt für junge Menschen positiv ausgewirkt haben. Dies schlug sich dann möglicherweise auch in der Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen junger Menschen nieder.

Beim Haushaltseinkommen werden das Drittel der Menschen mit den geringsten Einkommen (erstes Terzil), das Drittel mit mittleren Einkommen (zweites Terzil) und das Drittel mit den höchsten Einkommen (drittes Terzil) verglichen. Wenig überraschend sind Menschen je nach ihrem Haushaltseinkommen auch unterschiedlich zufrieden mit ihrem persönlichen Einkommen.infoDas Haushaltsnettoeinkommen wurde für die vorliegende Analyse mit der Quadratwurzel aus der Haushaltsgröße bedarfsgewichtet. Das bedarfsgewichtete Haushaltseinkommen wurde mit dem Verbraucherpreisindex deflationiert. Während Menschen mit den geringsten Haushaltseinkommen im Jahr 2004 vergleichsweise unzufrieden mit ihren persönlichen Einkommen waren (4,3), waren Personen mit mittleren Einkommen (5,6) und solche mit hohen Einkommen (6,6) weitaus zufriedener. Diese Unterschiede sind erheblich. Ebendiese Abstände verringerten sich bis 2021 teilweise. Während sich der Abstand zwischen dem obersten und mittleren Einkommen annäherte (von 1,0 auf 0,8), blieb der Abstand zwischen dem untersten und mittleren Einkommen konstant (1,2). Grundsätzlich deutet dieses Gefälle daraufhin, dass entlang der Einkommensverteilung die zusätzliche Zufriedenheit aus zusätzlichem Einkommen abnimmt.

Zwischen Menschen mit und ohne Kinder sind über den gesamten Zeitraum keine Unterschiede erkennbar: Beide sind gleichermaßen zufrieden mit ihrem Einkommen.

Unterschiede in der Zufriedenheit mit der Arbeit sind verhältnismäßig gering

Erwerbstätige Frauen und Männer in Deutschland sind ähnlich zufrieden mit ihrer Arbeit (Abbildung 3). Das ist bemerkenswert, berichteten Frauen doch durchschnittlich eine niedrigere Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen. Während Frauen also unzufriedener als Männer in Bezug auf die Bezahlung sind, scheinen andere Aspekte ihres Berufs, zum Beispiel das Kollegium, die Arbeitszeiten, das Tätigkeitsfeld und die Ansprüche an ebensolche Aspekte nicht zu Differenzen hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Arbeit zu führen.

Beim Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland zeigt sich: Menschen in Ostdeutschland waren von 2004 bis 2018 unzufriedener mit ihrer Arbeit als Menschen in Westdeutschland. Der Abstand ist in dieser Zeit jedoch von 0,5 auf 0,3 gesunken. Seit 2019 bestehen keine Unterschiede zwischen den Regionen mehr. Eine Vermutung für diese Differenzen und die Annäherung könnten wirtschaftliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sein. Die Wirtschaftsstruktur in Ostdeutschland unterscheidet sich historisch bedingt sehr von der in Westdeutschland. So arbeiten Menschen in Ostdeutschland häufig in anderen Berufen als Menschen in Westdeutschland.infoNauerth und Pflanz (2023): a.a.O. Die Hauptsitze und Forschungsabteilungen großer Unternehmen liegen nach wie vor meist im Westen des Landes. Vor allem aber war die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland lange Zeit hoch und die Angst, den Job zu verlieren, dürfte im Osten weitaus ausgeprägter gewesen sein.infoMichaela Fuchs et al. (2018): Baustelle Arbeitsmarkt – die Beschäftigungsdynamik in Ost und West hat sich angeglichen. IAB-Forum 9 (online verfügbar). Das könnte dazu führen, dass die durchschnittliche Zufriedenheit mit der Arbeit in Ostdeutschland niedriger war als in Westdeutschland. Etwaige Aufholprozesse könnten letztlich zu einer Annäherung der Zufriedenheit mit der Arbeit in Ost- und Westdeutschland geführt haben.

Vergleicht man Menschen bis 30 Jahre und über 30-Jährige, fällt auf: Jüngere Menschen sind durchschnittlich zufriedener mit der Arbeit als ältere. Diese Differenz blieb über den Beobachtungszeitraum weitestgehend konstant. Dieser Unterschied könnte daran liegen, dass jüngere Menschen noch nicht so lange im Berufsleben sind und entsprechend noch vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierewege vor sich haben, die sich mit dem Alter zunehmend verringern. Gleichzeitig haben jüngere Menschen häufig noch keine zusätzlichen familiären Belastungen und daher eventuell weniger Flexibilitätsansprüche an ihre Arbeitgeber*innen.

Die größten Unterschiede in der Zufriedenheit mit der Arbeit sind zwischen den Gruppen mit unterschiedlichen Haushaltseinkommen zu sehen. Menschen mit dem niedrigsten Einkommen (erstes Terzil) waren am unzufriedensten mit ihrer Arbeit, gefolgt von Menschen mit mittleren und höchsten Einkommen (zweites und drittes Terzil). Dabei waren die Unterschiede am größten zwischen dem niedrigsten und dem mittleren Einkommensdrittel. Die Differenz betrug 2004 rund 0,5 Punkte und verkleinerte sich bis 2021 auf 0,3 Punkte. Zwischen den mittleren und höchsten Einkommen reduzierte sich der Abstand von 0,4 auf 0,2. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel häufiger in Berufen mit schlechten Arbeitsbedingungen wie Schichtdienst, wenig Gestaltungsspielraum sowie höheren körperlichen und psychischen Belastungen arbeiten. Dies sind Faktoren, die sich nachgewiesenermaßen negativ auf die Zufriedenheit mit der Arbeit auswirken.infoSarah A. Burgard und Katherine Y. Lin (2013): Bad Jobs, Bad Health? How Work and Working Conditions Contribute to Health Disparities. American Behavioural Science, 57(8), 1105–1127.

Ähnlich wie bei Männern und Frauen lassen sich über den Gesamtzeitraum keine großen Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Kinder erkennen.

Männer sind zufriedener mit ihrer Gesundheit als Frauen

Männer sind durchschnittlich zufriedener mit ihrer Gesundheit als Frauen (Abbildung 4). Während Männer im Jahr 2004 eine Zufriedenheit von 6,6 berichteten, lag diese bei Frauen mit 6,3 leicht darunter. Die Zeitreihen verliefen bis 2020 annähernd parallel. Im Jahr 2021 stiegen beide Werte um rund 0,3 Punkte, möglicherweise ein Effekt der Corona-Pandemie. Männer schätzen ihre Gesundheit also höher ein als Frauen. Studien zeigen zudem, dass sie seltener zum*zur Ärzt*in gehen und auch seltener der Arbeit krankheitsbedingt fernbleiben.infoThomas Grobe und Sven Bessel (2023): Gesundheitsreport 2023 – Arbeitsunfähigkeiten. Techniker Krankenkasse (online verfügbar). Dem entgegen steht jedoch, dass Männer früher sterben und von einigen Volkskrankheiten stärker betroffen sind als Frauen. Gleichzeitig leiden Frauen häufiger als Männer an einigen hormonell bedingten physischen und psychischen Erkrankungen, insbesondere im Zusammenhang mit ihrem Zyklus, Schwangerschaft, Geburt und den Wechseljahren. Wenn man also verschiedene Indikatoren für Gesundheit betrachtet, ist es oft unklar, ob Frauen oder Männer gesünder sind. Die anhaltenden Unterschiede in der Zufriedenheit mit der Gesundheit zwischen Männern und Frauen könnten also auch durch abweichende Normen erklärt werden. Denn Studien zeigen, dass die meisten Menschen es für sozial inakzeptabel halten, wenn Männer über gesundheitliche Probleme berichten.infoEve Caroli und Lexane Weber-Baghdiguian (2016): Self-Reported Health and Gender: The Role of Social Norms. Social Science & Medicine, 153, 220–229.

Auch bei Menschen mit und ohne Kinder zeigen sich beharrliche Unterschiede: Eltern waren durchschnittlich unzufriedener mit ihrer Gesundheit (6,3 im Jahr 2004) als Menschen ohne Kinder (6,7). Der Abstand stieg bis 2021 auf 0,6 Punkte an, wobei insbesondere die Zufriedenheit mit der Gesundheit von Menschen ohne Kinder stieg (7,3 gegenüber 6,7 für Eltern). Da mit der Elternschaft Belastungsfaktoren, beispielsweise weniger und schlechterer Schlaf,infoDavid Richter et al. (2019): Long-term effects of pregnancy and childbirth on sleep satisfaction and duration of first-time and experienced mothers and fathers. Sleep, 42(4), zsz015. Beziehungsprobleme,infoManon A. van Scheppingen et al. (2018): Self-Esteem and Relationship Satisfaction During the Transition to Motherhood. Journal of Personality and Social Psychology, 114(6), 973–991. weniger Zeit zur ErholunginfoAmy Claxton und Maureen Perry-Jenkins (2008): No Fun Anymore: Leisure and Marital Quality Across the Transition to Parenthood. Journal of Marriage and Family, 70(1), 28–43. und finanzielle ProblemeinfoMatthias Pollmann-Schult (2014): Parenthood and Life Satisfaction: Why Don’t Children Make People Happy? Journal of Marriage and Family, 76(2), 319–336. zusammenhängen, erscheint dies wenig überraschend. Zahlreiche Studien zeigten bereits, dass mit Beginn der Elternschaft viele Menschen weniger zufrieden mit ihrer physischen oder psychischen Gesundheit sind.infoMichael D. Krämer und Joseph Lee Rodgers (2020): The Impact of Having Children on Domain-Specific Life Satisfaction: A Quasi-Experimental Longitudinal Investigation Using the Socio-Economic Panel (SOEP) Data. Journal of Personality and Social Psychology, 119 (6), 1497–1514; Thomas Hansen (2021): Childlessness and Psychological Well-Being in Midlife and Old Age. In: Filomena Maggino (Ed.), Encyclopedia of Quality of Life and Well-Being Research, 1–5.

Auch zwischen Ost- und Westdeutschland bestanden Unterschiede, die jedoch über die Zeit abnahmen: Menschen in Ostdeutschland waren weniger zufrieden mit ihrer Gesundheit als Menschen in Westdeutschland. Im Jahr 2004 betrug die Differenz noch 0,4 Punkte, verringerte sich bis 2021 allerdings auf 0,1 Punkte. Viele Ostdeutsche haben in der Folge der Nachwendeerfahrungen brüchige Erwerbsbiografien erfahren. Gleichzeitig sind große Differenzen in der Gesundheit zwischen Menschen mit hohem und niedrigem sozioökonomischem Status gut in der wissenschaftlichen Literatur dokumentiert.infoHannes Kröger, Eduwin Pakpahan und Rasmus Hoffmann (2015): What Causes Health Inequality? A Systematic Review on the Relative Importance of Social Causation and Health Selection. European Journal of Public Health, 25 (6), 951–960; Hans-Ulrich Brautzsch (2019); Aktuelle Trends: Durchschnittsalter Der Bevölkerung: Deutliches Ost-West-Gefälle. Wirtschaft im Wandel, 25 (1), 4.

Beim Vergleich von Menschen bis und über 30 Jahre fällt auf, dass die jüngere Gruppe 2004 durchschnittlich um 1,4 Punkte zufriedener mit ihrer Gesundheit war als die ältere Gruppe. Überraschend ist, dass diese Differenz bis 2021 stetig kleiner wurde. Im Jahr 2021 betrug diese Differenz schließlich 1,1 Punkte. Eine Erklärung für diese Annäherung könnte der sich stetig verbessernde Gesundheitszustand im Alter über Geburtskohorten hinweg sein.infoMaximilian König et al. (2018): Historical Trends in Modifiable Indicators of Cardiovascular Health and Self-Rated Health among Older Adults: Cohort Differences over 20 Years between the Berlin Aging Study (BASE) and the Berlin Aging Study II (BASE-II). PloS One 13 (1), e0191699.

Unterscheidet man verschiedene Haushaltseinkommensgruppen, zeigt sich: Menschen aus dem untersten Einkommensdrittel waren am unzufriedensten mit ihrer Gesundheit, gefolgt von Menschen aus dem mittleren Einkommensdrittel. Menschen mit den höchsten Einkommen waren am zufriedensten. Die Differenzen zwischen den Gruppen betrugen ungefähr jeweils 0,4 Punkte und waren über die Jahre relativ stabil. Hier spiegeln sich womöglich ebenfalls die gut dokumentierten sozioökonomischen Unterschiede in der Gesundheit in Deutschland wider.infoThomas Lampert et al. (2013): Sozioökonomischer Status und Gesundheit: Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 56 (5–6), 814–821.

Fazit: Niedriges Einkommen und Elternschaft sind Risikofaktoren für Zufriedenheit mit der Gesundheit

In den untersuchten Lebensbereichen Einkommen, Arbeit und Gesundheit ist die Zufriedenheit in den vergangenen 20 Jahren gestiegen oder auf gleichem Niveau stabil geblieben. Hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Einkommen ist auch die Lücke zwischen Menschen in Ost- und Westdeutschland, Frauen und Männern sowie jüngeren und älteren Menschen deutlich geschrumpft oder hat sich sogar geschlossen. Diesen erfreulichen Ergebnissen stehen die teilweise noch gravierenden Gruppenunterschiede hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Gesundheit entgegen. Besonders unzufrieden sind demnach Menschen aus dem unteren Einkommensdrittel und Eltern. Es kann kaum im Sinne der Politik sein, dass niedriges Einkommen und Elternschaft Risikofaktoren für das Wohlbefinden darstellen. Hier ist es Aufgabe der Politik, diese Personengruppen zu entlasten. Ansatzpunkte können eine Verbesserung der Betreuungssituation, ein Abbau von Bürokratie in der Beantragung von Leistungen sowie die Sichtbarmachung niedrigschwelliger Unterstützungsangebote sein.

Theresa Entringer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

Daniel Graeber

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel



JEL-Classification: D60;D63
Keywords: Well-being, satisfaction, domains, inequality
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-34-1

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