Blog Marcel Fratzscher vom 13. Oktober 2025
Populisten inszenieren Klimaschutz als Klassenkampf und schüren so Ängste. Fakt ist: Das Aus für den Verbrennungsmotor ist sozial, wenn die Kosten fair verteilt werden.
Die Bundesregierung streitet über das geplante Verbrenner-Aus ab 2035. Dabei geht es nicht nur um Klimapolitik, sondern auch um soziale Gerechtigkeit: Wer trägt die Kosten – und wer profitiert? In Deutschland instrumentalisieren populistische Kräfte diese Debatte zunehmend, indem sie Klimaschutz als elitär und unsozial darstellen. Sie bedienen Narrative über die Verteilungswirkungen, schüren Ängste und werben so um Zustimmung.
Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, wie solche Narrative wirken. Wer Klimapolitik als ungerecht darstellt, verstärkt klimapopulistische Einstellungen – also die Sichtweise, dass Klimaschutz ein Projekt der Eliten sei, das zulasten der breiten Bevölkerung geht. Klimapopulismus untergräbt die Akzeptanz notwendiger Maßnahmen.
Diese Kolumne von Marcel Fratzscher und Lorenz Meister erschien am 10. Oktober 2025 in der ZEIT in der Reihe Fratzschers Verteilungsfragen.
Besonders wirksam ist das Narrativ, Klimaschutz belaste vor allem einkommensschwache Haushalte. In Ostdeutschland, bei Menschen mit sehr niedrigem Einkommen und bei Wählerinnen und Wählern rechts der Mitte verfängt es am stärksten. Die Studie macht deutlich: Klimapolitik wird entlang bestehender Bruchlinien instrumentalisiert – und vertieft die gesellschaftliche Spaltung, wenn die Politik nicht gegensteuert.
In der Diskussion über das Verbrenner-Aus wird dies besonders deutlich. Kritiker des Verbots argumentieren, der Umstieg auf Elektroautos sei Luxus für Wohlhabende, während Geringverdienende ohne Alternative dastünden.
Die wissenschaftlichen Fakten zeichnen jedoch ein anderes Bild. Der Verbrennungsmotor ist eine Technologie, die im krassen Widerspruch zu den vereinbarten Zielen des Klimaschutzes steht. Synthetische Kraftstoffe werden dabei keine Alternative zu fossilen Kraftstoffen sein können.
Die Entscheidung zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor ist längst getroffen – und zwar nicht in Deutschland, sondern in China, in den USA und anderen großen Märkten. Am Verbrennungsmotor festzuhalten, wäre daher für die deutsche Industrie kontraproduktiv, da sie auf eine Technologie wetten würde, die bereits heute immer weniger nachgefragt und in zehn Jahren kaum mehr vorhanden sein wird. Das Ende des Verbrennungsmotors ist also im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit und gehört zu einer klugen Industriepolitik in Deutschland und Europa.
Hinzu kommt ein weiteres institutionelles Argument: Die Regulierung zum Verbrenner-Aus ab 2035 zurückzunehmen, würde das Vertrauen in die Politik in Deutschland und Europa erheblich beschädigen. Wieder einmal würde ein gegebenes Versprechen kassiert und eine Kehrtwende vollzogen. In einem solchen Umfeld können Unternehmen keine verlässlichen Investitionsentscheidungen treffen. Der Schaden für die deutsche Industrie würde sich weit über die der Automobilbranche erstrecken.
Die Argumente gegen das Aus des Verbrenners sind daher falsch und greifen zu kurz. Es ist unbestreitbar, dass Klimaschutzmaßnahmen kurzfristig Kosten verursachen können. Doch die entscheidende Frage ist, wie diese Kosten verteilt werden. Klimaschutzmaßnahmen schaffen soziale Akzeptanz, wenn sie Menschen mit wenig Einkommen entlasten und solche, denen die Anpassung an grüne Technologien schwerfällt.
Ein Beispiel dafür ist das Konzept des Klimageldes, bei dem Einnahmen aus CO₂-Abgaben gezielt an die Bevölkerung zurückgegeben werden, um die sozialen Auswirkungen abzufedern. Richtig ausgestaltet stärkt es die Kaufkraft derjenigen, die besonders unter höheren Energiepreisen leiden, und erhöht das Vertrauen, dass Klimapolitik fair ist. Wichtig ist jedoch, dass solche Maßnahmen nicht nur als Alibi dienen, sondern wirken – spürbar für die Menschen.
Es ist nicht zielführend, Klimageld zu verteilen, wenn gleichzeitig die CO₂-Preise so hoch sind, dass sie für die breite Bevölkerung eine Belastung darstellen. Symbolpolitik reicht nicht – sonst werden Vorwürfe der Ungerechtigkeit zur selbsterfüllenden Prophezeiung, denn populistische Parteien profitieren stark von Protestwählern und -wählerinnen.
Die Diskussion über das Verbrenner-Aus ist damit ein Test, ob Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden kann. Wenn die Politik es versäumt, soziale Härten abzufedern und Chancen klar zu kommunizieren, überlässt sie das Feld den Populisten und gefährdet die ökologische und ökonomische Zukunft Deutschlands. Wie ein kluges und sozial ausgewogenes Klimageld funktionieren kann, hat vor Kurzem eine Studie des DIW Berlin gezeigt. Sie schlägt vor, auch regionale und soziale Unterschiede stärker in den Mittelpunkt der Ausgestaltung zu stellen.
Eines ist klar: Klimaschutz wird nur dann erfolgreich sein, wenn er nicht als Belastung, sondern als gemeinsames Projekt wahrgenommen wird. Wer Klimapolitik als Klassenkampf von oben brandmarkt, gefährdet am Ende nicht die Eliten, sondern die Chancen der vielen. Gerecht gestaltete Politik schützt Klima und Wohlstand zugleich – alles andere wäre ein Geschenk an den Populismus.
Themen: Klimapolitik , Steuern , Ungleichheit