Die Wirtschaftspolitik der AfD führt in die Katastrophe

Blog Marcel Fratzscher vom 21. Februar 2025

Die AfD will raus dem Euro. Das kostet Millionen Jobs. Auch die Ideen für Energie- und Steuerpolitik haben es in sich und treffen ausgerechnet AfD-Wähler.

Deutschland genießt heute ein hohes Maß an Wohlstand und wirtschaftlicher Sicherheit. Dieser Erfolg der letzten 75 Jahre beruht auf drei Grundpfeilern: einem offenen Wirtschaftsmodell, einer starken Industrie und einem starken Mittelstand sowie der sozialen Marktwirtschaft mit ihrem starken Fokus auf Solidarität, Fairness und Chancengleichheit. Die Wirtschaftspolitik, die die AfD in ihrem Wahlprogramm fordert, würde alle drei dieser Grundpfeiler zerstören und Deutschlands Wohlstand verspielen – und das würde niemanden härter treffen als die Wählerinnen und Wähler der AfD.

Das Wahlprogramm der AfD ist (auch) in wirtschaftspolitischer Hinsicht ein Offenbarungseid und zeugt bestenfalls von Inkompetenz, schlimmstenfalls von dem Versuch, den Wohlstand der Bürgerinnen und Unternehmen in Deutschland für den eigenen Wahlerfolg zu opfern.

Diese Kolumne von Marcel Fratzscher erschien am 21. Februar 2025 auf ZEIT ONLINE in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.

Eine der wichtigsten Grundlagen für die robuste wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den letzten 75 Jahren ist die Offenheit von Volkswirtschaft und Gesellschaft und die große Bedeutung des Exports. Mehr als 40 Prozent unserer Wirtschaftsleistung werden exportiert, weit mehr als die Hälfte aller guten und gut bezahlten Arbeitsplätze hängt direkt oder indirekt vom Export ab. Der Erfolg der deutschen Exportunternehmen war nur möglich durch den Auf- und Ausbau der vier Freizügigkeiten – von Kapital, Gütern, Dienstleistungen und Arbeitskräften über Ländergrenzen hinweg. Die AfD will diese Freizügigkeit nicht nur für Arbeitskräfte, sondern auch für die anderen drei Elemente einschränken. Die AfD will raus aus der EU und raus aus dem Euro. Sie will eine nationale und keine europäische Wirtschaftspolitik. Dadurch würden aber Lieferketten zerstört, die Exporte stark einbrechen – und Millionen guter Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Politik der Abschottung und des Nationalismus der AfD ist in Zeiten globaler geoökonomischer Konflikte umso schädlicher. Ein starkes und geeintes Europa ist Deutschlands einzige Chance, sich gegen Strafzölle und Sanktionen von Donald Trump und China zu schützen. Die Politik des Nationalismus der AfD schafft daher weder mehr Souveränität noch mehr Sicherheit. Im Gegenteil, sie untergräbt beides.

Die Wirtschaftspolitik der AfD würde außerdem zu einer massiven Deindustrialisierung in Deutschland führen. Dies wäre nicht nur wegen der Zerstörung des Euro und der EU die unausweichliche Folge, sondern auch wegen der von der AfD geforderten Energie- und Industriepolitik. Die AfD will weg von den erneuerbaren Energien und zurück zu Atomkraft, Kohle und Gas aus Russland. Abgesehen davon, dass dies technisch gar nicht möglich ist, würden die Energiekosten stark steigen, was die energieintensiven Industrien besonders betreffen würde. Am Ende könnten diese Unternehmen aufgeben, vom Markt verschwinden oder abwandern. Die Folgen des Verlusts der energieintensiven Industrie wären verheerend. Die wissenschaftlichen Studien dazu sind eindeutig, hier kann es keine zwei Meinungen oder alternative Fakten geben.

Ein Auseinanderbrechen der EU würde es deutschen Unternehmen zudem erschweren, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland würde weiter an Attraktivität verlieren und ausländische Unternehmen und Fachkräfte würden einen großen Bogen um Deutschland machen.

Deindustrialisierung statt sozialer Marktwirtschaft

Grenzschließungen, Remigration und eine Familienpolitik, die Frauen noch sehr viel höhere Hürden für ihre Beschäftigung schafft, würden das Fachkräfteproblem in Deutschland massiv verschärfen. Viele kleine und mittelständische Familienunternehmen können ohne Fachkräfte nicht überleben. Die mittelständische Wirtschaftsstruktur würde Schaden nehmen.

Die Wirtschaftspolitik der AfD würde das Ende der sozialen Marktwirtschaft bedeuten. Die beruht auf sozialer Sicherheit, Fairness und Chancengleichheit. Die AfD verspricht 181 Milliarden Euro an Steuersenkungen pro Jahr, das sind 4,13 Prozent der Wirtschaftsleistung oder auch 20 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen. Finanzierbar wäre das nur durch eine massive Staatsverschuldung.

Hinzu würden die Kosten eines potenziellen Austritts der Bundesrepublik aus der EU kommen, wie es die AfD in einem Entwurf für ihr Wahlprogramm vorgeschlagen hatte. Das würde nach fünf Jahren einen Verlust von 2,5 Millionen Arbeitsplätzen und 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung – umgerechnet 690 Milliarden Euro – bedeuten, wie es das IW Köln im Auftrag der Unternehmensinitiative Vielfalt ist Zukunft berechnet hat.

Die Hauptleidtragenden sind vor allem die Wählerinnen und Wähler der AfD. Von nicht finanzierbaren Steuerversprechen hat niemand etwas. Der Verlust von Arbeitsplätzen und Wirtschaftsleistung hingegen trifft vor allem diejenigen besonders stark, die kaum Vermögen haben. Sie können einen Arbeitsplatzverlust nicht selbst abfedern. Durch die von der AfD angestrebte Arbeitslosengeldreform würden viele schneller ins Bürgergeld rutschen. Die Hälfte der Bevölkerung mit mittleren und geringen Einkommen würde zudem im Geldbeutel so gut wie nichts von der Wirtschaftspolitik der AfD spüren, der allergrößte Teil käme den Hochvermögenden und den oberen Einkommensgruppen zugute.

Die Wirtschaftspolitik der AfD würde also zu Massenarbeitslosigkeit, sinkenden Einkommen, höheren Preisen und Inflation und einer stärkeren sozialen Polarisierung und weniger Daseinsfürsorge führen. Auch in diesem Punkt gibt es einen starken Konsens in der Wissenschaft und unter anderen Fachleuten. Es bleibt zu hoffen, dass vor allem die potenziellen Wählerinnen und Wähler der AfD dies erkennen: Es gibt keine Gewinner der Wirtschaftspolitik der AfD, sondern nur Verlierer, und sie selbst gehören zu den größten Verlierern.

keyboard_arrow_up