Pressemitteilung vom 30. März 2022
DIW-Studie untersucht, wie sich Umweltzonen mit Fahrverboten für Kraftfahrzeuge mit hohen Schadstoffemissionen auf Luftqualität, Gesundheit und Lebenszufriedenheit dort lebender Menschen auswirken – Positive Effekte für Gesundheit, aber Zufriedenheit geht zeitweise zurück – Verkehrsbedingte Schadstoffbelastung sinkt, obwohl Ozonwerte steigen - Aufklärung über gesundheitliche Vorteile und finanzielle Anreize könnten die Akzeptanz von Umweltzonen erhöhen
Umweltzonen wirken sich positiv auf die Luftqualität und die Gesundheit von AnwohnerInnen aus, mindern aber temporär deren Lebenszufriedenheit. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Kooperation mit dem Mailänder Forschungsinstitut RFF-CMCC. Sie stützt sich auf ökonometrische Analysen und Daten des Sozio-oekonomischen Panels im DIW Berlin (SOEP) sowie des Umweltbundesamtes. „Umweltzonen und damit verbundene Fahrverbote senken nachweislich die verkehrsbedingte Schadstoffbelastung“, sagt DIW-Ökonomin Nicole Wägner. „Dennoch stoßen die Zonen nicht nur auf Zustimmung. Erst etwa vier bis fünf Jahre nach der Einführung scheinen sich die AnwohnerInnen damit angefreundet zu haben.“
„Umweltzonen stoßen nicht nur auf Zustimmung. Die AnwohnerInnen brauchen vier bis fünf Jahre, um sich daran zu gewöhnen“ Nicole Wägner
Die Ursachen für die temporär sinkende Zufriedenheit sehen die WissenschaftlerInnen in den individuellen Lebensumständen der AnwohnerInnen. Beschränkungen der Mobilität und beispielsweise Kosten für den Umstieg auf ein schadstoffarmes Auto untergraben die Akzeptanz von Umweltzonen. „Die verringerte Lebenszufriedenheit ist bei Menschen unter 65 Jahren und DieselfahrerInnen stärker ausgeprägt als bei älteren Personen und HalterInnen von benzinbetriebenen Fahrzeugen“, so RFF-CMCC-Ökonom Luis Sarmiento. „Jüngere Menschen haben ein größeres Mobilitätsbedürfnis und müssen öfter mit dem Auto zur Arbeit fahren. Für Dieselfahrzeuge gelten in Umweltzonen strengere Standards als für Benziner.“
Diese Einschränkungen werden dem Empfinden der AnwohnerInnen nach offenbar nicht durch die klar erwiesenen gesundheitlichen Vorteile wettgemacht: Mit Einführung von Umweltzonen sinkt für die dort lebenden Menschen das Risiko von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Die aktuelle DIW-Untersuchung zeigt darüber hinaus, dass die Wahrscheinlichkeit zurückgeht, an Bluthochdruck zu erkranken.
© DIW Berlin
Ein weiterer Befund der Studie ist, dass Umweltzonen die Luftqualität insgesamt verbessern, obwohl auch die Ozonwerte ansteigen. Ozon wird nicht direkt aus Fahrzeugen ausgestoßen, sondern bildet sich erst unter Sonneneinstrahlung durch chemische Interaktionen zwischen Vorläuferschadstoffen. So kann es passieren, dass sich die Ozonkonzentration erhöht, wenn die Stickoxidemissionen des motorisierten Verkehrs sinken. Dies scheint in Umweltzonen der Fall zu sein. In der Gesamtbetrachtung der Luftqualität überwiegen aber die Effekte der sinkenden Konzentration von Feinstaub und Stickstoffdioxid die der steigenden Ozonwerte.
Die ÖkonomInnen ziehen das Fazit, dass die Umweltzonen zwar äußerst wirksam sind, um Luftverschmutzung und Krankheitsrisiken entgegenzuwirken. Dies sollte aber deutlicher kommuniziert werden, um in der Bevölkerung auch die Akzeptanz dieser Zonen zu erhöhen. „Neben verstärkten Aufklärungskampagnen zu den gesundheitlichen Vorteilen würden wohl finanzielle Ausgleichsmechanismen wie etwa Vergünstigungen für den Kauf sauberer Fahrzeuge in Härtefällen greifen“, befindet Studienautor und DIW-Ökonom Aleksandar Zaklan. „Auch Gutscheine für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eine Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs könnten die Umweltzonen attraktiver machen.“
Themen: Energiewirtschaft , Klimapolitik , Verkehr