Blog Marcel Fratzscher vom 3. August 2020
Ob Geld und Glück zusammenhängen, lässt sich empirisch schwer belegen. Neue Daten zeigen aber: Besonders zufrieden mit ihrem Leben sind Millionärinnen und Millionäre.
Macht Geld glücklich? Unzählige wissenschaftliche Studien haben versucht, diese Frage zu beantworten. Die Antwort ist schwierig, da kaum eine Kausalität nachgewiesen werden kann. Dennoch gibt es Belege dafür, dass glücklichere Menschen auch beruflich erfolgreicher und somit vermögender sind. Eine neue Studie des DIW Berlin fokussiert sich auf Millionäre, also auf Hochvermögende, und vergleicht diese mit anderen Gruppen in der deutschen Gesellschaft. Die Resultate sind eindeutig.
Dieser Beitrag ist am 31. Juli 2020 in der ZEIT ONLINE–Kolumne Fratzschers Verteilungsfragen erschienen. Hier finden Sie alle Beiträge von Marcel Fratzscher.
Die Verbindung zwischen Geld und Glück ist schwer zu beschreiben, denn Glück wird von vielen Faktoren beeinflusst. So zeigt die Glücksforschung, dass Menschen, die gesünder sind, eine Familie haben, mit ihrer Arbeit zufrieden sind und in einer intakten Umwelt leben, generell deutlich glücklicher sind. Männer sind in den meisten Gesellschaften durchschnittlich glücklicher als Frauen. Menschen in einer freien, demokratischen Gesellschaft sind meist deutlich glücklicher als Menschen in einer autokratischen oder sozialistischen Gesellschaft, auch wenn man Unterschiede in der Wirtschaftsleistung berücksichtigt. Komplexer ist es beim Alter: Jüngere und ältere Menschen sind durchschnittlich glücklicher mit ihrem Leben als Menschen im mittleren Alter. Wenn wir also die Verbindung zwischen Geld und Glück verstehen wollen, müssen wir auch diese anderen Faktoren berücksichtigen.
Zudem ist es wichtig und gleichzeitig schwierig, zwischen einer Korrelation und Kausalität zu unterscheiden. Führt mehr Geld kausal wirklich zu mehr Glück? Viele Leserinnen und Leser mögen dies für sich persönlich bejahen, aber auch hier ist der Zusammenhang sehr viel komplexer. Denn Menschen, die glücklicher sind, mögen auch beruflich erfolgreicher sein und somit mehr Geld verdienen.
Eine weitere wichtige Unterscheidung muss zwischen Glück und Zufriedenheit gemacht werden. Die meisten Umfragen zu Glück versuchen, die emotionale Dimension des eigenen Empfindens zu messen, die sich häufig auf die eigene Erfahrung in der Gegenwart fokussiert. Zufriedenheit dagegen soll eine bewertende, kognitive Dimension sein. Sie ist also eine eher rationale, reflektierende Einschätzung über den Verlauf des eigenen Lebens. Interessant hierbei ist, dass Menschen in Deutschland im internationalen Vergleich ein relativ niedriges Niveau beim Glück, also auf der emotionalen Ebene, angeben, dagegen aber eher ein vergleichsweise hohes Niveau an Zufriedenheit mit ihrem Leben äußern. Manche verleitet dies, Deutschland in ein Klischee der Rationalität und Effizienz zu drücken, auch wenn dies häufig zu kurz greifen mag.
Wichtig ist auch der Unterschied bei Glück und Zufriedenheit innerhalb der Gesellschaft und zwischen verschiedenen Gruppen und Regionen. Auch hier ist Deutschland in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Selbst 30 Jahre nach der Wiedervereinigung besteht noch immer ein relativ großer Unterschied in der Zufriedenheit zwischen Menschen in Ostdeutschland und Westdeutschland, auch wenn man viele andere Faktoren berücksichtigt, die diese Zufriedenheit beeinflussen, wie beispielsweise Einkommen, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Arbeitszeit, Unsicherheit und Alter.
Die neue Studie des DIW Berlin schaut sich die Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zwischen verschiedenen Gruppen nach ihrem Vermögen an. Hier zeigt sich ein erstaunlich starker Unterschied in der allgemeinen Lebenszufriedenheit zwischen Millionärinnen, Millionären und anderen Gruppen. Menschen in der unteren Hälfte der Vermögensverteilung sind etwas weniger zufrieden als Menschen in der oberen Mittelschicht, die wiederum etwas weniger zufrieden sind als Wohlhabende. Der allergrößte Anstieg der Lebenszufriedenheit trifft jedoch auf Millionärinnen und Millionäre zu, wie die Grafik anbei zeigt.
© DIW Berlin
Die Studie schaut sich spezifische Bereiche der Zufriedenheit an. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Millionärinnen und Millionäre nicht nur mit ihrem Einkommen sehr viel zufriedener sind als andere Gruppen, sondern auch mit ihrer Arbeit, ihrer Familie und ihrer Gesundheit. Dazu muss man wissen, dass fast drei von vier dieser Hochvermögenden selbstständig sind (73 Prozent), dass sie überwiegend männlich sind (69 Prozent), in Westdeutschland leben (94 Prozent), keinen Migrationshintergrund haben (86 Prozent), überwiegend gut gebildet und mittleren oder höheren Alters sind.
Einen Trost gibt es für alle von uns, die keine großen Vermögen haben: Millionärinnen und Millionäre haben weniger Spaß in ihrem Leben, so scheint es: Sie sind nicht zufriedener mit ihrer Freizeit als die meisten und sogar weniger zufrieden als Menschen, die wohlhabend sind. Vielleicht liegt das auch daran, dass sie sehr viel mehr arbeiten als andere: im Durchschnitt 47 Stunden pro Woche, im Vergleich zu den 37 Stunden anderer Bürgerinnen und Bürger. Kurzum, es scheint zu gelten: Geld scheint doch Menschen zufriedener mit ihrem Leben zu machen, allerdings vor allem dann, wenn Menschen sehr viel mehr Geld haben.
Themen: Ungleichheit , Verteilung , Wohlbefinden