Versorgungssicherheitsreserve kann Strommarkt absichern und flexible Nachfrage fördern

Pressemitteilung vom 4. Dezember 2024

Studie untersucht, wie sich Kapazitätsmechanismen auf den Strommarkt auswirken – Zentraler Kapazitätsmarkt begrenzt Anreize für Investitionen in nachfrageseitige Flexibilität – Versorgungssicherheitsreserve ist schneller umsetzbar und fördert flexible Nachfrage deutlich stärker

In Deutschland soll ein Kapazitätsmechanismus eingeführt werden, um die Stromversorgung auch in Extremsituationen abzusichern. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) untersucht in einer Modellrechnung zwei mögliche Mechanismen und zeigt: Ein zentraler Kapazitätsmarkt deckelt die Strompreise stark, wodurch Investitionen in nachfrageseitige Flexibilitätstechnologien in der Industrie und im Fernwärmebereich unattraktiv werden. Bei vergleichbaren Gesamtkosten für Stromkund*innen fördert eine Versorgungssicherheitsreserve die Flexibilität der Nachfrage dagegen deutlich stärker.

© DIW Berlin

„Durch den weiteren Ausbau von Wind- und Solarenergie schwankt die Stromproduktion immer stärker. Verbraucher können darauf flexibel reagieren, wenn sie ihren Stromverbrauch zeitlich verschieben, indem sie Produkt- oder Wärmespeicher nutzen“, erklärt Studienautor Wolf-Peter Schill. „Unsere Studie zeigt, dass dies bei einer Versorgungssicherheitsreserve deutlich stärker geschieht als bei einem zentralen Kapazitätsmarkt.“

Versorgungssicherheitsreserve führt zu höheren Investitionen in flexible Nachfrage

Ein Kapazitätsmechanismus vergütet Akteure im Strommarkt dafür, dass sie steuerbare Leistung bereitstellen – auch wenn beispielsweise Spitzenlastkraftwerke eventuell nur wenige Stunden im Jahr laufen. Der Mechanismus kann sehr unterschiedlich ausgestaltet werden. Eine derzeit von vielen Akteuren favorisierte Option ist ein zentraler Kapazitätsmarkt. Hier ermittelt der Regulierer die erforderliche Kapazitätsmenge und schreibt diese in Auktionen aus. Akteure mit dem niedrigsten Angebotspreis erhalten Kapazitätszahlungen und vermarkten ihren Strom parallel am Großhandelsmarkt. Die Studienautor*innen schlagen hingegen eine weiterentwickelte Versorgungssicherheitsreserve vor. Hier werden Kraftwerke vorgehalten, die nur dann Strom produzieren, wenn der Strompreis auf einen festgelegten, moderat hohen Wert von beispielsweise 500 Euro pro Megawattstunde steigt. Ein Regulierer bestimmt die erforderliche Größe der Reserve und beschafft die Kapazitäten in Auktionen.

„Die Versorgungssicherheitsreserve stärkt das Investitionsumfeld für Speichertechnologien und stabilisiert die Energiekosten“ Karsten Neuhoff

Die Berechnungen zeigen, dass beide Mechanismen die Stromnachfrage in allen modellierten Wetterjahren sichern und auch zu vergleichbaren Gesamtkosten führen. Sie wirken sich jedoch unterschiedlich auf die Großhandelspreise für Strom und damit die Wirtschaftlichkeit nachfrageseitiger Flexibilität aus: Bei der Reserve schwanken die Großhandelspreise stärker als beim zentralen Kapazitätsmarkt, wodurch Anreize gesetzt werden, in flexible Nachfragetechnologien zu investieren. Entsprechend wird fast viermal so viel in Produktspeicher zur Flexibilisierung der energieintensiven Industrie investiert wie bei einem Kapazitätsmarkt. Auch bei Speichern für Prozesswärme verdoppeln sich die Investitionen, und bei Fernwärmespeichern steigen sie auf mehr als das Fünffache. Dies ermöglicht es, die Stromnachfrage dieser Verbraucher zeitlich deutlich stärker zu verschieben.

In- und ausländische Erfahrungen mit Reserven können genutzt werden

Die weiterentwickelte Versorgungssicherheitsreserve bietet weitere Vorteile. „Sie lässt sich schnell umsetzen, da auf umfassende Erfahrung mit Reserven aufgebaut werden kann. Sie sichert den Strommarkt gegen die Unsicherheiten ab, stärkt so das Investitionsumfeld für diverse Speichertechnologien und stabilisiert Energiekosten für Stromkund*innen“, so Studienautor Karsten Neuhoff. Auch deshalb könnte die Reserve eine bessere Alternative zu einem zentralen Kapazitätsmarkt sein.

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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