DIW Wochenbericht 19 / 2025, S. 265-273
Tomaso Duso, Giulia Canzian, Elena Crivellaro, Antonella Ferrara, Alessandro Sasso, Stefano Verzillo
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„Die Erfahrungen mit den Corona-Hilfen belegen, dass gezielte und befristete Beihilfen für kleine Unternehmen wirksam sein können. Bei Großunternehmen hingegen sind die Risiken von Wettbewerbsverzerrungen hoch, während die nachweisbaren Effekte begrenzt bleiben.“ Tomaso Duso
Die Europäische Union überwacht staatliche Beihilfen für Unternehmen streng, reagierte jedoch in Krisenzeiten mit der Einführung eines sogenannten befristeten Rahmens, um die Beihilferegeln vorübergehend zu lockern. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde ein befristeter Rahmen geschaffen, der umfangreiche staatliche Beihilfen zur Stabilisierung der Wirtschaft ermöglichte. Die vorliegende Studie untersucht die Wirksamkeit dieser Maßnahmen in Spanien und Italien, zwei von der Pandemie besonders betroffenen Ländern. In beiden Ländern wurden Unternehmen in erheblichem Umfang staatliche Beihilfen gewährt. Um deren Wirkung zu analysieren, wurden Unternehmen, die Beihilfen erhielten, mit Unternehmen verglichen, die nicht unterstützt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterstützung insbesondere Mikro- und Kleinunternehmen half, Umsatzeinbrüche abzufedern, und dass sie die Investitionstätigkeit förderte. Eine staatliche, zeitlich begrenzte Unterstützung kann in Krisenzeiten für das Überleben und die Entwicklung von kleinen Unternehmen zwar wichtig sein. Vorsicht ist indes geboten, wenn derartige Instrumente im Rahmen des Clean Industrial Deal der EU-Kommission auf große Unternehmen ausgeweitet und dauerhaft eingesetzt werden sollten. Dies könnte zu starken Verzerrungen des Wettbewerbs führen.
Staatliche Beihilfen sind ein zentrales Instrument der Wirtschaftspolitik, insbesondere in Krisenzeiten, um Unternehmen zu unterstützen und wirtschaftliche Stabilität zu sichern. Sie helfen, finanzielle Engpässe zu überbrücken und Arbeitsplätze zu erhalten. Gleichzeitig bergen sie Risiken: Durch gezielte Unterstützung können einzelne Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten, was Marktverzerrungen verursachen kann. Zudem können Beihilfen den europäischen Binnenmarkt beeinträchtigen, wenn Unternehmen in einigen Mitgliedstaaten stärker gefördert werden als in anderen. Langfristig kann dies den Wettbewerb schwächen, Innovationen bremsen, ineffiziente Unternehmen künstlich am Leben halten und die Schaffung eines fairen Binnenmarkts erschweren. Daher sind staatliche Beihilfen in der EU grundsätzlich verboten – es sei denn, außergewöhnliche wirtschaftliche Umstände rechtfertigen gezielte Eingriffe.
Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erkennt an, dass staatliche Eingriffe unter bestimmten Umständen notwendig sind. Er definiert eine Reihe von politischen Zielen, die durch staatliche Beihilfen unterstützt werden können, beispielsweise Umwelt- und Klimaschutz, Regionalentwicklung oder die Förderung der Land- und Forstwirtschaft. Zudem hat die EU in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach befristete Rahmenregelungen für staatliche Beihilfen beschlossen, beispielsweise während der Bankenkrise um das Jahr 2009 oder als Reaktion auf die Corona-Pandemie. Aber auch außerhalb von Krisenzeiten wird diskutiert, staatliche Beihilfen übergangsweise zur Bewältigung umfassender wirtschaftlicher Transformationen zu erlauben.
Im Februar 2025 stellte die neue EU-Vizepräsidentin Ribera den Clean Industrial Deal vor – die europäische Industriestrategie zur klimaneutralen Transformation.Europäische Kommission (2025): Deal für eine saubere Industrie. Ein Plan für eine wettbewerbsfähige und klimaneutrale EU (online verfügbar, abgerufen am 16.04.2025. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Sie hat zum Ziel, saubere Technologien zu fördern, Investitionen zu mobilisieren und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sichern. Staatliche Beihilfen für Unternehmen spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie finanzielle Unterstützung für Maßnahmen zur Dekarbonisierung und für den Markthochlauf klimafreundlicher Technologien bereitstellen und zur Senkung der Innovationskosten beitragen.
Die Vizepräsidentin Ribera legte unter anderem einen vorläufigen Beihilferahmen vor, der auf dem bestehenden Gerüst des Krisen- und Übergangsrahmens aufbaut und die Bedingungen für als beihilfekonform geltende Unterstützungsmaßnahmen definiert. Nach Abschluss der derzeit laufenden Konsultationen ist die Annahme des Rahmens für Juni 2025 geplant.Pressemitteilung der Europäische Kommission vom 11. März 2025: Ihre Meinung ist gefragt – zu staatlichen Beihilfen im Einklang mit dem Deal für eine saubere Industrie (online verfügbar).
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die Wirksamkeit staatlicher Interventionen besser zu verstehen, um sicherzustellen, dass die staatlichen Beihilfen zielgenau wirken und negative Marktverzerrungen minimiert werden. In diesem Wochenbericht werden zentrale Ergebnisse zweier aktueller Studien zur Evaluation von Beihilfemaßnahmen in mehreren EU-Mitgliedstaaten, insbesondere in Spanien und Italien, während der Corona-Pandemie präsentiert.Dieser Wochenbericht basiert auf Giulia Canzian et al. (2024): Study on the effectiveness of COVID-Aid on firms. Publications Office of the European Union, Luxembourg (online verfügbar), und Gulia Canzian et al. (2025): The Impact of Financial Support to Firms During Crises: The Case of Covid Aid in the EU. DIW Discussion Paper Nr. 2116 (online verfügbar). Anhand von Mikrodaten und mithilfe mikroökonometrischer Methoden wurde untersucht, wie sich die gewährten Hilfen auf die wirtschaftliche Erholung der Unternehmen auswirkten. Eine solche Analyse erfordert hochwertige Daten, weshalb sich die Untersuchung auf Länder mit verlässlichen nationalen Beihilfenregistern konzentriert.
Diese empirischen Erkenntnisse liefern wertvollen Input für die künftige Gestaltung von Krisen- und Übergangsrahmen. Sie helfen, die Wirksamkeit staatlicher Interventionen besser zu verstehen, um in künftigen Krisen gezieltere und effizientere Hilfsmaßnahmen zu entwickeln bei gleichzeitiger Minimierung negativer Marktverzerrungen.
Die Corona-Pandemie führte zu einer der schwerwiegendsten Wirtschaftskrisen in der jüngeren Geschichte.Europäische Union (2010): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Zentralbank. Ein EU-Rahmen für Krisenmanagement im Finanzsektor. Document 52010DC0579, Brüssel (online verfügbar), Europäische Union (2020): Mitteilung der Kommission. Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19. Document 52020XC0320(03), Brüssel (online verfügbar). Es kam zu Unterbrechungen in den globalen Lieferketten, Unternehmen gerieten in finanzielle Schwierigkeiten und ganze Branchen verzeichneten massive Umsatzeinbrüche. Besonders betroffen waren Bereiche wie der Einzelhandel, die Gastronomie und der Tourismussektor. Um eine Insolvenzwelle und einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern, griffen Regierungen weltweit mit umfangreichen Hilfsprogrammen ein. Ziel dieser Maßnahmen war es, die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen aufrechtzuerhalten, die wirtschaftlichen Strukturen zu bewahren und eine Grundlage für die wirtschaftliche Erholung zu schaffen.
Infolgedessen reagierte die Europäische Kommission mit der Implementierung eines zeitlich begrenzten Beihilferegelwerks, das den Mitgliedstaaten eine erhöhte Flexibilität im Vergleich zum normalen Beihilferecht bei der finanziellen Unterstützung von Unternehmen einräumte (Kasten 1). Dieses umfasste direkte Zuschüsse, Kredite und staatliche Garantien, die wiederholt an die sich wandelnden wirtschaftlichen Bedingungen angepasst wurden. Gleichzeitig enthielt es Mechanismen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen, beispielsweise durch Einschränkungen für Unternehmen, die bereits vor der Krise in finanziellen Schwierigkeiten waren. Nichtsdestotrotz verbleibt die Frage, inwiefern diese Unterstützungsmaßnahmen tatsächlich zur wirtschaftlichen Stabilisierung beitrugen, ohne sich negativ auf den Wettbewerb auszuwirken.
Die Anwendung befristeter Rahmenregelungen zur Kontrolle staatlicher Beihilfen durch die Europäische Kommission ist seit jeher eine Reaktion auf besonders schwierige Krisensituationen.
Während der Finanzkrise um das Jahr 2009 hatte die EU-Kommission verschiedene befristete Maßnahmen zur Stabilisierung von Unternehmen genehmigt, darunter staatliche Garantien für Banken, Kapitalzuführungen und Liquiditätshilfen.Mitteilung der Kommission (2009): Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise (online verfügbar). Diese Maßnahmen wurden nach und nach zurückgefahren. Die letzten speziellen Krisenregelungen für Banken liefen 2011 aus, während andere allgemeine Beihilferegelungen noch bis 2012 in Kraft blieben. Danach kehrte die EU weitgehend zum normalen Beihilferecht zurück.
Als Reaktion auf die Corona-Pandemie führte die Europäische Kommission einen befristeten Beihilferahmen ein, der 2020 in Kraft trat und in den folgenden zwei Jahren mehrfach verlängert und geändert wurde. Obwohl der Beihilferahmen 2022 offiziell auslief,Presseartikel der Europäischen Kommission vom 10. März 2023: Staatliche Beihilfen: befristeter Rahmen zur Krisenbewältigung angenommen (online verfügbar). wurde er de facto in modifizierter Form bis heute fortgeführt. Denn mit dem 2023 verabschiedeten Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF) wurde der Rahmen weiterentwickelt, zunächst um die Auswirkungen der geopolitischen Krise nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu bewältigen. Dieser wurde in der Folgezeit genutzt, um gezielt Investitionen in die grüne Transformation zu erleichtern – also als industriepolitische Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) der USA. Der Industrieplan der EU baut teilweise auf diesem temporären Rahmen auf, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Bereich der erneuerbaren Energien und der Dekarbonisierung zu sichern. Der für 2025 angekündigte Clean Industrial Deal, der im Juni 2025 in Kraft treten soll, wird mit einer Weiterentwicklung des befristeten Rahmens verbunden sein.
Im Zeitraum von 2019 bis 2022 beliefen sich die Ausgaben der EU-Mitgliedstaaten für staatliche Beihilfen auf einen Betrag von knapp über eine Billion Euro und damit mehr als sieben Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts der EU (EU-BIP) des Jahres 2019. In den Jahren 2020 und 2021 wurden jeweils durchschnittliche Gesamtausgaben in Höhe von über 350 Milliarden Euro getätigt (Abbildung 1), was in diesen Jahren jeweils etwa 2,3 Prozent des EU-BIP 2019 entsprach.Diese Zahlen erfassen das so genannte „Beihilfeelement“, also den Teil einer Maßnahme, der tatsächlich eine Beihilfe im Sinne des EU-Beihilferechts darstellt. Eine staatliche Förderung kann dabei vielfältige Formen annehmen, zum Beispiel eines Darlehens, einer Bürgschaft oder einer Steuerbefreiung. Für die Betrachtung relevant ist, ob der Staat damit einen finanziellen Vorteil gewährt, der unter normalen Marktbedingungen nicht hätten erzielt werden können. Das „Beihilfeelement“ beschreibt demnach den wirtschaftlichen Wert dieses Vorteils, das heißt die Differenz zwischen den erhaltenen Konditionen und den Marktkonditionen. Ein großer Teil davon, fast 200 Milliarden Euro pro Jahr, entfiel auf die Beihilfen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie.
Der Vergleich der staatlichen Beihilfemaßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten für die Jahre 2020 und 2021 offenbart signifikante Unterschiede sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen (Abbildung 2). Im Jahr 2020 verzeichnete Deutschland mit 184,5 Milliarden Euro (über 131 Milliarden Euro nur für Corona-Beihilfen) und 2021 mit 145,9 Milliarden Euro (davon nur für Corona-Beihilfen mehr als 87 Milliarden Euro) die höchsten Beihilfeausgaben. Dies entspricht etwa einem Viertel der gesamten in der EU gewährten Beihilfen. Italien und Frankreich tätigten vergleichbare Ausgaben. Der Betrag in Spanien war in den Jahren 2020 und 2021 mit über 76 Milliarden Euro ebenfalls signifikant. Eine Betrachtung der Beihilfen im Verhältnis zur jeweiligen Wirtschaftsleistung zeigt, dass insbesondere Italien und Frankreich überdurchschnittlich hohe Ausgaben für staatliche Unterstützungsmaßnahmen tätigten. Aber auch in Ländern wie Polen, Deutschland und Spanien waren die Ausgaben in Prozent des BIP hoch.
Wird zwischen Beihilfen zur Bewältigung der Corona-Krise und sonstigen Beihilfen unterschieden (beispielweise für die Bereiche „Landwirtschaft, „Forstwirtschaft und ländlicher Raum“, „Umwelt- und Klimaschutz“, „Regionalentwicklung“ sowie „Forschung, Entwicklung und Industrie“), so zeigt sich, dass die meisten Länder in den beiden Jahren mehr Mittel für pandemiebedingte Hilfen bereitstellten als für sonstige Beihilfen. Der Anteil der Corona-Hilfen variierte dabei erheblich zwischen den Mitgliedstaaten. Darüber hinaus unterschieden sich die Corona-Hilfen in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Art der Finanzierung. So setzte Deutschland zwar eine erhebliche Summe ein, gewährte jedoch einen vergleichsweise hohen Anteil in Form von Krediten und Garantien, die weniger wettbewerbsverzerrend wirken als direkte Zuschüsse. Andere Länder wie Spanien oder Italien stützten sich stärker auf direkte Finanzhilfen, was kurzfristig wirksamer war, jedoch langfristig zu einer höheren fiskalischen Belastung führte. Diese Unterschiede in der Ausgestaltung der Maßnahmen unterstreichen die vielfältigen wirtschaftspolitischen Ansätze innerhalb der EU und werfen die Frage auf, welche Strategien sich langfristig als am effektivsten erweisen.
Im Folgenden werden die Auswirkungen der Corona-Beihilfen auf Unternehmen in Spanien und Italien aufgezeigt. Mithilfe ökonometrischer Methoden, insbesondere eines Differenz-von-Differenzen-Ansatzes in Kombination mit Propensity Score Matching, können die kausalen Effekte der finanziellen Unterstützung gemessen werden (Kasten 2). Unternehmen, die Hilfen erhielten, werden mit ähnlichen Unternehmen ohne Unterstützung verglichen, um den tatsächlichen Einfluss der Staatshilfen auf ihre wirtschaftliche Entwicklung nach der Krise zu bestimmen.
Die Ermittlung des Zusammenhangs zwischen den Ergebnisindikatoren und den von einem Unternehmen erhaltenen staatlichen Beihilfen beruht auf der sogenannten Differenz-von-Differenzen-Methode. Das zentrale Problem in der Evaluierung wirtschaftspolitischer Maßnahmen ist, dass die gegenteilige Situation, in der die Maßnahme nicht durchgeführt wird (counterfactual), nicht beobachtet werden kann. Ein gängiger Ansatz in der Forschung, auf den auch hier zurückgegriffen wurde, besteht daher darin, Unternehmen, die die finanzielle Unterstützung erhielten, mit Unternehmen zu vergleichen, die diese Unterstützung nicht bekamen, aber der ersten Gruppe möglichst ähnlich sind.
Konkret werden in der Differenz-von-Differenzen-Methode die Umsätze und Vermögenswerte der Gruppe der unterstützten Unternehmen (Behandlungsgruppe) vor und nach dem Erhalt der staatlichen Beihilfen mit den entsprechenden Ergebnissen einer Gruppe ähnlicher, nicht unterstützter Unternehmen (Kontrollgruppe) verglichen.Canzian et al. (2025), a.a.O. Der Vergleich vor und nach der staatlichen Unterstützung stellt sicher, dass Unterschiede zwischen den Unternehmen tatsächlich auf die finanzielle Unterstützung zurückzuführen sind und andere Einflüsse ausgeschlossen werden können.
Die Auswahl der Kontrollgruppe erfolgt unter der Maßgabe, dass diese den unterstützten Unternehmen in ihren Vorkrisenmerkmalen möglichst ähnlich ist. Dies wird durch ein Propensity Score Matching erreicht, welches für jedes Unternehmen anhand eines Sets an Faktoren jene Unternehmen aus der Kontrollgruppe bestimmt, die diesem besonders ähnlich sind. Neben mess- und beobachtbaren Faktoren, die in die Berechnung des Propensity Scores einfließen, beeinflussen allerdings auch nichtbeobachtbare Faktoren die Entscheidung, ob ein Unternehmen Beihilfen erhält. Während beispielweise Unternehmen in einer Notlage staatliche Unterstützungen beantragen können, liegt die Entscheidung über die Bewilligung von Beihilfen bei den Behörden, über die keine Information vorhanden ist. Die vorliegenden umfangreichen Analysen dieser Studie können solche nichtbeobachtbaren Faktoren nur dann miteinbeziehen, wenn sich diese über die Zeit nicht verändern.
Für eine zuverlässige Analyse sind hochwertige Daten unerlässlich. Deshalb stützt sich die Analyse auf eine umfangreiche Datenbasis, die Unternehmensbilanzen aus der Orbis-DatenbankDie Orbis-Datenbank ist eine weltweit genutzte Unternehmensdatenbank, die vom Bureau van Dijk bereitgestellt wird. Sie enthält detaillierte Finanz- und Unternehmensinformationen zu Millionen von Firmen, darunter Bilanzen, Eigentümerstrukturen, Branchenzugehörigkeit und Kennzahlen zur Marktperformance. Orbis wird häufig in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und Politikberatung genutzt, insbesondere für Wettbewerbsanalysen, Marktstrukturen und Firmenverflechtungen. mit detaillierten Informationen zu staatlichen Beihilfen aus nationalen Registern in Italien und Spanien kombiniert. Die beiden Länder wurden neben der Verfügbarkeit hochwertiger Daten ausgewählt, weil sie besonders stark von der Pandemie betroffen waren und umfassende Hilfsmaßnahmen ergriffen. Ein Vergleich der beiden Länder macht deutlich, wie verschiedene Unterstützungsstrategien, darunter die Art der Hilfe (Darlehen oder direkte Zuschüsse), Schnelligkeit der Intervention und sektorale Zusammensetzung, die wirtschaftliche Erholung beeinflusst haben.Die Datenlage in Deutschland erwies sich als deutlich unzureichender, sodass eine vergleichbare Analyse nicht durchführbar war. Neben lückenhaften Informationen erschwerte insbesondere die mangelnde Verknüpfbarkeit der Daten eine systematische Auswertung. In Spanien und Italien hingegen ermöglichen nationale Register eine eindeutige Identifikation von Unternehmen durch Steueridentifikationsnummern, wodurch Analysen auf einer konsistenteren Datengrundlage basieren. Die Studie unterstreicht die zentrale Bedeutung qualitativ hochwertiger Daten für die evidenzbasierte Bewertung und Weiterentwicklung politischer Maßnahmen. Für Deutschland liegen allerdings interessante Analysen auf Basis anderer Daten vor. Kritikos et al. (2022): Corona-Soforthilfe wirksamer bei Selbstständigen mit hohem Digitalisierungsgrad. DIW Wochenbericht Nr. 44, 567–574 (online verfügbar).
Die Ergebnisse zeigen, dass in Unternehmen, die Corona-Beihilfen erhielten, im ersten Jahr der Pandemie 2020 zunächst der Umsatz niedriger war als in nicht geförderten Unternehmen – in Spanien um etwa vier Prozent und in Italien um drei Prozent (Abbildung 3). In den Folgejahren erholten sich die Umsätze jedoch: In Spanien glichen sich die Unterschiede bis 2021 weitgehend an. Im Jahr 2022 stieg der Umsatz geförderter Unternehmen um 2,7 Prozent stärker als der Umsatz der nicht geförderten Unternehmen. In Italien fiel der Effekt noch deutlicher aus, mit einer Umsatzsteigerung der geförderten im Vergleich zu den nicht geförderten Unternehmen von mehr als einem Prozent im Jahr 2021 und über vier Prozent im Folgejahr. Diese durchschnittlichen positiven Effekte sind jedoch fast ausschließlich bei Mikro- und Kleinunternehmen zu beobachten.Die Definition der Unternehmensgröße basiert auf dem durchschnittlichen Umsatz, der in den drei Jahren vor der Pandemie gemeldet wurde. Die Größenkategorien sind wie folgt definiert: Mikrounternehmen: durchschnittlicher Umsatz unter zwei Millionen Euro; Kleinunternehmen: durchschnittlicher Umsatz zwischen zwei und zehn Millionen Euro; Mittelunternehmen: durchschnittlicher Umsatz zwischen zehn und 50 Millionen Euro; Großunternehmen: durchschnittlicher Umsatz über 50 Millionen Euro. Für die Analyse wurden mittlere und große Unternehmen aufgrund des geringen Stichprobenumfangs zu einer Gruppe zusammengefasst. Die Ergebnisse sind robust gegenüber alternativen Definitionen der Unternehmensgröße. Für mittlere und große Unternehmen lassen sich hingegen keine statistisch signifikanten Auswirkungen nachweisen. Dies deutet darauf hin, dass die staatlichen Beihilfen für diese Unternehmensgrößen eine geringere Rolle spielten oder ihre Wirkung von anderen Faktoren überlagert wurde.Dies gilt auch für die Analyse der Auswirkungen von Corona-Beihilfen auf andere Variablen, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden. Daher konzentriert sich die Darstellung auf Mikro- und Kleinunternehmen.
Die verzögerte Wirkung der Beihilfen ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass viele Mittel erst in der zweiten Jahreshälfte 2020 ausgezahlt wurden und ein Großteil der Unterstützung in Form von staatlich garantierten Krediten erfolgte, die sich erst zeitversetzt auf die Umsätze auswirken. Zudem könnte die anfängliche Umsatzlücke zwischen geförderten und nicht geförderten Unternehmen auch dadurch entstanden sein, dass erstere erhebliche Ressourcen in die Beantragung der Beihilfen investieren mussten, während nicht geförderte Unternehmen sich stärker darauf konzentrieren konnten, ihre Produktion trotz der Krise aufrechtzuerhalten. Dass die Effekte vor allem bei den Mikrounternehmen sichtbar sind, unterstreicht, dass staatliche Unterstützung in Krisenzeiten vor allem für jene Betriebe eine entscheidende Rolle spielt, deren finanzielle Rücklagen und alternative Finanzierungsmöglichkeiten begrenzt sind.
Ein zentraler Aspekt der staatlichen Hilfen während der Pandemie war es, Unternehmen finanziell zu stabilisieren und ihre Produktion aufrechtzuerhalten. Doch die Art und Weise, wie diese Mittel tatsächlich genutzt wurden, bietet spannende Einblicke in das Investitionsverhalten der Unternehmen. Besonders interessant ist die Frage, ob die staatliche Unterstützung nicht nur kurzfristig Liquiditätsengpässe überbrückte, sondern auch langfristige Investitionen förderte. Die Analyse des Investitionsverhaltens zeigt, dass die Gesamtvermögenswerte von Mikro- und Kleinunternehmen, die Corona-Hilfen erhielten, in Spanien 2020 um 7,1 Prozent und 2022 um 5,4 Prozent stiegen (Abbildung 4). In Italien lag der Zuwachs bei etwa fünf Prozent pro Jahr. Allerdings sagt das Wachstum der Gesamtvermögenswerte allein wenig über die tatsächlichen Investitionen aus, da darunter sowohl langfristige Anlagegüter als auch kurzfristige Vermögenswerte wie Bargeld oder Forderungen erfasst werden.
Ein genauerer Blick auf die Zusammensetzung des Vermögens zeigt, dass die staatliche Unterstützung zunächst zu einem starken Anstieg der liquiden Mittel führte, der jedoch bis 2022 weitgehend abgebaut wurde. Gleichzeitig ist ab 2020 eine nachhaltige Zunahme der Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte zu beobachten. Bemerkenswert ist, dass Investitionen in immaterielle Güter – wie Softwarelizenzen, Patente oder Markenrechte – in beiden Ländern stärker stiegen als in physische Anlagen. Dies deutet darauf hin, dass viele Unternehmen die Krise genutzt haben, um ihre digitale Infrastruktur auszubauen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Maßnahmen wie der Aufbau von Online-Vertriebskanälen oder die Digitalisierung interner Prozesse können langfristig zu höherer Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Dies wurde wahrscheinlich dadurch befördert, dass wegen der Corona-Krise direkte Vertriebswege wegfielen und daher alternative, digitalisierte Vertriebskanäle etabliert werden mussten.
Die Corona-Pandemie traf die verschiedenen Wirtschaftssektoren unterschiedlich stark. Auch die Nutzung der staatlichen Hilfen fiel für die einzelnen Branchen unterschiedlich aus. Eine Analyse der Auswirkungen auf Mikro- und Kleinunternehmen zeigt, dass sich die finanzielle Unterstützung in Spanien und Italien besonders positiv auf den Bausektor auswirkte. In beiden Ländern trug er maßgeblich zum Anstieg des Unternehmensumsatzes und der Gesamtvermögenswerte bei.
Die Auswirkungen auf die Vermögensstruktur unterschieden sich hingegen deutlich zwischen Spanien und Italien. Während sich das Investitionsverhalten in Spanien zwischen den Branchen nicht unterschied, kam es in Italien zu sektoralen Verschiebungen, was die Zusammensetzung der Investitionen betrifft. Dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen in beiden Ländern unterschiedliche Strategien zur Bewältigung der Krise verfolgten.
Im italienischen Großhandel war zunächst ein positiver Investitionseffekt zu beobachten, der sich jedoch im Zeitverlauf abschwächte. Im Verarbeitenden Gewerbe Italiens hingegen stiegen die immateriellen Vermögenswerte deutlich stärker als in den anderen Branchen. Während die spanischen Einzelhändler kaum in Sachanlagen investierten, setzten die italienischen Pendants stärker auf Investitionen in den Bestand, darunter Renovierungen. Gleichzeitig investierten die spanischen Einzelhändler verstärkt in digitale Lösungen, etwa zur Optimierung interner Prozesse.
Deutliche Unterschiede zeigten sich auch im Bausektor: In Spanien nahmen sowohl die materiellen als auch die immateriellen Investitionen signifikant zu. In Italien hingegen konzentrierten sich vor allem kleine Bauunternehmen auf materielle Vermögenswerte und verdoppelten diese bis 2022 im Vergleich zur Vorkrisenzeit. Dies deutet darauf hin, dass spanische Bauunternehmen gezielt in Digitalisierung und neue Technologien investierten, um die Arbeitssicherheit und Produktivität zu erhöhen – ein Trend, der bereits von Branchenanalysten beobachtet worden war.McKinsey and Company (2020): Rise of the platform era: The next chapter in construction technology (online verfügbar).
Die vorliegende Analyse zu Corona-Hilfen liefert wertvolle Erkenntnisse für die künftige Ausgestaltung derartiger Instrumente, insbesondere im Kontext der Beihilfekontrolle und des Clean Industrial Deals der EU-Kommission. Der befristete Rahmen war in der Corona-Pandemie eine effektive und schnelle Antwort auf die wirtschaftlichen Herausforderungen während der Krise, insbesondere durch die gezielte Unterstützung von Mikro- und Kleinunternehmen. Damit konnte flexibel und effektiv auf die Krise reagiert werden.
Gleichwohl sollten derartige Instrumente vorsichtig gehandhabt werden. Bei größeren Unternehmen hat die vorliegende Studie keinerlei Auswirkungen festgestellt, was in Einklang mit vorherigen Untersuchungen steht.Chiara Criscuolo et al. (2019): Some causal effects of an industrial policy. American Economic Review, Vol. 109, No. 1, 48–85 (online verfügbar). Die Autor*innen zeigen, dass regionale Subventionen einen weitaus größeren positiven Einfluss auf die Investitionen kleiner Unternehmen haben. Auch eine Ausweitung der Förderung, wie sie für Großunternehmen und grüne Investitionen unter dem befristeten Beihilferahmen 2021 zu beobachten war, brachte den Ergebnissen der Studie zufolge keine nennenswerten Vorteile.
Bei Beihilfen an Großunternehmen ist jedoch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, die zu einer Störung der Marktbedingungen führen, größer als bei Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass temporäre Rahmenwerke weiterhin gezielt und zeitlich begrenzt bleiben sollten, um ihre Effektivität zu gewährleisten und negative Nebenwirkungen zu vermeiden.
Im Hinblick auf die geplante Verlängerung solcher Instrumente für klimafreundliche Investitionen bis 2030 und deren Vereinfachung im Rahmen des Clean Industrial Deals ist es von entscheidender Bedeutung, die Lehren aus entsprechenden Evaluationsstudien zu ziehen. Eine übermäßige Ausweitung der Beihilfen darf nicht dazu führen, dass die zielgerichtete Unterstützung durch Marktverzerrungen gefährdet wird.
JEL-Classification: D04;G21;P43
Keywords: State Aid, Aid Effectiveness, Temporary Framework, Covid; Firm Growth, Investment
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-19-1