An Ampel-Fortschritte anknüpfen: Künftige Regierung muss Energiewende konsequent weiterverfolgen

DIW aktuell ; 102 : Sonderausgaben zur Bundestagswahl 2025, 7 S.

Wolf-Peter Schill, Claudia Kemfert, Adeline Guéret, Franziska Holz, Alexander Roth, Felix Schmidt

2025

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28. Januar 2025 – Die Ampel-Regierung hat die Energiewende deutlich beschleunigt. Insbesondere der Ausbau der Solarenergie kam gut voran. Die Windenergie liegt derzeit zwar hinter dem Plan, aber die Rahmenbedingungen für einen künftig rascheren Zubau von Windkraftanlagen haben sich stark verbessert. Zudem wurden Fortschritte bei weiteren wichtigen Energiewende-Infrastrukturen wie etwa Strom- und Wasserstoffnetzen erreicht. Einige Bereiche hinken hingegen noch hinterher, insbesondere der Ausbau der Wärmepumpen und der Elektromobilität. Die nächste Bundesregierung muss die Energiewende entschlossen vorantreiben, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nicht zu gefährden. Neben einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien sollte sie mehr Tempo machen bei der Sektorenkopplung, also der verstärkten Nutzung erneuerbaren Stroms für Wärme, Verkehr und Wasserstoff. Zunehmend wichtig wird darüber hinaus die effiziente Systemintegration aller Technologien, also die stärkere Ausrichtung von Stromangebot und -nachfrage an Marktpreissignalen.

Die Ampel-Regierung war angetreten, um „neues Tempo in die Energiewende“ zu bringen.infoSPD, Grüne, FDP (2021): Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit (online verfügbar, abgerufen am 28. November 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt).Im Vergleich zum Energiewende-Tempo vorheriger Regierungskoalitionen ist ihr dies in vielen Bereichen gelungen. Die Ziele für verschiedene Schlüsseltechnologien der Energiewende wurden deutlich erhöht und sind nun weitgehend im Einklang mit aktuellen Klimaneutralitätsszenarien.infoVgl. Szenarien des Kopernikus-Projekts Ariadne (online verfügbar); sowie Vergleich der „Big 5“-Szenarien zur Klimaneutralität (online verfügbar). Die Ausbaugeschwindigkeit wurde bei vielen wichtigen Technologien merklich gesteigert, bleibt aber noch teils deutlich hinter den Zielen zurück.infoVgl. Wolf-Peter Schill et al. (2024): Ampel-Monitor Energiewende: ambitionierte Ziele, aber zu geringe Dynamik. Wirtschaftsdienst 104 (6), 427–430 (online verfügbar). Vgl. auch Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2024): fossilfrei-Podcast Folge 26 „Die Ampel und die Energiewende: Wir ziehen Bilanz!“ 13. Dezember 2024 (online verfügbar). Obwohl in manchen Feldern der Energiewende bisher noch keine großen Fortschritte messbar sind, schuf die scheidende Regierung eine Reihe von förderlichen Rahmenbedingungen und infrastrukturellen Voraussetzungen.

Die nächste Bundesregierung sollte an die Fortschritte der Ampel anknüpfen und die Fortführung der Energiewende zu einem ihrer zentralen Vorhaben machen. Dazu gehören insbesondere ein verstetigter Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Beschleunigung bei verschiedenen Technologien der Sektorenkopplung wie Elektromobilität, Wärmepumpen und grünem Wasserstoff.

Außerdem müssen all diese Technologien besser in das Energiesystem integriert werden. Gleichzeitig muss der Ausstieg aus fossilen Energien klar und geordnet angegangen werden. Insbesondere für Erdgas besteht auf Verbraucherseite noch große Unsicherheit über den Pfad hin zur angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2045. Im Folgenden wird ein Überblick über diese vier teilweise überlappenden Handlungsfelder gegeben. Die Basis sind laufend aktualisierte Daten des Open Energy Trackers.infoVgl. Open Energy Tracker (online verfügbar).

Ausbau der erneuerbaren Energien verstetigen

Bei der Photovoltaik (PV) war die Ausbaudynamik zuletzt hoch. Ende des Jahres 2024infoDer Datenstand für PV und Windkraft ist Anfang Januar 2025, basierend auf Daten der Bundesnetzagentur. Die Daten sind unter anderem wegen Nachmeldungen mit Unsicherheiten behaftet und dürften den tatsächlichen Ausbaustand zum Jahresende 2024 leicht unterschätzen.waren rund 99 Gigawatt (GW) installiert. Damit ist die PV-Leistung während der Zeit der Ampel-Regierung um mehr als 60 Prozent gewachsen. Aktuell liegt sie sogar leicht über dem im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegten Zielpfad (Abbildung 1, links). Dieser steigt in den kommenden Jahren noch weiter an, denn bis zum Jahr 2030 soll sich die installierte Leistung auf 215 GW noch einmal mehr als verdoppeln. Dazu müssen im Durchschnitt bis 2030 gut 18 GW pro Jahr zugebaut werden. Somit muss das zuletzt hohe Ausbautempo in den nächsten Jahren verstetigt und sogar noch leicht gesteigert werden.

Zur Nutzung der Windkraft an Land waren Ende des Jahres 2024 knapp 64 GW Leistung installiert. Dies sind nur etwa 14 Prozent mehr als beim Ampel-Start. Damit liegt der Ausbau deutlich unter dem Zielpfad (Abbildung 1, rechts). Bis zum Jahr 2030 soll die installierte Leistung auf 115 GW wachsen, was einen durchschnittlichen Nettozubau (unter Berücksichtigung des Abgangs von Altanlagen) von rund sieben GW pro Jahr bedeutet. Hierfür muss das Ausbautempo in der nächsten Legislaturperiode erheblich gesteigert werden. Hierfür wurden zuletzt gute Voraussetzungen geschaffen durch die Ausweisung zusätzlicher Flächen, die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie erhöhte Ausschreibungen. Bei den neuen Genehmigungen gibt es bereits ein erhebliches Wachstum.infoVgl. Fachagentur Windenergie an Land (2024): Monatliche Genehmigungen (online verfügbar). Die nächste Regierung sollte diese positive Dynamik nicht unterbrechen, sondern weiter fördern.

© DIW Berlin

Seit dem Jahr 2020 ist die Stromerzeugungsleistung der Windkraft auf See kaum gewachsen. Ende des Jahres 2024 waren etwas über neun GW installiert, das sind 17 Prozent mehr als beim Ampel-Start. Die jüngsten Zubauten wurden allerdings schon einige Jahre zuvor angestoßen. Dies liegt daran, dass neue Offshore-Windparks sehr lange Vorlaufzeiten haben wegen der notwendigen Flächenentwicklung, den langwierigen Prozessen bei Netzanschlüssen und der speziellen logistischen Herausforderungen. Daher werden sich die Maßnahmen der Ampel-Regierung für die Offshore-Windkraft und auch die zuletzt erfolgreichen Ausschreibungsergebnisse (8,8 GW im Jahr 2023 und weitere acht GW im Jahr 2024) auch erst in einigen Jahren in konkreten Zubauzahlen niederschlagen. Bis zum Jahr 2030 soll die Leistung auf 30 GW mehr als verdreifacht werden. Die nächste Bundesregierung kann die Realisierung dieses ambitionierten Zubaupfads durch fortgesetzte Ausschreibungen für neue Anlagen und die Verbesserung der infrastrukturellen Randbedingungen unterstützen.

Sektorenkopplung muss Fahrt aufnehmen

Passend zu zahlreichen KlimaneutralitätsszenarieninfoOpen Energy Tracker (online verfügbar). für den Wärmesektor hatte die Ampel ein Ziel von sechs Millionen Wärmepumpen im Jahr 2030 formuliert. Ende des Jahres 2024 waren rund 1,9 Millionen Wärmepumpen installiert, etwa 60 Prozent mehr als beim Ampel-Start.infoLuft-Luft-Wärmpumpen sind in der Statistik nicht enthalten. Das Wachstum ist jedoch deutlich zu langsam, um das Ziel fristgerecht zu erreichen. Zudem wurden zuletzt noch erheblich mehr neue fossile Heizungen als Wärmepumpen eingebaut.infoVgl. Angaben des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie (online verfügbar). Um die Wärmewende nicht weiter zu verzögern und einen weiteren Lock-In bei fossilen Heizungstechnologien zu vermeiden, muss die nächste Bundesregierung die kommunikative Unsicherheit beenden, indem sie die Notwendigkeit und die Vorteile von Wärmepumpen klar darlegt. Zudem sollte sie an den wesentlichen Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes sowie an den beschlossenen Fördermaßnahmen festhalten, damit Hersteller und Käufer*innen von Wärmepumpen langfristig planen können.

Deutschland strebt bis 2030 ein Flottenziel von 15 Millionen für vollelektrische Pkw an. Ende des Jahres 2024 waren knapp 1,7 Millionen rein batterieelektrische Pkw in Deutschland zugelassen. Das ist zwar gut eine Million mehr als zu Beginn der Ampel, aber das Wachstum ist deutlich zu gering, um das Ziel zu erreichen. Auch hier sollte die künftige Bundesregierung keine weitere Technologieunsicherheit schüren, sondern Technologieklarheit schaffen vor dem Hintergrund, dass der batterieelektrische Antrieb bei Pkw sich weltweit immer mehr durchsetzt. Ähnliches gilt auch für den Straßengüterverkehr, in dem aufgrund von Vorteilen bei Energieeffizienz, Kosten und Marktentwicklung ein klarer Fokus auf batterieelektrische Antriebe gelegt werden sollte.infoWolf-Peter Schill et al. (2024): Klimaschutz im Straßengüterverkehr: Die Zukunft ist batterieelektrisch. DIW Wochenbericht 47, 743-753 (online verfügbar). Bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur gab es zuletzt ein deutliches Wachstum: So hat sich die Zahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte seit Ampel-Start auf über 150.000 Ladepunkte mehr als verdoppelt.infoViele weitere Informationen zur Elektromobilität gibt es laufend aktualisiert auf dem Open Energy Tracker (online verfügbar).Die nächste Bundesregierung sollte das Ladenetz weiter ausbauen und dabei den Fokus noch stärker auf öffentliche Schnellladepunkte legen. Dabei wäre auch eine Konkretisierung des politischen Ausbauziels sinnvoll. Die Ampel hatte sich „eine Million öffentliche Ladepunkte“ bis zum Jahr 2030 vorgenommen, ohne zwischen Langsam- und Schnellladern zu differenzieren. Sinnvoller erscheint jedoch eine Zielformulierung, die spezifisch auf Schnellladepunkte oder die insgesamt installierte Ladeleistung abzielt. Hinzu kommt der Ausbau von Schnellladeinfrastruktur für elektrische Lkw, der jüngst angestoßen wurde und kraftvoll fortgesetzt werden sollte.

Für grünen Wasserstoff sieht die Nationale Wasserstoffstrategie bis zum Jahr 2030 eine Elektrolyseleistung von zehn GW vor. Derzeit ist erst gut ein Prozent davon erreicht.infoEine neue Chlor-Alkali-Elektrolyseanlage, bei der Wasserstoff nur ein Nebenprodukt ist, wurde dabei nicht mitgezählt.Viele Projekte befinden sich in unterschiedlichen Planungsphasen. In der nächsten Legislaturperiode sollten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass möglichst viele Projekte auch realisiert werden. Dies kann zum Beispiel durch zielgerichtete Ausschreibungen für Elektrolyse unterstützt werden. Auch bei Wasserstoffimporten gibt es Handlungsbedarf. Hier müssen aus den vorliegenden Absichtserklärungen zeitnah tatsächliche Lieferungen von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten werden. Zudem muss der Hochlauf von Wasserstoffangebot, -nachfrage und -infrastruktur koordiniert werden.infoVgl. Martin Kittel et al. (2023): Nationale Wasserstoffstrategie konsequent und mit klarem Fokus umsetzen. DIW Wochenbericht 41, 561–571 (online verfügbar).Sowohl in der einheimischen Erzeugung als auch bei Importen sollte die nächste Bundesregierung den Fokus weiterhin auf grünen Wasserstoff aus erneuerbarem Strom legen. Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit CO2-Abscheidung („blauer Wasserstoff“) dürfte in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen, und Wasserstoff aus Erdgas oder gar Stein- oder Braunkohle ohne CO2-Abscheidung („grauer“ bzw. „schwarzer“ oder „brauner“ Wasserstoff) verbietet sich aus Klimaschutzgründen.

Schlüsseltechnologien besser in Energiesystem integrieren

Sowohl Windkraft- und Photovoltaikanlagen als auch die diversen Technologien der Sektorenkopplung müssen künftig nicht nur stärker ausgebaut, sondern auch besser in das Energiesystem integriert werden. Ein Schlüsselbegriff hierfür ist „Flexibilität“, die sowohl auf der Stromerzeugungs- als auch auf der Nachfrageseite geschaffen werden kann. Hinzu kommen verschiedene Typen von Speichern und der europäische Stromaustausch. In all diesen Bereichen sollte die nächste Bundesregierung verstärkt auf mehr Flexibilität setzen.

Dabei sollte der schwankende Großhandelspreis eine größere Rolle spielen, da dieser ein guter Indikator für die Knappheit im Gesamtsystem ist. Großhandelspreise sollten künftig sowohl die Investitionen als auch den Einsatz im Stromsektor und in der Sektorenkopplung stärker leiten. Dies erforderte zunächst einmal, dass Erzeuger, Verbraucher*innen und Speicher den Großhandelspreis überhaupt sehen und auf ihn reagieren können, beispielsweise durch Fortschritte bei den bisher viel zu langsamen Einführungen von intelligenten Stromzählern (sogenannte Smart Meter). Außerdem müssen in Förder- und Entgeltsystematiken hinreichende Anreize zu einem entsprechenden Betrieb gegeben werden.

Derartige Anreize sind insbesondere relevant für den Ausbau der Photovoltaik. Derzeit wird der PV-Ausbau überwiegend von relativ kleinen Aufdachanlagen getrieben, die durch fixe Einspeisetarife in Kombination mit Eigenverbrauchsvorteile gefördert werden.info[1] Vgl. hierzu weitere Darstellungen zum PV-Ausbau nach Größenklassen und Förderarten (online verfügbar). Dabei sind die Anlagen, oft in Kombination mit PV-Speichern, heute weitgehend „systemblind“. Durch intelligente Zähler in Kombination mit stärker am Großhandelspreis orientierten Einspeise- und Netztarifen könnte der Eigenverbrauch stärker systemorientiert werden. Zudem muss schnell eine pragmatische technische Lösung für das drohende Überspeisungsproblem von ungeregelten Aufdachanlagen an sonnigen Tagen mit geringer Stromnachfrage gefunden werden.

Dieser Aspekt sollte auch in der anstehenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes berücksichtigt werden. Dabei muss es darum gehen, die Förderung der erneuerbaren Stromerzeugung so weiterzuentwickeln, dass sowohl die Investitionen als auch der Betrieb von (großen) PV- und Windkraftanlagen künftig stärker systemorientiert sind. Wichtig dabei ist aber, den Ausbau weiter hochzuhalten und die Finanzierungskosten erneuerbarer Energien nicht unnötig zu verteuern.

Aufgrund des vorzeitigen Endes der Ampel-Koalition werden Vorhaben wie das von vielen Akteuren lang erwartete Kraftwerkssicherheitsgesetz in dieser Legislatur wahrscheinlich nicht mehr umgesetzt. Die nächste Bundesregierung sollte sich des Themas der Versorgungssicherheit annehmen und gleichzeitig die Systemintegration fluktuierender erneuerbarer Energien und die Rolle von Speichern von Anfang an mitdenken. Flexibilitäts-Technologien sollten durch die Einführung eines Kapazitätsmechanismus nicht unterdrückt, sondern möglichst gefördert werden. Ob dies mit einem zentralen Kapazitätsmarkt möglich ist, wie er derzeit von vielen Marktakteuren favorisiert wird, erscheint mehr als fraglich. Eine Alternative könnte eine weiterentwickelte Versorgungssicherheitsreserve sein, die nicht erst im Extremfall einer fehlenden Markträumung, sondern bereits bei moderat hohen Strommarktpreisen aktiviert wird. Sie könnte es erlauben, diverse nachfrage- und speicherseitige Flexibilitäts-Technologien zu aktivieren und gleichzeitig den Strommarkt gegen Extremereignisse abzusichern.infoKarsten Neuhoff et al. (2024): Versorgungssicherheitsreserve kann Strommarkt absichern und Flexibilität erschließen. DIW Wochenbericht 49, 781-789 (online verfügbar).

Nicht zuletzt sollte die nächste Bundesregierung den Einstieg in Langfristspeicher angehen.infoVgl. Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2024): fossilfrei-Podcast Folge 27 „Kurzfristig, langfristig, exotisch: Energiespeicher erklärt“ 17.01.2025 (online verfügbar). Zwar werden diese heute noch nicht gebraucht, sind aber in einem künftigen weitgehend auf fluktuierenden erneuerbaren Energien basierten Energiesystem zentral, um dieses im Fall von Extremereignissen wie ausgeprägten „Dunkelflauten“ stabil zu halten.infoMartin Kittel, Alexander Roth und Wolf-Peter Schill (2024): Coping with the Dunkelflaute: Power system implications of variable renewable energy droughts in Europe. arXiv:2411.17683 (online verfügbar).n
 Aus heutiger Sicht scheint es plausibel, dass solche Speicher auf der Erzeugung, unterirdischen Speicherung und Rückverstromung von grünem Wasserstoff basieren. All diese Technologien sind zwar grundsätzlich bekannt, es gibt aber bisher noch keine großen Anlagen, und die Vorlaufzeiten zu ihrer Errichtung dürften lang sein. Daher besteht ein dringender Bedarf, ihr Zusammenspiel als Langfristspeicher im größeren Stil zu erproben, zu optimieren und den Markthochlauf anzustoßen, um rechtzeitig in Zukunft die erforderlichen Lieferketten und Kapazitäten zu haben.

Klimaneutralität erfordert Ausstieg aus Kohle, Erdgas und Erdöl

Die neue Bundesregierung muss den Ausstieg aus fossilen Energien klarer als bisher und geordnet angehen. Der Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 (für Braunkohle im Rheinland) beziehungsweise spätestens 2038 (für Braunkohle in Ostdeutschland und Steinkohle) darf nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr sollte ein Vorziehen des Ausstiegsdatums auch für die verbleibenden Steinkohlekraftwerke sowie die Braunkohle in der Lausitz und in Mitteldeutschland geprüft werden.

Eine ausgesprochen große Unsicherheit über den Pfad hin zum Klimaneutralitätsziel 2045 besteht auf der Verbraucherseite insbesondere für Erdgas. Die Unterstützung der Ampelregierung für neue LNG-Terminals und sogar langfristige Importverträge könnten fälschlicherweise als Signal gedeutet werden, dass Erdgas noch bis 2045 eine wichtige Rolle spielen wird. Dies würde aufgrund der Klimawirkung von Erdgas sowohl bei der Nutzung als auch durch Leckagen aber die Klimaziele Deutschlands gefährden.infoPeter Ahmels, Jana Bosse, Hanna Brauers, Isabell Braunger, Andy Gheorghiu, Eric Häublein, Franziska Holz, Claudia Kemfert, und Fabian Präger (2021): Am Klimaschutz vorbeigeplant - Klimawirkung, Bedarf und Infrastruktur von Erdgas in Deutschland: Hintergrundpapier. DIW Politikberatung kompakt 166, II (online verfügbar). Gleichzeitig werden die steigenden CO2-Preise die Nutzung von Erdgas für alle Verbraucher immer teurer machen. Daher sollte in der kommenden Legislaturperiode auch die Stilllegung von Verteilnetzen für Erdgas reguliert werden.info 
Isabell Braunger et al. (2024): Wärmewende: Bundesregierung sollte Kommunen bei der Stilllegung der Erdgasnetze unterstützen. DIW Wochenbericht 13-14 (online verfügbar)
Erdgasanbieter und Kommunen müssen die Möglichkeit bekommen, für die Verbraucher verbindliche Ausstiegsdaten festzulegen. Mit verlässlichen Rahmendaten und gegebenenfalls Unterstützung beim Technologiewechsel sollte der Erdgasausstieg sozialverträglich möglich sein.

Auch Erdöl ist in der Wärmeerzeugung in Deutschland nach wie vor verbreitet. Die nächste Bundesregierung sollte geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Ausstieg aus Ölheizungen weiter zu beschleunigen. Der Rückgang der Nutzung von Erdöl im Verkehrssektor kann durch die weitere Verbreitung von batterieelektrischen Antrieben erreicht werden. Auch für andere Verbrauchssektoren sollte nun aufgrund der immer dringlicheren Klimakrise ein Ausstiegspfad entwickelt werden. Insbesondere für die Petrochemie und Kunststoffindustrie wird dies eine große Herausforderung sein.

Die Ampelregierung hat Mitte 2024 eine sogenannte Carbon-Management-Strategie veröffentlicht und sich damit ein Stück weit vom Ziel des vollständigen Ausstiegs aus fossilen Energieträgern verabschiedet.info
Siehe Bundesregierung (2024): Eckpunkte der Carbon-Management-Strategie (online verfügbar)
 Es ist zu erwarten, dass die künftige Bundesregierung an dieser Strategie festhält und sie in weiteren Gesetzesvorhaben konkretisiert. Carbon Management mittels der CCS-Technologie (Carbon Capture & Storage) kann jedoch kein Ersatz für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Umstellung bisher fossiler Prozesse auf erneuerbaren Strom sein. In der Konkretisierung und legislativen Umsetzung der Carbon-Management-Strategie sollte sich die neue Bundesregierung CCS auf unvermeidbare Emissionen, insbesondere schwer zu dekarbonisierende industrielle Prozesse, beschränken.infoVgl Sachverständigenrat für Umweltfragen (2024): CCS in Deutschland rechtlich auf unvermeidbare Restemissionen begrenzen: Stellungnahme zur KSpG-Novelle (online verfügbar).Erdgaskraftwerke und andere Stromerzeugungstechnologien gehören nicht dazu. Eine zu große Bedeutung von CCS in den Plänen der neuen Bundesregierung birgt das Risiko, auf eine Technologie zu setzen, die nach wie vor nicht im großen Maßstab erprobt ist und deren Verbreitung unsicher ist. Gleichzeitig steht die nächste Bundesregierung vor der Herausforderung, neben der Wasserstoff-Infrastruktur auch den Aufbau einer CO2-Infrastruktur anstoßen und regulieren zu müssen.

Fazit: Erneuerbare rasch ausbauen und flexibler nutzen, aus fossilen Energien aussteigen und Alternativen fördern

Die künftige Bundesregierung sollte den Ausbau erneuerbarer Energien weiter vorantreiben, die Sektorenkopplung beschleunigen und auf eine bessere System- und Marktintegration der verschiedenen Energiewende-Technologien hinwirken. Bei der Photovoltaik sollte das aktuell hohe Ausbauniveau verstetigt werden. Gleichzeitig braucht es Anreize dafür, die Stromeinspeisung, Speicherung und den Eigenverbrauch von kleineren PV-Dachanlagen stärker systemorientiert zu gestalten. Bei der Windkraft an Land und auf See geht es darum, die diversen bereits angestoßenen Maßnahmen konsequent umzusetzen und bestehende Hürden weiter abzubauen. Im Bereich der Wärmewende sollten weitere Verzögerungen vermieden werden. Der Ausbau von Wärmepumpen muss beschleunigt und die Neuinstallation fossiler Heizgeräte so schnell wie möglich beendet werden. Außerdem sollten Betreiber von Erdgas-Verteilnetzen und Kommunen die Möglichkeit bekommen, für die Verbraucher*innen verbindliche Ausstiegsdaten festzulegen. Wichtig ist eine faktenorientierte und klare Kommunikation der Politik auch mit Blick darauf, welche Technologien sinnvoll sind. Ähnliches gilt für den beschleunigten Einstieg in die Elektromobilität, wo die Neuzulassungsanteile von Fahrzeugen mit Elektromotor schneller steigen und die von solchen mit Verbrennungsmotoren schneller sinken sollten. Beim grünen Wasserstoff geht es um eine konsequente Umsetzung der Wasserstoffstrategie in Hinblick auf die zeitnahe Realisierung von Importen und den Hochlauf der heimischen Elektrolyse. Dabei sollte es eine klare Fokussierung auf grünen Wasserstoff aus Elektrolyse und keine Hintertür für erdgasbasierten Wasserstoff geben. Der Einsatz von Wasserstoff sollte weiterhin auf Bereiche konzentriert bleiben, die nur schwierig elektrifizierbar sind. Die CO2-Abscheidung und -Speicherung darf nicht als Strategie zur Vermeidung der notwendigen Dekarbonisierung von Sektoren dienen, die ihren Energieverbrauch kostengünstig auf erneuerbaren Strom oder grünen Wasserstoff umstellen können.

Insgesamt sollte die Energiewende nicht ausgebremst, sondern weiter beschleunigt werden. Die von der Ampel-Regierung verbesserten Ziele und Maßnahmen zu den hier diskutierten Schlüsseltechnologien sollten nicht ohne Not abgeschwächt werden. Auch vor dem Hintergrund von oft langfristigen Planungs- und Genehmigungsprozessen sowie langen Vorlaufzeiten beim Aufbau von Lieferketten sollte eine Stop-and-Go-Politik bei der Energiewende unbedingt vermieden werden. Die Planungssicherheit für Investoren und Konsument*innen könnte außerdem dadurch erhöht werden, dass die Politik keine falsch verstandene „Technologieneutralität“ verfolgt, sondern vielmehr „Technologieklarheit“ auf Basis des Stands der Forschung schafft. Dann kann die Energiewende auf einen Pfad kommen, mit dem das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 zu schaffen ist.

Adeline Guéret

Wissenschaftliche Mitarbeiterin & Doktorandin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Alexander Roth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Franziska Holz

Stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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