DIW Wochenbericht 3 / 2024, S. 38-43
Virginia Sondergeld, Katharina Wrohlich
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Frauen sind in hohen Führungspositionen privatwirtschaftlicher Unternehmen in Deutschland nach wie vor unterrepräsentiert. In den vergangenen Jahren hat die Politik mehrfach Maßnahmen ergriffen, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Hat ein Betrieb mehr Frauen im Management, kann das positive Wirkungen auf alle Frauen in diesem Betrieb entfalten. Wie die empirischen Analysen in diesem Bericht auf Basis von Linked-Employer-Employee-Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, senkt ein höherer Frauenanteil auf der ersten und zweiten Führungsebene den betriebsspezifischen Gender Pay Gap. Statistisch signifikante Effekte durch den Frauenanteil auf der obersten Führungsebene sind allerdings erst ab einem Drittel zu beobachten – derzeit liegt der Frauenanteil dort im Durchschnitt noch deutlich niedriger. Die Unternehmen sollten also ihre Bemühungen, mehr Frauen in hohe Führungspositionen zu befördern, fortsetzen. Dies könnte die ökonomische Ungleichheit zwischen Frauen und Männern auf allen Hierarchieebenen eines Betriebs vermindern.
Frauen sind in Deutschland und weltweit in hohen Führungspositionen der Privatwirtschaft unterrepräsentiert. Wie das Managerinnen-Barometer 2024 des DIW Berlin zeigt,Vgl. dazu in dieser Ausgabe des DIW Wochenberichts Virginia Sondergeld, Katharina Wrohlich und Anja Kirsch (2024): Frauenanteil in Vorständen großer Unternehmen gestiegen, meist bleibt es aber bei höchstens einer Frau. DIW Wochenbericht Nr. 3, 26–36. gab es in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte beim Frauenanteil in den Vorständen der großen privatwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland. Knapp ein Fünftel der Vorstandsmitglieder der 200 umsatzstärksten Unternehmen sind mittlerweile Frauen. Betrachtet man nicht nur die größten Unternehmen, sondern einen repräsentativen Querschnitt aller Betriebe in Deutschland, lag der Frauenanteil auf der ersten Führungsebene zuletzt mit mehr als einem Viertel sogar etwas darüber, wie eine repräsentative Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unter Betrieben in Deutschland zeigt.Vgl. dazu Susanne Kohaut und Iris Möller (2023): Führungspositionen in Deutschland 2022: Frauen bleiben nach wie vor unterrepräsentiert. IAB Kurzbericht 22/2023, 1–7 (online verfügbar; abgerufen am 15. Dezember 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Beim Vergleich der Zahlen des IAB-Berichts mit den Zahlen des DIW Managerinnen-Barometers ist zu beachten, dass es sich bei der Auswertung des IAB um die Betriebsebene, nicht um die Unternehmensebene handelt. Ein Betrieb wird hierbei auf Basis der Betriebsnummer der Bundesagentur für Arbeit als „regional und wirtschaftlich abgegrenzte Einheit mit mindestens einer oder einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“ definiert. Das bedeutet, dass Niederlassungen des gleichen Unternehmens in unterschiedlichen Regionen als eigene Betriebe definiert werden. Die Betriebsebene im IAB-Betriebspanel ist also eine niedrigere Ebene als die Unternehmensebene, die im DIW Managerinnen-Barometer betrachtet wird. Zudem zeigt das DIW Managerinnen-Barometer die Frauenanteile in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland, während das IAB-Betriebspanel eine repräsentative Stichprobe aller Betriebe in Deutschland umfasst. Siehe Ann-Christin Bächmann et al. (2023): IAB-Betriebspanel (IAB-BP) 1993–2022. FDZ-Datenreport 16 (online verfügbar). Trotz der Fortschritte der letzten Jahre bleibt Geschlechterparität sowohl in den Vorständen als auch auf der obersten FührungsebeneNach der Definition eines Betriebs im IAB-Betriebspanel ist die erste Führungsebene beispielsweise die Leitung einer Niederlassung eines Unternehmens oder aber die Geschäftsführung eines kleineren Unternehmens, das nur in einer Region tätig ist. deutscher Betriebe aber in weiter Ferne. Deutlich mehr Frauen sind hingegen auf der zweiten Führungsebene vertreten: Die Erhebung des IAB zeigt, dass der Frauenanteil dort seit dem Jahr 2016 konstant 41 Prozent beträgt (Abbildung 1).Kohaut und Möller (2023), a.a.O.
Die Ungleichheit der Repräsentation von Frauen und Männern in den obersten Entscheidungsgremien privatwirtschaftlicher Unternehmen hat dazu geführt, dass die Politik in den vergangenen Jahren mehrere Maßnahmen ergriffen hat, um den Frauenanteil in hohen Führungspositionen zu erhöhen. Seit 2016 ist eine verbindliche Geschlechterquote von 30 Prozent für den Aufsichtsrat in Kraft. Diese Quote gilt für Unternehmen, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind (Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, FüPoG I). Im Jahr 2021 wurde für diese Unternehmen zudem eine Mindestbeteiligung von einer Frau im Vorstand beschlossen, und zwar wenn das Unternehmen einen mindestens vierköpfigen Vorstand hat (Zweites Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, FüPoG II).Eine ausführlichere Beschreibung dieser Gesetze findet sich in Anja Kirsch, Virginia Sondergeld und Katharina Wrohlich (2022): Geschlechterquoten für Spitzenpositionen der Privatwirtschaft in EU-Ländern: Teils sehr unterschiedlich, aber wirksam. DIW Wochenbericht Nr. 3, 34–42 (online verfügbar).
Zum einen besteht das direkte Ziel dieser Maßnahmen darin, die Repräsentation von Frauen in hohen Führungspositionen zu erhöhen. Quoten und Mindestbeteiligungen zwingen Unternehmen dazu, ihre Rekrutierungsprozesse zu überdenken, und können helfen, den Auswirkungen impliziter, geschlechterstereotyper Zuschreibungen im Rekrutierungsprozess entgegenzuwirken. Zum anderen besteht darüber hinaus die Hoffnung auf weitere, indirekte Effekte eines höheren Frauenanteils in hohen Führungspositionen, die ganz allgemein geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt verringern könnten. Ein solcher Effekt könnte beispielsweise sein, dass Managerinnen (stärker als Manager) einen Fokus auf das Abbauen geschlechtsspezifischer Ungleichheiten bei Beförderungen, Bonuszahlungen oder der Entgeltstruktur haben. Auch könnten sie womöglich die Einführung von Gleichstellungsprogrammen oder Entgelttransparenzinitiativen in ihren Unternehmen stärker forcieren.Vgl. Luca Flabbi et al. (2019): Do female executives make a difference? The impact of female leadership on gender gaps and firm performance. Economic Journal 129(622), 2390–2423; und Nikolaos Theodoropoulos, John Forth und Alex Brysons (2022): Are women doing it for themselves? Female Managers and the Gender Wage Gap. Oxford Bulletin of Economics and Statistics 84(6), 1329–1355. Frauen in mächtigen Positionen könnten zudem als Mentorinnen oder Vorbilder für andere Frauen agieren sowie mehr Netzwerkmöglichkeiten für Frauen schaffen und über diese indirekten Mechanismen Ungleichheiten wie den Gender Pay Gap vermindern.Vgl. dazu Florian Zimmermann (2022): Managing the gender wage gap. How female managers influence the gender wage gap among workers. European Sociological Review 38/3, 355–370; Astrid Kunze und Amalia R. Miller (2017): Women helping women? Evidence from private sector data on workplace hierarchies. Review of Economics and Statistics 99(5), 769–775; sowie Zoe Cullen und Ricardo Perez-Truglia (2023): The old boys’ club: Schmoozing and the gender pay gap. American Economic Review, im Erscheinen. Schließlich spielen möglicherweise auch noch implizitere, also unbewusstere, Mechanismen eine Rolle: Beispielsweise besagt die Theorie homophiler Präferenzen, dass Menschen dazu neigen, eher Personen einzustellen, auszuzeichnen oder zu befördern, die ihnen ähnlich sind. Wenn es in einem Unternehmen mehr Frauen in hohen Führungspositionen gibt, könnten andere Frauen beispielsweise bezüglich Beförderungen und Bezahlung daher profitieren.Vgl. hierzu Gokhan Ertug et al. (2022): What does homophily do? A review of the consequences of homophily. Academy of Management Annals, 16(1), 38–69.
Ob diese Mechanismen tatsächlich existieren beziehungsweise ob ein höherer Frauenanteil im Management dazu führt, dass Geschlechterungleichheiten im Unternehmen wie der Gender Pay Gap abgebaut werden, ist eine empirische Frage. Einige Studien haben für andere Länder gezeigt, dass ein höherer Frauenanteil im Management eines Unternehmens beispielsweise den Gender Pay Gap in dem jeweiligen Unternehmen signifikant verringert hat.Ana Rute Cardoso und Rudolf Winter-Ebmer (2010): Female-led firms and gender wage policies. Industrial and Labor Relations Review 64(1), 143–163; Flabbi et al. (2019), a.a.O.; Kunze und Miller (2017), a.a.O.; sowie Theodoropoulos, Forth und Brysons (2022), a.a.O. Auch für Deutschland wurde dieser Zusammenhang für frühere Jahre nachgewiesen.Vgl. hierzu Boris Hirsch (2013): The impact of female managers on the gender pay gap: Evidence from linked employer-employee data for Germany. Economics Letters 119(3), 348–350; sowie Zimmermann (2022), a.a.O. Der vorliegende BerichtDieser Wochenbericht basiert auf Virginia Sondergeld und Katharina Wrohlich (2023): Women in Management and the Gender Pay Gap. DIW Discussion Paper Nr. 2046 (online verfügbar). Die Forschung wurde im Rahmen des Projekts „The Gender Wage Gap and the Impact of Policies: Analyses over time, over the life-cycle and across the wage distribution“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unter der Projektnummer 416447477 gefördert. geht dem auf Basis von Linked-Employer-Employee-Daten (LIAB) des IAB nun für die Jahre 2004 bis 2018 nach (Kasten).
Um zu untersuchen, ob der Frauenanteil auf der ersten und zweiten Führungsebene eines Unternehmens Auswirkungen auf die individuellen Löhne der Beschäftigten hat, wird ein Datensatz benötigt, der Informationen auf Betriebsebene (etwa zum Frauenanteil in Führungspositionen) und Informationen auf Ebene der Beschäftigten (etwa zu Löhnen) kombiniert. Die Linked-Employer-Employee-Daten (LIAB) des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind ein solcher Datensatz. In diesem werden die Interviews des IAB-Betriebspanels mit den zugehörigen Betriebs- und Personendaten aus den Prozessen der Bundesagentur für Arbeit zusammengeführt.Siehe Bächmann et al. (2023), a.a.O.; sowie Kohaut und Möller (2023), a.a.O. Im LIAB sind somit alle diese Informationen für Beschäftigte vorhanden, die in Betrieben des IAB-Betriebspanels arbeiten. Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Stichprobe aller Unternehmen in Deutschland. Für jede Welle werden jährlich mehr als 15000 Betriebe aller Wirtschaftszweige und Größenklassen befragt. Informationen über die Beschäftigten umfassen beispielsweise Tagesentgelt, Bildungsabschluss, Beruf und Alter. Informationen über den Frauenanteil auf der ersten und zweiten Führungsebene liegen für die Jahre 2004, 2008, 2012, 2014, 2016 und 2018 vor. Insgesamt wurden für die hier vorgestellten empirischen Untersuchungen Daten von mehr als 5,7 Millionen Beobachtungen (Beschäftigte pro Jahr) zugrunde gelegt.
Die Stichprobe wird auf Vollzeitbeschäftigte eingeschränkt, da in den LIAB-Daten mangels Angaben zur Arbeitszeit nur Tages- und keine Stundenentgelte enthalten sind. Des Weiteren werden nur Betriebe aus dem Privatsektor betrachtet und alle Personen in Führungspositionen aus der Stichprobe ausgeschlossen, um den Effekt auf den Gender Pay Gap der untergeordneten Mitarbeitenden zu identifizieren.
Für die Analyse der Frage, ob der Frauenanteil im Management einen Einfluss auf die Löhne der im jeweiligen Unternehmen beschäftigten Frauen und Männer hat, ist die Panelstruktur der LIAB-Daten entscheidend. In Paneldatensätzen werden dieselben Beobachtungseinheiten (in diesem Fall Betriebe) über viele Jahre hinweg beobachtet. Grundsätzlich könnte der Anteil der Frauen in Führungspositionen in einem Unternehmen mit unbeobachteten Faktoren wie der Unternehmenskultur korreliert sein, die gleichzeitig auch den Gender Pay Gap im Unternehmen beeinflussen. Um diese Effekte herauszurechnen, werden Panelmodelle genutzt, die betriebsspezifische fixe Effekte berücksichtigen. Zudem werden industriespezifische Zeittrends herausgerechnet.Details zur methodischen Vorgehensweise und Schätzgleichung sind in Sondergeld und Wrohlich (2023), a.a.O. zu finden.
Eine Dimension der Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt ist die Ungleichheit der Löhne von Männern und Frauen. Der Gender Pay Gap, also der prozentuale Unterschied der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen, betrug nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zuletzt 18 Prozent.Vgl. Statistisches Bundesamt (2023): Gender Pay Gap 2022: Frauen verdienten pro Stunde 18 Prozent weniger als Männer. Pressemitteilung Nr. 036 vom 30. Januar 2023 (online verfügbar). Aus den Daten des LIAB ergibt sich für Vollzeitbeschäftigte des Privatsektors ein Gender Pay Gap in ähnlicher Höhe, im Jahr 2018 betrug er in der für diesen Bericht untersuchten Stichprobe des LIAB gut 19 Prozent (Abbildung 2). Hierbei ist zu beachten, dass es sich um Tagesentgelte statt stündliche Entgelte handelt, da mangels Angaben zu Stundenarbeitszeiten nur diese in den LIAB-Daten verfügbar sind. Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Analyse nur Vollzeitbeschäftigte betrachtet.
Zahlreiche empirische Studien haben als wesentliche Einflussfaktoren des Gender Pay Gaps den Erwerbsumfang und die Erwerbserfahrung identifiziert.Vgl. zum Beispiel Christina Boll und Julian S. Leppin (2015): Die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland: Umfang, Ursachen und Interpretation. Wirtschaftsdienst Nr. 4, 249–254; sowie Frauke Mischler (2021): Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine Ursachenanalyse auf Grundlage der Verdienststrukturerhebung 2018. WISTA Nr. 4, 110–125. Da Frauen ab dem Alter von 30 Jahren häufiger als Männer familienbedingte Erwerbsunterbrechungen haben und aufgrund der größeren Belastung mit Sorgearbeit häufiger in Teilzeit erwerbstätig sind als Männer, steigt der Gender Pay Gap mit zunehmendem Alter an.Annekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt ab dem Alter von 30 Jahren stark an. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137–145 (online verfügbar); Annekatrin Schrenker und Katharina Wrohlich (2022): Gender Pay Gap ist in den letzten 30 Jahren fast nur bei Jüngeren gesunken. DIW Wochenbericht Nr. 9, 149–154 (online verfügbar); sowie Clara Schäper, Annekatrin Schrenker und Katharina Wrohlich (2023): Gender Pay Gap und Gender Care Gap steigen bis zur Mitte des Lebens stark an. DIW Wochenbericht Nr. 9, 99–105 (online verfügbar). Weitere wesentliche Einflussfaktoren sind der Beruf sowie die berufliche Stellung, die Branche und die Betriebsgröße. Werden alle diese individuellen und firmenspezifischen Variablen berücksichtigt, bleibt auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts ein unerklärter Rest des Gender Pay Gaps, der etwa sechs Prozent beträgt.
Der Frauenanteil in Führungspositionen kann – über die eingangs erwähnten Mechanismen – sowohl den unbereinigten als auch den bereinigten beziehungsweise unerklärten Teil des Gender Pay Gaps beeinflussen.Mischler (2021), a.a.O. Zu einer Diskussion der Begriffe „bereinigter“ und „unbereinigter“ Gender Pay Gap siehe den Eintrag „Gender Pay Gap“ im Glossar des DIW Berlin (online verfügbar). Wenn zum Beispiel Frauen in Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil im Management eher befördert werden und dadurch eine andere berufliche Stellung erlangen, würde sich dies im erklärten Teil des Gender Pay Gaps niederschlagen. Sofern ein höherer Frauenanteil im Management aber dazu führt, dass Frauen in gleicher beruflicher Position wie Männer höhere Löhne bekommen, etwa indem sie zu häufigeren Lohn(nach)verhandlungen ermutigt werden, würde dies den unerklärten Teil des Gender Pay Gaps beeinflussen.
Nahezu drei Viertel der Beschäftigten in Deutschland arbeiteten 2018 in Betrieben, die keine Frau auf der obersten Führungsebene hatten (Abbildung 3, linker Teil). Etwa elf Prozent der Beschäftigten arbeiteten in einem Betrieb mit einem Frauenanteil auf der obersten Führungsebene von bis zu einem Drittel und ein etwa gleich großer Anteil in einem Betrieb mit einem solchen Frauenanteil zwischen einem Drittel und zwei Dritteln. Nur fünf Prozent waren 2018 in Betrieben beschäftigt, in denen der Frauenanteil auf der obersten Führungsebene über zwei Drittel betrug.
Ein anderes Bild zeigt sich, wenn die Beschäftigten nach dem Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene ihres Betriebs betrachtet werden: Nur etwas mehr als ein Viertel aller Beschäftigten war im Jahr 2018 in einem Betrieb tätig, in dem es keine einzige Frau auf der zweiten Führungsebene gab (Abbildung 3, rechter Teil). Fast die Hälfte (46 Prozent) aller Beschäftigten arbeitete hingegen in einem Betrieb, in dem bis zu einem Drittel aller Mitglieder der zweiten Führungsebene Frauen waren. Bei einem guten Fünftel der Beschäftigten waren sogar mehr als ein Drittel der Mitglieder der zweiten Führungsebene Frauen.
Die empirische Analyse der Auswirkungen des Frauenanteils auf der ersten und zweiten Führungsebene auf den betriebsspezifischen Gender Pay Gap basiert auf der Schätzung eines Panelmodells mit betriebsspezifischen fixen Effekten (Kasten). Mit dieser Methode können unbeobachtete, zeitkonstante betriebsspezifische Faktoren – dazu zählt etwa die langjährige Unternehmenskultur – herausgerechnet werden.In der Analyse des betriebsspezifischen Gender Pay Gaps auf Basis der Tagesentgelte werden die Entgelte von Personen der ersten und zweiten Führungsebene ausgeschlossen. Zudem werden nur Vollzeitbeschäftigte in die Analyse eingeschlossen, da es sich um eine Analyse der Tagesentgelte handelt.
Die Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen zunächst, dass die Tagesentgelte vollzeitbeschäftigter Frauen innerhalb eines Betriebs durchschnittlich um gut 16 Prozent unter denen der vollzeitbeschäftigten Männer liegen.Tabellen mit den Ergebnissen der Regressionen sind in Sondergeld und Wrohlich (2023), a.a.O. zu finden. Der Frauenanteil auf der ersten oder zweiten Führungsebene hat zunächst keinen Einfluss auf die Entgelte der in diesem Betrieb beschäftigten Männer. Allerdings hat er einen statistisch signifikanten positiven Effekt auf die Entgelte von Frauen (im Vergleich zu jenen der Männer) und somit einen dämpfenden Effekt auf den Gender Pay Gap (Abbildung 4).
Im Einzelnen zeigen die Ergebnisse, dass ein Frauenanteil von unter einem Drittel auf der obersten Führungsebene keinen Einfluss auf den betriebsspezifischen Gender Pay Gap hat. Das bedeutet, in diesen Unternehmen ist der Gender Pay Gap nicht größer oder kleiner als in Betrieben ohne Frauen auf der obersten Führungsebene. Ein Frauenanteil von mehr als einem Drittel, aber unter zwei Dritteln, senkt den Gender Pay Gap um einen Prozentpunkt (im Vergleich zu Betrieben ohne Frauen auf der obersten Führungsebene). Ein Frauenanteil von mehr als zwei Dritteln auf der obersten Führungsebene senkt den Gender Pay Gap um gut zwei Prozentpunkte.
Deutlich größer ist der Einfluss von Frauen auf der zweiten Führungsebene: Liegt dort der Frauenanteil bei bis zu einem Drittel, ist der Gender Pay Gap um gut einen Prozentpunkt kleiner als in Unternehmen ohne Frauen auf der zweiten Führungsebene. Beträgt der Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene mehr als ein Drittel und weniger als zwei Drittel, ist der Gender Pay Gap knapp drei Prozentpunkte kleiner als in Betrieben ohne Frauen auf der zweiten Führungsebene. Gibt es auf der zweiten Führungsebene über zwei Drittel Frauen, ist der Gender Pay Gap sogar fast sechs Prozentpunkte geringer.
Die Tatsache, dass der Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene einen deutlich größeren Einfluss auf den Gender Pay Gap hat als auf der ersten Führungsebene, legt nahe, dass häufige Interaktionen mit Frauen als Vorgesetzten ein wichtiger Mechanismus sind, um geschlechtsspezifische Ungleichheiten der Löhne abzubauen. Zudem deuten die Schätzergebnisse auf Nicht-Linearitäten hin, insbesondere was den Frauenanteil auf der obersten Führungsebene betrifft: Erst wenn eine kritische Masse von mindestens einem Drittel Frauen auf der obersten Führungsebene erreicht ist, stellen sich Effekte auf den Gender Pay Gap ein. Sind in einem Betrieb weniger als ein Drittel aller Mitglieder der obersten Führungsebene Frauen, hat dies keinen Einfluss auf den Gender Pay Gap.
Der Frauenanteil in Führungspositionen hat einen statistisch signifikanten Einfluss auf den betriebsspezifischen Gender Pay Gap. Wie dieser Bericht zeigt, sinken die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern in einem Betrieb, je mehr Frauen dort in Führungspositionen tätig sind. Die größeren Effekte sind dabei mit Blick auf den Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene zu finden. Steigt in Unternehmen der Frauenanteil dort auf bis zu ein Drittel, sinkt der Gender Pay Gap um einen Prozentpunkt; bewegt sich der Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene zwischen einem Drittel und zwei Dritteln, sinkt der Gender Pay Gap um etwa drei Prozentpunkte.
Der Frauenanteil auf der obersten Führungsebene hat im Vergleich dazu einen deutlich geringeren Effekt auf den betriebsspezifischen Gender Pay Gap. Zudem zeigen sich hier Nicht-Linearitäten: So lange der Frauenanteil auf der obersten Führungsebene unter einem Drittel bleibt, zeigen sich keine statistisch signifikanten Veränderungen des Gender Pay Gaps. Diese Erkenntnis steht im Einklang mit der Hypothese, dass es einen kritischen Anteil an Frauen braucht, um bestimmte Veränderungsprozesse anzustoßen.Vgl. hierzu zum Beispiel Rosabeth Moss Kanter (1977): Some Effects of Proportions on Group Life. American Journal of Sociology 82/5, 965–990; oder Slison M. Konrad, Vicki Kramer und Sumru Erkut (2008): Critical mass: The impact of three or more women on corporate boards. Organizational Dynamics 37/2, 145–164. Vor dem Hintergrund, dass der Frauenanteil in den Vorständen der größten deutschen Unternehmen in den vergangenen Jahren zwar deutlich gestiegen ist, im Schnitt aber immer noch erst bei knapp einem Fünftel liegt, sind Spill-Over-Effekte auf den Gender Pay Gap in den jeweiligen Unternehmen auf Basis der hier vorgestellten Ergebnisse also (noch?) nicht zu erwarten. Setzen die Unternehmen ihre Bemühungen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, jedoch ehrgeizig fort und erreichen dort in den nächsten Jahren einen Frauenanteil von einem Drittel oder mehr, würde dies weiter bestehende ökonomische Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern potenziell verringern. Auch die Politik sollte ihr Engagement der letzten Jahre fortsetzen und entsprechenden Druck aufbauen, damit mehr Frauen in den obersten Führungsebenen privater Unternehmen zum Zug kommen und dies die genannten positiven Wirkungen entfalten kann.
JEL-Classification: D22;J16;J59;J78;L21;L32;M14;M51
Keywords: women directors, executive directors, women in management, gender equality, gender pay gap, gender wage gap, gender quota, linked employer-employee data, panel estimation
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-3-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/282323