Zustrombegrenzungsgesetz wird Deutschlands Wohlstand gefährden

Blog Marcel Fratzscher vom 3. Februar 2025

Die Union um Friedrich Merz bringt ein umstrittenes Gesetz ins Parlament ein, um die Migration zu begrenzen. Sie gefährdet damit auch Deutschlands Wohlstand.

Die von der Union initiierte Gesetzgebung zur Migration stellt unsere Demokratie vor die größte Zerreißprobe der letzten Jahrzehnte. Dabei besteht großer Konsens bezüglich der Ziele – eine bessere Steuerung der Zuwanderung, mehr Sicherheit, eine schnellere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft und geringere Kosten für den Staat. Die Initiative von CDU und CSU wird jedoch keines dieser Ziele erreichen, sondern das Gegenteil bewirken: Sie wird ausschließlich die AfD stärken und unsere Demokratie aushöhlen.

Deutschland hat in den letzten zehn Jahren viele Geflüchtete aufgenommen. Die Kommunen und zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft haben sich der schwierigen Herausforderung gestellt und leisten exzellente Arbeit, um den heute 3,5 Millionen Schutzsuchenden in Deutschland eine sichere Heimat und eine gute Grundversorgung zu bieten. 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und der Shoah übernimmt Deutschland Verantwortung in vorbildlicher Art und Weise – auch wenn es einige Schwächen und viel zu verbessern gibt. 

Diese Kolumne von Marcel Fratzscher erschien am 31. Januar 2025 auf ZEIT ONLINE in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.

Konsens ist: Deutschland will Zuwanderung besser steuern, um die Menschen auch versorgen zu können. Vor allem die Integration in den Arbeitsmarkt ist wichtig, zumal viele deutsche Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen und hervorragende Arbeit leisten, um junge Geflüchtete zu qualifizieren und ihnen eine Perspektive zu bieten. Die Kosten für den Staat sind in den ersten Jahren erheblich, vor allem für die Kommunen. Und auch die Sicherheit steht für alle, unabhängig von der politischen Orientierung, im Mittelpunkt. Aschaffenburg ist eine Tragödie, und das einstimmige Ziel aller ist es, dass solche Gewalttaten verhindert werden.

Aber ermöglichen oder erleichtern die Pläne der Union das Erreichen dieser Ziele? Manches ist richtig und unumstritten, insbesondere die Justiz und Polizei zu stärken oder Gesetze besser umzusetzen. Grenzschließungen, Abschiebehaft und Stigmatisierung von ganzen Gruppen von Geflüchteten aber sind kontraproduktiv. Selbst Donald Trump musste erfahren, dass sogar eine Mauer zu Mexiko die Zuwanderung nicht stoppt. Grenzkontrollen werden die Zuwanderung von Geflüchteten nach Deutschland noch weniger stoppen. Menschen aus der Ukraine oder anderen Kriegsgebieten haben keine andere Wahl als die Flucht. Grenzschließungen, Kürzungen von Leistungen und Stigmatisierung werden lediglich hoch qualifizierte Fachkräfte von Deutschland fernhalten, die unser Land aber dringender denn je benötigt.

Fehlende Chancen erschweren die Integration

Die Initiativen der Union, vornehmlich das "Zustrombegrenzungsgesetz", werden auch die Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft nicht erleichtern, sondern weiter erschweren. Das große Dilemma für viele Geflüchtete in Deutschland heute ist, dass die Stigmatisierung, fehlende Perspektiven und auch gekürzte Leistungen die Integration deutlich erschweren. Dies nützt niemandem und schadet allen: den Geflüchteten selbst, der Wirtschaft (der viele Arbeitskräfte entgehen) und dem Staat (der länger und mehr Geld wird aufbringen müssen).

Auch die Sicherheit wird durch Grenzschließungen nicht erhöht, sondern eher verschlechtert. Kriminalität hängt nicht von Hautfarbe, Religion oder Herkunft ab, sondern hat mit Traumata und sozioökonomischen Faktoren zu tun. Kriminalität wird reduziert und die Sicherheit verbessert, wenn die hohen Hürden bei der Integration abgebaut würden, wenn die Menschen mehr gesundheitliche Hilfen bekämen, aber bei Straftaten auch mit voller Härte bestraft werden. Dies betrifft Deutsche genauso wie Menschen, die aus dem Ausland in die Bundesrepublik gekommen sind.

Die Pläne der Union werden Konsequenzen haben – die Integration von ausländischen Menschen wird noch schwerer werden, die Pläne bedeuten auch eine noch größere Arbeitskräftelücke und teurer wird es für den Staat auch noch. Die Union wird also genau das Gegenteil von dem erreichen, was CDU und CSU und ihre Wählerschaft fordern. Darüber hinaus dürften die Befürworterinnen und Befürworter dieser Politik bald enttäuscht werden. Denn das ist vorprogrammiert. Wieder einmal verspricht die Politik etwas, was sie unmöglich erfüllen kann. Der einzige Gewinner wird die AfD sein – so wie es einige Umfragen bereits andeuten.

Die Demokratie und die Menschenrechte sind die Verlierer

Zur Diskussion steht mit den Plänen aber nicht nur die Frage der Zuwanderung, sondern auch die Frage, was es heißt, deutsch zu sein. Was ist unsere Identität? Wollen wir weiterhin eine offene Gesellschaft sein? 

Die Initiative von Friedrich Merz dürfte zudem kein Unfall sein, sondern ein weiteres Element einer klaren Strategie, die die offene Gesellschaft in Frage stellt. Dazu gehört auch seine Forderung von vor einigen Wochen, die Reformen des Staatsbürgerschaftsrechts zurückzudrehen und Menschen mit Migrationsgeschichte die Staatsbürgerschaft im Falle von Straftaten aberkennen zu können. Dabei ist die Einteilung von Deutschen in zwei Klassen weder mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten noch mit einer offenen Gesellschaft vereinbar.

Friedrich Merz und seine Unterstützer und Unterstützerinnen in der Union betreiben ein Spiel mit dem Feuer. Vielleicht gelingt es ihnen durch dieses Manöver, einige zusätzliche Stimmen bei der Bundestagswahl im Februar zu ergattern. Langfristig erweisen sie der Demokratie und der eigenen Partei einen Bärendienst. Der Fall der Brandmauer dürfte unumkehrbar sein und ein Sieg der AfD bei der Bundestagswahl 2029 damit wahrscheinlicher. Verlierer sind unsere Demokratie, die Menschenrechte und unsere offene Gesellschaft.

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