Gender Pay Gap steigt in allen Bildungsgruppen mit dem Alter stark an

DIW Wochenbericht 10 / 2025, S. 131-137

Fiona Herrmann, Katharina Wrohlich

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  • Studie untersucht auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) Gender Pay Gap nach Alter und Bildungsabschluss
  • Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern steigt mit zunehmendem Alter in allen Bildungsgruppen an, am stärksten bei Personen mit Hochschulabschluss
  • Altersmuster ist in Westdeutschland deutlicher ausgeprägt als in Ostdeutschland
  • Politik sollte Anreize für gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbsarbeit und Sorgearbeit wie Kinderbetreuung und Hausarbeit setzen, um Gender Pay Gap zu reduzieren
  • Ansatzpunkte sind Reform von Ehegattensplitting und steuerlicher Behandlung von Minijobs – beides macht bisher Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung für Frauen attraktiv

„Vollzeitarbeit schützt eher vor dem Gender Pay Gap als Bildung. Wir wissen, dass unter den verschiedenen Faktoren des Gender Pay Gaps die unterschiedliche Erwerbsarbeitszeit, also Wochenarbeitsstunden, mittlerweile ein sehr wichtiger Erklärungsfaktor ist. In Teilzeit tätig zu sein bedeutet, dass man auch pro Stunde weniger verdient.“ Katharina Wrohlich

Der Gender Pay Gap, also die durchschnittliche Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern, lag zuletzt bei 16 Prozent. Wie dieser Bericht auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) anlässlich des diesjährigen Equal Pay Days zeigt, verbergen sich hinter diesem Durchschnittswert mitunter große Unterschiede nach Alters- und Bildungsgruppen. So steigt der Gender Pay Gap mit zunehmendem Alter in allen Bildungsgruppen deutlich an und ist bei älteren Beschäftigten mit Hochschulabschluss am größten. Das Altersmuster ist dabei in Westdeutschland deutlich stärker ausgeprägt als in Ostdeutschland. Will die Politik der hohen geschlechtsspezifischen Entgeltungleichheit entgegenwirken, sollte sie Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern schaffen. Ansatzpunkte sind eine Reform des Ehegattensplittings und der steuerlichen Behandlung der Einkünfte aus Minijobs. Beides macht derzeit eine Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung vor allem für verheiratete Frauen zumindest kurzfristig finanziell attraktiv und verfestigt dadurch bestehende geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt.

Der Gender Pay GapinfoZur Diskussion des Begriffs siehe den Eintrag Gender Pay Gap im Glossar des DIW Berlin (online verfügbar; abgerufen am 17. Februar 2025. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt)., also der prozentuale Unterschied der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen, lag nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2024 bei 16 Prozent.infoVgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 13. Februar 2025: Gender Pay Gap sinkt 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 18 Prozent auf 16 Prozent (online verfügbar). Das waren zwei Prozentpunkte weniger als in den Jahren zuvor, als der Gender Pay Gap konstant 18 Prozent betrug. Hinter diesem durchschnittlichen Verdienstunterschied verbergen sich jedoch große Unterschiede zwischen soziodemografischen Gruppen: In Ostdeutschland ist der Gender Pay Gap beispielsweise deutlich niedriger als in Westdeutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag er 2024 in Ostdeutschland bei fünf Prozent, in Westdeutschland hingegen bei 17 Prozent.infoVgl. Statistisches Bundesamt (2025), a.a.O.

Anlässlich des Equal Pay DaysinfoDer Equal Pay Day wurde ursprünglich in den USA initiiert und 2007 erstmalig in Deutschland organisiert. Er steht jährlich für den Tag, bis zu dem Frauen quasi unbezahlt arbeiten, vgl. dazu auch die Website der Kampagne Equal Pay Day. Er fällt in diesem Jahr auf den 7. März, da 18 Prozent (so hoch war der Gender Pay Gap im Jahr 2023, das der Berechnung für den Equal Pay Day 2025 zugrundeliegt) von 365 Tagen 66 Tagen entsprechen., der in diesem Jahr auf den 7. März fällt, präsentiert dieser Bericht auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP, Kasten 1) detaillierte Auswertungen der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit nach Alters- und Bildungsgruppen und stellt diese den geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in der Erwerbsarbeitszeit gegenüber.infoDas Sozio-oekonomische Panel (SOEP) umfasst zwar eine deutlich kleinere Stichprobe als die Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes, dennoch sind die Analyseergebnisse beider Datensätze miteinander vergleichbar, wie Tests für die Gender Pay Gaps der vergangenen Jahre ergeben haben.

Die Berechnungen in diesem Bericht basieren auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).infoDas SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird; vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360 (online verfügbar). Das SOEP ist die längste repräsentative Längsschnitterhebung in Deutschland und beinhaltet detaillierte Informationen über die Erwerbseinkommen, Arbeitszeiten sowie soziodemografische Charakteristika der Befragten. Die aktuellen Daten des SOEP liegen für das Jahr 2022 vor. Für diesen Wochenbericht wurden Daten des Erhebungszeitraums von 2013 bis 2022 verwendet.

Die Berechnungen berücksichtigen abhängig Beschäftigte aus Ost- und Westdeutschland im Alter von 20 bis 60 Jahren. Die Analysen enthalten sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte sowie Personen in geringfügiger Beschäftigung (Minijobs). Nicht berücksichtigt werden Beamt*innen, Selbstständige, Personen in Ausbildung und Nicht-Beschäftigte.

Der Gender Pay Gap ist die prozentuale Differenz in den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen zwischen Frauen und Männern im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttostundenlohn der Männer. Zur Berechnung der Bruttostundenlöhne wird der monatliche Bruttoverdienst zunächst durch die Anzahl der vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden geteilt. Anschließend werden die Bruttostundenlöhne auf Basis des Verbraucherpreisindex um die nominale Preisentwicklung bereinigt (Basisjahr 2022). Darüber hinaus werden vor der Berechnung der durchschnittlichen Löhne jeweils das obere und das untere Prozent der Daten eines jeden Erhebungsjahres ausgeschlossen (Trimming), um den Einfluss von Messfehlern bei der Datenerhebung zu reduzieren. Bei der Berechnung von Mittelwerten werden grundsätzlich gewichtete Zahlen ausgegeben, die Besonderheiten des Stichprobendesigns und Veränderungen in der Stichprobenzusammensetzung im Zeitverlauf berücksichtigen.

Die drei Bildungsgruppen wurden auf Basis der „Comparative Analysis of Social Mobility in Industrial Nations“ (CASMIN) zusammengestellt. Die hier gebildete Gruppe der Personen ohne Abitur und Ausbildung besteht aus denjenigen, die keinen Abschluss, einen Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife haben, jedoch keine weitere abgeschlossene Ausbildung. Entsprechend haben Personen der Gruppe mit Abitur und/oder einer Ausbildung eine Berufsausbildung absolviert, unabhängig von der Art des Abschlusses, oder mindestens die Allgemeine Hochschulreife erlangt. Schließlich wurden diejenigen mit einem Bachelor- oder höheren Abschluss von einer Universität oder einer nichtuniversitären Hochschule der Gruppe mit Hochschulabschluss zugeordnet.

Als Vollzeittätigkeit wird eine Beschäftigung mit mindestens 30 vertraglich vereinbarten Wochenarbeitsstunden definiert. Alle Beschäftigungen mit weniger als 30 vertraglich vereinbarten Wochenarbeitsstunden werden als Teilzeittätigkeiten gesehen.

Gender Pay Gap steigt mit dem Alter der Beschäftigten

Der Anstieg des Gender Pay Gaps mit zunehmendem Alter der Beschäftigten wurde bereits häufig dokumentiert.infoVgl. zum Beispiel Annekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt ab dem Alter von 30 Jahren stark an. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137–145 (online verfügbar); Annekatrin Schrenker und Katharina Wrohlich (2022): Gender Pay Gap ist in den letzten 30 Jahren fast nur bei Jüngeren gesunken. DIW Wochenbericht Nr. 9, 149–154 (online verfügbar); Clara Schäper, Annekatrin Schrenker und Katharina Wrohlich (2023): Gender Pay Gap und Gender Care Gap steigen bis zur Mitte des Lebens stark an. DIW Wochenbericht Nr. 9, 99–105 (online verfügbar); sowie Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 18. Januar 2024: Gender Pay Gap 2023: Frauen verdienten pro Stunde 18 Prozent weniger als Männer (online verfügbar). Während die geschlechtsspezifische Verdienstlücke bei den 25- bis 29-Jährigen bei etwa sieben Prozent liegt, steigt sie bei den über 50-Jährigen auf 23 Prozent (Abbildung 1).infoFür die Analyse der Bruttostundenlöhne nach Lebensalter wurden zehn Befragungswellen des SOEP (für die Jahre 2013 bis 2022) zusammengefasst. Es handelt sich dabei also nicht um eine Analyse individueller Lebensverläufe im Alter von 25 bis 60 Jahre, sondern um Durchschnittswerte der Altersgruppen in den Jahren 2013 bis 2022. Auffallend ist insbesondere, dass die Lohnentwicklung bei den 20- bis 33-jährigen Männern und Frauen noch parallel verläuft (Abbildung 2, oberer Teil). Ab einem Alter von etwa 33 Jahren flacht das Lohnwachstum bei Frauen jedoch ab, während die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne der Männer weiter steigen. Der daraus resultierende starke Anstieg des Gender Pay Gaps fällt etwa mit dem Zeitpunkt der Familiengründung zusammen.infoVgl. Schrenker und Zucco (2020), a.a.O. sowie Schrenker und Wrohlich (2022), a.a.O.

Eine getrennte Analyse für Ost- und Westdeutschland zeigt, dass der mit dem Lebensalter stark zunehmende Gender Pay Gap vor allem von der Entwicklung in Westdeutschland getrieben ist (Abbildung 2, unterer Teil). In Ostdeutschland steigt der Verdienstunterschied zwar ebenfalls ab dem Alter von 33 Jahren an, aber bei weitem nicht so stark wie in Westdeutschland.infoDer „zackigere“ Verlauf der Kurve für Ostdeutschland liegt an der geringeren Fallzahl für die zugrunde liegenden Berechnungen für Ost- im Vergleich zu Westdeutschland. Aus dem gleichen Grund sind auch die Konfidenzintervalle um die Kurven für Ostdeutschland breiter als die für Westdeutschland.

Verlauf des Gender Pay Gaps spiegelt den Verlauf der Erwerbsarbeitszeit wider

Spiegelbildlich zum Verlauf der Bruttostundenlöhne entwickelt sich der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Männer und Frauen über das Lebensalter. Während dieser bis zum Alter von etwa 26 Jahren bei Frauen und Männern gleichermaßen sinkt, arbeiten Frauen ab dem Alter von 30 Jahren wieder vermehrt in Teilzeit (Abbildung 3, oberer Teil). Am höchsten liegt der Teilzeitanteil bei Frauen im Alter von 38 bis 42 Jahren, wenn etwa die Hälfte der abhängig beschäftigten Frauen nicht vollzeiterwerbstätig ist. Danach sinkt ihr Teilzeitanteil wieder etwas, bleibt jedoch auch bei den über 50-jährigen auf einem Niveau von 40 Prozent oder höher. Bei Männern hingegen sinkt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten weiter und liegt bei den über 35- bis 55-Jährigen konstant bei etwa sechs Prozent. Frühere Analysen des DIW Berlin haben gezeigt, dass diese über den Lebenslauf zunehmende Ungleichheit der Erwerbsarbeitszeit zwischen Männern und Frauen mit einer zunehmenden Ungleichheit in der unbezahlten Sorgearbeit, also etwa Kinderbetreuung und Hausarbeit, einhergeht.infoVgl. Schäper, Schrenker und Wrohlich (2023), a.a.O.

Auch bei der Entwicklung geschlechtsspezifischer Unterschiede im Teilzeitanteil zeigen sich über das Lebensalter – ähnlich zum Verlauf der Bruttostundenlöhne – große Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: Der hohe Teilzeitanteil unter Frauen ist vor allem in Westdeutschland zu beobachten, wo er bei den 37- bis 42-jährigen Frauen nahezu 60 Prozent beträgt (Abbildung 3, unterer Teil). In Ostdeutschland ist der Teilzeitanteil mit maximal 30 Prozent in dieser Altersgruppe nur halb so hoch. Bei Männern gibt es keine wesentlichen Unterschiede im Teilzeitanteil zwischen Ost- und Westdeutschland – in beiden Gruppen liegt er bei den über 30-Jährigen bei rund zehn Prozent (Ostdeutschland) oder unter zehn Prozent (Westdeutschland). Die großen Unterschiede in der Erwerbsarbeitszeit zwischen Frauen in Ost- und Westdeutschland spiegeln unter anderem die nach wie vor unterschiedlichen gesellschaftlichen Normen zur Erwerbsarbeit von Frauen und insbesondere Müttern in Ost- und Westdeutschland wider.infoVgl. dazu zum Beispiel Denise Barth et al. (2020): Mütter in Ost und West: Angleichung bei Erwerbstätigenquoten und Einstellungen, nicht bei Vollzeiterwerbstätigkeit. DIW Wochenbericht Nr. 38, 699–706 (online verfügbar).

Gender Pay Gap steigt mit Lebensalter in allen Bildungsgruppen

Zwar erklärt der höchste Bildungsabschluss den Gender Pay Gap nicht mehr in dem Ausmaß wie früher (Kasten 2). Dennoch ist er nach wie vor eine wesentliche Einflussgröße des Lohnes insgesamt. Bereits im Alter von 25 Jahren zeigen sich je nach Bildungsgruppe Unterschiede in den durchschnittlichen Bruttostundenlöhnen von abhängig Beschäftigten (Abbildung 4). Mit 25 Jahren beträgt der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Beschäftigten der untersten Bildungsgruppe (ohne Abitur und Ausbildung) 13 Euro pro Stunde, in der mittleren Bildungsgruppe (mit Abitur und/oder Berufsausbildung) 15 Euro pro Stunde und in der obersten Bildungsgruppe (mit Hochschulabschluss) 18 Euro pro Stunde. Zudem steigen die Bruttostundenlöhne mit dem Alter umso stärker an, je höher der Bildungsabschluss ist. Im Alter von 40 Jahren sind die Unterschiede daher noch deutlich stärker ausgeprägt: Für Beschäftigte in der untersten Bildungsgruppe hat sich der durchschnittliche Bruttostundenlohn nicht weiter erhöht und beträgt nach wie vor 13 Euro, während er für Beschäftigte in der mittleren Bildungsgruppe auf 19 Euro gestiegen ist. Das größte Plus verzeichnen Beschäftigte mit einem Hochschulabschluss, die mit 40 Jahren einen durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 30 Euro erhalten.

In der Diskussion um den Gender Pay Gap wird oft zwischen dem sogenannten bereinigten beziehungsweise angepassten und dem unbereinigten Gender Pay Gap unterschieden. Der unbereinigte Gender Pay Gap – das sind die zu Beginn dieses Wochenberichts genannten 16 Prozent im Jahr 2024 – beziffert die Differenz der durchschnittlichen Bruttostundenlöhne aller unselbstständig beschäftigten Männer und Frauen. Bei dieser Berechnung bleibt unberücksichtigt, dass die Lohnunterschiede teilweise auf Unterschiede in arbeitsmarktrelevanten Charakteristika von Männern und Frauen zurückzuführen sind, beispielsweise auf unterschiedliche Wochenarbeitszeiten, Unterschiede in den ausgeübten Berufen und Unterschiede in der hierarchischen Position. Werden Charakteristika wie Beruf, Branche, Anforderungsniveau, Wochenarbeitszeit und weitere Merkmale berücksichtigt, ergibt sich ein bereinigter oder angepasster Gender Pay Gap von sechs Prozent.infoVgl. Statistisches Bundesamt (2025), a.a.O.

In der öffentlichen Diskussion wird häufig die Frage aufgeworfen, welcher der beiden Indikatoren der „wahre“ Gender Pay Gap sei. Darauf gibt es keine klare Antwort – der unbereinigte und der bereinigte Gender Pay Gap lassen unterschiedliche Interpretationen zu. Der unbereinigte Wert stellt allgemein die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne von Frauen und Männern gegenüber und spiegelt damit auch allgemeine strukturelle geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt wider, zum Beispiel Unterschiede in der Häufigkeit und Dauer familienbedingter Erwerbsunterbrechungen, Teilzeiterwerbstätigkeit oder strukturelle Diskriminierung beim Aufstieg in Führungspositionen. Er misst jedoch nicht die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede innerhalb eines Berufs auf derselben Hierarchieebene.

Der bereinigte Gender Pay Gap hingegen misst geschlechtsspezifische Lohnunterschiede von Beschäftigten mit gleichen arbeitsmarktrelevanten Charakteristika. Er kann also als geschlechtsspezifische Lohnlücke innerhalb einer Branche, eines Berufs und einer Hierarchieebene zwischen Personen mit gleichen Charakteristika wie Erwerbsarbeitszeit und Ausbildung interpretiert werden. Eine Analyse des bereinigten Gender Pay Gaps kann zudem verschiedene Ursachen für die Unterschiede in den Bruttostundenlöhnen aufzeigen. So ergibt die aktuelle Analyse des Statistischen Bundesamtes beispielsweise, dass die Erwerbsarbeitszeit sowie die geringfügige Beschäftigung eine große Rolle für geschlechtsspezifische Verdienstunterschiede spielen,infoAuch frühere Studien des DIW Berlin zeigen, dass im gleichen Beruf – unabhängig vom Geschlecht – Teilzeitbeschäftigte pro Stunde weniger verdienen als Vollzeitbeschäftigte, siehe zum Beispiel Patricia Gallego Granados, Rebecca Olthaus und Katharina Wrohlich (2019): Teilzeiterwerbstätigkeit: Überwiegend weiblich und im Durchschnitt schlechter bezahlt. DIW Wochenbericht Nr. 46, 845–850 (online verfügbar). im Gegensatz zu Unterschieden in der Ausbildung.infoVgl. zum Beispiel Frauke Mischler (2021): Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen. Eine Ursachenanalyse auf Grundlage der Verdienststrukturerhebung 2018. WISTA 4/2021, 110–125.

Innerhalb dieser drei Bildungsgruppen zeigen sich große und teilweise stark mit dem Lebensalter steigende Gender Pay Gaps. Wie die Auswertung der SOEP-Daten zeigt, ist für Beschäftigte im Alter von bis zu 25 Jahren der Gender Pay Gap mit neun bis zwölf Prozent in allen Bildungsgruppen vergleichsweise gering (Abbildung 5). Ab 25 Jahren steigt er aber bis zur Altersgruppe von 40 bis 44 Jahren in allen Bildungsgruppen – teilweise stark – an. Für Beschäftigte in der untersten und der höchsten Bildungsgruppe beträgt die geschlechtsspezifische Verdienstlücke in dieser Altersgruppe etwa 22 Prozent. In der mittleren Bildungsgruppe liegt diese mit 16 Prozent deutlich darunter, steigt danach aber in der Altersgruppe der 45- bis 49-Jährigen auf das Niveau der untersten und obersten Bildungsgruppe. In der Gruppe der Beschäftigten mit Hochschulabschluss nimmt der Gender Pay Gap ab dem Alter von Mitte 40 sogar noch weiter zu, auf knapp 30 Prozent für die über 50-Jährigen. Dies liegt daran, dass Männer mit Hochschulabschluss im Alter von 35 bis 55 Jahren starke Lohnzuwächse verzeichnen können, Frauen in dieser Bildungsgruppe und in diesem Alter jedoch nicht (Abbildung 6).

Fazit: Höhere Bildung schützt nicht vor dem Gender Pay Gap

Die Auswertungen der SOEP-Daten zur Entwicklung von Bruttostundenlöhnen für Männer und Frauen über den Lebensverlauf für unterschiedliche Bildungsgruppen zeigen sehr deutlich: Höhere Bildung führt im Durchschnitt zu höheren Löhnen – das stimmt für Männer wie für Frauen. Für Beschäftigte mit hohem Bildungsabschluss sind jedoch auch die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede am höchsten, insbesondere ab dem Alter von 50 Jahren. Bildung schützt also nicht vor dem Gender Pay Gap – im Gegenteil. Frühere Studien haben gezeigt, dass dies unter anderem daran liegt, dass in Berufen, für die tendenziell höhere Bildungsabschlüsse erforderlich sind, der Stundenlohn mit steigender Wochenarbeitszeit überproportional steigt.infoVgl. Claudia Goldin (2014): A Grand Gender Convergence: Its Last Chapter. American Economic Review Vol 104/4, 1091–1119. Da der Teilzeitanteil unter Frauen aber in allen Bildungsgruppen deutlich über dem der Männer liegt, bleibt die durchschnittliche Lohnentwicklung der Frauen in der höchsten Bildungsgruppe noch stärker hinter der der Männer zurück als in Gruppen mit niedriger oder mittlerer Bildung.

Lohnungleichheiten hängen stark mit Ungleichheiten in der Erwerbs- und Sorgearbeit zusammen.infoVgl. zum Beispiel Claudia Goldin, Sari Pekkala Kerr und Claudia Olivetti (2025): The parental pay gap over the life cycle: Children, jobs and labor supply. Journal of Economic Dynamics and Control (im Erscheinen). Deskriptive Analysen für Deutschland finden sich in Schäper, Schrenker und Wrohlich (2023), a.a.O. Wenn die Politik das Ziel der Entgeltgleichheit ernsthaft erreichen will, sollte sie daher die Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit verstärkt in den Blick nehmen. Hier setzt allerdings das deutsche Steuer- und Transfersystem nach wie vor finanzielle Anreize, die eine ungleiche Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit fördern – insbesondere durch die Kombination aus Ehegattensplitting, steuerlicher Behandlung der Einkünfte aus Minijobs sowie der beitragsfreien Mitversicherung für Ehepartner*innen in der gesetzlichen Krankenversicherung.infoVgl. hierzu zum Beispiel Maximilian Blömer, Przemyslaw Brandt und Andreas Peichl (2021): Raus aus der Zweitverdienerinnenfalle: Reformvorschläge zum Abbau von Fehlanreizen im deutschen Steuer- und Sozialversicherungssystem. Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), ifo Institut (online verfügbar); sowie Ludovica Gambaro et al. (2024): Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit bei Eltern: Wunsch und Wirklichkeit liegen teils weit auseinander. DIW Wochenbericht Nr. 29, 459–466 (online verfügbar).

Eine mögliche Reformoption wäre eine Umgestaltung des Ehegattensplittings hin zu einem Realsplitting mit Übertragungsbetrag.infoStefan Bach et al. (2020): Reform des Ehegattensplittings: Realsplitting mit niedrigem Übertragungsbetrag ist ein guter Kompromiss. DIW Wochenbericht Nr. 41, 785–794 (online verfügbar). Alternativen zur beitragsfreien Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung sollten ebenfalls diskutiert werden. Besonders wichtig wäre zudem eine Reform der steuerlichen Behandlung der Einkünfte aus Minijobs. In Zeiten des zunehmenden Arbeitskräftemangels sowie knapper öffentlicher Haushalte scheint es nicht effektiv, geringfügige Beschäftigung weiterhin zu subventionieren und damit geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt weiter zu verfestigen.

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics



JEL-Classification: J31;J16;J22
Keywords: Gender Pay Gap, Wage Inequality, Life Cycle, Education, Part Time Work, Gender Inequalities
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-10-1

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