Pressemitteilung vom 25. Oktober 2017
Frauen erzielen in Deutschland nur die Hälfte des Gesamteinkommens der Männer und verdienen bei den Stundenlöhnen rund ein Fünftel weniger – Bei Erwerbseinkommen gibt es Gender Pay Gap zwischen „Männer-“ und „Frauenberufen“, aber auch innerhalb vieler Berufe – Deutschland weist eine im internationalen Vergleich hohe Lücke von rund 53 Prozent bei den Renteneinkommen aus – Handlungsbedarf der Politik an mehreren Fronten
Drei neue Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) befassen sich mit Einkommensungleichheiten zwischen Frauen und Männern. Die AutorInnen schließen auf einen Handlungsbedarf der Politik an gleich mehreren Fronten. Deswegen müsse die Gleichstellung von Frauen einen hohen Stellenwert haben in den aktuell stattfindenden Gesprächen zur Bildung einer Koalition.
DIW-Steuerexperte Stefan Bach hat die aktuellsten verfügbaren Daten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik des Jahres 2010 ausgewertet. Demnach erreichen Frauen beim gesamten Bruttoeinkommen insgesamt nur 51 Prozent des Einkommens der Männer. Bei den Arbeitseinkommen erreichen sie 52 Prozent des Einkommens der Männer. Bei Vermietungseinkünften oder Kapitalerträgen sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern weniger ausgeprägt.
Ein wesentlicher Grund für die Ungleichheit bei den Arbeitseinkommen ist die Lohnlücke, der sogenannte Gender Pay Gap. Dieser lag in Deutschland bezogen auf die Stundenlöhne zuletzt bei 21 Prozent und nimmt nur langsam ab.
„Es gibt auch innerhalb von Berufen sehr hohe Gender Pay Gaps“ Katharina Wrohlich, Studienautorin
Schon seit langem ist bekannt, dass ein Teil des Gender Pay Gaps mit der Berufswahl zusammenhängt, denn Berufe mit einem hohen Anteil an Frauen werden niedriger entlohnt als sogenannte „Männerberufe“, also solche, wo der Männeranteil bei mehr als 70 Prozent liegt. „Unsere Analysen zeigen aber, dass es auch innerhalb von Berufen mitunter sehr hohe Gender Pay Gaps gibt“, so Katharina Wrohlich, Autorin einer der Studien, die im aktuellen DIW Wochenbericht erschienen sind. So ist die Lohnlücke bei VerkäuferInnen (29 Prozent), Bankfachleuten (25 Prozent) und BuchhalterInnen (24 Prozent) noch höher als der durchschnittliche Gender Pay Gap. Entscheidet sich ein Mann für den typischen Frauenberuf der Sprechstundenhilfe, so verdient er im Durchschnitt sogar 43 Prozent mehr als seine Kolleginnen (siehe Grafik). Übt eine Frau als Dreherin oder Metallarbeiterin aber einen typischen Männerberuf aus, liegt ihr Gehalt auch unter dem ihrer männlichen Kollegen, und zwar um 28 Prozent.
© DIW Berlin
„Andererseits gibt es auch Berufe, zum Beispiel KindergärtnerIn, bei denen wir keinen Gender Pay Gap beobachten“, so Studienautorin Aline Zucco. Es liegt nahe, dass Berufe, in denen der Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst besonders hoch ist, geringere Gender Pay Gaps aufweisen. Dies lässt sich mutmaßlich auf die tarifvertraglichen Regelungen im öffentlichen Dienst zurückführen, die weniger Spielraum für Verhandlungen lassen als in der Privatwirtschaft. Eine konsequente Implementierung des Entgelttransparenzgesetzes könnte auch im privaten Sektor zu geringeren Gender Pay Gaps führen, vermuten die StudienautorInnen.
Der Gender Pay Gap, aber auch weitere Faktoren wie Unterbrechungen in der Erwerbsbiographie durch Kindererziehung haben Folgen für das Renteneinkommen von Frauen. So betrug der sogenannte Gender Pension Gap, also die Lücke bei den Renteneinkommen zwischen Frauen und Männern, in Deutschland im Jahr 2012 rund 53 Prozent. Das ist ein im internationalen Vergleich hoher Wert, in Dänemark lag der Unterschied im selben Jahr bei lediglich 24 Prozent.
Zusätzlich zu den Unterschieden bei den Gender Pension Gaps haben die DIW-ForscherInnen Anna Hammerschmid, Carla Rowold und Peter Haan Unterschiede bei der Gesundheit von älteren Menschen in Deutschland, Dänemark und Frankreich untersucht und festgestellt, dass es bei der Anfälligkeit für Depressionen ähnliche Muster zu den Pension Gaps gibt: Deutschland hat im Vergleich zu Dänemark nicht nur eine höhere Rentenlücke, sondern ältere Frauen sind hierzulande im Vergleich zu Männern noch häufiger von depressiven Symptomen betroffen.
„Wir können aus unseren Ergebnissen nicht ableiten, dass das Eine mit dem Anderen kausal zusammenhängt“, so Studienautorin Anna Hammerschmid, „aber die Hypothese liegt nahe, dass die geringeren Einkommen von Frauen erhebliche negative Effekte haben können, die über das reine Einkommen hinausgehen.“
Um dem entgegenzuwirken ist nach Ansicht der AutorInnen aller drei Berichte ein Kulturwandel in der Gesellschaft und vor allem in der Arbeitswelt nötig – aber auch die Politik ist am Zug. „Die Verdienstlücke zu schließen ist eine zentrale Voraussetzung für mehr Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern“, so Wrohlich. „Bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – mehr und bessere Betreuung für kleine Kinder, mehr und qualitativ bessere Ganztagsschulen – sind hierbei wichtige Aufgaben für die Politik.“ Ebenso bedarf es stärkerer Anreize für eine ausgeglichene Aufteilung von Erwerb- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen. Verheiratete Frauen tragen als Zweitverdienerinnen häufig einen geringeren Teil zum Familieneinkommen bei. „Durch das Ehegattensplitting zahlen sie deutlich mehr Einkommensteuern als Ledige mit gleichen Einkommen, das ist einer der Gründe für den geringeren Erwerbsumfang vieler Frauen“, so Bach. „Das Ehegattensplitting muss auf den Prüfstand, denn es setzt in Kombination mit der Steuerbegünstigung von Mini-Jobs negative Erwerbsanreize für verheiratete Frauen.“ Auch könnte eine Verlängerung der sogenannten „Vätermonate“ beim Elterngeld bewirken, dass sich Männer mehr einbringen und die Sorgearbeit gleicher verteilt wird, so die DIW-ÖkonomInnen.
Themen: Arbeit und Beschäftigung , Gender , Rente und Vorsorge , Ungleichheit