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Das beste Mittel gegen zu hohe Tankkosten

Blog Marcel Fratzscher vom 21. März 2022

Dieser Beitrag erschien bei Zeit Online.

Es lässt sich nicht einwandfrei klären, ob Ölkonzerne zu hohe Margen an den Tankstellen kassieren. Aber es lässt sich dagegen vorgehen – und auch Leuten ohne Auto helfen.

Die Empörung über den starken Anstieg der Spritpreise ist groß. Viele Logistikunternehmen, Taxis, Lieferdienste und Mittelständler sind in ihrer Existenz bedroht. Konsumentinnen und Konsumenten sind in ihrer Kaufkraft beschnitten. Aber bei fast jeder Inflation gibt es auch Gewinner, die von den höheren Preisen profitieren. Die Aufgabe der Politik ist es, die sozialen Härten abzufedern. Aber eine Spritpreisbremse wäre kontraproduktiv und schädlich. Andere Lösungen sind gefragt und auch umsetzbar.

Dieser Beitrag erschien am 18. März 2022 bei Zeit Online in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.

Der Rohölpreisanstieg erklärt nicht den ganzen Preis

Der Anstieg der Spritpreise ist enorm: Innerhalb weniger Wochen ist der Liter Diesel von 1,60 Euro auf zeitweise 2,30 Euro gestiegen. Zwar ist im Zuge des Kriegs auch der Rohölpreis stark gestiegen. Aber dieser kann nur circa 20 Cent der Preiserhöhung erklären, die verbleibenden 50 Cent erhalten die Anbieter. Das zeigen auch die Statistiken der wenigen Raffinerien, die solche Zahlen offenlegen, wie Neste aus Finnland. Daher liegt die Vermutung nahe, dass es einen Missbrauch gibt und einige wenige Mineralölkonzerne sich die Taschen vollmachen. Aber stimmt das und wo genau liegen die Ursachen?

Ein Marktmissbrauch der Konzerne lässt sich nicht klar belegen

Ob der starke Anstieg der Preismargen bei Diesel und Benzin auf einen Marktmissbrauch hindeutet – also dass Mineralölkonzerne, Raffinerien oder Tankstellen ohne guten ökonomischen Grund ihre Margen erhöhen –, lässt sich bisher nicht schlüssig belegen. Es scheinen zudem nicht die Tankstellen zu sein, die ihre Marge erhöht haben, sondern es sind die Raffinerien und Mineralölkonzerne, die das Rohöl importieren. Verstörend dabei ist die starke Verflechtung und die hohe Marktkonzentration, denn die meisten der zwölf Raffinerien in Deutschland befinden sich im Eigentum der gleichen wenigen Mineralölkonzerne, die ihnen das Rohöl liefern. Ein wirklicher Wettbewerb ist kaum gegeben, auch wenn ein Marktversagen sich schwer nachweisen lässt.

Möglicherweise liegt es am erwartet knapperen Angebot

Es könnte auch andere triftige Gründe für den enormen Anstieg der Preise geben. Denn beispielsweise 30 Prozent unseres Diesels kommen aus Russland. Und die besondere Beschaffenheit des russischen Öls bedeutet, dass dieses nicht schnell durch Alternativen ersetzt werden kann. Es gibt jedoch keinerlei Hinweise, dass eine solche Verknappung des Angebots aus Russland vorliegt. Auch gibt es keinerlei Hinweise auf andere Probleme auf der Angebotsseite wie Reparaturarbeiten oder Ausfälle bei den Raffinerien.

Eine dritte mögliche Erklärung ist, dass die gestiegenen Preise eine Reaktion auf die Erwartungen von geringeren Öllieferungen durch eine weitere Eskalation des Krieges und ein mögliches Embargo sind. Somit könnten Raffinerien, da sie künftige Engpässe antizipieren, jetzt ihr Angebot reduzieren, um auch in Zukunft weiter Kraftstoffe liefern zu können. Der deutlich stärkere Anstieg des Preises von Diesel im Vergleich zu Benzin, bei einer gleichzeitig höheren Abhängigkeit von Diesellieferungen aus Russland, deutet darauf hin, dass dies ein gewisser, wenn auch begrenzter Beitrag zur Erklärung sein könnte.

Schlechteste Lösung wäre eine Spritpreisbremse

Auch wenn die Ursachen nicht eindeutig bestimmt werden können, macht dies letztlich keinen Unterschied für die Konsequenzen. Die Spritpreise an der Tanksäule sind stark gestiegen und Mineralölkonzerne und Raffinerien die großen Gewinner.

Die Politik ist jedoch nicht machtlos. Die schlechteste aller Optionen wäre allerdings eine Spritpreisbremse, bei der die Politik den Preis an der Zapfsäule auf beispielsweise zwei Euro begrenzt und die Differenz zum Großhandelspreis im Nachhinein an die Tankstellen überweist.

Dies würde nicht nur viele freie Tankstellen in den Ruin treiben. Sondern es würde die Erträge der Mineralölkonzerne und Raffinerien noch weiter erhöhen. Autofahrer würden ihre Nachfrage nach Diesel und Benzin durch eine Preisdeckelung wieder erhöhen, sodass die Erträge für die Konzerne noch stärker stiegen. Ein großer Teil der 13 Milliarden Euro, die der Bundesfinanzminister für den Tankrabatt versprochen hat, würde direkt bei den Konzernen landen. 

Und wie lange würde die Bundesregierung die Preisdeckelung aufrechterhalten, wenn der Preis nicht von selbst wieder unter zwei Euro sänke? Die Spritpreisbremse könnte somit im wahrsten Sinne zum Fass ohne Boden werden – mit katastrophalen Auswirkungen für Steuerzahler, für den Klimaschutz und für die Bemühungen, sich aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu lösen.

Direkte Transferleistungen wären besser

Es gibt jedoch effektive und kluge Lösungen. So könnte der Staat zeitweise eine Steuer von 50 Prozent auf die Marge zwischen Rohölpreis und Großhandelspreis von Benzin und Diesel legen. Diese Einnahmen könnten dann als direkte Transfers an Konsumentinnen und Konsumenten verteilt werden. Dies würde einerseits die Menschen entlasten und andererseits weiterhin Anreize setzen, den Spritverbrauch zu reduzieren. Dabei sollten alle Bürgerinnen und Bürger eine solche Kompensation erhalten, denn selbst Menschen, die kein Auto haben, werden zumindest indirekt durch die höheren Spritkosten belastet.

Bundeskartellamt sollte Marktmissbrauch prüfen

Die EU-Kommission hat am 8. März bereits angekündigt, dass sie solche Steuern auf "übermäßige Erlöse", wie sie es nennt, unterstützen wird. Gleichzeitig sollte die Bundesregierung das Bundeskartellamt einschalten, so wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dies angekündigt hat, um zu prüfen, ob es einen Marktmissbrauch gibt, und gegebenenfalls empfindliche Strafen gegen Mineralölkonzerne aussprechen. Auch gegen Vergehen, die in der Vergangenheit begangen wurden. Diese zwei Instrumente sind das Beste, was die Politik jetzt tun kann, auch wenn sie vielen nur begrenzt helfen dürften.

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