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Die Lehren der ersten Coronawelle

Blog Marcel Fratzscher vom 17. August 2020

Dieser Beitrag ist am 17. August 2020 in der Handelsblatt–Kolumne QUERDENKER erschienen. 

Der wirtschaftliche Einbruch im zweiten Quartal war dramatisch. Die deutsche Volkswirtschaft ist um zehn Prozent geschrumpft, die Wirtschaft vieler anderer europäischer Länder sogar noch deutlich mehr. Viele hoffen nun, dass die Erholung rapide voranschreitet und eine Normalisierung des Wirtschaftslebens im nächsten Jahr erreicht werden kann. Diese Erwartung könnte sich als eine gefährliche Illusion erweisen. Denn vieles deutet darauf hin, dass eine zweite Coronawelle unausweichlich ist und auch wirtschaftlich sehr schmerzvoll sein dürfte. Es geht daher darum, sich jetzt frühzeitig und richtig auf diese zweite Welle vorzubereiten, um den Schaden für Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren.

Regeln und Eigenverantwortung

Dies erfordert, die richtigen Lehren aus dem Umgang mit der ersten Welle zu ziehen. Eine erste Lehre ist, dass Deutschland mit seinen Maßnahmen während der ersten Welle im Großen und Ganzen sehr gut gefahren ist. Dabei gibt es nicht wenige Kritiker und Verschwörungstheorien, die behaupten, die Restriktionen in Deutschland im März und April seien unnötig oder gar schädlich gewesen. Ein Blick auf die USA widerlegt diese These jedoch komplett. Das zeigt deutlich: Eine kluge Balance zwischen Regeln und Restriktionen und einer starken Eigenverantwortung jedes Einzelnen bei der physischen Distanzierung wie bei der eigenen Vorsorge ist essenziell. Auch die Schließung von Produktionsstätten und die Einschränkung des öffentlichen Lebens ist richtig und nicht schädlicher, als es die Alternativen wären. Das Beispiel der USA zeigt, dass Chaos sowie Angst und Verunsicherung durch fehlende Regeln und Vorbeugung einen sehr viel größeren Schaden anrichten können - auch wirtschaftlich.

Nicht alles muss geschlossen werden

Die Erfahrung mit der ersten Coronawelle macht aber auch deutlich, in welchen Feldern man tatsächlichüber das Ziel hinausgeschossen ist. Die Schließung von Kitas und Schulen hat einen so massiven Schaden für Wirtschaft und Gesellschaft verursacht, dass dringend eine Lösung zum Funktionieren von Kindertagesstätten und Schulen in einer zweiten Welle gefunden werden muss. Auch bei den Betriebsschließungen im Einzelhandel und in anderen Sektoren gibt es Wege, um eine Aufrechterhaltung besser zu gewährleisten und einen größeren Schaden zu vermeiden. Die wichtigste Bedingung, eine zweite Welle gut zu meistern, ist ein starkes Vertrauen in die Politik und die staatlichen Institutionen. Nur so lassen sich Maßnahmen koordinieren und glaubwürdig umsetzen. Dazu gehören eine bessere Vorsorge und ein frühzeitiges Handeln, um die zweite Welle so klein wie möglich zu halten.

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