Aktivrente entlastet vor allem besserverdienende Rentner*innen

Pressemitteilung vom 18. Juni 2025

Von Aktivrente würden rund 230 000 erwerbstätige Rentner*innen unmittelbar profitieren – Zunächst jährliche Steuermindereinnahmen von rund 800 Millionen Euro – Bei 75 000 zusätzlichen Beschäftigten könnten Einnahmeverluste mehr als ausgeglichen werden

Rund 230 000 abhängig Beschäftigte im Rentenalter profitieren direkt von der geplanten Aktivrente der neuen Bundesregierung – vor allem die mit hohen Einkommen. Das verursacht zunächst jährliche Steuerausfälle von etwa 800 Millionen Euro. Wenn 75 000 zusätzliche Rentner*innen in den Arbeitsmarkt eintreten, gleichen zusätzliche Steuer- und Beitragseinnahmen die Verluste aus. Das sind die zentralen Ergebnisse einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).

© DIW Berlin

Mit der geplanten Aktivrente sollen Rentner*innen künftig bis zu 2 000 Euro monatlich steuerfrei zur Rente oder sonstigen Einkünften hinzuverdienen dürfen. Ziel ist es, den Verbleib älterer Menschen im Erwerbsleben attraktiver zu machen und somit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Gleichzeitig wird der vorzeitige Erwerbsaustritt weiterhin gefördert, so etwa durch die vorgezogene abschlagsfreie Altersrente nach 45 Beitragsjahren oder durch steuer- und abgabenfreie Aufstockungen bei der Altersteilzeit. Das passt nicht zu den Zielen der Aktivrente“, erklärt Stefan Bach, Leiter der Studie.

Beschäftigte im Rentenaltern arbeiten bisher vor allem im Minijob

Laut SOEP-Daten sind 2022 rund 313 000 Menschen ab 66 Jahren sozialversicherungspflichtig beschäftigt – meist in Teilzeit. Hinzu kommen etwa 645 000 Minijobber*innen und 272 000 Selbstständige. Besonders häufig sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Rentenalter in der obersten Einkommensgruppe vertreten. Da geringfügig Beschäftigte nicht von der Steuervergünstigung profitieren, entlastet die Aktivrente vor allem Besserverdienende.

Bleibt das Erwerbsverhalten konstant, führt die Reform zu Mindereinnahmen von rund 770 Millionen Euro jährlich. Erst bei einem Zuwachs von 75 000 erwerbstätigen Rentner*innen könnte durch zusätzliche Einnahmen von Sozialbeiträgen sowie Unternehmens- und indirekten Steuern ein kleiner Überschuss für den Staat von gut 500 Millionen Euro entstehen. Ein stärkerer Beschäftigungsanstieg auf 150 000 Personen könnte sogar zu jährlichen Mehreinnahmen von bis zu 1,8 Milliarden Euro führen. Ob diese Effekte eintreten, bleibt jedoch unsicher. „Das lässt sich nicht genau schätzen, da es bisher kaum Beschäftigte in dem Alter gab“, erklärt Studienautor Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin. „Daher muss man plausible Annahmen treffen und Szenarien rechnen.“

Selbstständigen kann man die Aktivrente nicht vorenthalten

Da die Aktivrente aller Voraussicht nach nur begrenzt gegen den Fachkräftemangel wirkt, bleiben weitergehende Maßnahmen notwendig: bessere Weiterbildungsmöglichkeiten, der Ausbau der Betreuungs- und Pflegeinfrastruktur, die gezielte Fachkräftezuwanderung und höhere Arbeitsanreize etwa durch eine Reform des Ehegattensplittings. „Das würde auch die Beschäftigung nach der Regelaltersgrenze erhöhen“, so Studienautor Johannes Geyer. „Denn Menschen, die bis zum Rentenalter gearbeitet haben, bleiben auch danach häufiger erwerbstätig als diejenigen, die schon früher aus dem Berufsleben ausgestiegen sind.“

„Menschen, die bis zum Rentenalter gearbeitet haben, bleiben auch danach häufiger erwerbstätig als diejenigen, die schon früher aus dem Berufsleben ausgestiegen sind.“ Johannes Geyer

Zudem wirft die Aktivrente verteilungspolitische Fragen auf: Wer aus gesundheitlichen Gründen oder wegen familiärer Verpflichtungen nicht weiterarbeiten kann, bleibt außen vor. Profitieren dürften vor allem gut qualifizierte Rentner*innen mit hohen Einkommen. „Das birgt sozialen Sprengstoff – vor allem, wenn ältere Beschäftigte steuerlich stark begünstigt werden, während jüngere Erwerbstätige weiterhin voll belastet bleiben“, resümiert Stefan Bach.

Ferner könne man die Aktivrente aus rechtlichen und faktischen Gleichbehandlungsgründen nicht den Selbstständigen vorenthalten, gibt Bach zu bedenken. „Das erhöht dann aber die Mitnahmeeffekte, da Selbstständige häufiger bis ins hohe Alter weiterarbeiten.“ Und man würde dann auch passive Unternehmenseinkünfte von Personengesellschafter*innen begünstigen – also Kapitalerträge, obwohl die Anleger*innen selbst gar nicht in der Firma arbeiten. „Das zu unterbinden, wird leicht zum Bürokratiemonster.“

Links

O-Ton von Stefan Bach
Selbstständigen kann man die Aktivrente schwer vorenthalten - Interview mit Stefan Bach
Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

Johannes Geyer

Stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

Peter Haan

Abteilungsleiter in der Abteilung Staat

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