DIW Wochenbericht 9 / 2021, S. 141-147
Julia Schmieder, Katharina Wrohlich
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„Deutschland hat gleichstellungspolitischen Aufholbedarf – Maßnahmen wie die Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld, die Einführung einer Familienarbeitszeit, der Ausbau der Kinderbetreuung und eine Reform des Ehegattensplittings würden den Gender Pay Gap nachhaltig senken.“ Katharina Wrohlich
Das öffentliche Interesse am Gender Pay Gap ist in den letzten Jahren in Deutschland deutlich gestiegen. Gleichzeitig hat sich bei der prozentualen Lohnlücke zwischen Frauen und Männern hierzulande kaum etwas getan. Ein europäischer Vergleich zeigt, dass niedrigere Frauenerwerbsquoten tendenziell mit einem niedrigeren Gender Pay Gap einhergehen. Eine Erklärung hierfür sind über die Länder variierende Geschlechterunterschiede in den Charakteristika der erwerbstätigen Bevölkerung. Sowohl im Vergleich zu allen Ländern als auch ausschließlich zu solchen mit ähnlichen Frauenerwerbsquoten hat Deutschland einen der höchsten Gender Pay Gaps in Europa. Im Gegensatz dazu fallen die nordischen Länder mit ihren vergleichsweise niedrigen Lohnlücken bei gleichzeitig hohen Frauenerwerbsquoten im europäischen Vergleich besonders positiv auf. Die Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld, der quantitative und qualitative Ausbau der Kinderbetreuung und eine Reform des Ehegattensplittings sind geeignete Instrumente um mehr Gleichstellung am Arbeitsmarkt zu erreichen – sowohl hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung als auch der Löhne.
Der prozentuale Unterschied zwischen den Stundenlöhnen von Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay Gap,Für Details zum Begriff Gender Pay Gap siehe DIW Glossar (online verfügbar; abgerufen am 10. Februar 2021; dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Im vorliegenden Bericht werden „Gender Pay Gap“ und „Lohnlücke“ synonym verwendet. betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2019 19 Prozent und hat sich in den letzten 15 Jahren kaum verändert (Abbildung 1).
Die öffentliche Diskussion zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke hat allerdings in den letzten Jahren stark zugenommen. Während das Thema zwischen 2010 und 2014 in den deutschen Medien nur selten erwähnt wurde, kam es in den Folgejahren zu einem starken Anstieg der Mediennennungen. Diese haben sich zwischen 2014 und 2018 mit einem Anstieg von 63 auf 455 mehr als versiebenfacht. Die zunehmende Popularität des Themas spiegelt sich auch im starken Anstieg der Google-Suchanfragen zum Begriff „Gender Pay Gap“ wider (Abbildung 2).
Das stärkste Suchinteresse in den letzten zehn Jahren ist für März 2019 zu beobachten. Auch in den beiden vorangegangenen Jahren gab es die meisten Suchanfragen im Monat März. Dies hängt vermutlich mit dem Equal Pay Day zusammen, der seit 2008 einmal im Jahr auf die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen aufmerksam macht. Er markiert den Tag, bis zu dem Frauen im neuen Jahr über das vorherige Jahr hinaus arbeiten müssen, um das durchschnittliche Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu erreichen.Vgl. Informationen auf der Website der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (online verfügbar). Mit einem Gender Pay Gap von 19 Prozent fällt der Aktionstag im Jahr 2021 rechnerisch auf den 10. März.Vgl. Informationen auf der Webseite der Kampagne Equal Pay Day (online verfügbar).
Im europäischen Vergleich weist Deutschland einen der höchsten Gender Pay Gaps auf. Legt man Daten von Eurostat aus dem Jahr 2018Die aktuellsten nicht-provisorischen Statistiken bei Eurostat zum Gender Pay Gap beziehen sich auf das Jahr 2018. (Kasten) zugrunde, so befindet sich Deutschland auf dem drittletzten Platz von insgesamt 34 verfügbaren Ländern (Tabelle). Nur Österreich und Estland weisen laut Eurostat noch höhere Lohnlücken auf. Auffallend niedrige Gaps haben etwa Rumänien (rund zwei Prozent), Italien und Belgien (jeweils rund sechs Prozent) sowie Polen (rund neun Prozent). Im Mittelfeld liegen etwa Spanien und Schweden (jeweils rund zwölf Prozent), Norwegen (rund 13 Prozent) sowie Dänemark und die Niederlande (jeweils rund 15 Prozent).
Rang (sortiert nach Gender Pay Gap) | Land | Gender Pay Gap (in Prozent) | Frauenerwerbsquote (in Prozent) | Zustimmung zur Aussage „Es ist die Aufgabe des Mannes, Geld zu verdienen, die Frau ist für Haushalt und Familie zuständig“ (in Prozent) |
---|---|---|---|---|
1 | Luxemburg (LU) | 1,4 | 67,4 | |
2 | Rumänien (RO) | 2,2 | 58,3 | 47,8 |
3 | Italien (IT) | 5,5 | 56,2 | 34,0 |
4 | Belgien (BE) | 5,8 | 64,3 | |
5 | Montenegro (ME) | 7,7 | 57,2 | 37,5 |
6 | Polen (PL) | 8,5 | 63,3 | 38,9 |
7 | Portugal (PT) | 8,9 | 72,4 | 27,3 |
8 | Nordmazedonien (MK) | 9,1 | 52,2 | 37,9 |
9 | Slowenien (SI) | 9,3 | 71,7 | 19,9 |
10 | Serbien (RS) | 9,6 | 60,6 | 35,1 |
11 | Zypern (CY) | 10,4 | 70,4 | |
12 | Griechenland (GR) | 10,4 | 59,9 | |
13 | Irland (IE) | 11,3 | 67,1 | |
14 | Kroatien (HR) | 11,4 | 61,7 | 25,7 |
15 | Spanien (ES) | 11,9 | 68,6 | 12,8 |
16 | Schweden (SE) | 12,1 | 81,0 | 5,1 |
17 | Malta (MT) | 13,0 | 63,8 | |
18 | Norwegen (NO) | 13,2 | 75,4 | 9,2 |
19 | Island (IS) | 13,8 | 84,6 | 7,1 |
20 | Bulgarien (BG) | 13,9 | 67,0 | 53,4 |
21 | Litauen (LT) | 14,0 | 75,8 | 46,0 |
22 | Ungarn (HU) | 14,2 | 64,9 | 44,4 |
23 | Dänemark (DK) | 14,6 | 75,3 | 5,7 |
24 | Niederlande (NL) | 14,7 | 75,8 | 7,2 |
25 | Frankreich (FR) | 16,7 | 68,1 | 16,4 |
26 | Finnland (FI) | 16,9 | 76,3 | 11,9 |
27 | Schweiz (CH) | 18,3 | 79,9 | 18,3 |
28 | Lettland (LV) | 19,6 | 75,1 | |
29 | Vereinigtes Königreich (UK) | 19,8 | 73,2 | 17,0 |
30 | Slowakei (SK) | 19,8 | 65,9 | 51,4 |
31 | Deutschland (DE) | 20,1 | 74,3 | 13,5 |
32 | Tschechien (CZ) | 20,1 | 69,6 | 47,2 |
33 | Österreich (AT) | 20,4 | 72,0 | 29,6 |
34 | Estland (EE) | 21,8 | 75,6 | 37,3 |
Anmerkungen: Für einige Länder liegen keine Daten aus dem European Value Survey 2017 vor.
Quellen: Eurostat (Frauenerwerbsquoten und Gender Pay Gaps aus dem Jahr 2018), European Value Survey 2017 (Rollenvorstellungen), eigene Darstellung.
Die Analysen dieses Berichts basieren auf Daten von Eurostat. Es werden alle Länder in Europa berücksichtigt, für die sowohl Statistiken zur Frauenerwerbsquote als auch zum Gender Pay Gap verfügbar sind (34 Länder). Die Grundlage für die Statistiken bildet der European Union Labour Force Survey (EU-LFS), eine Befragung basierend auf einer Zufallsstichprobe der Bevölkerung der einzelnen Länder. Das Ziel des EU-LFS ist es, vergleichbare Informationen über alle europäischen Länder bereitzustellen.
Die Frauenerwerbsquote ist ein Maß für den Anteil der weiblichen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (zwischen 15 und 64 Jahren), der aktiv am Arbeitsmarkt teilnimmt, indem er entweder (selbstständig oder in abhängiger Beschäftigung) arbeitet oder nach Arbeit sucht. Die Daten zur Frauenerwerbsquote im Bericht beziehen sich auf das Jahr 2018 (Stand 24.2.2021; online verfügbar).
Der Gender Pay Gap misst die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von männlichen und weiblichen Beschäftigten im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer. Es werden alle abhängig Beschäftigten in Unternehmen mit zehn oder mehr Beschäftigten einbezogen. Ausgenommen werden die Wirtschaftsabschnitte „Land- und Forstwirtschaft, Fischerei“, „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung“, „Private Haushalte mit Hauspersonal“ und „Exterritoriale Organisationen und Körperschaften“. Die Daten zum Gender Pay Gap beziehen sie sich auf das Jahr 2018 (Stand 24.2.2021; online verfügbar).
Die Daten zu den Einstellungen bezüglich der Aussage „Es ist die Aufgabe des Mannes, Geld zu verdienen, die Frau ist für Haushalt und Familie zuständig“ stammen vom European Value Survey (EVS) 2017.Siehe Quelle EVS (2020): European Values Study 2017: Integrated Dataset (EVS 2017). GESIS Data Archive, Cologne. ZA7500 Data file Version 4.0.0 (online verfügbar). Für diese standardisierte länderübergreifende Befragung wurde in jedem Land eine repräsentative Stichprobe der erwachsenen Bevölkerung ab 18 Jahren verwendet. Die Befragten konnten folgende Auswahlmöglichkeiten wählen: „stimme voll und ganz zu“, „stimme zu“, „stimme nicht zu“, „stimme überhaupt nicht zu“, „weiß nicht“ und „keine Antwort“. Der Anteil an Zustimmenden ist definiert als die Anzahl aller Personen, die entweder „stimme voll und ganz zu“ beziehungsweise „stimme zu“ geantwortet haben, im Verhältnis zu allen Befragten.
Ausgerechnet in einigen Ländern mit sehr niedrigen geschlechtsspezifischen Lohnlücken ist im European Value Survey die Zustimmung zur Aussage „Die Aufgabe des Mannes ist es, Geld zu verdienen, die Aufgabe der Frau ist es, sich um Haushalt und Familie zu kümmern“ sehr hoch.Die Zustimmung zu dieser Aussage wird in einer anderen Studie als Maß für traditionelle Vorstellungen über Geschlechterrollen genutzt. Vgl. dazu Marianne Bertrand et al. (im Erscheinen): Social Norms, Labour Market Opportunities, and the Marriage Gap Between Skilled and Unskilled Women. The Review of Economic Studies. Die Autorinnen werten hierfür Befragungsdaten aus dem Jahr 2012 und früheren Jahren aus. Beispielsweise stimmt in Rumänien fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung (rund 48 Prozent) diesem Statement zu. Auch in Italien ist die Zustimmung mit rund 34 Prozent relativ hoch. Im Vergleich dazu stimmen in Deutschland nur knapp 14 Prozent der Bevölkerung dieser Aussage zu (Tabelle). In den nordischen Ländern (mit Ausnahme von Finnland) und den Niederlanden sind es sogar nur weniger als zehn Prozent (Abbildung 3).Der Gender Pay Gap alleine erfasst die vorherrschenden Werte zur Gleichstellung in den Ländern daher nur sehr unzureichend.
Wie ist es zu erklären, dass Länder, in denen es eine hohe Zustimmung zu traditionellen Rollenverteilungen der Geschlechter gibt, gleichzeitig sehr niedrige Lohnlücken aufweisen? Ein Teil der Erklärung liegt in den sehr unterschiedlichen Erwerbsquoten von Frauen im Ländervergleich.Eine weitere Erklärung für im Ländervergleich unterschiedliche Gender Pay Gaps sind Unterschiede in der Lohnstruktur. In Ländern mit einer allgemein geringen Lohnungleichheit sind auch die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede weniger ausgeprägt als in Ländern mit einer allgemein größeren Lohnungleichheit. Vgl. beispielsweise Francine D. Blau und Lawrence M. Kahn (2003): Understanding International Differences in the Gender Pay Gap. Journal of Labor Economics, 21, 106–44. Länder mit sehr niedrigem Gender Pay Gap weisen häufig auch eine sehr niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen auf (Abbildung 4, Tabelle). So haben beispielsweise Rumänien und Italien neben niedrigen Lohnlücken auch vergleichsweise niedrige Frauenerwerbsquoten von 58 beziehungsweise 56 Prozent, während einige Länder mit hohen Erwerbsquoten deutlich höhere Gender Pay Gaps haben. In der Gesamtschau ist eine deutliche positive Korrelation zwischen der geschlechtsspezifischen Lohnlücke und der Frauenerwerbsquote erkennbar.
Ein Grund für diesen positiven Zusammenhang sind über die Länder variierende Geschlechterunterschiede in der Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung. In Ländern mit geringen Frauenerwerbsquoten arbeiten von den Frauen tendenziell eher diejenigen mit hohem Lohnpotenzial (hohe Selektion). In Ländern mit hohen Frauenerwerbsquoten unterscheiden sich hingegen die erwerbstätigen Frauen nicht so stark von der weiblichen Gesamtbevölkerung. In die Berechnung des Gender Pay Gaps fließen in Ländern mit geringer weiblicher Erwerbsbeteiligung damit vergleichsweise hohe Löhne von Frauen ein. Da die Erwerbsquoten von Männern in allen Ländern sehr hoch sind (geringe Selektion), sind ihre Durchschnittslöhne repräsentativer für das Lohnpotenzial der männlichen Gesamtbevölkerung. Damit fällt der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern in Ländern mit niedrigen Frauenerwerbsquoten geringer aus als in Ländern mit hoher weiblicher Arbeitsmarktbeteiligung. Insbesondere für Frankreich, Irland und für die südeuropäischen Länder wurde dieser Zusammenhang in einer früheren Studie gezeigt.Vgl. dazu Claudia Olivetti und Barbara Petrongolo (2008): Unequal Pay or Unequal Employment? A Cross-Country Analysis of Gender Gaps. Journal of Labor Economics 26 (4), 621–654.
Ein einfacher Vergleich der Gender Pay Gaps zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichen Frauenerwerbsquoten kann aus diesem Grund irreführend sein. Stattdessen müssen Länder mit ähnlich hohen Frauenerwerbsquoten und damit einer ähnlichen Selektion an erwerbstätigen Frauen miteinander verglichen werden. Betrachtet man nur die 14 Länder, deren Frauenerwerbsquote zwischen 70 und 80 Prozent liegt und damit vergleichbar zu der in Deutschland (74 Prozent) ist, landet Deutschland wieder auf dem drittletzten Platz (wieder vor Österreich und Estland). Im Vereinigten Königreich und in Lettland sind jeweils sowohl Frauenerwerbsquote als auch Lohnlücke sehr ähnlich wie in Deutschland; Slowenien und Portugal haben bei etwas niedrigeren Frauenerwerbsquoten (72 Prozent) deutlich niedrigere Gender Pay Gaps (rund neun Prozent). Insbesondere Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Litauen, Finnland und die Schweiz haben im Vergleich zu Deutschland mit 75 bis 80 Prozent eine leicht höhere Frauenerwerbsquote und eine niedrigere Lohnlücke. Insgesamt fallen Schweden und Island besonders positiv auf, da sie bei sehr hohen Frauenerwerbsquoten vergleichsweise niedrige Gender Pay Gaps haben.
Betrachtet man Lohnlücke und Erwerbsbeteiligung gemeinsam, lassen sich die Muster auf dem Arbeitsmarkt auch mit den vorherrschenden Werten in der Gesellschaft in Einklang bringen. In den meisten Ländern mit hohen Frauenerwerbsquoten und gleichzeitig relativ niedrigen Gender Pay Gaps ist auch die Zustimmung zu geschlechterstereotypen Rollenaufteilungen sehr gering (Abbildung 4).
Im internationalen Ranking der Gender Pay Gaps sollte Deutschland nur mit Ländern verglichen werden, die eine ähnlich hohe Frauenerwerbsquote haben. Ein solcher Vergleich zeigt, dass es zahlreiche Länder gibt, die bei etwa gleich hohen oder höheren Frauenerwerbsquoten mitunter deutlich niedrigere Lohnlücken haben. Besonders auffallend sind hier die nordischen Länder, die durchweg sowohl höhere Frauenerwerbsquoten als auch deutlich niedrigere Gender Pay Gaps als Deutschland haben. Zudem sind in diesen Ländern (mit Ausnahme von Finnland) auch die sozialen Normen zur Rollenaufteilung von Männern und Frauen am egalitärsten.
Dass die nordischen Länder in diesen Rankings besonders gut abschneiden ist kein Zufall. Obwohl diese Länder bezüglich gleichstellungspolitischer Maßnahmen wie zum Beispiel Geschlechterquoten für Führungspositionen oder Equal Pay Gesetzen keine einheitliche Gesetzgebung haben,Z.B. Mari Teigen und Hege Skjeie (2017): The Nordic Gender Equality Model, in: Knutsen, Oddbjorn (Hrsg.): The Nordic Models in Political Science. Challenged, but still Viable?, 125–147. ist ihnen dennoch ein starker gleichstellungspolitischer Fokus im Bereich Familienpolitik gemein. Das Leitbild der Familienpolitik in den nordischen Ländern ist ein Familienmodell, in dem Mütter und Väter Sorge- und Erwerbsarbeit gleichmäßig aufteilen.Vgl. dazu Gudny Björk Eydal, Tine Rostgaard und Heikki Hilaamo (2018): Family Policies in the Nordic Countries: Aiming at Equality, in: Gudny Björk Eydal und Tine Rostgaard (Hrsg.): Handbook of Family Policy, Edward Elgar. So waren die nordischen Länder (mit Ausnahme von Finnland) beispielsweise die ersten, die im Rahmen der Elternzeitregelungen sogenannte Partnermonate eingeführt haben.Partnermonate bei der Elternzeit wurden in Norwegen im Jahr 1993, in Schweden im Jahr 1995, in Dänemark im Jahr 1998 (Abschaffung: 2002), in Island im Jahr 2000 und in Finnland im Jahr 2013 eingeführt. Vgl. beispielsweise Teigen und Skjeie (2017), a.a.O. Zudem ist der Zugang zu Kinderbetreuung auch für Kinder unter drei Jahren in diesen Ländern bereits seit geraumer Zeit selbstverständlich. Mit Ausnahme von Finnland liegen die Betreuungsquoten von Kindern unter drei Jahren bereits seit Anfang der 2000er Jahre bei über 30 ProzentVgl. beispielsweise Teigen und Skjeie (2017), a.a.O. – zu diesem Zeitpunkt besuchten in Westdeutschland weniger als drei Prozent der Kinder dieser Altersgruppe eine Kindertagesstätte.Vgl. dazu z.B. C. Katharina Spiess und Katharina Wrohlich (2005): Wie viele Kinderbetreuungsplätze fehlen in Deutschland? Neue Bedarfsermittlung für Kinder unter drei Jahren auf der Basis von Mikrodaten, DIW Wochenbericht Nr. 14, 223–227 (online verfügbar). Nicht zuletzt werden Steuerpflichtige in allen nordischen Ländern seit geraumer Zeit individuell steuerlich veranlagtVgl. beispielsweise OECD (2020): Taxing Wages 2020. OECD Publishing, Paris. – auch dies trägt nachweislich zu höheren Erwerbsquoten von Frauen bei.Vgl. beispielsweise Literaturübersicht in Alexander Bick und Nicola Fuchs-Schündeln (2018): Taxation and Labour Supply of Married Couples across Countries: A Macroeconomic Analysis. Review of Economic Studies, 85(3), 1543–1576.
Deutschland hat im Bereich Familienpolitik mit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 und dem Ausbau der Kindertagesbetreuung seit 2005 erste Schritte in diese Richtung gemacht. Eine sukzessive Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld, die Einführung einer FamilienarbeitszeitVgl. hierzu den Eintrag im DIW Glossar (online verfügbar); Kai-Uwe Müller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich (2015): Familienarbeitszeit: mehr Arbeitszeit für Mütter, mehr Familienzeit für Väter. DIW Wochenbericht Nr. 46, 1095–1103 (online verfügbar); Kai-Uwe Müller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich (2018): The family working-time model: Towards more gender equality in work and care. Journal of European Social Policy Nr. 28/5, 471–486. sowie die weitere Forcierung des quantitativen und qualitativen Ausbaus der Kinderbetreuung sind wichtig, um die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Vor allem aber sollte Deutschland das Ehegattensplitting reformieren.Vgl hierzu auch Stefan Bach et al. (2020): Reform des Ehegattensplittings: Realsplitting mit niedrigem Übertragungsbetrag ist ein guter Kompromiss. DIW Wochenbericht Nr. 41, 785–794 (online verfügbar). Eine Senkung der hohen Grenzbelastungen von Zweitverdienenden würde zu mehr Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt führen.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Gender, Familie, Europa, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: J16;J16;J22;J31;J21;J22
Keywords: gender pay gap, female labor force participation, Europe, international comparison
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-9-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/233000