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Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach

DIW Wochenbericht 3/4 / 2023, S. 22-33

Anja Kirsch, Virginia Sondergeld, Katharina Wrohlich

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In den Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen in Deutschland waren im vergangenen Jahr erneut mehr Frauen vertreten als zuvor. Gleichwohl ließ die Dynamik insgesamt wieder nach. Das gilt insbesondere für die Vorstände, wie das neueste DIW Managerinnen-Barometer zeigt. Nachdem es bei den umsatzstärksten 200 Unternehmen von 2020 auf 2021 noch einen größeren Sprung gab, ging es 2022 nur noch um knapp einen weiteren Prozentpunkt auf einen Frauenanteil im Vorstand von nun knapp 16 Prozent nach oben. Mit größeren Steigerungen voran gingen lediglich die DAX-40-Unternehmen (erstmals mehr als 20 Prozent Frauen im Vorstand) und die Unternehmen mit Bundesbeteiligung (erstmals mehr als 30 Prozent Frauen im Vorstand). Ein ähnliches Bild zeigte sich – wenngleich auf höherem Niveau – in den Aufsichtsräten. Die Entwicklung lässt darauf schließen, dass die vom Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände betroffenen Unternehmen die seit 2021 geltende gesetzliche Regelung zügig umgesetzt haben, nun aber mit ihren Bemühungen schon wieder nachlassen. Die Politik hat zuletzt – vor allem mit den beiden Führungspositionen-Gesetzen – die Voraussetzungen für mehr Frauen in Spitzengremien deutlich verbessert. Die Unternehmen müssen nun nachlegen, denn Geschlechterparität liegt vielerorts noch immer in weiter Ferne. Vor allem sollten sich die Unternehmen bemühen, eine inklusive Arbeitskultur zu schaffen.

Im Managerinnen-Barometer des DIW Berlin werden seit dem Jahr 2006 die FrauenanteileinfoIm Rahmen der Erstellung dieses Berichts wurde mit einem binären Verständnis von Geschlecht gearbeitet. Das Geschlecht der untersuchten Personen wurde anhand des Vornamens, der Pronomen und des Erscheinungsbildes bestimmt, hierbei gab es in diesem Jahr keinen Fall ­einer Person, bei der eine nichtbinäre Geschlechtsidentität erkannt werden konnte. Den Autorinnen dieses Berichts ist jedoch bewusst, dass nicht jede nichtbinäre Person ihre Geschlechtsiden­tität nach außen kenntlich macht. in Vorständen und Geschäftsführungen (nachfolgend Vorstände) sowie in Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräten sowie Kuratorien (nachfolgend Aufsichtsräte) der größten Unternehmen in Deutschland dokumentiert.infoZuletzt im Jahr 2022, vgl. Anja Kirsch, Virginia Sondergeld und Katharina Wrohlich (2022a): Deutlich mehr Vorständinnen in großen Unternehmen – Beteiligungsgebot scheint bereits zu wirken. DIW Wochenbericht Nr. 3, 22–33 (online verfügbar; abgerufen am 6. Januar 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Zudem wird dargestellt, wie viele Frauen als Vorsitzende eines Vorstands beziehungsweise als Vorstandssprecherinnen (nachfolgend Vorstandsvorsitzende) sowie als Aufsichtsratsvorsitzende tätig sind. Diese Frauenanteile werden in diesem Bericht für die 200 – gemessen am Umsatz – größten Unternehmen in Deutschland,infoDie Auswahl der 100 beziehungsweise 200 nach Umsatz größten Unternehmen erfolgte auf Basis der Publikation „Die 100 größten Unternehmen“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (­Beilage vom 12. Juli 2022). Anders als der Titel vermuten lässt, beinhaltet die Publikation die 200 größten Unternehmen des Landes. für alle DAX-Unternehmen,infoDie Liste der börsennotierten Unternehmen in den einzelnen DAX-Gruppen wurde der Website www.boerse.de entnommen (abgerufen am 25. November 2022). alle Unternehmen mit BundesbeteiligunginfoDie vollständige Liste aller Unternehmen mit unmittelbarer Bundesbeteiligung wurde dem Beteiligungsbericht des Bundes 2021 entnommen (online verfügbar, veröffentlicht am 16. März 2022). sowie für die 100 – gemessen an der Bilanzsumme – größten BankeninfoDie Auswahl der nach der Bilanzsumme 100 größten Banken und Sparkassen erfolgte nach Anja U. Kraus und Harald Kuck (2022): Die 100 größten deutschen Kreditinstitute. Die Bank, Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis, Heft 07/2022, 14–19. und – nach Beitragseinnahmen – 60 größten VersicherungeninfoDie Auswahl der nach Beitragseinnahmen 60 größten Versicherungen erfolgte auf Basis einer Sonderauswertung des Kölner Instituts für Versicherungsinformation und Wirtschaftsdienste (KIVI). Zudem wurden die größten Rückversicherungsunternehmen aus der Rückversicherungsstatistik 2019/2020 mit Stichtag 31. Dezember 2019, veröffentlicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im März 2021, in die Gruppe der 60 größten Versicherungs­unternehmen integriert. erfasst. Weiterhin werden die Frauenanteile in Vorständen und Aufsichtsräten auch gesondert für die von der Geschlechterquote für Aufsichtsräte sowie die von der Mindestbeteiligung für Vorstände betroffenen UnternehmeninfoDie Liste der im Herbst 2022 der Geschlechterquote im Aufsichtsrat unterliegenden Unter­nehmen wurde von der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR e.V.) zur Verfügung gestellt. berichtet. Zusammen genommen enthält das DIW Managerinnen-Barometer somit Informationen zu etwa 500 Unternehmen in Deutschland. Die hier veröffentlichten Zahlen wurden vom 15. bis zum 30. November 2022 recherchiert.infoWir danken Saskia Schober und Ariadna Urdaneta Medina für ihre Unterstützung bei der Daten­recherche. Die Angaben beruhen auf den Selbstdarstellungen der Unternehmen im Internet, den Geschäftsberichten des Jahres 2021, dem Beteiligungsbericht des Bundes für das Jahr 2021, dem Bundesanzeiger sowie auf Anfragen des DIW Berlin bei den Unternehmen.

Top-200-Unternehmen

Frauenanteil in Vorständen steigt weiter, aber nicht mehr so stark wie im Vorjahr

Der Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen (außerhalb des Finanzsektors) betrug im vierten Quartal des Jahres 2022 knapp 16 Prozent (Tabelle 1 und Abbildung 1). Das war zwar knapp ein Prozentpunkt mehr als im vorangegangenen Jahr – nach dem bemerkenswerten Anstieg von 2020 auf 2021 (als es im Umfeld der Einführung des Beteiligungsgebots ein Plus von mehr als drei Prozentpunkten gab) hat die Dynamik zuletzt aber wieder abgenommen. Noch immer hat knapp die Hälfte aller Top-200-Unternehmen keine einzige Frau im Vorstand.

Tabelle 1: Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten der größten 200 Unternehmen¹ in Deutschland (ohne Finanzsektor)

Top-200-Unternehmen Top-100-Unternehmen
2006 2010 2014 2017 2020 2021 2022 2006 2010 2014 2017 2020 2021 2022
Vorstände/Geschäftsführungen
Unternehmen insgesamt 200 200 200 200 200 200 200 100 100 100 100 100 100 100
Mit Angaben zur Zusammensetzung 195 195 197 197 193 197 197 97 95 97 98 96 97 98
Mit Frauen im Vorstand 9 22 43 62 81 101 104 1 8 17 38 48 60 58
Anteil in Prozent 4,6 11,3 21,8 31,5 42,0 51,3 52,8 1,0 8,4 17,5 38,8 50,0 61,9 59,2
Mitglieder insgesamt 953 906 877 956 878 944 935 531 490 461 511 468 482 479
Männer 942 877 830 879 777 805 789 530 479 442 467 404 403 395
Frauen 11 29 47 77 101 139 146 1 11 19 44 64 79 84
Anteil der Frauen in Prozent 1,2 3,2 5,4 8,1 11,5 14,7 15,6 0,2 2,2 4,1 8,6 13,7 16,4 17,5
Vorsitze insgesamt 195 195 183 177 183 176 180 97 97 92 85 95 90 90
Männer 195 193 179 171 176 162 169 97 97 92 85 91 84 85
Frauen 0 2 4 6 7 14 10 0 0 0 0 4 6 5
Anteil der Frauen in Prozent 0 1,0 2,2 3,4 3,8 8,0 5,6 0 0 0 0 4,2 6,7 5,6
Aufsichts-/Verwaltungsräte
Unternehmen insgesamt 200 200 200 200 200 200 200 100 100 100 100 100 100 100
Mit Angaben zur Zusammensetzung 170 166 155 145 154 160 166 87 86 85 74 83 86 89
Mit Frauen im Aufsichtsrat 110 117 133 134 145 149 156 65 61 76 71 79 81 85
Anteil in Prozent 64,7 70,5 85,8 92,4 94,2 93,1 94,0 74,7 70,9 89,4 95,9 95,2 94,2 95,5
Mitglieder insgesamt 2500 2293 2156 2080 2074 2183 2160 1389 1263 1232 1160 1252 1317 1302
Männer 2304 2050 1759 1569 1453 1519 1493 1270 1142 1003 867 866 910 894
Frauen 196 243 397 511 621 664 667 119 121 229 293 386 407 408
Anteil der Frauen in Prozent 7,8 10,6 18,4 24,6 29,9 30,4 30,9 8,6 9,6 18,6 25,3 30,8 30,9 31,3
Vorsitze insgesamt 170 167 149 145 153 160 166 87 87 84 74 83 86 89
Männer 167 165 144 143 145 150 155 85 85 81 73 79 81 82
Frauen 3 2 5 2 8 10 11 2 2 3 1 4 5 7
Anteil der Frauen in Prozent 1,8 1,2 3,4 1,4 5,2 6,3 6,6 2,3 2,3 3,6 1,4 4,8 5,8 7,9

1 Die Zahlen für das Jahr 2022 wurden vom 15. bis 30. November 2022 recherchiert.

Zahlen für sämtliche Jahre seit 2006 und eine namentliche Auflistung aller Vorständinnen der Top-200-Unternehmen im Jahr 2022 sind hier abrufbar: www.diw.de/managerinnen

Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen.

Ähnlich war die Entwicklung in den Top-100-Unternehmen: Dort stieg der Frauenanteil in den Vorständen ebenfalls um etwa einen Prozentpunkt und lag im Herbst 2022 bei 17,5 Prozent. Auch in dieser Gruppe ging es zuvor, von 2020 auf 2021, mit plus fast drei Prozentpunkten noch überdurchschnittlich stark aufwärts.

Sogar rückläufig war die Entwicklung des Frauenanteils im vergangenen Jahr in beiden Gruppen mit Blick auf die Vorstandsvorsitzenden: Unter den Top-200-Unternehmen gab es mit zehn Frauen an der Spitze eines Vorstands vier weniger als im Jahr zuvor. Der entsprechende Frauenanteil sank damit von acht auf nur noch knapp sechs Prozent. Bei den Top-100-Unternehmen gab es mit fünf Frauen als Vorstandsvorsitzende eine weniger als noch 2021 – der entsprechende Frauenanteil ging hier von knapp sieben auf knapp sechs Prozent zurück.infoMartina Merz (Thyssenkrupp AG), Sabine Nikolaus (Boehringer Ingelheim), Belén ­Garijo (Merck KGaA), Manon van Beek (Tennet), Anna Maria Braun (B. Braun Melsungen SE), ­Susanna Zapreva (Enercity AG), Marianne Janik (Microsoft Deutschland GmbH), Aline Seifert (­Alliance Healthcare Deutschland AG), Ulrike Hoyer (Wilhelm Hoyer), Nicola Leibinger-Kammüller (Trumpf Gruppe).

Wieder nur geringe Zuwächse beim Frauenanteil in Aufsichtsräten

In den Aufsichtsräten liegen die Frauenanteile nach wie vor auf deutlich höherem Niveau als in den Vorständen. In den vergangenen Jahren gab es hier jedoch kaum noch Bewegung. Zuletzt stieg der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der Top-200- und Top-100-Unternehmen um jeweils etwa einen halben Prozentpunkt und lag im letzten Quartal 2022 in beiden Gruppen bei rund 31 Prozent.

Gestiegen ist hingegen die Zahl der Frauen, die einen Aufsichtsrat anführten – wenn auch weiterhin auf niedrigem Niveau: bei den Top-200-Unternehmen von zehn im Jahr 2021 auf elf Frauen im Jahr 2022, was knapp sieben Prozent aller Aufsichtsratsvorsitze entspricht. Bei den Top-100-Unternehmen waren sieben Frauen und damit im Vorjahresvergleich zwei mehr Aufsichtsratsvorsitzende – der entsprechende Anteil lag im vierten Quartal 2022 bei knapp acht Prozent.infoElke Simon (Boehringer Ingelheim), Bettina Würth (Würth-Gruppe), Anna Borg (Vattenfall Deutschland), Anja Ritschel (Enercity AG), Cathrina Claas-Mühlhäuser (Claas KGaA mbH), Doreen Nowotne (Brenntag, Franz Haniel&Cie. GmbH), Katharina Viessmann (Viessmann Werke GmbH&Co. KG), Simone Bagel-Trah (Henkel), Héloïse Temple-Boyer (Puma), Cristina Stenbeck (Zalando).

Börsennotierte Unternehmen

Deutlich mehr Vorständinnen nur in der DAX-40-Gruppe

Der Frauenanteil in den Vorständen der untersuchten börsennotierten Unternehmen (DAX-40, MDAX, SDAX und TecDAX) ist von 2021 auf 2022 im Durchschnitt ebenfalls weniger stark gestiegen als ein Jahr zuvor. In allen 160 DAX-Unternehmen zusammengenommen lag er zuletzt bei 15,5 Prozent (Tabelle 2). Das waren etwa anderthalb Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Der Anstieg hat sich somit halbiert. Unter den Vorstandsvorsitzenden stagnierte der Frauenanteil und betrug wie schon im Jahr zuvor knapp sechs Prozent.infoDAX-40: Carla Kriwet (Fresenius Medical Care), Belén Garijo (Merck KGaA); MDAX: Konstantina Kanellopoulos (Deutsche Wohnen), Martina Merz (Thyssenkrupp AG); SDAX: Sonja Wärntges (DIC Asset AG), Marika Lulay (GFT Technologies), Petra von Strombeck (New Work SE), Britta Giesen (Pfeiffer Vacuum Technology AG), Melissa Di Donato (SUSE S.A.).

Tabelle 2: Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten ausgewählter börsennotierter Unternehmen¹ in Deutschland

Unterliegen der Geschlechterquote im Aufsichtsrat3 Unterliegen der Mindestbeteiligung im Vorstand Durchschnitt DAX-Gruppen
2016 2019 2021 2022 2022 20114 2013 2015 2017 2019 2021 2022
Vorstände/Geschäftsführungen
Unternehmen insgesamt 106 105 103 102 62 130 160 160 160 160 160 160
Mit Angaben zur Zusammensetzung 106 105 103 102 62 130 160 160 160 159 159 159
Mit Frauen im Vorstand 26 42 57 59 49 17 37 35 43 56 81 82
Anteil in Prozent 24,5 40,0 55,3 57,8 79,0 13,1 23,1 21,9 26,9 35,2 50,9 51,6
Mitglieder insgesamt 447 494 476 468 348 569 681 658 697 706 689 708
Männer 446 443 405 389 282 549 639 620 647 640 592 598
Frauen 31 51 71 79 66 20 42 38 50 66 97 110
Anteil der Frauen in Prozent 6,5 10,3 14,9 16,9 19,0 3,5 6,2 5,8 7,2 9,3 14,1 15,5
Vorsitze insgesamt2 103 105 103 102 62 130 160 158 155 157 158 158
Männer 102 101,5 97 98 61 129 159 158 150 152,5 149 149
Frauen 1 3,5 6 4 1 1 1 0 5 4,5 9 9
Anteil der Frauen in Prozent 1,0 3,3 5,8 3,9 1,6 0,8 0,6 0 3,2 2,9 5,7 5,7
Aufsichts-/Verwaltungsräte
Unternehmen insgesamt 106 105 103 102 62 130 160 160 160 160 160 160
Mit Angaben zur Zusammensetzung 105 105 103 102 62 130 160 158 160 159 159 158
Mit Frauen im Aufsichtsrat 105 105 103 102 62 82 119 130 137 136 144 148
Anteil in Prozent 100 100 100 100 100 63,1 74,4 81,3 85,6 85,5 90,6 93,7
Mitglieder insgesamt 1562 1577 1552 1546 999 1406 1668 1653 1761 1698 1677 1735
Männer 1134 1027 1002 979 640 1228 1384 1284 1284 1167 1126 1138
Frauen 428 550 550 567 359 178 286 369 477 531 557 597
Anteil der Frauen in Prozent 27,4 34,9 35,4 36,7 35,9 12,7 17,1 22,3 27,1 31,3 33,2 34,4
Vorsitze insgesamt 104 105 103 102 62 130 158 158 160 159 159 158
Männer 100 99 99 98 61 129 154 152 155 151 151 149
Frauen 4 6 4 4 1 1 4 6 5 8 8 9
Anteil der Frauen in Prozent 3,8 5,7 3,9 3,9 1,6 0,8 2,5 3,8 3,1 5,0 5,0 5,7

1 Die Zahlen für das Jahr 2022 wurden vom 15. bis 30. November 2022 recherchiert.

2 Doppelspitzen werden jeweils als halber Vorsitz gezählt.

3 Basierend auf Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) e.V.

4 Berechnungen ohne TecDAX-Unternehmen.

Zahlen für weitere Jahre und eine namentliche Auflistung aller Frauen in Vorständen börsennotierter Unternehmen in Deutschland im Jahr 2022 sind hier abrufbar: www.diw.de/managerinnen

Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen.

Hinter diesem Durchschnitt aller 160 im DAX gelisteten Unternehmen verbergen sich jedoch große Unterschiede zwischen den einzelnen DAX-Gruppen: Die im DAX-40 vertretenen größten börsennotierten Unternehmen liegen beim Frauenanteil in den Vorständen schon seit etwa zehn Jahren vor den im SDAX, MDAX oder TecDAX vertretenen Unternehmen (Tabelle 3 und Tabelle 4). Ein Grund dürfte sein, dass die DAX-40-Unternehmen und ihre Vorstandsbesetzungen stärker im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Erstmals knackten sie im vergangenen Jahr die 20-Prozent-Marke: 53 von 243 Vorstandsmitgliedern waren im vierten Quartal 2022 Frauen, das entsprach einem Anteil von fast 22 Prozent – gut vier Prozentpunkte mehr als ein Jahr zuvor. Damit liegen die DAX-40-Unternehmen deutlich vor allen anderen Unternehmensgruppen des Privatsektors.

Tabelle 3: Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten der DAX-30-/DAX-40- und MDAX-Unternehmen¹

DAX-30/DAX-402 MDAX3
2008 2011 2014 2017 2020 2021 2022 2011 2014 2017 2020 2021 2022
Vorstände/Geschäftsführungen
Unternehmen insgesamt 30 30 30 30 30 40 40 50 50 50 60 50 50
Mit Angaben zur Zusammensetzung 30 30 30 30 29 39 39 50 50 50 60 50 50
Mit Frauen im Vorstand 1 6 12 21 21 31 33 5 5 8 24 20 18
Anteil in Prozent 3,3 20,0 40,0 70,0 72,4 79,5 84,6 10,0 10,0 16,0 40,0 40,0 36,0
Mitglieder insgesamt 183 188 188 200 178 234 243 213 187 208 250 193 189
Männer 182 181 174 174 152 193 190 208 182 199 220 170 166
Frauen 1 7 14 26 26 41 53 5 5 9 30 23 23
Anteil der Frauen in Prozent 0,5 3,7 7,4 13,0 14,6 17,5 21,8 2,3 2,7 4,3 12,0 11,9 12,2
Vorsitze insgesamt 30 30 30 30 29 39 39 50 49 48 59 49 49
Männer 30 30 30 30 29 38 37 50 49 47 57 47 47
Frauen 0 0 0 0 0 1 2 0 0 1 2 2 2
Anteil der Frauen in Prozent 0 0 0 0 0 2,6 5,1 0 0 2,1 3,4 4,1 4,1
Aufsichts-/Verwaltungsräte
Unternehmen insgesamt 30 30 30 30 30 40 40 50 50 50 60 50 50
Mit Angaben zur Zusammensetzung 30 30 30 30 29 39 39 50 50 50 60 50 49
Mit Frauen im Aufsichtsrat 27 26 28 30 29 39 39 35 47 47 55 45 47
Anteil in Prozent 90,0 86,7 93,3 100 100 100 100 70,0 94,0 94,0 91,7 90,0 95,9
Mitglieder insgesamt 527 479 490 490 452 544 574 581 595 631 629 527 518
Männer 458 404 369 327 287 355 360 515 492 461 420 353 343
Frauen 69 75 121 163 165 189 214 66 103 170 209 174 175
Anteil der Frauen in Prozent 13,1 15,7 24,7 33,3 36,5 34,7 37,3 11,4 17,3 26,9 33,2 33,0 33,8
Vorsitze insgesamt k.A. 30 30 30 29 39 39 50 49 50 60 50 49
Männer k.A. 29 29 29 28 36 35 50 48 49 57 49 47
Frauen k.A. 1 1 1 1 3 4 0 1 1 3 1 2
Anteil der Frauen in Prozent k.A. 3,3 3,3 3,3 3,4 7,7 10,3 0 2,0 2,0 5,0 2,0 4,1

1 Die Zahlen für das Jahr 2022 wurden vom 15. bis 30. November 2022 recherchiert.

2 Seit 20. September 2021 umfasst die Gruppe der größten börsennotierten Unternehmen 40 statt 30 Mitglieder.

3 Im Gegenzug zur Ausweitung der DAX-30- auf DAX-40 Gruppe wurde der MDAX im Herbst 2021 um zehn Unternehmen verkleinert.

Zahlen für weitere Jahre sind online abrufbar: www.diw.de/managerinnen

Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen.

Tabelle 4: Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten der SDAX- und TecDAX-Unternehmen¹

SDAX TecDAX
2011 2013 2015 2017 2019 2021 2022 2013 2015 2017 2019 2021 2022
Vorstände/Geschäftsführungen
Unternehmen insgesamt 50 50 50 50 70 70 70 30 30 30 30 30 30
Mit Angaben zur Zusammensetzung 50 50 50 50 70 70 70 30 30 30 30 30 30
Mit Frauen im Vorstand 6 11 11 9 15 30 31 8 3 5 9 10 11
Anteil in Prozent 12,0 22,0 22,0 18,0 21,4 42,9 44,3 26,7 10,0 16,7 30,0 33,3 36,7
Mitglieder insgesamt 168 170 165 172 259 262 276 107 101 117 131 118 121
Männer 160 157 154 163 244 229 242 98 98 111 119 102 102
Frauen 8 13 11 9 15 33 34 9 3 6 12 16 19
Anteil der Frauen in Prozent 4,8 7,6 6,7 5,2 5,8 12,6 12,3 8,4 3,0 5,1 9,2 13,6 15,7
Vorsitze insgesamt2 50 50 50 48 69 70 70 30 30 29 29 30 30
Männer 49 50 50 46 67 64 65 30 30 27 28,5 28 29
Frauen 1 0 0 2 2 6 5 0 0 2 0,5 2 1
Anteil der Frauen in Prozent 2,0 0 0 4,2 2,9 8,6 7,1 0 0 6,9 1,7 6,7 3,3
Aufsichts-/Verwaltungsräte
Unternehmen insgesamt 50 50 50 50 70 70 70 30 30 30 30 30 30
Mit Angaben zur Zusammensetzung 50 50 49 50 70 70 70 30 29 30 30 30 29
Mit Frauen im Aufsichtsrat 21 27 33 35 53 60 62 19 23 25 26 27 28
Anteil in Prozent 42,0 54,0 67,3 70,0 75,7 85,7 88,6 63,3 79,3 83,3 86,7 90,0 96,6
Mitglieder insgesamt 346 388 365 399 636 612 643 207 201 241 259 269 281
Männer 309 337 302 309 455 418 435 174 153 187 178 176 175
Frauen 37 51 63 90 181 194 208 33 48 54 81 93 106
Anteil der Frauen in Prozent 10,7 13,1 17,3 22,6 28,5 31,7 32,3 15,9 23,9 22,4 31,3 34,6 37,7
Vorsitze insgesamt 50 50 49 50 70 70 70 30 29 30 30 30 29
Männer 50 50 48 49 66 66 67 29 27 28 28 27 28
Frauen 0 0 1 1 4 4 3 1 2 2 2 3 1
Anteil der Frauen in Prozent 0 0 2,0 2,0 5,7 5,7 4,3 3,3 6,9 6,7 6,7 10,0 3,4

1 Die Zahlen für das Jahr 2022 wurden vom 15. bis 30. November 2022 recherchiert.

2 Doppelspitzen werden jeweils als halber Vorsitz gezählt.

Zahlen für weitere Jahre sind online abrufbar: www.diw.de/managerinnen

Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen.

So war der Frauenanteil in den Vorständen der MDAX-Unternehmen im Spätherbst 2022 mit rund zwölf Prozent deutlich geringer – und ist seit mittlerweile mehreren Jahren nahezu konstant. Ähnlich sieht es bei den SDAX-Unternehmen aus. Leicht verbessern konnten sich die TecDAX-Unternehmen: Hier stieg der Frauenanteil um etwa zwei Prozentpunkte und lag zuletzt bei knapp 16 Prozent.

Was die Vorstandsvorsitze betrifft, gab es nur bei den DAX-40-Unternehmen einen Anstieg: Neben Belén Garijo bei Merck war im Spätherbst 2022 mit Carla Kriwet bei Fresenius Medical Care (die allerdings am 5. Dezember 2022 von Helen Giza abgelöst wurde) erstmals eine zweite Frau Vorstandsvorsitzende eines DAX-40-Mitglieds. Bei den MDAX-Unternehmen gab es wie schon die Jahre zuvor zwei Frauen als Vorstandsvorsitzende. Bei den SDAX- und TecDAX-Unternehmen ging es sogar rückwärts: Die Zahl der Frauen unter den Vorstandsvorsitzenden fiel von sechs auf fünf Frauen beziehungsweise von zwei Frauen auf eine Frau. Bei den SDAX-Unternehmen war der Frauenanteil unter den Vorstandsvorsitzenden im vierten Quartal 2022 mit gut sieben Prozent trotz des Rückgangs der größte im Vergleich der DAX-Gruppen.

Frauenanteil in Aufsichtsräten steigt nur bei DAX-40- und TecDAX-Unternehmen

In den Aufsichtsräten haben die insgesamt 160 DAX-Unternehmen die 30-Prozent-Marke beim Frauenanteil bereits im Jahr 2018 geknackt (Tabelle 2). Seither war die Entwicklung in diesem Gremium weniger dynamisch; zuletzt gab es in einigen Gruppen sogar leichte Rückgänge zu verzeichnen. Im Durchschnitt aller DAX-Gruppen betrug der Frauenanteil in den Aufsichtsräten im Spätherbst 2022 gut 34 Prozent und damit etwa einen Prozentpunkt mehr als ein Jahr zuvor.

Ähnlich wie bei den Vorständen gehen auch mit Blick auf die Aufsichtsräte die DAX-40-Unternehmen voran: Sie hatten im vierten Quartal 2022 nicht nur mit den höchsten Frauenanteil im Kontrollgremium (gut 37 Prozent), sondern im Vergleich zum vorangegangenen Jahr auch eine hohe Dynamik (plus fast drei Prozentpunkte, Tabelle 3). Mithalten konnten aber weiterhin die TecDAX-Unternehmen, die im Jahr 2021 erstmals annährend gleichzogen und sich im vergangenen Jahr ebenfalls um etwa drei Prozentpunkte auf sogar rund 38 Prozent steigern konnten.

In den MDAX-Unternehmen hingegen nahm der Frauenanteil in den Aufsichtsräten um nur knapp einen Prozentpunkt und damit deutlich weniger stark zu (auf rund 34 Prozent). In den SDAX-Unternehmen gab es zwar 14 Frauen mehr in den Kontrollgremien als ein Jahr zuvor, da es aber insgesamt mehr Mandate gab, war der Frauenanteil mit rund 32 Prozent dennoch nur gut einen halben Prozentpunkt höher.

Bei den Aufsichtsratsvorsitzenden gab es sowohl bei den DAX-40- als auch bei den MDAX-Unternehmen jeweils eine Frau mehr, womit der jeweilige Anteil auf gut zehn beziehungsweise gut vier Prozent stieg.infoDoreen Nowotne (Brenntag), Simone Bagel-Trah (Henkel), Héloïse Temple-Boyer (Puma), Cristina Stenbeck (Zalando), Helene von Roeder (Deutsche Wohnen SE), Iris Löw-Friedrich (Evotec SE). Im SDAX und TecDAX ging es jedoch rückwärts: bei den SDAX-Unternehmen um eine Frau von vier auf drei (von knapp sechs Prozent Frauenanteil auf gut vier Prozent) und bei den TecDAX-Unternehmen von drei Frauen auf eine Frau (von zehn Prozent Frauenanteil auf gut drei Prozent).infoClaudia Badstöber (Kontron S&T AG), Ayla Busch (Pfeiffer Vacuum Technology AG), Susanne Klatten (SGL Carbon SE), Iris Löw-Friedrich (Evotec SE).

Beteiligungsunternehmen des Bundes knacken Marke von 30 Prozent Frauen im Vorstand und 40 Prozent im Aufsichtsrat

Beteiligungsunternehmen des Bundes sind aufgrund ihrer teilweise geringen Größe nur begrenzt vergleichbar mit den anderen untersuchten Unternehmensgruppen.infoDie Beteiligungsunternehmen des Bundes sind eine sehr heterogene Gruppe, die sehr große Unternehmen wie die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Bahn AG beinhaltet, aber auch zum Teil sehr kleine Unternehmen im Bereich Kultur oder Wissenschaft, beispielsweise das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB), das Futurium gGmbH oder die ­Bayreuther Festspiele GmbH. Zudem sind im Unterschied zur Privatwirtschaft Aufsichtsratssitze in öffentlichen Unternehmen oftmals an eine Führungsposition in der öffentlichen Verwaltung oder an politische Mandate gekoppelt. Durch diese funktionsgebundene Gremienbesetzung wird der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der öffentlichen Unternehmen vom Frauenanteil in den höheren Ebenen der öffentlichen Verwaltung und in politischen Ämtern beeinflusst.

Wie in den vorherigen Jahren hatten die Unternehmen mit Bundesbeteiligung auch im Spätherbst 2022 einen deutlich höheren Frauenanteil in den Vorständen als privatwirtschaftliche Unternehmen. Erstmals knackten sie nun die 30-Prozent-Marke: Von 186 Vorstandsposten hatten 56 Frauen inne – das entspricht etwas mehr als 30 Prozent, gut zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor (Tabelle 5). Seit 2019, als erstmals die 20-Prozent-Marke überschritten wurde, ist die Entwicklung des Frauenanteils in den Vorständen der Bundesunternehmen relativ dynamisch, trotz einer Verschnaufpause im Vorjahr. Die Zahl der Frauen als Vorstandsvorsitzende blieb im Vergleich zum Vorjahr mit sieben aber unverändert.infoCara Schwarz-Schilling (WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunika­ti­onsdienste GmbH), Aletta von Massenbach (Flughafen Berlin Brandenburg GmbH), Sabine Brünger-­Weilandt (FIZ Karlsruhe – Leibnitz-Institut für Informationsinfrastruktur GmbH), Anna-­Katharina Hornidge (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik gGmbH), Katharina Wagner (­Bayreuther Festspiele GmbH), Astrid Irrgang (Berliner Zentrum für Internationale Friedens­einsätze gGmbH), Christina Lang (DigitalService4Germany GmbH).

Tabelle 5: Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten der Beteiligungsunternehmen des Bundes¹

2010 2013 2015 2017 2019 2021 2022
Vorstände/Geschäftsführungen
Unternehmen insgesamt 61 60 61 61 62 66 69
Mit Angaben zur Zusammensetzung 60 60 61 60 62 66 69
Mit Frauen im Vorstand 9 14 20 22 28 33 36
Anteil in Prozent 15,0 23,3 32,8 36,7 45,2 50,0 52,2
Mitglieder insgesamt 152 143 144 140 150 162 186
Männer 142 125 122 115 117 117 125
Frauen 10 18 22 25 33 45 56
Anteil der Frauen in Prozent 6,6 12,6 15,3 17,9 22,0 27,8 30,1
Vorsitze insgesamt 54 56 37 41 49 37 35
Männer 51 51 33 36 41 30 28
Frauen 3 5 4 5 8 7 7
Anteil der Frauen in Prozent 5,6 8,9 10,8 12,2 16,3 18,9 20,0
Aufsichts-/Verwaltungsräte
Unternehmen insgesamt 61 60 61 61 62 66 69
Mit Angaben zur Zusammensetzung 54 51 55 51 56 59 61
Mit Frauen im Aufsichtsrat 46 41 53 50 56 59 61
Anteil in Prozent 85,2 80,4 96,4 98,0 100 100 100
Mitglieder insgesamt 577 553 595 530 601 626 623
Männer 472 453 431 368 393 385 369
Frauen 105 100 164 162 208 241 254
Anteil der Frauen in Prozent 18,2 18,1 27,6 30,6 34,6 38,5 40,8
Vorsitze insgesamt 53 47 55 51 54 59 61
Männer 45 39 48 41 43 40 40
Frauen 8 8 7 10 11 19 21
Anteil der Frauen in Prozent 15,1 17,0 12,7 19,6 20,4 32,2 34,4

1 Die Zahlen für das Jahr 2022 wurden vom 15. bis 30. November 2022 recherchiert.

Zahlen für weitere Jahre und die Namen der Frauen, die dem Vorstand oder Aufsichtsrat eines Unternehmens mit Bundesbeteiligung vorsitzen, sind hier abrufbar: www.diw.de/managerinnen

Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen.

Auch in den Aufsichtsräten der Unternehmen mit Bundesbeteiligung ist der Frauenanteil weiter gestiegen. Im vierten Quartal 2022 knackte er mit knapp 41 Prozent erstmals die 40-Prozent-Marke. In keiner der anderen untersuchten Unternehmensgruppen war das der Fall. Auch bei den Aufsichtsratsvorsitzen stieg der Frauenanteil weiter: Mit 21 von 61 Vorsitzen waren erstmals mehr als ein Drittel aller Aufsichtsratsvorsitze dieser Unternehmensgruppe mit Frauen besetzt.infoVgl. Übersicht 3 im Online-Anhang zu diesem Wochenbericht, abrufbar unter ­www.diw.de/managerinnen.

Banken und Versicherungen bleiben hinter anderen Wirtschaftssektoren zurück

Ähnlich wie bei den 100 größten Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist auch in den 100 größten Banken in Deutschland der Frauenanteil in den Vorständen im Jahr 2022 zwar etwas gestiegen, aber deutlich weniger stark als von 2020 auf 2021. Im Spätherbst 2022 lag er bei gut 14 Prozent und damit um etwa einen Prozentpunkt über dem Vorjahreswert (Tabelle 6). Bei den 60 größten Versicherungen gab es einen stärkeren Anstieg von gut zwei Prozentpunkten auf fast 16 Prozent. Der Frauenanteil unter den Vorstandsvorsitzenden war sowohl bei den Banken als auch bei den Versicherungen leicht rückläufig und betrug zuletzt knapp acht beziehungsweise fünf Prozent.infoEva Wunsch-Weber (Frankfurter Volksbank), Katrin Leonhardt (Sächsische Aufbaubank – ­Förderbank), Kathrin Kerls (BMW Bank), Edith Weymayr (Landeskreditbank Baden-­Württemberg – Förderbank), Kristine Braden (Citi­group Global Markets Europe AG), Christine ­Novakovic (UBS Europe S.E.), Isabelle Chevelard (Targobank AG), Karin-Brigitte Göbel (Stadtsparkasse Düsseldorf), Nina Klingspor (­Allianz ­Private Krankenver­sicherungs-AG), Zeliha Hanning (Württembergische ­Versicherung AG).

Tabelle 6: Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten großer Banken und Versicherungen in Deutschland¹

Banken Versicherungen
2006 2009 2012 2015 2018 2021 2022 2006 2009 2012 2015 2018 2021 2022
Vorstände/Geschäftsführungen
Unternehmen insgesamt 100 100 100 100 100 99 100 63 62 61 59 60 60 60
Mit Angaben zur Zusammensetzung 100 100 100 100 100 99 100 63 62 61 59 59 60 60
Mit Frauen im Vorstand 10 9 17 28 29 39 42 10 11 21 27 26 32 40
Anteil in Prozent 10,0 9,0 17,0 28,0 29,0 39,4 42,0 15,9 17,7 34,4 45,8 44,1 53,3 66,7
Mitglieder insgesamt 442 418 407 394 404 403 418 394 392 384 353 342 348 392
Männer 431 407 390 364 369 350 358 384 381 362 321 309 302 331
Frauen 11 11 17 30 35 53 60 10 11 22 32 33 46 61
Anteil der Frauen in Prozent 2,5 2,6 4,2 7,6 8,7 13,2 14,4 2,5 2,8 5,7 9,1 9,6 13,2 15,6
Vorsitze insgesamt2 100 100 100 98 97 95 96 63 62 61 59 60 60 60
Männer 98 100 97 95 92 87 88,5 63 62 60 58 58 55 57
Frauen 2 0 3 3 5 8 7,5 0 0 1 1 2 5 3
Anteil der Frauen in Prozent 2,0 0 3,0 3,1 5,2 8,4 7,8 0 0 1,6 1,7 3,3 8,3 5,0
Aufsichts-/Verwaltungsräte
Unternehmen insgesamt 100 100 100 100 100 99 100 63 62 61 59 60 60 60
Mit Angaben zur Zusammensetzung 100 100 100 98 99 97 98 63 62 61 59 59 60 58
Mit Frauen im Aufsichtsrat 89 87 88 93 96 94 95 46 48 50 50 50 52 49
Anteil in Prozent 89,0 87,0 88,0 94,9 97,0 96,9 96,9 73,0 77,4 82,0 84,7 84,7 86,7 84,5
Mitglieder insgesamt 1633 1555 1491 1518 1531 1428 1459 812 734 704 640 592 605 618
Männer 1387 1294 1226 1194 1176 1074 1083 720 643 596 518 459 453 448
Frauen 246 261 265 324 355 354 376 92 91 108 122 133 153 170
Anteil der Frauen in Prozent 15,1 16,8 17,8 21,3 23,2 24,8 25,8 11,3 12,4 15,3 19,1 22,5 25,3 27,5
Vorsitze insgesamt 100 100 100 98 98 97 98 63 62 61 59 60 60 58
Männer 97 96 97 92 93 90 87 63 61 60 57 59 54 54
Frauen 3 4 3 6 5 7 11 0 1 1 2 1 6 4
Anteil der Frauen in Prozent 3,0 4,0 3,0 6,1 5,1 7,2 11,2 0 1,6 1,6 3,4 1,7 10,0 6,9

1 Die Zahlen für das Jahr 2022 wurden vom 15. bis 30. November 2022 recherchiert.

2 Doppelspitzen werden jeweils als halber Vorsitz gezählt.

Zahlen für weitere Jahre und eine namentliche Auflistung aller Vorständinnen der großen Banken und Versicherungen im Jahr 2022 sind hier abrufbar: www.diw.de/managerinnen

Quelle: Eigene Erhebungen und Berechnungen.

In den Aufsichtsräten des Finanzsektors ist der Frauenanteil im vergangenen Jahr moderat gestiegen. In den 100 größten Banken nahm er um einen Prozentpunkt auf knapp 26 Prozent zu, in den 60 größten Versicherungen um etwa zwei Prozentpunkte auf rund 28 Prozent. Einen größeren Anstieg gab es beim Frauenanteil unter den Aufsichtsratsvorsitzenden der 100 größten Banken – hier standen zuletzt elf Frauen, vier mehr als ein Jahr zuvor, an der Spitze eines Kontrollgremiums, was einem Anteil von etwas mehr als elf Prozent entspricht (plus vier Prozentpunkte).infoSusanne Klöß-Braekler (ING Holding Deutschland GmbH), Mona Neubaur (NRW.Bank), Dagmar Kollmann (Citigroup Global Markets Europe AG), Ingrun-Ulla Bartölke (Volkswagen Bank GmbH), Mónica López-Monís Gallego (Santander Consumer Bank AG), Clare Woodman (Morgan Stanley ­Europe SE), Silke Torp (Investitionsbank Schleswig-Holstein), Katrin Lange (Investitionsbank des Landes Brandenburg), Anke Beckemeyer (Sparda-Bank West eG), Gitta Wild (Sparda-Bank Südwest eG), Tamara Bischof (Sparkasse Mainfranken Würzburg), Katja de la Viña (Allianz Lebensversicherungs-AG). Bei den 60 größten Versicherungen sank der Frauenanteil unter den Aufsichtsratsvorsitzenden hingegen von zehn auf knapp sieben Prozent. Statt sechs standen hier nur noch vier Frauen an der Spitze eines Kontrollgremiums.infoSilke Lautenschläger (DKV Deutsche Krankenversicherung AG), Liane Buchholz (­Provinzial Versicherung AG), Isabella Pfaller (Bayerische Beamtenkrankenkasse AG), Cosima Ingenschay (DEVK Allgemeine Versicherungs-AG).

Der Vergleich des Finanzsektors (Top-100-Banken) mit den übrigen Wirtschaftszweigen (Top-100-Unternehmen des Privatsektors außerhalb des Finanzsektors) zeigt eine Fortsetzung des Trends der vergangenen Jahre: Während der Finanzsektor zu Beginn des Beobachtungszeitraums Mitte der 2000er Jahre zunächst höhere Frauenanteile in Aufsichtsräten und Vorständen aufwies als die 100 größten übrigen Unternehmen des Privatsektors, wurde der Finanzsektor vor einigen Jahren sowohl mit Blick auf den Frauenanteil in Aufsichtsräten (im Jahr 2016) als auch mit Blick auf den Frauenanteil in Vorständen (im Jahr 2018) von den anderen Sektoren überholt (Abbildung 2). Mittlerweile liegen die Top-100-Banken sowohl beim Frauenanteil in Aufsichtsräten als auch beim Frauenanteil in Vorständen weit hinter den Top-100-Unternehmen außerhalb des Finanzsektors zurück.infoEin ausführlicher Vergleich der Entwicklung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten und Vorständen im Finanzsektor und den übrigen Sektoren der Privatwirtschaft im Zeitraum von 2006 bis 2019 sowie ein Überblick über mögliche Ursachen zur besonders schleppenden Entwicklung des Frauenanteils in den Spitzengremien des Finanzsektors findet sich in Kirsch und Wrohlich (2020), a.a.O.

Die auffällig niedrige Repräsentation von Frauen im Finanzsektor ist insbesondere bemerkenswert, da in diesem Sektor Frauen die Mehrzahl der Beschäftigten ausmachen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in einer aktuellen Auswertung des IAB-Betriebspanels gezeigt, dass nicht nur in der obersten, sondern auch in der zweiten Führungsebene von Unternehmen des Finanzsektors Frauen deutlich unterrepräsentiert sind.infoSusanne Kohaut und Iris Möller (2022): Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen: Der Weg nach ganz oben bleibt Frauen oft versperrt. IAB-Kurzbericht 1/2022.

Einer der Gründe für den geringen Frauenanteil in Führungspositionen von Banken und Versicherungen sind vermutlich nach wie vor geschlechterstereotype Zuschreibungen und die männerdominierte Führungskultur in diesem Wirtschaftszweig.infoVgl. dazu beispielsweise Astrid Jäkel, Carolin Kütz und Emily Niemann (2016): Female Leader­ship in Germany and Switzerland. In: Oliver Wyman (2016): Women in Financial Services, 54ff. Zudem haben empirische Studien gezeigt, dass im Finanzsektor – stärker noch als in anderen Sektoren – Personen, die extrem lange und unflexible Arbeitszeiten in Kauf nehmen, überproportional entlohnt werden.infoVgl. dazu für die USA Marianne Bertrand, Claudia Goldin und Lawrence Katz (2010): ­Dynamics of the Gender Gap for Young Professionals in the Financial and Corporate Sectors. American ­Economic Journal: Applied Economics 2, 228–255. Für Deutschland wird dieser Zusammenhang gezeigt in Aline Zucco (2019): Occupational Characteristics and the Gender Pay Gap. DIW Discus­sion Paper 1794 (online verfügbar); sowie in Aline Zucco (2019): Große Gender Pay Gaps in einzelnen Berufen hängen stark mit der überproportionalen Entlohnung von langen Arbeitszeiten zusammen. DIW Wochenbericht Nr. 10, 127–136 (online verfügbar).

Gesetzliche Geschlechterquote und Mindestbeteiligung hatten positive Auswirkungen auf Frauenanteil

In Deutschland wurde im Jahr 2015 im Rahmen des ersten Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG I) eine verbindliche Geschlechterquote von 30 Prozent für den Aufsichtsrat beschlossen. Diese gilt für Unternehmen, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind. Im Herbst 2022 traf dies auf 102 Unternehmen zu.

Vergleicht man in der Gruppe der Top-200-Unternehmen jene, für die die Quote im Aufsichtsrat gilt, mit den Unternehmen, für die sie nicht gilt, zeigt sich ein deutlich stärkerer Anstieg des Frauenanteils in den „Quotenunternehmen“, vor allem im Zeitraum von 2014 bis 2019 (Abbildung 3). In diesen Jahren ist in den Unternehmen, die der Quote für den Aufsichtsrat unterliegen, der Frauenanteil um fast 15 Prozentpunkte gestiegen (von rund 20 auf mehr als 34 Prozent), während er in den Unternehmen, für die die Quote im Aufsichtsrat nicht gilt, nur um gut sieben Prozentpunkte zunahm (von knapp 16 auf gut 23 Prozent). In den Jahren 2019 bis 2021 hat diese Gruppe zwar etwas aufgeholt, zuletzt ging die Schere zwischen den beiden Gruppen aber wieder weiter auseinander. Im Spätherbst 2022 betrug der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der „Quotenunternehmen“ unter den Top-200-Unternehmen 36 Prozent, in den „Nicht-Quotenunternehmen“ nur knapp 27 Prozent.

Für die Vorstände gab es im 2015 beschlossenen FüPoG I zunächst keine zahlenmäßigen Vorgaben. Diese wurden erst im Rahmen des zweiten Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II) beschlossen, das im August 2021 in Kraft getreten ist und für Vorstandsbestellungen ab August 2022 gilt.infoEine ausführliche Beschreibung des FüPoG II findet sich in Anja Kirsch, Virginia Sondergeld und Katharina Wrohlich (2022b): Geschlechterquoten für Spitzenpositionen der Privatwirtschaft in EU-Ländern: Teils sehr unterschiedlich, aber wirksam. DIW Wochenbericht Nr. 3, 34–42 (online verfügbar). Dieses Gesetz besagt unter anderem, dass Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind und einen mindestens vierköpfigen Vorstand haben, das nächste frei werdende Vorstandsmandat mit einer Frau besetzen müssen, sofern dem Vorstand noch keine Frau angehört. Im Unterschied zur Geschlechterquote für Aufsichtsräte, die im FüPoG I mit 30 Prozent festgesetzt ist, sieht das FüPoG II für die Vorstände nur eine Mindestbeteiligung und keine feste Quote vor. Diese Ausgestaltung ist nachvollziehbar, da Vorstände wesentlich kleinere Gremien sind als Aufsichtsräte. Die Unternehmen, die der Geschlechterquote im Aufsichtsrat unterliegen, haben im Durchschnitt einen Aufsichtsrat mit 15,7 Mitgliedern und einen Vorstand mit 4,6 Mitgliedern. Unter den Unternehmen, die der Geschlechterquote im Aufsichtsrat und dem Beteiligungsgebot für Vorstände unterliegen, ist die durchschnittliche Vorstandsgröße 5,6. Eine Mindestbeteiligung von einer Frau für Vorstände entspricht somit im Durchschnitt einer Quote von etwa 17 Prozent.

Bisherige Studien konnten Antizipationswirkungen dieses Gesetzes feststellen.infoVgl. dazu Virginia Sondergeld und Katharina Wrohlich (2021): Mindestbeteiligung von ­Frauen in Vorständen: Einige Unternehmen sind neuem Gesetz bereits zuvorgekommen. DIW aktuell Nr. 65 (online verfügbar); sowie Kirsch, Sondergeld und Wrohlich (2022b), a.a.O. Um die Entwicklung des Frauenanteils in Unternehmen mit und ohne Mindestbeteiligung für Vorstände möglichst vergleichbar darzustellen, werden Unternehmen gegenüber gestellt, die in den Jahren 2017 bis 2022 durchgehend in der Top-200-Gruppe waren (das trifft auf 166 Unternehmen zu). Ein Teil davon war im Jahr 2021 von der Mindestbeteiligung betroffen (38 Unternehmen), der andere Teil nicht (128 Unternehmen). Dabei zeigt sich, dass die Top-200-Unternehmen, die im Jahr 2021 der neuen Mindestbeteiligung für Vorstände unterlagen, den Frauenanteil in ihren Vorständen von 2020 auf 2021 deutlich stärker gesteigert haben als die Top-200-Unternehmen, für die die Mindestbeteiligung im Herbst 2021 nicht galt (Abbildung 4). Im letzten Jahr verlief der Anstieg in dieser Gruppe jedoch wieder spürbar flacher. Unter den Unternehmen der Top-200-Gruppe, die die Mindestbeteiligung im Vorstand erfüllen müssen, lag der Frauenanteil im Vorstand zuletzt bei 19,5 Prozent und damit dennoch deutlich über dem der übrigen Top-200-Unternehmen mit nur rund 16 Prozent. Diese zeitliche Entwicklung deutet darauf hin, dass die von dem Mindestbeteiligungsgebot erfassten Unternehmen schnell auf die Ankündigung des Gesetzes reagiert und Frauen in ihre Vorstände berufen haben. Dass sich diese sehr dynamische Entwicklung zuletzt nicht fortgesetzt hat, liegt vermutlich daran, dass die betroffenen Unternehmen zumindest im Durchschnitt das implizite Quotenziel bereits erfüllt haben. Insgesamt beträgt der Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen, die von der Mindestbeteiligung betroffen sind, 19 Prozent (Tabelle 2). Von den 62 betroffenen Unternehmen haben 13 noch keine Frau im Vorstand. Diese müssen den nächsten freiwerdenden Vorstandsposten mit einer Frau besetzen.

Da das Mindestbeteiligungsgebot nur für Unternehmen mit einem mindestens vierköpfigen Vorstand gilt, haben diese über die Gestaltung der Vorstandsgröße in gewissem Ausmaß selbst die Möglichkeit zu bestimmen, ob sie in den Geltungsbereich des Mindestbeteiligungsgebots fallen oder nicht. Im Großen und Ganzen sind die Vorstandsgrößen der Top-200-Unternehmen über die Zeit konstant. Von den 66 im Jahr 2021 vom Mindestbeteiligungsgebot betroffenen Unternehmen haben jedoch einige ihre Vorstandsgröße verändert: Von den fünf Unternehmen, die im Jahr 2022 erstmals eine Frau in den Vorstand berufen haben, haben zwei in diesem Zusammenhang ihren Vorstand vergrößert. Hingegen haben fünf andere Unternehmen ihren Vorstand von mehr als drei Mitgliedern auf drei oder weniger Mitglieder verkleinert und unterliegen damit nicht mehr dem Mindestbeiligungsgebot. Von diesen fünf Unternehmen hat kein einziges eine Frau im Vorstand.

Ob diese Verkleinerung des Vorstands gezielt herbeigeführt wurde, um das Mindestbeteiligungsgebot zu umgehen, lässt sich anhand dieser Datenbasis nicht beurteilen. Selbst wenn das der Fall wäre, deutet die Zahl der Unternehmen darauf hin, dass das Mindestbeteiligungsgebot zumindest nicht in großer Zahl durch Gestaltung der Vorstandsgröße umgangen wird.

Europäischer Vergleich: Deutschland holt beim Frauenanteil in Vorständen auf

Ein Vergleich Deutschlands mit anderen EU-Ländern zeigt, dass der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen hierzulande schon seit Anfang der 2010er Jahre über dem Durchschnitt der EU-Länder lag.infoDie Zahlen basieren auf Daten der Gender Statistics Database des European Institute for Gender Equality (EIGE): Women and men in decision making/Business and finance: Largest listed companies: CEOs, executives and non-executives (online verfügbar; abgerufen am 9. Januar 2023). Diese Datenbasis enthält die Frauenanteile in Vorständen (beziehungsweise für Länder mit monistischem System die Frauenanteile unter den Mitgliedern mit Exekutivfunktion) sowie in Aufsichtsräten (beziehungsweise unter den Mitgliedern mit Kontrollfunktion) der größten börsennotierten (Blue-Chip) Unternehmen des jeweiligen Landes. So wurde die Marke von 30 Prozent in den Kontrollgremien in Deutschland bereits im Jahr 2017 mit einem Wert von knapp 32 Prozent erreicht – zu dieser Zeit lag der EU-Durchschnitt bei rund 28 Prozent. In den darauffolgenden Jahren ist der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen sowohl in Deutschland als auch im EU-Durchschnitt weiterhin gestiegen (Abbildung 5 und Abbildung 6).

Die Tatsache, dass Deutschland insbesondere in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre deutlich über dem EU-Durchschnitt lag, hat auch mit der in Deutschland seit 2015 geltenden Geschlechterquote für den Aufsichtsrat zu tun. Internationale Vergleichsstudien haben gezeigt, dass gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterquoten deutlich mehr Wirkung zeigen als nicht verbindliche Empfehlungen oder freiwillige Selbstverpflichtungen, wie sie nach wie vor in vielen EU-Ländern üblich sind.infoVgl. dazu Kirsch, Sondergeld und Wrohlich (2022b), a.a.O. Auffallend ist auch im Jahr 2022, dass unter den Ländern mit besonders hohen Frauenanteilen viele zu finden sind, die schon seit Anfang der 2010er Jahre Geschlechterquoten eingeführt haben (zum Beispiel Spanien, Niederlande, Belgien, Frankreich und Italien). Mit Italien hat zudem erstmals ein EU-Land in den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen Geschlechterparität erreicht.

In den Vorständen beziehungsweise unter den Mitgliedern mit Exekutivfunktion bleibt Geschlechterparität jedoch in allen EU-Ländern in weiter Ferne. In Deutschland, wo es bis vor kurzem keine gesetzlichen Vorgaben zur Beteiligung von Frauen im Vorstand gab, lag der Frauenanteil in der Vergangenheit unter dem EU-Durchschnitt. Erst seit 2020 hat Deutschland aufgeholt und verzeichnete in den Vorständen der größten börsennotierten Unternehmen im vierten Quartal 2022 einen Frauenanteil, der sogar leicht über dem EU-Durchschnitt lag. Dieser Aufholprozess der letzten zwei Jahre ist auch auf die Einführung des Mindestbeteiligungsgebots von Frauen in Vorständen zurückzuführen.

Im November 2022 hat die EU beschlossen, dass ab dem Jahr 2026 in allen EU-Ländern eine Geschlechterquote in Höhe von 40 Prozent für Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen gelten soll. Alternativ kann (für Länder mit gemischten Systemen von Vorstand und Aufsichtsrat) auch eine Geschlechterquote von 33 Prozent für Gremien mit exekutiven und nichtexekutiven Mitgliedern beschlossen werden. Mit dieser Richtlinie müssen nun viele EU-Länder bislang erstmals Gesetze zur Repräsentation von Frauen in Führungspositionen erlassen.infoEine detaillierte Übersicht über EU-Länder mit und ohne gesetzliche Geschlechterquoten ­findet sich zum Beispiel in Kirsch, Sondergeld und Wrohlich (2022b), a.a.O.

Fazit: Geschlechterparität vielfach noch immer weit entfernt – Unternehmen müssen inklusive Arbeitskultur schaffen

Nachdem der Frauenanteil in den Vorständen der größten Unternehmen in Deutschland im Jahr 2021 überdurchschnittlich stark gestiegen ist, hat sich die Dynamik zuletzt wieder abgeschwächt. Die meisten Unternehmensgruppen, die im DIW Managerinnen-Barometer unter die Lupe genommen werden, konnten – Stand Spätherbst 2022 – nur leichte Zuwächse des Anteils von Frauen in Vorständen verzeichnen. Das trifft beispielsweise auf die 200 beziehungsweise 100 umsatzstärksten Unternehmen außerhalb des Finanzsektors zu, auf den Durchschnitt der DAX-Unternehmen und auch auf die größten Banken und Versicherungen. Positive Ausnahmen mit größeren Anstiegen waren die größten – im DAX-40 – börsennotierten Unternehmen sowie die Beteiligungsunternehmen des Bundes. Mit Blick auf den Frauenanteil in Aufsichtsräten zeigte sich ein ähnliches Bild wie in den Vorständen – wenn auch auf deutlich höherem Niveau.

Die starke Zunahme des Frauenanteils in den Vorständen der DAX-40-Unternehmen steht in Verbindung mit dem seit dem Jahr 2022 geltenden Mindestbeteiligungsgebot von Frauen in Vorständen bestimmter börsennotierter Unternehmen. Diese gesetzliche Vorgabe zeigt – wie auch schon Jahre zuvor die Geschlechterquote für Aufsichtsräte – somit die erwünschte Wirkung.

Angesichts der zunehmenden Präsenz von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten stellt sich die Frage, wie inklusiv diese Gremien tatsächlich sind. In inklusiven Arbeitsgruppen und Organisationen werden alle Mitglieder – unabhängig von Gruppenzugehörigkeiten – wertgeschätzt und in wichtige Entscheidungsprozesse einbezogen.infoLynn M. Shore, Jeanette N. Cleveland und Diana Sanchez (2018): Inclusive workplaces: A ­review and model. Human Resource Management Review 28 (2), 176–189. Ein solcher pluralistischer Werterahmen entwickelt sich jedoch nicht zwangsläufig nur aufgrund einer zahlenmäßig höheren Präsenz von Frauen in Spitzengremien. Interviewstudien mit Aufsichtsrätinnen und Aufsichtsräten zeigen, dass Frauen in diesen Gremien noch immer um ihre Akzeptanz durch die männliche Mehrheit der Gremienmitglieder ringen müssen.infoTiffany Trzebiatowski, Courtney McCluney und Morela Hernandez (2022): Managing the double bind: Women directors’ participation tactics in the gendered boardroom. Organization Science, online first; sowie Anja Kirsch (2022): Revolution from above? Female directors’ equality-related actions in organizations. Business & Society 61 (3), 572–605. Weitere Forschung muss allerdings noch zeigen, welche Kontextfaktoren eine inklusive Arbeitskultur ermöglichen. Zudem sollten Unternehmen darauf achten, dass in allen Spitzengremien, insbesondere auch in den Vorständen, wo die Frauenanteile noch deutlich geringer sind als in den Aufsichtsräten, eine inklusive Arbeitskultur herrscht, damit alle Mitglieder dieser Gremien ihr volles Potenzial entfalten können.

Virginia Sondergeld

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics



JEL-Classification: D22;J16;J59;J78;L21;L32;M14;M51
Keywords: corporate boards, board composition, boards of directors, board diversity, Europe, women directors, executive directors, gender equality, gender quota, Germany, management, private companies, public companies, supervisory boards, executive boards, CEOs, women, finance industry, financial sector, private and public banks, insurance companies
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-3-2

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/268703

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