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Stromzugang im Globalen Süden: Dezentrale erneuerbare Energiesysteme bieten echte Alternative

DIW Wochenbericht 48 / 2020, S. 891-899

Christian von Hirschhausen, Dawud Ansari, Fabienne Banzer, Raluca Dumitrescu, Georg Heinemann, Claudia Kemfert

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  • 770 Millionen Menschen weltweit ohne Strom – vor allem in Subsahara-Afrika
  • Große Fortschritte wurden mit dezentralem Strom aus erneuerbaren Energien, insbesondere Solaranlagen, vor allem in ländlichen Regionen erzielt
  • Bangladesch und Kenia haben erfolgreich kostengünstige dezentrale Energiesysteme wie solare Inselanlagen und Inselnetze geschaffen
  • Hürden bestehen insbesondere bei staatlicher Regulierung für erneuerbare Energien und Finanzierung für ärmere Bevölkerung
  • Neben innovativen Technologien sind Förderung von regulatorischen Rahmenbedingungen und Mikrofinanzierungs- und Bezahlmodellen zentral

„Technischer Fortschritt und ein erheblicher Kostenrückgang haben im vergangenen Jahrzehnt dazu geführt, dass dezentrale Solarenergie vielerorts eine günstige Option zur Elektrifizierung ist, mit denen insbesondere die abgelegenen ländlichen Gebiete erreicht werden können.“ Christian von Hirschhausen

Zugang zu bezahlbarer und erneuerbarer Energie ist eines der zentralen nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals), die die Vereinten Nationen 2015 verabschiedet haben. Insbesondere bei der Elektrifizierung in Ländern des Globalen Südens wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. So sank die Anzahl der Menschen ohne Stromzugang weltweit 2016 erstmals unter die wichtige Marke von einer Milliarde; aktuell fehlt aber noch immer 770 Millionen Menschen weltweit der Zugang zu Strom. In den letzten Jahren wurde die Elektrifizierung besonders durch den Einsatz dezentraler Solarenergie in ländlichen Regionen verbessert, deren Kosten inzwischen unter derjenigen von Benzin- und Dieselgeneratoren liegt. Jedoch wird der weitere zügige Ausbau vielerorts durch Barrieren, insbesondere regulatorischer Natur, behindert. Fallstudien aus Ländern wie Bangladesch und Kenia zeigen das Potenzial, das Finanzierungs- oder Bezahlmodelle haben, damit auch die ärmsten Haushalte Strom beziehen können. Nationale Regierungen und die internationale Gemeinschaft sollten Produktions- und Finanzierungsmodelle stärken, die den Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien fördern.

Ländliche Elektrifizierung und Stromzugang für alle sind seit vielen Jahrzehnten wichtige Themen in der Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsdiskussion. Da die Elektrifizierung im ländlichen Raum eine dezentrale nachhaltige Entwicklung fördert, gehört sie seit langem zu den Prioritäten der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der nationalen Energiepolitik der meisten betroffenen Länder. In der „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen ist die Elektrifizierung als ein Ziel für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal Nummer 7, SDG7) festgeschrieben worden. Es verbindet die Forderung nach allgemeinem Zugang zu Energie mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Neben dem Teilziel 7.1 („universeller Zugang zu bezahlbarer, sicherer und moderner Energie“) fordert Teilziel 7.2 eine „erhebliche Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien im globalen Energiemix“.infoVereinte Nationen (2015): Transforming our world: the 2030 Agenda for Sustainable Development. Resolution für die Post-2015-Entwicklungsagenda (online verfügbar, abgerufen am 4. November 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt).

Energie wird nicht nur für die individuelle Grundversorgung gebraucht, sondern ist ein Schlüsselfaktor für die Bereitstellung von gesellschaftlichen und sozialen Diensten wie Bildung und Gesundheit sowie eine entscheidende Komponente für alle Wirtschaftssektoren. Dieser Wochenbericht macht eine Bestandsaufnahme der Lage der Elektrifizierung im Globalen SüdeninfoGlobaler Süden ist ein Sammelbegriff für Entwicklungs- und Schwellenländer, bei dem allerdings eher die globale Entwicklungsproblematik im Sinne der SDG als die nationalstaatliche im Mittelpunkt steht.. Eine Übersicht aktueller Zahlen und Entwicklungen verdeutlicht die bereits erzielten Fortschritte. Im Kern des Berichtes werden die verbleibenden Barrieren für den universalen Energiezugang dargestellt und anhand von vier Fallstudien – Jemen, Nigeria, Bangladesch und Kenia – belegt.

Fortschritte beim Stromzugang weltweit

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind erhebliche Fortschritte beim Stromzugang im Globalen Süden erfolgt.infoVgl. Valerie J. Karplus und Christian von Hirschhausen (2019): Electricity Access: An Introduction. Economics of Energy & Environmental Policy 8 (1). Hatten im Jahr 2015 noch mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu Elektrizität,infoVereinte Nationen (2018): Policy Brief 01 – Achieving Universal Access to Electricity (online verfügbar). waren es im Jahr 2019 weltweit etwa 770 Millionen.infoVgl. Datenbank der Weltbank (2020): Access to electricity (% of population) – global, urban, rural . SE4ALL database, 4. November (online verfügbar). Deren globale Verteilung ist allerdings ungleich (Abbildung 1). In Europa, Nordamerika und den hochentwickelten Staaten in der Asia-Pazifik-Region liegt eine Elektrifizierungsrate von 100 Prozent vor. Zu den elektrizitätsarmen Regionen gehören vor allem Afrika sowie einzelne Staaten in Asien und Lateinamerika. Im Nahen Osten fallen zudem die Konfliktländer Syrien und Jemen durch geringe Elektrifizierungsraten auf.

Dabei ist innerhalb dieser Länder die Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten groß. Während rund 97 Prozent der urbanen Gebiete weltweit mit Strom versorgt werden, sind es im Durchschnitt nur 82 Prozent der ländlichen Regionen. In Subsahara-Afrika ist diese Kluft sogar noch ausgeprägter: 78 Prozent städtischen Nutzerinnen und Nutzern mit Zugang zu Strom stehen nur 32 Prozent auf dem Land gegenüber.infoDatenbank der Weltbank (2020), a.a.O. Eine hohe Bevölkerungsdichte macht eine Erweiterung des öffentlichen Stromnetzes einfacher und kostengünstiger.

Insgesamt hat die weltweite Elektrifizierungsrate seit Beginn des Millenniums trotz des anhaltenden Bevölkerungswachstums um zwölf Prozentpunkte zugenommen (Abbildung 2). Vor allem in Süd- und Ostasien wurden deutliche Fortschritte erzielt: Während aktuell etwa 92 Prozent der dortigen Bevölkerung Zugang zu Strom haben, waren es 2001 nur 55 Prozent. In Subsahara-Afrika hingegen hat sich die Elektrifizierungsrate im selben Zeitraum um nur 20 Prozentpunkte erhöht – von 28 auf 48 Prozent. Dass der Prozess der fortschreitenden Elektrifizierung fragiler ist als angenommen, zeigt die weiterhin grassierende Covid19-Pandemie. Im Jahr 2020 verringert sich erstmals wieder die Elektrifizierungsrate in Subsahara-Afrika.infoInternationale Energieagentur (2020): World Energy Outlook 2020 (online verfügbar)

Die Kosten auf dem Weg zum universalen Stromzugang bis zum Jahr 2030 werden von unterschiedlichen Seiten als bezahlbar eingeschätzt. So geht die Internationale Energieagentur davon aus, dass der Investitionsbedarf bei nur 35 Milliarden US-Dollar jährlich liegt.infoInternationale Energieagentur (2020), a.a.O. Die Größenordnung wird durch eine Studie des niederländischen Think Tanks PBL bestätigt, vgl. Paul Lucas, Anteneh G. Dagnachew und Andries F. Hof (2017): Towards Universal Electricity Access in Sub-Saharan Africa—A Quantitative Analysis of Technology and Investment Requirements. PBL Netherlands Environmental Assessment Agency (online verfügbar).

Dezentrale Solarenergie als neue, kostengünstige Option

Technischer Fortschritt und ein erheblicher Kostenrückgang haben im vergangenen Jahrzehnt dazu geführt, dass dezentrale Solarenergie vielerorts als eine günstige Option zur Elektrifizierung hinzugekommen ist. Zwar kam der größere Teil der Elektrifizierungsfortschritte der letzten Jahre durch öffentliche Netzerweiterungen zustande, allerdings nimmt der Anteil dezentraler Solarenergie rasch zu. Dabei handelt es sich sowohl um Inselnetze als auch Inselanlagen.infoInselnetze, oftmals auch als „Mini-Grid“ oder „Micro-Grid“ bezeichnet, sind lokale, vom nationalen Stromnetz abgegrenzte Versorgungsnetze. Sie dienen der Selberversorgung von Gemeinden vor allem in ländlichen, schwer erreichbaren Gebieten. Für den Betrieb wurden bisher häufig Dieselgeneratoren eingesetzt, doch auch der Einsatz von Solar-, Wasser- und Windenergie ist zunehmend verbreitet. Inselanlagen, oftmals auch als „Solar Home Systems“ (SHS) bezeichnet, sind Photovoltaiksysteme für individuelle Häuser.

Zuvor waren bereits in vielen Ländern Dieselgeneratoren verbreitet, doch haben sich in den letzten Jahren vielerorts rasch wachsende und institutionalisierte Märkte für die Bereitstellung und den Betrieb von Solaranlagen gebildet. So stieg in Bangladesch und in Kenia, zwei führenden Ländern, der Anteil dezentraler Solaranlagen von nahezu null auf knapp sechs Prozent beziehungsweise vier Prozent (Abbildung 3).

Wie die Internationale Energieagentur zeigt, ist dezentrale Energie dabei kein Notbehelf, sondern die langfristig optimale Versorgungsmöglichkeit, insbesondere für abgelegene Gegenden.infoInternationale Energieagentur (2017): World Energy Outlook 2017. OECD Publishing (online verfügbar). Auch die International Finance Corporation (IFC), eine Finanzierungsagentur der Weltbankgruppe, unterstützt inzwischen den Übergang von Generatoren zu Solarsystemen.infoInternationale Finanz-Corporation (2019): The Dirty Footprint of the Broken Grid (online verfügbar). Zuvor hatte die internationale Finanzhilfe vor allem den Ausbau von zentraler Energieversorgung unterstützt, wie eine Auswertung der Investitionstätigkeit multilateraler Entwicklungsbanken zeigt.infoBjarne Steffen und Tobias Schmidt (2019): A quantitative analysis of 10 multilateral development banks’ investment in conventional and renewable power-generation technologies from 2006 to 2015. Nature 4 (1).

Hürden für den universellen Stromzugang mit dezentralen Erneuerbaren

Die bestehenden Hürden auf dem Weg zur universellen und sauberen Stromversorgung sind erheblich und sowohl von den lokalen Gegebenheiten geprägt als auch allgemeiner Natur.

Limitationen zentraler Stromversorgung

Seitens der Regierungen behindert oftmals eine Kombination aus beschränkten Mitteln, ineffektiven Finanzinstrumenten und fehlenden Anreizen den Stromzugang.infoVgl. Benjamin K. Sovacool. (2012): The political economy of energy poverty: A review of key challenges. Energy for Sustainable Development 16 (3), 272–282. Zudem werden Elektrifizierungsprojekte von Zentralregierungen initiiert, die traditionell urbane, dicht besiedelte Regionen gegenüber ländlichen Gebieten bevorzugen; letztere werden oftmals vernachlässigt, was sich in den vergangenen Jahren unter anderem in den Fallstudienländern Kenia und Nigeria gezeigt hat. Darüber hinaus drohen neue Anschlüsse die bestehenden Netzkapazitäten zu überlasten.

Regulatorische Rahmenbedingungen

Neben dem regierungsgeführten, zentralisierten Stromzugang gibt es die Möglichkeit, Strom dezentral bereitzustellen. Diese erfolgt meist durch den Privatsektor, der sich aber nur engagiert, wenn wegen der hohen Lebensdauern von dezentraler Elektrizitätstechnologie Planungssicherheit für Investitionen existiert. Ökonomische Volatilität, mangelnde Rechtssicherheit, unsichere Politikumgebungen und bewaffnete Konflikte können aber in vielen energiearmen Ländern genau diese Basis nicht schaffen.infoIn Indien kam es beispielsweise vor, dass ein unangekündigter Ausbau des nationalen Netzes noch junge dezentrale Systeme überlagert und anschließend mithilfe subventionierter Tarife die privaten Investitionen unprofitabel gemacht hat.

Eine staatliche Unterregulierung behindert den Ausbau oder sorgt für pfadabhängige Ineffizienzen. So können sich beispielsweise ohne Standards bei Produkten und Dienstleistungen minderwertige Produkte ausbreiten, die den Markt zunehmend erodieren, wie die Beispiele Nigeria und Jemen zeigen. Zudem können Privatakteure in Regionen mit höherer Zahlungsbereitschaft Infrastruktur und Marktsegmente monopolisieren, zum Beispiel bei privat betriebenen Inselnetzen. Diese natürlichen Monopole führen unreguliert zu höheren Stromkosten. Dies wirkt sich nachteilig auf die Entwicklung der lokalen Ökonomie aus (Fallstudie Jemen).

Energie bleibt häufig unerschwinglich für die Ärmsten

Vielen Haushalten ist es trotz signifikanter Kostensenkungen für dezentrale Elektrizitätstechnologie kaum möglich, die vollständigen Kosten der Elektrifizierung zu übernehmen. Abgesehen von der notwendigen Investitionsliquidität ist bei Haushalten unterhalb der Armutsgrenze nicht klar, inwieweit diese die laufenden Stromkosten mittelfristig übernehmen könnten. Staatliche Subventionen sind daher auch für dezentrale Lösungen praktisch unumgänglich; diese sind aber bisher meist nur für zentral bereitgestellten Strom die Regel (beispielsweise in Form von steigenden Blocktarifen).infoChristian von Hirschhausen et al. (2017): Nachhaltiges Entwicklungsziel Trinkwasser: Faire Gestaltung der Grundversorgung durch Blocktarife. DIW Wochenbericht Nr. 28, 584–591 (online verfügbar).

Fehlanreize zugunsten von dezentralen Dieselgeneratoren

Staatliche Subventionen können aber auch Fehlanreize schaffen. So verzerren zum Beispiel subventionierte Treibstoffe den Wettbewerb zuungunsten lokaler Systeme mit erneuerbaren Energien (beispielsweise Nigeria).infoInternationale Finanz-Corporation (2019), a.a.O. Kraftstoffgeneratoren werden damit gegenüber Solarstrom bevorteilt. Treibstoffsubventionen belasten damit gleichzeitig Klimabilanz und Staatshaushalt. Vielerorts wurden Subventionen bereits (teilweise) reformiert; der Prozess ist allerdings heikel. Sozialstaatliche Maßnahmen müssen substituierend eingesetzt werden, da ärmere Haushalte häufig von den Subventionen abhängig sind.

Fallstudien aus Jemen, Nigeria, Bangladesch und Kenia

Im Folgenden zeigen vier Fallstudien beispielhaft die Fortschritte, aber auch die verbleibenden Hürden der Elektrifizierung. Im Jemen hat der Krieg zu einem Trend bei der Solarenergie geführt, der allerdings aufgrund mangelnder Sektorkapazitäten stagniert. In Nigeria wird deutlich, wie ein schwaches institutionelles Umfeld die falschen Technologien bevorteilt. Die Fallstudien Kenia und Bangladesch zeigen ebenfalls die neue Rolle von Solaranlagen, allerdings mit unterschiedlichen Ansätzen.

Jemen: Aufstieg und Stagnation der Solarenergie

Der Jemen ist seit dem Jahr 2014 in einem Bürgerkrieg mit ausländischer militärischer Intervention verwickelt.infoDie Fallstudie ist eine Zusammenfassung von Dawud Ansari, Claudia Kemfert und Hashem Al-Kuhlani (2019): Solarenergie im Jemen-Konflikt: Entwicklungen, Herausforderungen, Chancen. DIW Politikberatung kompakt Nr. 141 (online verfügbar). Energiearmut war allerdings bereits ein Vorkriegsproblem: Der Pro-Kopf-Jahresstromverbrauch lag stets bei nur knapp vier Prozent des bundesdeutschen Durchschnitts; im Jahr 2003 hatten lediglich 54 Prozent der jemenitischen Haushalte einen Stromzugang (einschließlich Selbstversorgung).infoLaura El-Katiri und Bassam Fattouh (2011): Energy Poverty in the Arab World: the case of Yemen. Oxford Institute for Energy Studies (online verfügbar). Die Stromerzeugungskapazitäten betrugen akkumuliert stets weniger als zwei Gigawatt Gesamtleistung (Abbildung 4); Unternehmen waren durchschnittlich von 52 Stromausfällen monatlich betroffen. Mit dem Konflikt eskalierte die Lage. Mehr als 60 Prozent der Elektrizitätsinfrastruktur wurden beschädigt oder zerstört. Die schlechte Haushaltslage und Importblockaden haben Wartung und Aufrechterhaltung des Stromnetzes finanziell und logistisch vielerorts unmöglich gemacht.infoGhassan Khaled Ismail Al-Akwaa (2019): Measuring Electricity Access amidst Active Conflict: Lessons from Yemen (online verfügbar).

Existierende Dieselgeneratoren konnten wegen der mangelnden Dieselimporte kaum eingesetzt werden, so dass im Jemen ein rasanter Zuwachs an Solarenergiekapazitäten entstand (Abbildung 4). Bis zum Jahr 2014 handelte es sich um eine Nischentechnologie, die jedoch in den Folgejahren mit der Verstetigung des Krieges rasch an Fahrt aufnahm und 2016 zur bedeutendsten Stromquelle des Jemens wurde. Die Mehrheit der jemenitischen Haushalte erhält seitdem Solarstrom, wobei die Systeme in der Regel kleinskaliert sind (Durchschnittskapazität 150 Watt).infoMaged Mahmoud et al. (2017): Assessment of the status of Solar PV in Yemen. RCREE 05/2017 (online verfügbar).

Seit dem Jahr 2017 stagniert der Solarausbau allerdings. Nutzerinnen und Nutzer klagen zunehmend über eine schwache Versorgungsleistung, geringe Lebensdauern und überhöhte Kosten für Solaranlagen. Dem zugrunde liegen Kapazitätsprobleme des jemenitischen Solarsektors. Dieser unterliegt praktisch keinerlei rechtlichen Bestimmungen; ebenso wenig gibt es Verbände oder staatliche Aufsichtsorgane, die sich für Standards oder Qualitätskontrollen einsetzen könnten (Abbildung 5). Diese wären allerdings nötig, um den verbreiteten Handel mit gefälschten, defekten oder minderwertigen Produkten einzudämmen. Zusätzlich hat bewusste Monopolisierung durch Akteure der PrivatwirtschaftinfoVgl. Dawud Ansari (2016): Resource Curse Contagion in the Case of Yemen. Resources Policy 49, 444–54. zu teils deutlich erhöhten Preisen geführt. Analog fehlen auf der technischen Seite Qualifikationen und Standards.infoDie durchschnittliche Lebensdauer von Batterien ist laut dem jemenitischen Ministerium für Elektrizität dreieinhalb Jahre kürzer als der internationale Standard. Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen und Mikrofinanzinstitutionen, die den Sektor unterstützen können, sind in ihren Kapazitäten beschränkt. Solare Inselnetze könnten die bestehende Stromversorgung deutlich verbessern, sind aber im Jemen weitgehend unbekannt.infoMartha M. Hoffmann und Dawud Ansari (2019): Simulating the Potential of Swarm Grids for Pre-Electrified Communities – A Case Study from Yemen. Renewable and Sustainable Energy Reviews 108, 289–302. Das bestehende Reputationsproblem von Solarenergie hat nun wieder teure, privatbetriebene Dieselnetze zum Mittel der Wahl für wohlhabende Haushalte gemacht.

Nigeria: Schwieriger Abschied von Generatoren auf dem Weg zur Solar-Evolution

Obwohl Nigeria die größte Volkswirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent ist, verfügen nur geschätzt 60 Prozent der 206 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Nigerias über einen Stromzugang. Die Stromverfügbarkeit ist darüber hinaus sehr schwankend, so dass sich die Mehrheit der Bevölkerung selbst mit Strom versorgen muss. Offizielle Zahlen liegen nicht vor, aber es sind schätzungsweise rund 22 Millionen Generatoren landesweit im Einsatz. Demnach entspricht diese fossile und ineffiziente Schattenenergiewirtschaft fast drei Vierteln des tatsächlichen landesweiten Strombedarfs (rund 14 Gigawatt).infoDie Fallstudie ist die Zusammenfassung eines Vortrags von Georg Heinemann, Fabian Banzer und Vivian Nwadiaru (2020): Transforming Electricity Access by Replacing Back-up Generators with Solar Systems? Recent Trends and Evidence from Nigeria. EAERE Policy Session „Electrification“, Berlin, 25. Juni. Seit den 1990er Jahren wird der nigerianische Energiesektor langsam reformiert und umstrukturiert. Trotzdem sind Sektor und Netzinfrastruktur in einem schlechten Zustand und kaum in der Lage, die aktuelle Nachfrage, geschweige denn das erwartete Nachfragewachstum zu decken.infoNorbert Edomah, Chris Foulds und Aled Jones (2016): Energy Transitions in Nigeria: The Evolution of Energy Infrastructure Provision (1800–2015). Energies 2016, 9(7), 484. Dezentrale Solarenergie ist zwar als Alternative vorhanden, aber das Potenzial ist bisher kaum ausgeschöpft.infoWeniger als 500.000 Haushalte nutzen beispielsweise Solarstrom, vgl. GOGLA (2019): Country Brief – Nigeria. Global Off-Grid Lighting Association 12 (online verfügbar).

Dabei sind jedoch dezentrale Solaranlagen günstiger als fossil betriebene Generatoren (Abbildung 6).infoBetrachtet wurde der tägliche Stromverbrauch von 1,9 Kilowattstunden (kWh) bei einer Verfügbarkeit von mindestens acht Stunden. Der Vorteil der Generatoren liegt zwar bei ihren niedrigen Anschaffungskosten. Werden aber die Anschaffungskosten und die laufenden Kosten über eine Abschreibungsdauer von fünf Jahren betrachtet, dann sind solare Inselanlagen prinzipiell kostengünstiger. Es bleibt die Hürde der Anfangsinvestition. Diese ließe sich mit einem flexiblen Bezahlsystem – zum Beispiel Pay-As-You-GoinfoPay-As-You-Go ist eine Finanzierungsform, die es privaten Haushalten ermöglicht, für Solar­energie in kleinen Raten mobil zu zahlen. – umgehen. Solarer Strom als Energiedienstleistung würde die Kosten auf zwei bis fünf Jahre verteilen. Würden zudem die langfristigen Kosten des Kohlendioxidausstoßes (Social Cost of Carbon) beim Betrieb der Generatoren in Rechnung gestellt, könnte damit effektiv regulatorisch eingriffen werden.

Darüber hinaus sind in den ländlichen Gebieten Nigerias der demografische Druck in Verbindung mit geringer wirtschaftlicher Aktivität und eine traditionelle Bevorzugung des Netzausbaus seitens der Kommunalverwaltungen grundsätzliche Hemmnisse. In den letzten Jahren ist aber ein gestiegenes Interesse an Alternativen zu beobachten, vor allem seitens der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und des Privatsektors.infoDie Rural Electrification Agency (REA) und die Ministerien für Umwelt und Energie versuchen, dieses aufzugreifen, zum Beispiel mit der Initiative Operation Light-Up Rural Nigeria. Weiterhin sind das Programm zur Wiederbelebung des Stromsektors (PSRP) und das nigerianische Energieförderprogramm (NESP) aktiv. Auch ist das Nigeria Electrification Project (NEP) mit einem Zuschuss der Weltbank in Höhe von 350 Millionen Dollar zu nennen, das Anreize für Inselnetze und Inselanlagen für Kleinunternehmen, Haushalte und Bildungseinrichtungen schafft.

Der starke Ölpreisverfall trifft das ölreiche Land besonders hart. Die nigerianische Regierung rief im Juni 2020 den Plan für wirtschaftliche Nachhaltigkeit ins Leben, um dem drohenden Anstieg der Arbeitslosigkeit auf rund 40 Millionen Menschen entgegenzuwirken.infoEconomic Sustainability Committee (2020): Nigeria Economic Sustainability Plan. Abuja, 24. Juni (online verfügbar). Zuverlässiger Strom aus erneuerbaren Energien soll eine Schlüsselrolle für wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Erholung für die Zeit nach Covid-19 einnehmen.infoDie Regierung plant, fünf Millionen Haushalte mit solaren Inselanlagen zu versorgen. Neue Prognosen gehen außerdem davon aus, dass etwa zwei Drittel der derzeitigen netzfernen Haushalte netzunabhängige Inselanlagen anstelle eines Netzzugangs erhalten werden. Nigerias Solarrevolution könnte endlich beginnen.

Bangladesch: Weltmeister bei solaren Inselanlagen durch Mikrokredite

In Bangladesch ist der flächendeckende Ausbau von solaren Inselanlagen (Solar-Home-Systeme) besonders erfolgreich verlaufen, gleichzeitig stellt sich aber die Frage der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Parallel zur Verbesserung der sozioökonomischen Rahmenbedingungen – Bangladesch ist gerade dabei, aus der Gruppe der Least Developed Countries (LDC) in die Gruppe der „upper-middle income“-Länder aufzusteigen – unternahm die Regierung seit dem Jahr 2000 ein weltweit einmaliges Ausbauprogramm für den dezentralen Stromzugang.infoDie Fallstudie ist eine Zusammenfassung von Georg Heinemann et al. (2019): Lessons from Deploying large-scale Solar Electrification in Bangladesh. Energy and Sustainability 2019, 75–86 (online verfügbar). Unter der Leitung der staatlichen Kreditanstalt für Infrastruktur IDCOL wurde bereits in den 1990er Jahren ein Pilotprogramm zur dezentralen Elektrifizierung aufgelegt. In Kombination mit dem Nobelpreis-prämierten Mikrofinanzmodell von Muhammad Yunus entwickelte das Programm große Durchschlagskraft: In kürzester Zeit schnellten die Zahlen von einigen tausend zu einigen hunderttausend jährlich installierten Inselanlagen in die Höhe (Abbildung 7).

Heute ist das Programm mit über vier Millionen installierten Systemen ein Erfolg und Bangladesch international führend bei der ländlichen Elektrifizierung mit dezentralen erneuerbaren Energien. Mittlerweile nutzen neun Prozent der ländlichen Bevölkerung dezentrale Lösungen für ihre Stromversorgung, davon hat sich die überwiegende Mehrheit (96 Prozent) für Solar-Home-Systeme entschieden.infoInternationale Energieagentur (2019): Tracking SDG7: The Energy Progress Report (online verfügbar). Das zeitgleiche Zusammenspiel begünstigender Faktoren erklärt den Erfolg des IDCOL-Programms: Zum einen handelt es sich um einen integrierten Ansatz, bei der IDCOL beziehungsweise die Partnerorganisationen für das gesamte Programm, von der Planung bis hin zur Wartung, zuständig waren. Das Programm nutzte Mikrokredite und direkte Zuschüsse pro Haushalt und installierter Inselanlage sowie Fördergelder für die Partnerorganisationen zum Aufbau ihrer Vertriebsorganisation. Darüber hinaus sorgte ein breit gestreutes Netz von Partnerorganisationen für den Vertrieb und die anschließende Unterhaltung der Anlagen.

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts kamen auch andere Organisationsmodelle zur Anwendung, die das staatliche IDCOL-Programm stark unter Druck setzten. Das IDCOL-Programm wurde 2017 mit dem TR/Kabita-Programm zusammengelegt, das Inselanlagen kostenfrei an den ärmsten Teil der Bevölkerung vergibt. Darüber hinaus hat die Zentralregierung den nationalen Stromnetzausbau erheblich beschleunigt. Das Bangladesh Rural Electrification Board (BREB) hat die monatlichen Netzanschlüsse von durchschnittlich 100000 auf 300000 bis 500000 erhöhen können,infoMaliha Muzammil und Raihan Uddin Ahmed (2019): Solar Home Systems in Bangladesh. In: Saleemul Huq et al. (Hrsg.) (2019): Confronting Climate Change in Bangladesh. Springer Cham (online verfügbar). was das Interesse an Solar-Home-Systemen geschmälert hat. Somit stellen sich neben der Frage der finanziellen Nachhaltigkeit des Programms auch Fragen nach der regulatorischen Ausgestaltung und der technischen Kopplung zwischen zentralem Stromnetzausbau und der großen Anzahl bereits installierter dezentraler Anlagen.infoHierfür haben Experten eine Netzkopplung vorgeschlagen, die als „Point of Common Coupling“ (PCC) bezeichnet wird, vgl. Raluca Dumitrescu et al. (2020): Swarm Electrification: From Solar Home Systems to the National Grid and Back Again? Sustainable Energy Solutions for Remote Areas in the Tropics 2020. Singapore: Springer International Publishing.

Kenia: Erfolgsmodell auf dem Weg zu 100-Prozent-Stromzugang

In Kenia bieten netzunabhängige Solarlösungen eine kostengünstige Möglichkeit, den zahlreichen netzfernen Haushalten in den ländlichen ariden und semiariden Gebieten den universellen Zugang zu Strom bis 2022 zu ermöglichen.infoDie Fallstudie beruht auf der Arbeit von Georg Heinemann (2020): Provision and Financing of Solar Home Systems in Kenya: An Institutional Economic Analysis to Achieve 100 % Electricity Access by 2022. Sustainable Energy Transitions Initiative Fifth Annual Meeting, 18. September (online verfügbar). Mit durchschnittlich sieben Prozent jährlichem Zuwachs gehört Kenia zu den drei Ländern weltweit, die in den letzten Jahren bei der Elektrifizierung die schnellsten Fortschritte erzielt haben. Aus 15 Prozent Elektrifizierung zur Jahrtausendwende sind bis zum Jahr 2018 bereits 75 Prozent geworden. Besonders die dezentralen Solarlösungen leisten einen wichtigen Beitrag. Mittlerweile versorgen Inselnetze, Inselanlagen und Solar-Lampen fast sieben Prozent der urbanen und vor allem 35 Prozent der ländlichen Bevölkerung mit Strom.infoIEA (2019), a.a.O.

Einerseits hat sich durch Weiterentwicklung und Kostenreduktion die Photovoltaik-Technik zu einem erschwinglichen Massenprodukt entwickelt. Herstellungskosten sind global enorm gefallen, lokal wurden zeitweise die Erneuerbaren von der Mehrwertsteuer befreit. Zudem wurde vor kurzem die Verbrauchssteuer bei Öl-Produkten erhöht.infoPower Africa (2019): Off-Grid Solar Market Assessment: Kenya. USAID, Washington DC, October (online verfügbar). Andererseits spielte der Privatsektor eine entscheidende Rolle, der seit der Einführung des Pay-As-You-Go-Vertriebsmodells besonders boomt.infoPay-As-You-Go ist eine Bezahl- und Finanzierungsform, die es privaten Haushalten ermöglicht, mit Mobile Money in minimalen Raten Solarenergie zu bezahlen. Wichtig ist hier, wie in anderen Anwendungen auch, die Verfügbarkeit von mobilen Geldinstrumenten, die erheblich zur finanziellen Inklusion beitragen können.infoKatharina Lehmann-Uschner und Lukas Menkhoff (2020): Mobile Money treibt finanzielle Entwicklung Afrikas voran. DIW Wochenbericht Nr. 22, 375–381 (online verfügbar).

Das kenianische Solarunternehmen M-KOPA ist hier Pionier, Marktführer und Referenz.infoKunden können zwischen einem einfachen Vier-Licht-System oder größeren Systemen, die in Kombination mit Fernsehern und Kühlschränken angeboten werden, wählen und kaufen die Systeme mit einem erschwinglichen Pay-As-You-Go-Finanzierungsplan. Neben einer Anzahlung kommen Rückzahlungen ab umgerechnet rund 0,50 US-Dollar pro Tag dazu. Zahlungen erfolgen zum Beispiel über M-PESA, ein mobiltelefonbasiertes Geldsystem. Das Unternehmen hat mittlerweile mehr als 750000 Anlagen verkauft, und mit über eine Million ausgestellter Mikrokredite ist es ebenfalls zu einem Mikrokreditinstitut geworden, vgl. KCIC (2018): Kenya Solar PV Market Assessment. Kenya Climate Innovation Center, Nairobi (online verfügbar); M-KOPA et al. (2019): Impact Report: Upgrading Lives. M-KOPA, Nairobi 9. Oktober (online verfügbar). Trotz der Erfolge drängt die Regierung zur Eile. Am 6. Dezember 2018 wurde eine neue Elektrifizierungsstrategie veröffentlicht. Alle laufenden Bemühungen werden in der Kenya National Electrification Strategy (KNES) zusammengeführt, um bereits im Jahr 2022 eine Elektrifizierung von 100 Prozent zu erreichen. Im Vordergrund steht weiterhin der Netzausbau, aber in den Regionen, wo Haushalte 15 Kilometer oder mehr vom nationalen Stromnetz entfernt sind, haben Inselnetze und Inselanlagen Priorität.infoVon den noch 5,7 Millionen fehlenden Anschlüssen soll knapp die Hälfte mit netzfernen dezentralen Lösungen erreicht werden. Vgl. Power Africa (2019), a.a.O. Die wichtigste Komponente ist hierbei das Kenya-Off-Grid Solar Project (KOSAP), das für private Solarunternehmen mit subventionierten Krediten und einem Result-Based-Financing Model gezielt Anreize schafft, um den dünn besiedelten Norden und Osten des Landes mit Strom zu versorgen. Die Weltbank fördert diesen dezentralen Ansatz mit 150 Millionen Dollar und bis 2023 sollen auf diesem Weg 1,3 Millionen Haushalte Solarstrom erhalten, vgl. Weltbank und Kenya Ministry of Energy (2017): The Kenya Off-Grid Solar Access Project (KOSAP). IDA Project Appraisal Document, Nairobi, 5. Juli (online verfügbar). Neben der Weltbank schafft eine Vielzahl weiterer internationaler Geldgeber ein günstiges institutionelles Umfeld für den Sektor.

Fazit: Lokal passende Regulierung und erschwingliche Finanzierungsmodelle

Der Stromzugang für alle ist eines der Ziele der nachhaltigen Entwicklung der Vereinten Nationen. In den vergangenen 20 Jahren sind diesbezüglich erhebliche Fortschritte erzielt worden. Neben Erweiterungen nationaler Stromnetze stellen dezentrale solare Lösungen inzwischen eine einfach verfügbare und oftmals kostengünstige Alternative zu zentralen, fossil betriebenen Infrastrukturen dar. Die Kosten dezentraler Erneuerbarensysteme, inklusive Speicher, sind drastisch gefallen. Darüber hinaus sind in einigen Ländern explizite Anreize zu deren Nutzung gesetzt worden, unter anderem durch Mikrofinanzierungsprogramme. Vor dem Hintergrund des Klimawandels gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung.

Trotz erheblicher Fortschritte sind bei weitem noch nicht alle Hindernisse beim Stromzugang überwunden. Im Jahr 2019 lebten immer noch etwa 770 Millionen Menschen weltweit ohne Stromzugang, vor allem in Subsahara-Afrika. Die Corona-Pandemie verdeutlicht derzeit, dass der positive Trend der fortschreitenden Elektrifizierung fragiler ist als angenommen. Auch in den kommenden Jahren könnte durch den Rückgang der Weltwirtschaft die Entwicklung hin zum universellen Stromzugang verlangsamt werden. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass, wenn sich die Erholung von der Pandemie weiter verzögert, im Jahre 2030 noch immer 759 Millionen Menschen weltweit ohne Stromzugang sein könnten, also nur geringfügig weniger als heute. Aus diesem Grunde ist es unumgänglich, dass der universelle Zugang zu Elektrizität weiter ein Top-Ziel auf der Agenda der internationalen Gemeinschaft wie auch der nationalen Regierungen bleibt.

Die Fallstudien haben deutlich gemacht, dass ein differenzierter Blick auf das Thema notwendig ist. Als besonders erfolgreich hat sich beispielsweise in Bangladesch und Kenia eine Kombination aus staatlich unterstützten Ausbauprogrammen und Finanzierungs- beziehungsweise Bezahlmodellen unter Beteiligung des privaten Sektors erwiesen. Im Jemen hat der Bürgerkrieg zwar dazu geführt, dass dezentrale solare Lösungen entwickelt wurden. Dieser Trend wird aber nur nachhaltig sein, wenn bei Beruhigung der politischen Lage die Regierung den Ausbau weiter unterstützt. Der Fall Nigeria macht wiederum deutlich, wie essenziell der Abbau von Hürden ist – bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, der Finanzierung für die ärmsten Haushalte und dem politischen Willen zu erneuerbaren Energien und dem Auslaufen fossiler Stromerzeugung.

Zwar sind die Kosten für die Technologie zur weltweiten Elektrifizierung relativ gering. Jedoch stellen sich bei der Umsetzung erhebliche institutionelle Herausforderungen: Ausbauprogramme müssen den lokalen Gegebenheiten angepasst sein. Dies bezieht sich sowohl auf die Produktions- und Vertriebsstrukturen, bei denen ein ausgewogenes Maß an wettbewerblicher Privatsektorbeteiligung sowie zentraler beziehungsweise dezentraler Planung erfolgen muss. Darüber hinaus sind spezifische Organisations- und Geschäftsmodelle für die Finanzierung notwendig, insbesondere im Bereich der Mikrofinanzierung in Verbindung mit mobiler Zahlungsabwicklung. Auch der internationalen finanziellen und technischen Zusammenarbeit kommt nach wie vor eine wichtige unterstützende Rolle zu.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt



JEL-Classification: L51;L94;Q42
Keywords: Electricity, access, development, regulation, institutions, solar
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-48-3

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/226775

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