DIW-Konjunkturprognose: Deutsche Wirtschaft dümpelt vor sich hin – Handelskonflikte bedrohen Weltwirtschaft

  • Deutsche Wirtschaft in schwieriger Gemengelage aus konjunktureller Schwäche und Strukturwandel – Bruttoinlandsprodukt wird 2024 zweites Jahr in Folge sinken
  • Vor allem deutsche Industrie steckt in tiefer Krise: Zunehmender internationaler Wettbewerb, heraufziehender Protektionismus und unklare Wirtschaftspolitik in Deutschland belastet
  • Privater Konsum kommt auch wegen zunehmender Arbeitsplatzsorgen trotz steigender Reallöhne nicht aus dem Knick
  • DIW Berlin korrigiert Wachstumsprognose für Deutschland für 2025 deutlich auf 0,2 Prozent nach unten – 2026 ist Plus von 1,2 Prozent zu erwarten
  • Wirtschaftsboom in USA bleibt treibt Weltwirtschaft und gleicht schleppende Erholung andernorts aus – Globales Wachstum 2024 bis 2026 voraussichtlich bei jeweils gut dreieinhalb Prozent

„Die Verunsicherung der privaten Haushalte dürfte im Laufe des kommenden Jahres etwas abnehmen. Die Industrie wird sich langsam erholen, wenn im nächsten Jahr einmal klar ist, was für eine Regierung wir in Deutschland haben und wie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aussehen werden. Das bringt Sicherheit und Planbarkeit.“ Geraldine Dany-Knedlik

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer schwierigen Gemengelage aus konjunktureller Schwäche und strukturellem Wandel. Der anhaltende Auftragsmangel im Verarbeitenden Gewerbe, der zunehmende internationale Wettbewerb und die mittlerweile ebenfalls schwächelnden industrienahen Dienstleistungen schlagen inzwischen auch auf den Arbeitsmarkt durch und führen nicht nur zu Kurzarbeit, sondern trotz anhaltendem Fachkräftemangel auch zu Entlassungen. Zwar ist das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal 2023 leicht um 0,1 Prozent gestiegen – dies wird aber durch einen stärker als zunächst vermeldeten Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,3 Prozent im zweiten Quartal relativiert. Von einer Rückkehr auf einen stabilen Wachstumskurs kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Frühindikatoren deuten darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung im vierten Quartal erneut sinken wird, für das Gesamtjahr dürfte dann unter dem Strich ein Minus von 0,2 Prozent stehen – damit schrumpft die deutsche Volkswirtschaft das zweite Jahr in Folge.

Vor allem die deutsche Industrie steckt tief in der Krise. Der Außenhandel könnte zwar vorübergehend profitieren, weil viele Unternehmen trotz mangelnder Nachfrage ihre Ausfuhren in die USA wohl erhöhen, um möglichen Zöllen durch den designierten US-Präsidenten Donald Trump zuvorzukommen. Im Raum stehende protektionistische Maßnahmen werfen aber bereits ihre Schatten voraus und verunsichern die hiesigen Unternehmen, die daher auch Investitionen weiter aufschieben. Hinzu kommen die unklaren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland, die frühestens im Frühjahr mit einer neuen Bundesregierung absehbar werden. All das – verbunden mit zunehmenden Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz – verunsichert die Menschen in Deutschland und führt dazu, dass trotz steigender Reallöhne der private Konsum nicht aus dem Knick kommt.

Erst ab Mitte des kommenden Jahres ist Stand jetzt eine allmähliche Entspannung in Sicht, wenn sich die innen- und außenwirtschaftlichen Unwägbarkeiten sukzessive abschwächen. Die deutsche Wirtschaft dürfte 2025 dennoch nur um 0,2 Prozent wachsen – damit korrigiert das DIW Berlin seine Herbstprognose um 0,7 Prozentpunkte nach unten. Für 2026 ist dann eine Steigerung der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent zu erwarten – ein guter Teil davon geht aber auf Sondereffekte wie eine relativ hohe Zahl an Arbeitstagen zurück.

Mit Blick auf die Weltwirtschaft bleibt der Boom in den USA vorerst ein zentraler Treiber und gleicht die schleppende Erholung in vielen anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften sowie in China aus. Während die chinesische Wirtschaft schwächelt, setzt der Euroraum seinen allmählichen Aufschwung dank steigender Kaufkraft und sinkender Inflation fort. In diesem Jahr wird die Weltwirtschaft um voraussichtlich 3,7 Prozent wachsen. 2025 und 2026 ist mit einem Plus von 3,6 und 3,7 Prozent zu rechnen.

Protektionismus wirft erste Schatten auf Weltwirtschaft

Auch in diesem Jahr bestimmt der anhaltende Boom in den USA das Expansionstempo der Weltwirtschaft und kompensiert die schleppende Erholung in vielen anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften sowie in China. Damit vergrößert sich der Abstand der Wirtschaftsleistung zwischen den USA und anderen wichtigen Ökonomien wie dem Euroraum. Im Euroraum und im Vereinigten Königreich setzt sich der allmähliche Aufschwung dank der wieder anziehenden Kaufkraft fort. Die chinesische Wirtschaft schwächelt, so dass das angestrebte Wachstumsziel von fünf Prozent für dieses Jahr nicht erreicht wird. Die Wirtschafts- und Handelspolitik des designierten US-Präsidenten Donald Trump stellt die weltwirtschaftliche Ordnung auf die Probe.

Die Expansion der Weltwirtschaft hat zuletzt wieder an Fahrt gewonnen. Sie wuchs im dritten Quartal 2024 um 0,8 Prozent nach 0,7 Prozent im Vorquartal (Abbildung 1). Auch im Herbst wurde das Wachstum der fortgeschrittenen Volkswirtschaften vor allem von einem kräftigen Plus von 0,7 Prozent in den USA getragen. In den meisten anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften setzte sich die Erholung im moderaten Tempo fort. So legten das Vereinigte Königreich und Japan nur jeweils um 0,1 und 0,2 Prozent zu. Der Euroraum hingegen baute die Erholung aus und verzeichnete weitere 0,4 Prozent Zuwachs: Spanien und die Niederlande haben mit einem Plus von jeweils 0,8 Prozent die Nase vorn, gefolgt von Frankreich mit 0,4 Prozent. Die Wirtschaft in Italien und Deutschland stagnierte.

Die mittel- und südosteuropäischen EU-Länder litten unter der schwachen Nachfrage aus Deutschland, die Wirtschaftsleistung sank dort um 0,2 Prozent im dritten Quartal. Lediglich in Tschechien nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erneut um 0,3 Prozent zu.

In den Schwellenländern lief es nach einem schwachen zweiten Quartal wieder etwas besser. Die chinesische Wirtschaft beschleunigte und verbuchte ein Quartalsplus von 0,9 Prozent. Auch Indiens Expansionsdynamik war zuletzt etwas stärker. Mexikos BIP stieg im dritten Quartal um 1,1 Prozent, während sich in Brasilien das Wachstum mit 0,9 Prozent relativ zum Vorquartal abschwächte.

Ungeachtet erwarteter geo- und handelspolitischer Einschnitte dürfte die Weltwirtschaft im laufenden Quartal leicht zulegen, dabei schlägt das wieder kräftiger werdende Wirtschaftswachstum in China durch. Die meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften verlieren leicht an Dynamik, die Frühindikatoren haben sich in den Herbstmonaten eingetrübt. Die Flaute der globalen Industrieproduktion hält an: Die Einkaufsmanagerindizes für die USA und den Euroraum waren von Mai bis September abwärtsgerichtet und bewegten sich am aktuellen Rand seitwärts. Im Dienstleistungssektor zeigt sich ein geteiltes Bild: Während die USA im November stark zulegen, sinken die Indizes für den Euroraum unter die Expansionsschwelle. Im Vereinigten Königreich fielen im Oktober die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe unter 50, ein Trend, der im November andauerte. Japans Index für das Verarbeitende Gewerbe setzt die Seitwärtsbewegung knapp unterhalb der Expansionsschwelle fort. In die Umfragen flossen die neuesten politischen Entwicklungen wie die Wahl Trumps und der Koalitionsbruch in Deutschland nur teilweise ein. Sie dürften aber zu einer gestiegenen Verunsicherung der Unternehmen und privaten Haushalte über künftige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen geführt haben. Größte Unwägbarkeiten sind die handelspolitischen Schritte der USA. Um sich dagegen abzusichern, dürften Unternehmen Bestellungen vorziehen, sodass die Exporte in die USA wohl zunächst etwas kräftiger als erwartet ausfallen. Das schlägt sich vermutlich aber nicht in der aggregierten Wirtschaftsleistung der Welt nieder.

Es ist zu erwarten, dass das Wachstum in den USA im laufenden vierten Quartal weiterhin kräftig ausfällt, allerdings etwas weniger dynamisch als im Vorquartal. Dabei dürfte vor allem der private Konsum stützend wirken. Die Erholung im Euroraum wird wohl zunächst an Schwung verlieren: So dürfte etwa Frankreich nach dem Wegfall des Olympia-Effekts ein schwaches viertes Quartal vorweisen. In Japan und Südkorea wird die Wirtschaft hingegen voraussichtlich wieder etwas an Fahrt gewinnen. Auch in China dürften vor allem die jüngst angekündigten geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen die Aussichten verbessert haben, was die Stimmung in der Wirtschaft aufhellt.

Es wird davon ausgegangen, dass eine weniger restriktive Geldpolitik das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren stützt. Die Notenbanken vieler fortgeschrittener Volkswirtschaften werden im kommenden Jahr die Zinsen wohl weiter senken. So fallen die Inflationsraten vielerorts weiterhin niedriger aus, was vor allem auf sinkende Energiepreise zurückzuführen ist. Die Teuerung im Dienstleistungsbereich bleibt vielerorts kräftig. Die Schwellenländer haben schon früher die Zinswende eingeleitet und könnten am Ende der Zinssenkungen angelangt sein. So hält sich in Mexiko die Inflation hartnäckiger als angenommen und in Brasilien hat die Notenbank wegen einer erhöhten Kerninflation die Zinsen zuletzt wieder erhöht. Abweichend davon verfolgt die chinesische Zentralbank wegen deflationärer Tendenzen eine lockere Geldpolitik (Abbildung 3).

In den meisten Volkswirtschaften ist die Finanzpolitik leicht expansiv ausgerichtet. Im Vereinigten Königreich hat die neue Labour-Regierung ihr Herbstbudget verabschiedet und eine expansive Finanzpolitik eingeläutet. In den USA dürfte die Finanzpolitik nach Trumps Wahlerfolg über den Prognosehorizont aufgrund vieler Vorschläge des designierten Präsidenten ebenfalls expansiv ausgerichtet sein. In China hat die Regierung Ende September ihr größtes finanzpolitisches Konjunkturprogramm seit der Pandemie angekündigt. Mit einer Höhe von umgerechnet 1300 Milliarden Euro konzentriert sich das Paket auf die Lösung der Schuldenprobleme lokaler Regierungen. Nur im Euroraum dürfte die Finanzpolitik im Prognosezeitraum leicht restriktiv bleiben.

Die boomende US-Wirtschaft und die allmähliche Erholung in vielen anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben den Welthandel im dritten Quartal etwas belebt. Unter der Annahme, dass sich die globalen Handelshemmnisse ab 2025 verschärfen, dürfte der Welthandel aufgrund vorgezogener Käufe auch im laufenden Quartal kräftiger ausfallen. Daher wird für das Jahr 2024 insgesamt ein Wachstum des Welthandels von 1,2 Prozent erwartet. Für die Jahre 2025 und 2026 wird wegen der wohl stärkeren Handelsbeschränkungen nur mit einem moderaten Aufschwung gerechnet. Außerdem dürfte die anhaltende Industrieschwäche weiter den Welthandel belasten, bevor sinkende Zinsen ab Ende 2025 Unternehmensinvestitionen etwas anschieben und den Welthandel stützen.

In den kommenden Jahren dürfte die erwartete Zunahme von Handelshemmnissen die Weltkonjunktur bremsen. In dieser Prognose wird unterstellt, dass die US-Regierung die Zollsätze auf chinesische Warenimporte um zehn Prozentpunkte anheben wird, sodass der durchschnittliche Satz auf chinesische Ausfuhren auf rund 30 Prozent ansteigt. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass von der Regierung von US-Präsident Joe Biden ausgesetzte Aluminium- und Stahl-Zölle für die Europäische Union wieder eingeführt werden. Als Reaktion auf die Anhebung der US-Zölle wird angenommen, dass betroffene Volkswirtschaften gezielte Gegenmaßnahmen ergreifen, eine Eskalationsspirale aber ausbleibt. Durch eine Asymmetrie in der Festlegung der Zölle dürften die Regionen unterschiedlich betroffen sein.

Es wird erwartet, dass die starke Expansion in den USA noch bis 2026 anhalten wird und dann allmählich nachlässt. Zwar werden eine protektionistische Handelspolitik und eine restriktive Migrationspolitik zu einem Preisdruck führen, der jedoch im Prognosezeitraum durch fallende Energiepreise abgedämpft werden dürfte. Zum Wachstum beitragen werden wohl ein anhaltend starker Konsum, gestützt durch eine gute finanzielle Lage der Haushalte, einen soliden Arbeitsmarkt und eine geplante Steuerentlastung für Privathaushalte unter der neuen Regierung. Auch Unternehmensinvestitionen dürften stützend wirken, getrieben durch bessere Finanzierungsbedingungen, eine Erholung des Immobiliensektors und einer erwarteten Senkung der Körperschaftsteuer.

Die Wirtschaft im Euroraum dürfte 2025 und 2026 dank einer starken Binnennachfrage infolge steigender Reallöhne weiter expandieren (Abbildung 2). Die Auswirkungen der in dieser Prognose unterstellten US-Zölle dürften das Wachstum nur geringfügig beeinträchtigen. Die USA sind zwar ein wichtiger Handelspartner für die europäischen Volkswirtschaften. Jedoch ist ihr Marktanteil für Exporte der großen EU-Mitgliedstaaten im Schnitt nur einstellig und damit im Vergleich zu dem der Handelspartner innerhalb der EU relativ klein (Kasten 2).

Die Aussichten für die Schwellenländer bleiben zwar weiterhin günstig, allerdings dürfte die neue US-Regierung die handelspolitische Unsicherheit erhöhen. Mexiko könnte dabei neben China am stärksten von Importzöllen getroffen werden. In China setzen die jüngsten finanz- und geldpolitischen Maßnahmen positive Wachstumsimpulse, jedoch werden die von den USA angestrebten Importzölle für chinesische Produkte den Warenexport wohl deutlich belasten.

In diesem Jahr dürfte die Wirtschaft in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften um 1,8 Prozent und in den Schwellenländern um 4,7 Prozent wachsen. Für die Weltwirtschaft wird eine Wachstumsrate von 3,7 Prozent erwartet. Für 2025 und 2026 wird mit einem Plus von 3,6 und 3,7 Prozent gerechnet. Die Prognose für 2025 wurde um 0,1 Prozentpunkte nach unten revidiert. Die nur moderate Abwärtskorrektur resultiert daraus, dass die unterstellten Handelshemmnisse durch ein dynamischeres US-Wachstum ausgeglichen werden (Tabelle 1).

Tabelle 1: Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Weltwirtschaft

In Prozent

Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Arbeitslosenquote in Prozent
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
2023 2024 2025 2026 2023 2024 2025 2026 2023 2024 2025 2026
Europa
Europäische Union 0,5 0,9 1,5 1,9 6,4 2,6 2,4 2,2 6,1 6,0 5,9 5,7
Euroraum 0,5 0,7 1,1 1,4 5,4 2,4 2,1 2,0 6,6 6,4 6,3 6,2
ohne Deutschland 1,2 1,3 1,4 1,6 5,0 2,2 2,0 1,9 8,3 7,9 7,7 7,5
Frankreich 1,1 1,1 0,9 1,5 5,7 2,4 1,9 1,8 7,3 7,5 7,4 7,3
Italien 0,8 0,4 0,8 1,0 5,9 1,1 1,9 2,0 7,7 6,7 6,5 6,4
Spanien 2,7 3,1 2,3 2,2 3,4 2,8 2,3 1,9 12,2 11,5 11,1 10,8
Niederlande 0,1 1,0 2,2 1,8 4,1 3,1 2,5 2,0 3,6 3,7 3,6 3,6
Vereinigtes Königreich 0,3 0,9 1,2 1,2 7,3 2,5 2,2 2,1 4,0 4,3 4,4 4,3
Schweiz 0,7 1,7 1,8 1,8 2,1 1,2 1,0 1,2 4,0 4,2 4,3 4,1
Mittel- und Osteuropa 0,5 1,7 2,7 3,4 11,6 4,0 3,4 3,0 3,6 3,7 3,5 3,4
Türkei 5,1 3,4 2,9 3,4 54,0 58,7 35,9 29,8 9,4 8,7 9,0 8,6
Russland1 3,3 3,5 1,7 1,5 5,9 8,2 6,5 4,6 3,2 2,5 2,4 2,4
Amerika
USA 2,9 2,7 2,4 2,2 4,1 2,8 2,2 2,2 3,6 4,0 4,1 3,9
Mexiko 3,2 1,3 1,4 1,8 5,5 4,6 3,2 2,9 2,8 2,7 2,6 2,6
Brasilien 2,9 3,0 2,4 2,3 4,6 4,2 3,1 2,9 8,0 7,0 6,8 6,9
Asien
Japan 1,7 −0,1 1,2 0,9 3,3 2,6 1,9 1,6 2,6 2,6 2,4 2,3
Südkorea 1,4 2,2 2,0 2,2 3,6 2,4 1,9 1,9 2,7 2,8 3,0 3,0
China 5,2 4,7 4,5 4,3 −1,7 0,4 1,3 1,4 5,2 5,1 5,0 5,0
Indien 7,8 6,5 6,1 6,6 5,7 4,9 5,7 4,6 8,1 7,9 7,5 7,3
Total
Fortgeschrittene Volkswirtschaften 1,9 1,8 1,8 1,8 4,8 3,0 2,3 2,3 4,4 4,5 4,5 4,3
Schwellenländer 5,5 4,7 4,5 4,6 4,5 5,9 5,7 5,4 6,2 6,0 5,8 5,7
Welt 4,1 3,7 3,6 3,7 4,3 3,9 3,5 3,4 5,8 5,7 5,5 5,4
Nachrichtlich:
Exportgewichtet2 3,1 2,8 2,8 2,8
BIP in USD gewichtet3 3,4 3,1 3,1 3,1

1 Die für Russland prognostizierten Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Russland hat nur geringes Gewicht in der Gesamtprognose.

2 Gewichtung der Welt mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr über das Jahr 2023 aus Destatis.

3 Gewichtung der Welt mit dem Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar über die Jahre 2023 bis 2026.

Anmerkungen: Die schwarzen Zahlen sind abgerechnete Zahlen. Die Werte der Ländergruppen sind ein gewichteter Durchschnitt, wobei für die Gewichtung des BIP und der Verbraucherpreise das jeweilige Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten aus dem IMF World Economic Outlook für die Jahre 2023 bis 2026 verwendet wird. Für die Gewichtung der Arbeitslosenzahlen in den Ländergruppen wird die Erwerbsbevölkerung (15 bis 64 Jahre) des jeweiligen Landes für das Jahr 2023 verwendet. MOE besteht aus: Polen, Rumänien, Tschechische Republik und Ungarn.

Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft haben seit dem Herbst deutlich zugenommen. Zunächst bleiben die geopolitischen Unsicherheiten hoch. Zum einen könnte eine zunehmende Eskalation im Nahen Osten die Preise für Öl und Gas weiter anheben. Der Krieg in der Ukraine bleibt ein unkalkulierbarer Faktor – insbesondere nach der Wiederwahl Trumps, die insgesamt die wirtschafts- und sicherheitspolitischen Risiken verstärkt. Diese Prognose trifft Annahmen zur künftigen US-Handels- und Fiskalpolitik nach Trumps Wiederwahl (Kasten 1). Sollte es jedoch deutlich höhere Handelshemmnisse geben als in dieser Prognose unterstellt, dürfte es zu größeren weltwirtschaftlichen Verwerfungen kommen (Kasten 2). Ein weiterer Risikofaktor bleibt die Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden. In Frankreich sind die Renditen der Staatsanleihen gestiegen, der Rücktritt des französischen Premierministers Michel Barnier verstärkt Zweifel an einer Senkung der Schuldenlast.

Annahmen zu Zinsen, Wechselkursen und Energiepreisen

Dieser Prognose liegen die folgenden Annahmen über den weiteren Verlauf von Leitzinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen zugrunde (Tabelle). Sie wurden auf Basis der bisherigen Entwicklung, der Preise an den Terminmärkten sowie der Schlussstände zum Stichtag dieser Prognose am 12.11.2024 getroffen. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte im Oktober erneut die Zinsen. Somit setzt sie den begonnenen Pfad der Normalisierung fort. Für die Winterprognose werden vier weitere Zinsschritte je 25 Basispunkte für den Einlagesatz bis Frühling 2025 angenommen. Die Geldmarktzinsen sanken im Einklang mit den Leitzinsen ebenfalls. Es wird erwartet, dass entsprechend der Entwicklung die Leitzinsen bis Mitte des Jahres 2025 weiter fallen und dann auf dem Niveau verharren dürften. Die Transmission der Zinssenkungen in die Realwirtschaft zeichnet sich ebenfalls ab. So begannen die Refinanzierungskosten für Haushalte und Unternehmen im zweiten Quartal des Jahres 2024 zu sinken. Der Pfad dürfte sich in Übereinstimmung mit den Leitzinsen fortsetzen. Die Renditen für Staatsanleihen sind im aktuellen Quartal wieder leicht angestiegen. Es wird angenommen, dass die Kapitalmarktzinsen über den Prognosehorizont weitestgehend unverändert bei jeweils 2,3 Prozent und 2,9 Prozent für Deutschland und den Euroraum liegen werden. Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar zuletzt leicht aufgewertet. Für den Prognosezeitraum wird angenommen, dass der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar auf dem zum Datenschluss erreichten Niveau von 1,07 US-Dollar pro Euro verbleibt. Der Preis für Brent-Rohöl wird laut Futures in den kommenden Monaten einen leichten Anstieg verzeichnen, bevor er ab dem kommenden Jahr und bis zum Ende des Prognosezeitraums wieder sinken wird. In diesem Jahr dürfte der Preis im Durchschnitt bei 81 US-Dollar pro Barrel liegen und in den Jahren 2025 und 2026 auf 73 US-Dollar beziehungsweise 71 US-Dollar pro Barrel fallen. Die Großhandelspreise für Gas (TTF) sind im Laufe des Jahres 2024 angestiegen und dürften im Schnitt 34 Euro je Megawattstunde betragen. Über den Prognosehorizont wird angenommen, dass die Preise im Jahr 2025 auf 40 Euro ansteigen, bevor sie im Jahr 2026 auf 34 Euro je Megawattstunde sinken.

Tabelle: Annahmen dieser Prognose

2023 2024 2025 2026
EZB-Einlagefazilität1 Prozent 4,0 3,0 2,25 2,25
Geldmarktzins EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent 3,4 3,5 2,0 2,0
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit 10-jähriger Restlaufzeit 3,3 3,0 2,9 2,9
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit 10-jähriger Restlaufzeit 2,6 2,4 2,3 2,3
Wechselkurs US-Dollar/Euro 1,08 1,08 1,06 1,06
Erdölpreis US-Dollar/Barrel 82,5 80,3 72,9 70,9
Gaspreis Euro/MWh 42,1 34,1 40,4 34,2

1 Die EZB steuert die Wirtschaft aktuell über den Einlagefazilität, nicht den Hauptrefinanzierungssatz (Leitzins).

Anmerkung: Jahresdurchschnittswerte; EZB-Einlagefazilität-Werte zum Jahresende.

Quellen: Europäische Zentralbank; European Money Markets Institute (EMMI); Eurex Exchange; Deutsche Bundesbank; Federal Reserve; Energy Information Administration (EIA); Intercontinental Exchange (ICE); CME Group; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Geo- und handelspolitische Annahmen

Zudem wird in dieser Prognose angenommen, dass es zu keiner weiteren geopolitischen Eskalation im Ukraine-Krieg kommen wird. Eine Entspannung im Nahen Osten rückt in die Ferne. Der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sorgt für Unsicherheit und könnte zu höheren Preisen für Erdöl und Erdgas führen. Zudem wird in dieser Prognose unterstellt, dass der designierte US-Präsident Trump einen Teil seiner angekündigten Handelszölle umsetzt. Angenommen wird, dass die US-Regierung im ersten Quartal 2025 die Zollsätze für alle Warenimporte aus China um zehn Prozentpunkte erhöht. Somit würde der durchschnittliche Zollsatz auf Waren aus China, der derzeit bei rund 20 Prozent liegt, noch einmal um die Hälfte ansteigen auf in etwa 30 Prozent (inklusive Automobilzölle und Zölle in Höhe von 100 Prozent für E-Autos). Die ausgesetzten Aluminium- und Stahlzölle für die EU werden wieder eingesetzt (zehn Prozent für Aluminium und 25 Prozent für Stahl). Außerdem werden Handelspartner annahmegemäß auf breitangelegte Gegenmaßnahmen verzichten und lediglich mit Vergeltungszöllen auf spezifische Warengruppen reagieren.

Ein Großteil der Zollankündigungen dürften Verhandlungsmasse sein

Über den Prognosehorizont ist mit einer Verschärfung protektionistischer Maßnahmen seitens der USA zu rechnen. Der designierte Präsident Donald Trump hat zum Teil extreme und widersprüchliche Ankündigungen zu Zollerhöhungen gemacht. Es ist wahrscheinlich, dass Trump an die Handelspolitik seiner ersten Amtszeit anknüpft und die Androhung zusätzlicher Einfuhrzölle vor allem als Druckmittel in bilateralen Verhandlungen dient und die Zölle daher nur teilweise umgesetzt werden. Konkret wird in der Prognose unterstellt, dass Zölle auf chinesische Güter nach dem Amtsantritt um zehn Prozent angehobeninfoVgl. Vivek Mishra und Kevin Yao (2024): Trump to Unleash Nearly 40 Tariffs on China in Early 2025, Hitting Growth: Reuters Poll. Reuters, 20. November 2024 (online verfügbar). und die von Trumps Vorgänger Joe Biden ausgesetzten Zölle auf Aluminium und Stahl (zehn Prozent für Aluminium und 25 Prozent für Stahl) aus der EU wieder eingeführt werden. Außerdem werden Handelspartner annahmegemäß auf breitangelegte Gegenmaßnahmen verzichten und lediglich mit Vergeltungszöllen auf spezifische Warengruppen reagieren.

Zwar kündigte Trump bereits während seines Wahlkampfes weitere drastische Maßnahmen wie universelle Einfuhrzölle von zehn oder 20 Prozent an, diese würden bei der Umsetzung allerdings erhebliche wirtschaftliche und politische Implikationen nach sich ziehen. Zum einen würden Zölle dieser Größenordnung die Preise importierter Güter deutlich ansteigen lassen und damit für kräftigen Preisauftrieb sorgen – potenziell begleitet von Lieferkettenstörungen und einer Angebotsverknappung in den USA.infoVgl. Warwick J. McKibbin, Megan Hogan und Marcus Noland (2024): International Economic Implications of a Second Trump Presidency. Peterson Institute for International Economics (online verfügbar). Dies dürfte sowohl in der Bevölkerung als auch bei Unternehmen auf erheblichen Widerstand stoßen. So zeigt eine Studie, dass hohe Inflationsraten die Zustimmung zur amtierenden Regierung erheblich verringern.infoVgl. David Steinberg, Daniel McDowell und Erdem Aytac (2024): The Impact of Inflation on Support for Kamala Harris in the 2024 Presidential Election (online verfügbar). Zudem könnte ein starker Anstieg der Einfuhrzölle zu einer Destabilisierung der Aktienmärkte führen, worauf auch die jüngsten Kursverluste der Autobauer General Motors und Ford nach Trumps Ankündigungen zu Einfuhrzöllen auf mexikanische Importe hindeuten. Schließlich bestehen rechtliche Hürden, die trotz der weitreichenden Kompetenzen des Präsidenten eine handelspolitische Eskalation erschweren dürften.

Werden doch alle Zölle eingeführt, gibt es erhebliche realwirtschaftliche Verwerfungen

Dennoch bleibt die Unsicherheit hinsichtlich der getroffenen Annahmen groß und deutlich weitreichendere protektionistische Maßnahmen erscheinen möglich. Drastische Einfuhrzölle wurden nicht nur als Mittel gerechtfertigt, Zugeständnisse von Handelspartnern zu erwirken, sondern auch, um Staatseinnahmen zu generieren sowie heimische Industriezweige und die damit verbundenen Arbeitsplätze zu erhalten. Zwar sind diese Begründungen empirisch kaum belastbar, könnten jedoch auf eine tatsächliche Umsetzung weitreichenderer Zölle hindeuten.

Eine wiederholte Ankündigung Trumps sah beispielsweise universelle Einfuhrzölle von zehn Prozent und Zölle auf chinesische Einfuhren in Höhe von 60 Prozent vor. Dies würde einen drastischen Bruch mit der bisherigen Handelspolitik der USA bedeuten. So lag die durchschnittliche effektive Zollrate im Jahr 2023 bei lediglich 3,8 Prozent. Eine solch massive Verschärfung der Handelspolitik hätte auch für die USA deutlich negative wirtschaftliche Folgen. So zeigen Modellberechnungen,infoVgl. McKibbin, Hogan und Noland (2024), a.a.O. dass allein die Umsetzung universeller Einfuhrzölle von zehn Prozent ohne handelspolitische Gegenreaktionen die US-Produktion um 0,4 Prozentpunkte zum Ende des Prognosehorizontes reduzieren würde. Die Inflation wäre allein im Jahr der Zollanhebung 0,6 Prozentpunkte höher. Auf diesen starken Preisdruck dürfte die US-Notenbank mit einem restriktiveren Kurs reagieren, was die binnenwirtschaftliche Aktivität dämpfen würde. Langfristig dürften umfassende Zölle zudem die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft schwächen, bedingt durch höhere Produktionskosten und die Verlagerung von Ressourcen in weniger produktive Sektoren.infoVgl. Davide Furceri et al. (2018): Macroeconomic consequences of tariffs (No. 25402). National Bureau of Economic Research (online verfügbar). Schließlich könnten Handelspartner mit breitangelegten Vergeltungszöllen reagieren, was einen Handelskrieg herbeiführen und internationale Handelsbeziehungen weiter destabilisieren könnte. Positive Effekte der Einfuhrzölle für die US-Wirtschaft dürften begrenzt bleiben. So zeigt eine Studie,infoVgl. David Autor et al. (2024): Help for the Heartland? The employment and electoral effects of the Trump tariffs in the United States (No. 32082). National Bureau of Economic Research (online verfügbar). dass durch die Zölle in der ersten Amtszeit Trumps keine Arbeitsplätze in bezollten Sektoren geschaffen wurden. Vielmehr waren die daraus resultierenden Gegenzölle Chinas für die USA wirtschaftlich kostspieliginfoVgl. Sung Eun Kim und Yotam Margalit (2021): Tariffs as Electoral Weapons: The Political Geography of the US–China Trade War. International Organization, 75(1), 1–25 (online verfügbar). und hatten negative Effekte auf das Beschäftigungsniveau.infoVgl. Autor et al. (2024), a.a.O. Zugleich würden die Zölle das Handelsdefizit nicht reduzieren,infoVgl. McKibbin, Hogan und Noland (2024), a.a.O. unter anderem wegen einer voraussichtlichen Aufwertung des US-Dollars, der Exporte teurer und Importe billiger macht.

Neben der US-Wirtschaft würde auch die globale Wirtschaft hart von einer solchen weitreichenden Anhebung der US-Zölle getroffen werden. So dürften im Rest der Welt die Exporte sinken und die Produktion fallen, während zugleich die aus den USA importierten Güter durch eine mögliche Aufwertung des Dollar teurer werden könnten. Die negativen Folgen für einzelne Länder dürften von der Höhe der Einfuhrzölle und ihrer Abhängigkeit von den USA als Handelspartner abhängen. Die Tabelle (Tabelle) zeigt für prognostizierte Volkswirtschaften den Anteil am Gesamtvolumen der Warenexporte in die USA und deren relative Wichtigkeit im Vergleich zu anderen Handelspartnern.

Tabelle: Stellenwert der USA als Exportpartner und Anteil der Ausfuhren in die USA

Land Rang Anteil am Gesamtvolumen der Warenexporte (in Prozent)
Deutschland 1 10
Frankreich 5 7
Italien 2 10,7
Spanien 6 4,7
Niederlande 5 5
Vereinigtes Königreich 1 13,8
Schweiz 1 15
Ungarn 4 5
Polen 8 2,9
Tschechien 11 2,3
Rumänien 14 2,3
Türkei 2 5,8
Russland 11 2,8
Mexico 1 79,6
Brasilien 2 11
Japan 1 20,2
Südkorea 2 18,4
China 1 14,8
Indien 1 17,6

Quelle: UNCTAD Database, Ende 2023.

Es wird deutlich, dass für große Mitgliedsländer der EU der Anteil aller Ausfuhren in die USA an den Gesamtexporten eher gering ausfällt. Die ökonomischen Folgen dürften demnach für die Europäische Union insgesamt eher begrenzt bleiben, allerdings gibt es deutliche regionale Unterschiede. Eine StudieinfoVgl. Aurélien Saussay (2024): The economic impacts of Trump’s tariff proposals on Europe. Policy Publication, London School of Economics (online verfügbar). untersucht mögliche Konsequenzen universeller Einfuhrzölle in Höhe von zehn Prozent, 60 Prozent auf chinesische Einfuhren und 100 Prozent auf alle importierten Autos. Gemäß diesen Modellrechnungen ist mit einem Verlust des BIP für die EU von rund minus 0,11 Prozent zu rechnen.infoAuch das BIP des Vereinigten Königreichs dürfte mit minus 0,1 Prozent nur moderat zurückgehen. Deutschlands Wirtschaft hingegen wäre stärker betroffen, insbesondere die Erhebung von Einfuhrzöllen auf Autos würde die deutsche Industrie empfindlich treffen.infoVgl. Sussay (2024), a.a.O. Zudem sind die USA für deutsche Pharmaunternehmen der wichtigste einzelne Absatzmarkt. Sollten US-amerikanische Gasexporte in die EU als politisches Druckmittel genutzt werden, besteht außerdem das Risiko erneut steigender Energiepreise. Dies würde wohl insbesondere das gebeutelte Verarbeitende Gewerbe in Deutschland erneut belasten. Deutschland könnte allerdings von Zollasymmetrien und einer Handelsdiversifizierung profitieren, die die negativen Konsequenzen etwas abschwächen dürften. Denn eine Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China mit deutlich höheren Zöllen beider Handelspartner würde deutsche Produkte relativ günstiger machen. Zugleich dürfte die Zollpolitik zur Diversifizierung der Handelsbeziehungen anderer Länder führen,info Vgl. Pablo Fajgelbaum et al. (2024): The US-China trade war and global reallocations. American Economic Review: Insights 6(2), 295–312 (online verfügbar). was die Nachfrage nach deutschen Produkten weiter erhöhen könnte.

Für die chinesische Wirtschaft sind die USA mit einem Anteil von etwa 15 Prozent am Gesamtvolumen der Exporte im Jahr 2023 der wichtigste Handelspartner. Eine Anhebung der Zölle auf 60 Prozent für alle importierten chinesischen Waren würde die chinesische Wirtschaft hart treffen und zu Verwerfungen im Welthandel führen. Gleichzeitig dürfte China wie auch bereits 2018 Gegenmaßnahmen ergreifen, was den Effekt wohl noch einmal verstärkt. Während der ersten Amtszeit Trumps entsprachen die Gegenzölle in etwa der Höhe der US-Zölle, sodass eine Eskalationsspirale vermieden wurde.

Die Bezollung mexikanischer und kanadischer Waren dürfte für beide Länder erhebliche wirtschaftliche Einbußen bedeuten. Dabei wäre in Kanada vor allem der Rohölsektor,info97 Prozent der kanadischen Rohölexporte gehen in die USA, was 16 Prozent der gesamten Exporterlöse entspricht. in Mexiko insbesondere der Automobilsektor - der bedeutendste Industriesektor des Landes – betroffen.

Für Schwellenländer würde die voraussichtliche Aufwertung des US-Dollars – bedingt durch die starke Erhöhung von Einfuhrzöllen – mit erheblichen Nachteilen verbunden sein, da deren Schulden in US-Dollar notiert sind. Eine Studie des Internationalen WährungsfondsinfoVgl. International Monetary Fund (2023): External Sector Report 2023, Chapter 2 (online verfügbar). legt nahe, dass ein Anstieg des Dollarwertes um zehn Prozent die Wirtschaftsleistung in Schwellenländern nach sechs Monaten um etwa 1,9 Prozent verringern würde. Diese Auswirkungen halten dabei bis zu zweieinhalb Jahre an.

Euroraum: Erholung des privaten Konsums setzt sich fort

Die Wirtschaft im Euroraum baut im dritten Quartal mit 0,4 Prozent BIP-Wachstum die Erholung weiter aus: Steigende Reallöhne stützen in allen großen Mitgliedsländern den privaten Konsum. Der Außenhandel hingegen spielte nach starken Exportbeiträgen im ersten Halbjahr für die wirtschaftliche Expansion keine Rolle mehr.

Mit Raten von 0,8 Prozent wuchsen Spanien und die Niederlande besonders kräftig. Frankreich profitierte im dritten Quartal stark von den Olympischen Spielen und verzeichnete eine Erholung von 0,4 Prozent, während Deutschland wiederholt einer technischen Rezession entging und nur um schmale 0,1 Prozent zulegte. Die Wirtschaft in Italien stagnierte. Vor allem der private Konsum legte im dritten Quartal zu und trug insbesondere in Frankreich und Deutschland zu positiven Wachstumszahlen bei.

Die Aussichten im Euroraum haben sich im laufenden Quartal etwas verschlechtert und dürften die Expansion im vierten Quartal mit einer zu erwartenden Wachstumsrate von 0,1 Prozent etwas bremsen. Insbesondere in Frankreich haben sich die konjunkturellen Aussichten deutlich eingetrübt. Der Gesamtindex des Einkaufmanagerindexes ist dort seit einem positiven Ausreißer im August um merkliche 8,3 Punkte auf zuletzt 45,9 Punkte im November gefallen und deutet auf eine Schrumpfung des BIP im vierten Quartal hin. Andere umfragebasierte Indikatoren im Euroraum zeigen laut Schnellschätzungen im November ebenfalls eine Verschlechterung der Wirtschaftsleistung an. Der Einkaufmanagerindex im Verarbeitenden Gewerbe im Euroraum tritt auf der Stelle, während das Konsumentenvertrauen im November gefallen ist (Abbildung 4). Demgegenüber steht im dritten Quartal der stärkste Anstieg der Einzelhandelsumsätze seit der Energiekrise und ein neuer Tiefstand der Arbeitslosenquote mit 6,3 Prozent im Oktober.

Die Erholung in Trippelschritten wird sich wohl trotz der wirtschaftspolitischen Unwägbarkeiten durch die Wiederwahl Trumps in den USA sowie die anstehende Bundestagswahl in Deutschland fortsetzen. Diese Prognose trifft Annahmen zur künftigen US-Handels- und Fiskalpolitik (Kasten 2), die insgesamt den Aufschwung im Euroraum im kommenden Jahr nur leicht dämpfen dürften. Diese Prognose geht davon aus, dass Trump die Zölle für die wichtigen EU-Exportprodukte Stahl und Aluminium aus seiner ersten Amtszeit von 25 Prozent beziehungsweise zehn Prozent wiedereinsetzt. Der Anteil dieser Produkte an den Güterexporten aus der EU in die USA ist mit etwa 0,4 Prozent der Gesamtausfuhren gering. Wegen der geringen Größenordnung ist daher nur mit leichten, vor allem von Deutschland ausgehenden Vorzieheffekten im Export zu rechnen, um diesen Zöllen vorzugreifen. Zudem dürften die deutlich stärker ausfallende Zollerhöhung der USA auf chinesische Waren dazu führen, dass sich europäische Güter relativ zu US-amerikanischen vergünstigen. Die Zollasymmetrie wird wohl die Nachfrage nach Waren aus dem Euroraum begünstigen. Zudem dürften eine kräftige positive Korrektur des Ausblicks der konjunkturellen Lage in den USA sowie die expansiven wirtschaftspolitischen Maßnahmen Trumps sich insgesamt positiv auf die Auslandsnachfrage des Euroraums im kommenden Jahr auswirken. Alles in allem ist davon auszugehen, dass der Außenhandel die Erholung 2025 und 2026 etwas stützt.

Die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten werden die seit dem ersten Halbjahr rückläufige Investitionstätigkeit im Euroraum wohl weiter belasten. Sie ging bereits um mehr als zwei Prozent zurück, wovon jedoch der Großteil auf besonders volatile Buchungen multinationaler Konzerne in Produkte des geistigen Eigentums in Irland zurückzuführen war. Dennoch ist die Investitionstätigkeit von der Industrieschwäche und den noch hohen Finanzierungsbedingungen beeinträchtigt und hat wohl im dritten Quartal ebenfalls negativ zum Wachstum beigetragen. Eine Rückkehr zu wachsender Investitionstätigkeit ist erst nächstes Jahr zu erwarten, getragen von deutlich gesunkenen Zinsen und einer wachsenden Kreditnachfrage der Unternehmen sowie einer langsam anziehenden Bauaktivität.

Im kommenden Jahr dürfte sich die Erholung vor allem durch eine robuste Entwicklung des privaten Verbrauchs weiter fortsetzen. Die Reallöhne im Euroraum sind auf Erholungskurs und werden dank niedriger Inflation und hohen Nominallohnwachstums voraussichtlich weiter steigen und den privaten Konsum stützen. Insbesondere in Spanien sind die Reallöhne stark gewachsen und haben längst das Niveau von vor der Energiekrise überschritten (Abbildung 2). Der sehr robuste Arbeitsmarkt bleibt eine Stütze der Wirtschaftsaktivität, wie auch die sich vergünstigenden Finanzierungsbedingungen. Der Zinssenkungszyklus der Europäischen Zentralbank (EZB) ist im vollen Gang und dürfte Mitte 2025 zu einer Erholung der Investitionen und der Industrie beitragen, wie auch die Auszahlungen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität der EU.

Die weiterhin gute Lage auf dem Arbeitsmarkt wird wohl den privaten Verbrauch stützen. Die Arbeitslosenquote im Euroraum überrascht wiederholt positiv und dürfte den Abwärtstrend auch für 2025 fortsetzen. Auch die Beschäftigung wuchs im dritten Quartal unbeirrt der schon überausgelasteten Arbeitsmärkte um 0,2 Prozent weiter. Der angespannte Arbeitsmarkt sollte somit auch das Nominallohnwachstum aufrechterhalten. Das Wachstum der Tariflohnverträge im Euroraum beschleunigte sich auf 5,4 Prozent im Vorjahresvergleich. Insgesamt sollte das Lohnwachstum weiterhin kräftig ausfallen und den Reallohnverlust seit der Energiekrise langsam wiedergutmachen, jedoch mit abnehmenden Raten, wie Vorlaufindikatoren der Jobbörse Indeed nahelegen.infoVgl. Indeed Hiring Lab (online verfügbar, abgerufen am 2. Dezember 2024. Dies gilt für alle Online-Quellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben). Die Arbeitslosenquote wird in diesem Jahr voraussichtlich bei 6,4 Prozent liegen, bevor sie im Jahr 2025 auf 6,3 Prozent und im Jahr 2026 auf 6,2 Prozent sinken dürfte.

Die Inflation im Euroraum geht etwas schneller zurück als noch im Herbst erwartet. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex lag laut Schnellschätzung im November bei 2,3 Prozent – dank eines negativen Beitrags der Energieinflation. Insbesondere in Italien und Spanien fiel die Teuerung aufgrund stärker fallender Energiepreise geringer aus. Aus der Annahme fallender Ölpreise folgt, dass die Energiepreisinflation über den Prognosehorizont weiterhin etwas negativ zum Gesamtindex beitragen wird. Jedoch dürften sich Lebensmittel weiter leicht verteuern. Auch die Kerninflation (Verbraucherpreisinflation ohne Lebensmittel und Energie) ist mit 2,7 Prozent im November nach wie vor erhöht und tritt seit Anfang des Jahres auf der Stelle, konsistent mit einem stabil hohen Nominallohnwachstums. Umfragebasierte Inflationserwartungen wie die des Survey of Professional Forecasters oder Konsument*innen-Befragungen der EU-Kommission sowie marktbasierte Inflationserwartungen, denen inflationsindexierte Kontrakte zugrunde liegen, sind allesamt auf nahe 2,0 Prozent fest verankert.infoEuroraum-Konsument*innen-Umfrage, Preistrends über die nächsten zwölf Monate, Europäische Kommission (online abrufbar). Die Gesamtinflation dürfte im Jahresdurchschnitt 2024 bei 2,4 Prozent liegen und im kommenden Jahr nahe dem Ziel der EZB auf 2,1 Prozent sinken.

Die EZB setzte zuletzt ihre Normalisierung der Zinspolitik fort, indem sie die Zinsen im Oktober weiter senkte. Die Einlagenfazilität liegt nun bei 3,25 Prozent. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass sie die Leitzinsen weiterhin schrittweise um insgesamt 100 Basispunkten bis zum Sommer 2025 senkt (Kasten 1). Die geldpolitische Ausrichtung dürfte dann von restriktiv auf neutral wechseln. Die fest verankerten Inflationserwartungen lassen erwarten, dass die Zinspolitik der EZB zu keinem erneuten Anziehen der Inflation führt. Die Löhne dürften im kommenden Jahr weniger stark wachsen. Der Arbeitsmarkt ist zwar überausgelastet, das Beschäftigungswachstum verlangsamt sich jedoch. Die sinkenden Zinsen dürften insbesondere die Investitionstätigkeit im Baugewerbe wieder ankurbeln und die Industrieproduktion stützen.

Die Finanzpolitik im Euroraum dürfte über den Prognosehorizont etwas restriktiv ausgerichtet sein. Obwohl das Haushaltsdefizit 2023 leicht zulegte, sollte es auf knapp unter drei Prozent schrumpfen. Die Reduzierung der Defizite dürfte sowohl auf Einnahmenwachstum durch die wirtschaftliche Erholung als auch auf diskretionäre Reduzierung von Ausgaben zurückgehen. Im Sommer hatte die EU Defizitverfahren gegen sechs Mitgliedsstaaten eingeläutet. Insbesondere Italien und Frankreich verzeichnen noch besonders hohe Defizite um sechs Prozent, jedoch erwartet die EU-Kommission bis 2026 eine Rückkehr der Defizite aller großen Mitgliedsländer mit der Ausnahme Frankreichs auf unter drei Prozent. Insbesondere in Frankreich bleibt die Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden ein Risikofaktor. Hier trug zuletzt der Rücktritt Barniers zu Zweifeln an einer Senkung der Schuldenlast bei, was zu erhöhter Unsicherheit führen könnte. Positive finanzpolitische Impulse dürften jedoch aus dem NextGenerationEU-Programm zur Förderung von Investitionen kommen: Bisher wurde erst knapp die Hälfte der gewährten Zuschüsse ausgezahlt, die bis Ende 2026 alle erfolgt sein sollen.

Alles in allem wird die Wirtschaft des Euroraums im laufenden Jahr wohl um 0,7 Prozent zulegen. In Summe dürfte das Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 im Euroraum mit 1,1 Prozent marginal unter der Potenzialrate liegen, bevor im Jahr 2026 die Lücke dank 1,4 Prozent Wachstums geschlossen wird. Im Vergleich zur DIW-Herbstprognose werden damit die Aussichten für den Euroraum für nächstes Jahr um 0,2 Prozentpunkte herabgesetzt. Diese Prognoserevision ist auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zurückzuführen.

Mittelost- und südosteuropäische Länder: Schwache Auslandnachfrage lastet auf Konjunktur

Die Wirtschaftsleistung ist in den mittelost- und südosteuropäischen Ländern im dritten Quartal 2024 gesunken, lediglich in Tschechien nahm das BIP erneut leicht zu. Die Inlandsnachfrage wird in der Region weiterhin getragen vom privaten Konsum. Die Investitionen, die im ersten Halbjahr teilweise noch zulegten, blieben schwach. Auf der Region lastet eine schwache Auslandsnachfrage, insbesondere aus Deutschland als wichtigstem Handelspartner.

Die Schwäche der deutschen Industrie strahlt auf die östlichen Nachbarländer aus. In Tschechien stagnierte im dritten Quartal saisonbereinigt die Produktion, auch in Polen blieb sie hinter dem Vorjahr zurück. Im Oktober 2024 haben sich die Einkaufsmanagerindizes in beiden Ländern zwar etwas erhöht, blieben aber unter der Expansionsschwelle. Die schwachen Auftragseingänge aus Deutschland drücken auch auf die Automobilproduktion. Die Konsumentenzuversicht stagnierte zuletzt oder hat sich wie in Polen eingetrübt. Dabei ist die Lage am Arbeitsmarkt mit weiterhin geringer Arbeitslosigkeit gut (Abbildung 5).

Die Energiepreise sind in den Sommermonaten wieder stärker gestiegen, nachdem Energiepreisregulierungen teilweise zurückgenommen wurden. Allerdings flacht der Anstieg der Energiepreise inzwischen ab. Demgegenüber haben die Nahrungsmittelpreise in der Region angezogen. Aufgrund der wieder gestiegenen Teuerung haben die mittel- und südosteuropäischen Zentralbanken ihre Leitzinsen zuletzt nicht weiter gesenkt. Nur die tschechische Zentralbank hat mit einer leichten Senkung des Zinssatzes ihre Politik einer weniger restriktiven Geldpolitik fortgesetzt.

Im September waren Länder in der Region von massiven Überschwemmungen betroffen. In Tschechien hat die Flut in elf der 14 Regionen massive Schäden angerichtet, die von der tschechischen Regierung auf mehrere Milliarden Euro taxiert wurden. Es kam nach Angaben des Autobauers Škoda nicht zu nennenswerten Produktionseinschränkungen. Kleinere (Gewerbe-)Unternehmen und insbesondere die Wohnbevölkerung dürften aber massive Schäden erlitten haben. Zu deren Beseitigung hat die tschechische Regierung 1,2 Milliarden Euro in den laufenden Haushalt eingestellt; weitere 400 Millionen folgen 2025. Hinzu kommen vorgezogene Mittel in Höhe von zwei Milliarden Euro aus dem EU-Kohäsionsfonds.infoGerit Schulze (2024): Milliardenhilfen für Hochwasserhilfen in Tschechien, German Trade&Invest, 22.10.2024 (online verfügbar). Tschechien bleibt trotz Mehrausgaben im Defizitrahmen, während die EU Rumänien erneut wegen seiner defizitären Haushaltslage ermahnt. Entscheidungen über eine Konsolidierung sind erst nach der Bildung der neuen Regierung zu erwarten. Gegen Ungarn und Polen wurden im Sommer Defizitverfahren eröffnet. Polen hat versucht, erhöhte Verteidigungsausgaben geltend zu machen. Im laufenden Haushalt Polens sind Verteidigungsausgaben im Umfang von 4,1 Prozent des BIP vorgesehen und für nächstes Jahr sind 4,7 Prozent geplant. Eine Konsolidierung der Haushalte in der Region ist daher insgesamt nicht zu erwarten.

Die von der designierten US-Regierung angekündigten Handelserschwernisse, darunter Zölle, betreffen die Länder vor allem indirekt über ihre europäischen Handelspartner. Der direkte Handel mit den USA liegt bei den Exporten in den meisten Ländern unter drei Prozent.

Insgesamt ist im laufenden Jahr mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung in der Region von 1,7 Prozent zu rechnen, im Jahr 2025 um 2,7 Prozent. Somit liegt die Winterprognose um jeweils 0,5 Prozentpunkte unter der Herbstprognose für 2024 und 2025.

Vereinigtes Königreich: Erster Labour-Haushalt setzt expansive Impulse

Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs wächst im dritten Quartal dieses Jahres um nur 0,1 Prozent im Quartalsvergleich. Gebremst wurde das von einer deutlichen Verringerung der Waren aus Lagerhaltung, die von der erwirtschafteten Leistung abgezogen werden. Ohne diese negativen Lagerbeiträge läge das Wirtschaftswachstum deutlich über dem Potenzialwachstum. Somit setzt sich der dortige Aufschwung fort – gestützt vom privaten und öffentlichen Konsum sowie Investitionen (Abbildung 6).

Im laufenden Quartal dürfte das BIP im Vereinigten Königreich zunächst nur zaghaft um 0,2 Prozent weiterwachsen. Die Frühindikatorik hat sich zuletzt etwas abgekühlt. So hat sich das Konsumentenvertrauen in den vergangenen Monaten verringert. Die Einkaufsmanagerindizes sanken im November: Dienstleistungen liegen mit 50 an der Expansionsschwelle, das Verarbeitende Gewerbe fiel auf 48,6. Lediglich im Baugewerbe bleibt die Stimmung mit einem Wert von 55,2 noch optimistisch. Erwartete Handelsbarrieren dürften zu Vorzieheffekten der Exporte einzelner Produkte bis Ende des Jahres führen.

Im nächsten Jahr wird die Wirtschaft vermutlich langsam wieder in Fahrt kommen, dabei dürften vor allem einige finanzpolitische Maßnahmen aus dem beschlossenen Haushaltsplan der Labour-Regierung zuträglich sein. Der private Konsum wird wohl weiterhin von einem Reallohnwachstum und der geplanten Anhebung der Mindestlöhne profitieren. Das beabsichtigte Aussetzen des Ausgleichs der kalten Progression wird voraussichtlich den privaten Verbrauch dämpfen.

Die Finanzpolitik wird in den kommenden Jahren expansiv ausgerichtet sein. Der Haushalt beträgt für die Jahre 2024 bis 2030 insgesamt 216 Milliarden Euro (6,6 Prozent des BIP). Der Haushaltsplan sieht auch einige investive Maßnahmen vor. Zum einen können durch die Änderung der Schuldenbemessung von der Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors auf die Nettofinanzverbindlichkeiten mehr öffentliche Investitionen getätigt werden, die vermehrt in Forschung und Entwicklung fließen sollen. Gleichzeitig fördert der Haushaltsplan private Investitionen durch günstige Abschreibungsregeln und eine begrenzte Körperschaftssteuer in den kommenden Jahren. Die noch erwarteten Zinssenkungen dürften spätestens ab der zweiten Jahreshälfte 2025 den Investitionsappetit wieder etwas anregen.

Die Inflation lag im Oktober mit 2,3 Prozent etwas über dem Ziel der Notenbank. Aufgrund gestiegener Energiepreise und fiskalpolitischer Maßnahmen dürfte sie im ersten Halbjahr 2025 nochmals leicht zulegen, bevor sie dann im Verlauf des Prognosezeitraums wieder auf zwei Prozent zurückkehrt. Die Zentralbank wird die Zinssenkungen bis Sommer 2025 fortsetzen (Abbildung 6).

Arbeitskräfte sind zwar weiterhin knapp, aber da die Anzahl an offenen Stellen etwas zurückgeht, entspannt sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt leicht. Der neue Haushalt sieht ein 288 Millionen Euro schweres „Get Britain Working“ Hilfspaket, das die Erwerbstätigenzahl wieder anheben soll. Die Erhöhung des Arbeitgeberanteils der National Insurance Contributions (NICs) um 1,2 Prozentpunkte und eine Senkung der Schwelle, ab der Arbeitgeber NICs zahlen müssen, könnte zudem die Arbeitsnachfrage verringern.

Der Außenhandel dürfte – unter der Annahme, dass die neue US-Regierung zunächst nur Zölle auf britische Stahl- und Aluminiumexporte erhebt – nicht sonderlich stark getroffen werden. Allerdings dürften die Unwägbarkeiten über mögliche handelspolitische Eskalationen die Investitionstätigkeit etwas dämpfen.

Somit ist mit einem Wachstum von 0,9 Prozent im Jahr 2024 sowie von jeweils 1,2 Prozent in den Jahren 2025 und 2026 zu rechnen. Aufgrund einer Abkühlung im zweiten Halbjahr 2024 wird die Prognose für 2024 und für 2025 um jeweils 0,2 und 0,1 Prozentpunkte nach unten revidiert.

USA: Boom setzt sich fort, aber nicht wegen Trump

Das Bruttoinlandsprodukt der USA wuchs im dritten Quartal 2024 um 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Dabei wurde die Wirtschaft erneut insbesondere vom privaten Konsum angeschoben. Private Investitionen sowie Staatsausgaben legten moderat zu, stark steigende Importe dämpften hingegen die Expansionsdynamik.

Gestützt vom weiterhin robusten Konsum wird für das laufende vierte Quartal ein Wachstum von 0,5 Prozent erwartet, worauf auch steigende Einzelhandelsumsätze hindeuten. Eine Datenrevision der amtlichen Statistik im September zeigte eine gute finanzielle Lage der Haushalte, da die Sparquote höher ist als zuvor angenommen. Importe werden voraussichtlich ausgeweitet, weil Unternehmen sich vor möglichen Einfuhrzöllen unter Trump absichern dürften.

Im kommenden Jahr wird sich der Boom der US-Wirtschaft wohl fortsetzen. Allerdings ist dies nur zu einem geringen Teil auf die zu erwartende Wirtschaftspolitik des designierten Präsidenten zurückzuführen. Zwar wird der private Konsum durch Steuersenkungen für Privatpersonen unter der Trump-Regierung wohl gestützt. Vor allem aber wird voraussichtlich die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosenquote von nur 4,0 Prozent den privaten Konsum anschieben. Auch Unternehmensinvestitionen dürften – getrieben von besseren Finanzierungsbedingungen, einer Erholung des Immobiliensektors und einer sinkenden Körperschaftssteuer unter Trump – zum Wachstum beitragen.

Seit der Zinswende im September senkt die US-Notenbank Fed die Leitzinsen deutlich und wird dies wohl bis Mitte 2025 fortsetzen. Die Inflation liegt im Oktober bei 2,6 Prozent, Energiepreise wirkten dämpfend, der Preisauftrieb im Dienstleistungssektor blieb stark. Auch in den kommenden Jahren dürfte die Inflation gering ausfallen, gestützt durch anhaltend niedrige Energiepreise.

Es wird angenommen, dass die Staatsausgaben unter der künftigen US-Regierung wachsen, insbesondere durch Steuersenkungen. Gleichzeitig werden Einsparungen erwartet, etwa durch Entlassungen im öffentlichen Dienst. Zudem dürften Zölle Staatseinnahmen generieren. Insgesamt aber wird das Defizit im Jahr 2025 wohl weiter steigen und auch 2026 deutlich erhöht bleiben. Damit ist die Finanzpolitik expansiv ausgerichtet.

Die von Trump angekündigten Migrationsbeschränkungen könnten das Arbeitsangebot verringern und Preisdruck durch höhere Löhne erzeugen. So dürften mindestens 1,3 Millionen Personen abgeschoben werden, dies wird sich jedoch wohl aufgrund logistischer Herausforderungen bis Mitte 2025 verzögern. Ein weiteres zentrales Vorhaben Trumps ist eine protektionistische Handelspolitik, die die Binnenwirtschaft fördern, zugleich aber auch den Preisauftrieb erhöhen dürfte.

Für das Jahr 2024 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent erwartet. In den beiden folgenden Jahren wird die US-Wirtschaft voraussichtlich um 2,4 Prozent (2025) und 2,2 Prozent (2026) expandieren (Abbildung 7). Die Prognose für 2025 fällt damit 0,7 Prozentpunkte höher aus als die Herbstprognose, bedingt vor allem durch die bessere finanzielle Situation der Haushalte.

Die Handels- und Migrationspolitik Trumps birgt Inflationsrisiken. So könnten sich Importe durch weitreichendere und höhere Zölle stärker verteuern. Zudem könnten Löhne schneller steigen, sollte das Arbeitsangebot durch mehr Abschiebungen stärker abnehmen. Die Fed dürfte mit höheren Zinsen auf den Preisdruck reagieren. Trump hat allerdings angekündigt, die Unabhängigkeit der Notenbank anzugreifen, sollte diese die Zinsen erhöhen. Ein solcher Konflikt würde die Finanzstabilität gefährden und ein Abwärtsrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung darstellen.

Japan: Erholung inmitten erhöhter politischer Unsicherheit

Japans Wirtschaft expandierte im dritten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal um verhaltene 0,2 Prozent. Die Auslandsnachfrage verschlechterte sich das dritte Quartal in Folge: Die Nettoexporte sind negativ, da ein schwächerer Yen den Wert der Importe in die Höhe treibt.

Im laufenden vierten Quartal dürfte das BIP jedoch um 1,0 Prozent zulegen. Dabei sind zwei Faktoren auschlaggebend. Erstens tragen die im Jahresverlauf rückläufige Inflation und hohe nominale Lohnabschlüsse zu einer Erholung der Reallöhne bei, was den privaten Konsum weiter ankurbelt. Zweitens dürften die Exporte im laufenden Quartal noch wesentlich anziehen, da die Unternehmen ihre Lieferungen vorverlegen, inmitten der erhöhten Unsicherheit wegen der künftigen Handelspolitik Trumps. Die USA sind mit 20 Prozent Anteil am Gesamtvolumen der wichtigste Handelspartner Japans. Die Frühindikatorik zeigt ein gemischtes Bild: Der Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes verharrt unter der Expansionsschwelle von 50 und ist weiter abwärtsgerichtet, der Dienstleistungssektor war im November jedoch wieder leicht aufwärtsgerichtet. Die Konsumentenzuversicht ist weiterhin in einer Seitwärtsbewegung.

Die japanische Teuerungsrate ohne Berücksichtigung frischer Lebensmittel beträgt im Oktober 2,3 Prozent, nach 2,4 Prozent im September. Beim jüngsten Treffen der japanischen Zentralbank Ende Oktober blieb der Zins zwar unverändert, weitere Erhöhungen wurden aber angedeutet. Dabei zeigen aktuelle Prognosen der japanischen Zentralbank (BoJ), dass die Inflation zunehmend von inländischen Faktoren getrieben wird und nicht mehr maßgeblich von steigenden Importkosten. Im kommenden Jahr dürfte die Inflation wieder nahe am Zwei-Prozent-Ziel der BoJ sein.

In Japan ist die politische Unsicherheit derzeit hoch, die regierende Liberaldemokratische Partei verlor im Oktober in einer vorgezogenen Wahl ihre Koalitionsmehrheit im Parlament. Mitte November wurde Shigeru Ishiba als Premierminister betätigt, seine Regierung ist jedoch auf die Zusammenarbeit mit kleineren Parteien angewiesen. Die neu gebildete Regierung hat ein 240 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket verabschiedet, das Unterstützungsmaßnahmen für die KI- und die Halbleiterindustrie sowie Bargeldgeschenke und Energiesubventionen für Haushalte mit geringem Einkommen vorsieht. Das Paket beinhaltet auch eine Anhebung der Mindestbemessungsgrenze für die Einkommensteuer, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu fördern und dem Trend einer schrumpfenden und alternden Erwerbsbevölkerung entgegenzuwirken. Die amtliche Arbeitslosenquote dürfte sich kaum verändern: Im Prognosezeitraum wird sie wohl von 2,6 Prozent im Jahr 2024 auf 2,3 Prozent fallen.

Das Bruttoinlandsprodukt Japans dürfte im laufenden Jahr stagnieren, die hohe Inflation drückt ungemein auf die Binnennachfrage. Die Prognose liegt somit um 0,4 Prozentpunkte unter der Herbstprognose (Abbildung 8).

Im Jahr 2025 wird sich die Wirtschaft dank der weiter steigenden Reallöhne, die die Kaufkraft der privaten Haushalte stützen dürfte, sowie anziehender Exporte mit 1,2 Prozent etwas kräftiger erholen. Gleichzeitig gibt es abwärtsgerichtete Risiken wie die Drohung von höheren Zöllen unter der neuen US-Regierung, welches schon jetzt zu einer weiteren Abschwächung des Yens gegenüber dem US-Dollar geführt hat. Dies könnte die Inflation wieder in die Höhe treiben, und die BoJ zu noch restriktiveren Maßnahmen bewegen. Zudem steht zu befürchten, dass sich die Trump-Regierung von der Wirtschaftsinitiative der scheidenden Regierung Biden abwendet, an dem Japan stark beteiligt ist – dem Indo-Pacific Economic Framework for Prosperity (IPEF). Im Jahr 2026 dürfte die japanische Wirtschaft mit 0,9 Prozent zu ihren längerfristigen Wachstumsraten zurückkehren.

China: Regierung enthüllt weitere Maßnahmen gegen Immobilienkrise

Chinas Wirtschaft expandierte im dritten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal um 0,9 Prozent nach schwachen 0,5 Prozent im zweiten Quartal. Die Industrieproduktion verlangsamt sich am aktuellen Rand. Zudem sinken die Preise für neue Eigenheime in 70 chinesischen Städten den 16. Monat in Folge. Um der anhaltenden Wirtschaftsschwäche entgegenzuwirken, hat die chinesische Regierung Ende September ihr größtes geld- und finanzpolitisches Konjunkturprogramm seit der Pandemie angekündigt. Dies dürfte die Aussichten verbessert haben: Der Caixin Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe stieg im Oktober über die Expansionsschwelle von 50 und setzte den Aufwärtstrend mit 51,5 im November fort. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im laufenden Quartal 2024 mit 1,3 Prozent etwas stärker wachsen (Abbildung 9). Getragen wird dies auch von Vorzieheffekten chinesischer Exporte in die USA bevor zukünftige Zölle der neuen US-Regierung in Kraft treten.

Chinas Inflationsrate verlangsamte sich im Oktober im Jahresvergleich nach stärkeren Raten im Sommer wieder auf 0,3 Prozent. Das deutet weiterhin auf eine schwache Binnennachfrage hin. Die chinesische Zentralbank hat in den vergangenen Monaten mehrfach die Zinsen gesenkt. Ende Oktober wurden weitere Maßnahmen vorgestellt, darunter ein Programm für Finanzunternehmen, die keine Banken sind. Es ermöglicht ihnen, Kredite bei der Zentralbank aufzunehmen, um Aktien zu kaufen. Im Rahmen einer konjunkturellen Belebung dürfte ab dem kommenden Jahr wohl auch die Inflation wieder etwas anziehen. Im Einklang mit einer expansiveren Geldpolitik ist auch die Fiskalpolitik expansiv ausgerichtet: Das Fiskalpaket in Höhe von umgerechnet etwa 1,3 Billionen Euro, das im Oktober angekündigt wurde, zielte darauf ab, die Schuldenprobleme der lokalen Regierungen in China anzugehen. Dabei sollte die Umstrukturierung „versteckter“ Schulden der lokalen Kommunen vorangetrieben werden, die zu einen großen Teil in nicht bilanzierten Zweckgesellschaften gehalten werden.

In diesem Jahr dürfte Chinas Wirtschaft um 4,7 Prozent wachsen und somit das Fünf-Prozent-Ziel der Regierung verfehlen. Die jüngsten finanz- und geldpolitischen Maßnahmen dürften sich jedoch positiv auf das Wachstum im Jahr 2025 auswirken, das bei 4,5 Prozent liegen dürfte. Gleichzeitig wird in dieser Prognose angenommen, dass im ersten Quartal 2025 ein durchschnittlicher Zollsatz in der Höhe von rund 30 Prozent auf alle chinesischen Warenimporte in die USA erhoben wird, was einen Anstieg um zehn Prozentpunkte ausmacht. Da die USA noch einer der wichtigsten Handelspartner Chinas sind, dürften diese Maßnahmen das Wachstum in den Jahren 2025 und 2026 dämpfen. Zudem wird erwartet, dass China wie bereits 2018 Gegenmaßnahmen ergreift. Damals entsprachen die Zölle in etwa dem Wert der US-Zölle, sodass eine Eskalationsspirale vermieden wurde.infoSung Eun Kim und Yotam Margalit (2021): Tariffs As Electoral Weapons: The Political Geography of the US–China Trade War, International Organization , Volume 75 , Issue 1 (online verfügbar). 2026 dürften sich die strukturellen Probleme Chinas bemerkbar machen und das Wachstum sich auf 4,3 Prozent verlangsamen.infoJüngste Schätzungen der Bank of Finland (BoFin) sehen das langfristige Potenzialwachstum Chinas bei drei Prozent (online verfügbar). Die Wachstumsaussichten der Winterprognose für 2025 und 2026 sind damit um 0,1 und 0,2 Prozentpunkte niedriger als in der Herbstprognose.

Der wichtigste Risikofaktor im weiteren Verlauf ist die Entwicklung des Handelsstreits mit den USA (Kasten 2). Ein weiteres Risiko sind die anhaltenden Probleme am Immobilienmarkt. Die angekündigten geld- und finanzpolitischen Maßnahmen beinhalten keine nennenswerte Stütze für private Haushalte. Die Binnennachfrage könnte sich somit langsamer erholen als angenommen.

Deutsche Wirtschaft kommt weiterhin nicht vom Fleck

Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft geht weiter. Neben der anhaltenden Flaute der globalen Industrie wird in Deutschland der wirtschaftliche Strukturwandel sichtbar. Die strukturellen Anpassungsprozesse im Verarbeitenden Gewerbe, beispielsweise an den stärkeren internationalen Wettbewerb, sind nun auch in industrienahen Zweigen wie den unternehmensnahen Dienstleistungen angekommen und schlagen sich auf dem Arbeitsmarkt nieder. Der Industrie zugehörige und nahestehende Unternehmen reagieren auf den Auftragsmangel nicht nur mit entsprechenden Ausweitungen der Kurzarbeit, sondern entlassen auch einen Teil ihrer Belegschaft – und das trotz anhaltenden Fachkräftemangels. Die Arbeitslosigkeit ist am aktuellen Rand weiter gestiegen. Zwar hat die Wirtschaftsleistung im vergangenen dritten Quartal leicht zugenommen (um 0,1 Prozent), der Zuwachs folgte jedoch auf einen deutlicheren Rückgang (um 0,3 Prozent) im zweiten Quartal (Abbildung 10).

Vor allem Exporte und Investitionen haben zuletzt, wohl auch strukturell bedingt, wieder nachgegeben (Abbildung 11). Die anhaltend schwache Auslandsnachfrage nach Produkten des hiesigen Verarbeitenden Gewerbes zeigte sich auch im dritten Quartal: Die Ausfuhren sind stark gesunken, bei den Warenexporten kam es zu einem regelrechten Einbruch. Zusammen mit leicht positiven Einfuhren fiel der Außenbeitrag deutlich negativ aus – der Außenhandel hat das Wirtschaftswachstum hierzulande also gedrückt. Die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten waren ebenfalls erneut rückläufig.

Dass das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal trotzdem leicht zugelegt hat, war einerseits einer moderaten Ausweitung des privaten Konsums zu verdanken. Diese folgte jedoch auf einen deutlichen Rückgang im Vorquartal, sodass hier noch nicht von einer Erholung gesprochen werden kann. Vor dem Hintergrund stabiler Inflationsraten und anhaltender Lohnzuwächse, die im dritten Quartal noch einmal kräftig ausfielen, erscheint die Zunahme des privaten Konsums sogar eher verhalten. Angesichts der bevorstehenden Entlassungen bei großen Industrieunternehmen dürften sich bei vielen privaten Haushalten größere Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz breit machen. Offenbar aus Vorsichtsmotiven legten sie daher zuletzt erneut mehr Geld auf die hohe Kante: Die Sparquote ist das vierte Quartal in Folge gestiegen. Andererseits wurden die Lagerbestände deutlich ausgeweitet und stützten die Wirtschaftsentwicklung: Unternehmen produzierten mehr, als verbraucht wurde, sodass das Bruttoinlandsprodukt höher ausfiel als die Summe der Verwendungskomponenten.

Betrachtet man die Wirtschaftszweige, wird deutlich, dass sich die Krise der deutschen Industrie verschärft und sich nun auch in anderen Bereichen bemerkbar macht. Die Bruttowertschöpfung des Verarbeitende Gewerbes sowie das Baugewerbe sind zuletzt geschrumpft. Im Verarbeitenden Gewerbe ging es dabei um 1,4 Prozent und damit deutlich stärker als noch im Herbst erwartet nach unten. Auch die Bruttowertschöpfung einiger Dienstleistungen wie der Unternehmensdienstleister, der Finanz- und Versicherungsdienstleister und der Bereich Information und Kommunikation verringerte sich. Was die gesamtwirtschaftliche Bruttowertschöpfung über Wasser hält, sind vor allem kräftige Zuwächse bei Dienstleistungen des öffentlichen Bereichs und den sonstigen Dienstleistern.

Die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und der Bruch der Bundesregierung Anfang November sorgen insbesondere bei Unternehmen für weitere Verunsicherung über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen der kommenden Jahre. Zum einen hat sich der Ausblick für die Außenwirtschaft verschlechtert, da Trump und seine neue Regierung die Handelshemmnisse ab dem kommenden Jahr deutlich verschärfen dürften. In dieser Prognose wird unterstellt, dass es nach dem Amtseintritt zu einer Wiedereinführung der vom amtierenden Präsidenten Joe Biden ausgesetzten Stahl- und Aluminiumzölle auf 25 beziehungsweise zehn Prozent kommt und der Zollsatz für chinesische Ausfuhren in die USA um zehn Prozentpunkte steigt. Der durchschnittliche Zollsatz auf Warenimporte aus China in die USA dürfte dann bei 30 statt rund 20 Prozent liegen (Kasten 1).

Zum anderen gibt es durch den Bruch der Ampelkoalition und die vorgezogenen Neuwahlen in Deutschland noch keinen Bundeshaushalt für das kommende Jahr. Zunächst greift in Deutschland die vorläufige Haushaltsführung, bei der nur Ausgaben für „den Erhalt gesetzlich bestehender Einrichtungen, rechtlich begründete Verpflichtungen des Bundes“infoDie Rechtsgrundlage der vorläufigen Haushaltsführung ist Artikel 111 des Grundgesetzes. Der Begriff der „Einrichtungen“ umfasst neben Verfassungsorganen, Bundesbehörden und Instituten beispielsweise auch Bauanlagen. Unter ihrem Erhalt sind neben laufenden Personalkosten auch die Kosten für die Neubesetzung von Stellen und die Erneuerung von Arbeitsmitteln miteingeschlossen. „Rechtlich begründete Verpflichtungen“ umfassen unter anderem Leistungsansprüche aus dem SGB II wie Bürgergeld, Wohngeld, Elterngeld sowie Ausgabenverpflichtungen aus internationalen Abkommen. und bereits verabschiedete Maßnahmen getätigt werden dürfen. Zudem werden einige finanzpolitische Stützen, die zwar das Kabinett bereits passiert hatten, aber noch nicht vom Bundestag verabschiedet worden waren, unter der aktuellen Minderheitsregierung nun keine Mehrheit mehr finden. Hierunter fallen investitionsfördernde Maßnahmen, beispielsweise die Verlängerung der degressiven Abschreibungsregeln, die im Rahmen der noch im Spätsommer angekündigten Wachstumsinitiative aufgesetzt worden waren. Auch dürfte die geplante Anpassung des Einkommensteuertarifs zum Ausgleich der Kalten Progression und die Erhöhung des Kinderfreibetrags und Kindergelds zunächst nicht in Kraft treten. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass es im Frühsommer 2025 zu einer Regierungsbildung und einem Haushaltsbeschluss kommen wird, was die Finanzsituation der Bundesministerien und -behörden und somit den Staatskonsum stützt. Dadurch, dass neue Regierungsvorhaben und finanzpolitische Maßnahmen derzeit allerdings noch nicht absehbar sind, ist die finanzpolitische Ausrichtung zunächst weiterhin restriktiv (Kasten 3 und Kasten 4). Aufgrund der Unwägbarkeiten über den wirtschaftspolitischen Kurs einer neuen Regierung dürften vor allem in Deutschland ansässige Unternehmen vorsichtig agieren. So werden Investitionsentscheidungen wohl weit in das nächste Jahr verschoben werden.

Die Finanzpolitik ist im laufenden Jahr restriktiv ausgerichtet – vor allem wegen des Auslaufens expansiver finanzpolitischer Maßnahmen, die im Zuge der Energiekrise aufgesetzt worden waren (Tabelle). Aufgrund fallender Energiepreise wäre der Umfang von Maßnahmen wie der Strom- und Gaspreisbremsen allerdings auch bei einer Weiterführung im laufenden Jahr deutlich geringer als zuvor ausgefallen. In den Jahren 2025 und 2026 wirken die finanzpolitischen Maßnahmen vor allem einnahmenerhöhend, während sich ausgabenseitige Impulse in Summe nahezu ausgleichen. Das frühzeitige Ende der Ampelkoalition führt dazu, dass geplante Maßnahmen wie Erleichterungen bei der Einkommensteuer und steuerliche Anreize für Investitionen wegfallen, da die nötige Mehrheit für diese Vorhaben nun fehlt. Insgesamt ergibt sich für beide Jahre daher ebenfalls ein restriktiver Impuls. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag ist die Ausrichtung der Finanzpolitik in diesem Zeitraum allerdings mit hoher Unsicherheit behaftet.

Tabelle: Finanzpolitische Maßnahmen: Be- (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts

In Milliarden Euro (gegenüber dem Vorjahr)

2024 2025 2026
Einnahmen der Gebietskörperschaften
Jahressteuergesetz 2022 0,2 1,0 −1,1
Inflationsausgleichsgesetz (Anpassung Einkommenssteuertarif) −13,2 −2,4 −1,0
Anhebung Grund- und Kinderfreibeträge 2024 0,0 −3,3 1,3
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie 2,5 5,1 0,0
Jahressteuergesetz 2024 −0,1 −0,8 0,3
Wegfall Begünstigung Agrardiesel 0,0 0,2 0,1
Erhöhung Luftverkehrsabgabe 0,4 0,2 0,0
Absenkung der Stromsteuer −3,3 0,0 3,3
Temporäre Umsatzsteuersenkung auf Gas 4,5 1,0 0,0
Temporäre Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie 2,9 0,5 0,0
Erlöse Brennstoffemissionshandel (BEHG) 3,6 3,2 2,0
Wegfall Spitzenausgleich Stromsteuer 1,7 0,0 0,0
Degressive AfA (Zweites und Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) 2,2 5,0 3,8
Anhebung Lkw-Maut 7,0 0,5 0,2
Wachstumschancengesetz −0,7 −2,1 −0,7
Anhebung der Tabaksteuer 0,0 0,9 0,8
Erstes Zukunftsfinanzierungsgesetz −0,3 −0,2 −0,1
Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024) 0,2 0,3 0,1
Globale Mindestbesteuerung (Säule 2) 0,0 0,0 1,0
Sonstige steuerliche Maßnahmen1 0,2 0,0 0,2
Einnahmen der Sozialversicherungen
Erhöhung durchschnittlicher Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung 2,6 3,8 4,0
Erhöhung Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung 3,5 2,3 0,0
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie 3,7 7,1 0,0
Ausgaben der Gebietskörperschaften
Strom- und Gaspreisbremsen, Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte 29,3 1,3 0,0
Hilfen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen (Energiekrise) 6,0 0,0 0,0
Einmalzahlungen an Rentner*innen und Studierende 0,8 0,0 0,0
Zuschuss für Unternehmen mit hohen Zusatzkosten aufgrund gestiegener Erdgas- und Strompreise 2,0 0,0 0,0
Sondervermögen KTF (ohne EEG) −2,34 3,5 0,2
Einführung Bürgergeld −0,4 0,0 0,0
Kürzungen beim Bürgergeld 0,3 0,1 0,0
Erhöhung Kindergeld (Inflationsausgleichsgesetz) 1,5 0,4 0,1
Wohngeldreform 0,3 −0,4 0,4
Deutschland-Ticket −1,0 −0,3 0,0
Kürzungen beim Elterngeld für Spitzenverdienende 0,2 0,3 0,1
Startchancenprogramm für Schulen −0,4 −0,5 −0,3
Digitalpakt Schule −0,3 0,2 0,5
BAföG-Reform −0,1 −0,2 0,0
Mehrausgaben für Verteidigung −9,0 −7,2 −4,0
Unterstützungsleistungen Ukraine −2,9 3,5 0,0
Ausgaben der Sozialversicherungen
Anpassung der Renten Ost −0,5 0,0 0,0
Grundrente −0,1 −0,1 −0,2
Zuschlag Erwerbsminderungsrente −0,1 −0,1 −0,1
GKV-Finanzstabilisierungsgesetz 0,2 0,0 0,0
Krankenhausreform −0,5 0,0 0,6
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz 0,2 −3,0 −0,2
Insgesamt 40,8 19,7 11,3
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent 0,9 0,4 0,3

1 Sonstige steuerliche Maßnahmen beinhalten das Jahressteuergesetz 2020, das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, die Anhebung der Kinderfreibeträge in den Jahren 2025 und 2026 sowie die Ausweitung der Forschungszulage. Nicht berücksichtigte Maßnahmen sind das Aus- und Weiterbildungsgesetz, auslaufende Corona-Maßnahmen (Unternehmenshilfen) sowie das 29. BaföG-Änderungsgesetz.

Anmerkung: Ohne makroökonomische Rückwirkungen.

Quellen: Bundesregierung (Haushaltsplan, Gesetzesentwürfe, Monatsberichte des Bundesfinanzministeriums, Finanzberichte der Jahre 2021 bis 2024, Datensammlung zur Steuerpolitik); DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Einnahmeseitig werden die Gebietskörperschaften im laufenden und kommenden Jahr vor allem durch den Wegfall der temporären Umsatzsteuersenkung auf Gas und in der Gastronomie und der abgabefreien Inflationsausgleichsprämie Mehreinnahmen generieren.infoDies gilt in dem Maße, in dem diese Sonderzahlungen nun durch steuerpflichtige Lohnbestandteile ersetzt werden. Zudem tragen die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe und der CO2-Abgabe im Brennstoffemissionshandel sowie die Anhebung und Ausweitung der Lkw-Maut zu höheren Einnahmen bei.

In geringem Maße einnahmenmindernd wirken in beiden Jahren Anpassungen des Einkommensteuertarifs im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes sowie das Wachstumschancengesetz und das erste Zukunftsfinanzierungsgesetz.

Da die Wachstumsinitiative durch das Scheitern der Regierungskoalition in diesem Jahr annahmegemäß nicht mehr auf den Weg gebracht wird, fallen Steuersenkungen im Rahmen des Steuerfortentwicklungsgesetzes ab 2025 weg. Dazu zählen der Ausgleich der Kalten Progression und die Verlängerung der degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA). Von diesen Gesetzesinitiativen wären expansive Impulse ausgegangen, ebenso wie von der nun nicht mehr verabschiedeten Verlängerung des Strompreispakets für das Produzierende Gewerbe.infoIn Summe wären von den nun nicht mehr unterstellten Steuererleichterungen voraussichtlich Impulse von 6,0 Milliarden Euro im Jahr 2025 und 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2026 ausgegangen.

Auf Seiten der Sozialversicherungen sorgt der Wegfall der Inflationsausgleichsprämie für deutliche Mehreinnahmen im laufenden und kommenden Jahr. Zudem ist mit steigenden Zusatzbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung zu rechnen, die den restriktiven Impuls noch verstärken.

Insbesondere durch das Auslaufen der Strom- und Gaspreisbremsen und der Hilfen für Krankenhäuser und der sozialen Pflegeeinrichtungen im Zuge der Energiekrise sind die ausgabenseitigen finanzpolitischen Maßnahmen der Gebietskörperschaften im Jahr 2024 deutlich restriktiv ausgerichtet. Dem stehen ausgabenerhöhende Maßnahmen gegenüber, wie Investitionen im Rahmen des Sondervermögens Bundeswehr, Unterstützungsleistungen für die Ukraine sowie Mittelabflüsse aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF). In den kommenden Jahren dürften erstere noch weiter ausgeweitet werden, während sich die Finanzierung der Ukraine-Hilfen und der Ausgabenspielraum im KTF rückläufig entwickeln.

Ausgabenseitige Gesetzesvorhaben, die durch das Scheitern der Regierungskoalition nun annahmegemäß nicht mehr umgesetzt werden, beinhalten die Erhöhung des Kindergelds zum Jahresbeginn 2025, zusätzliche Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau sowie die angestrebte Eigenkapitalerhöhung für die Deutsche Bahn. Alles in allem ist die ausgabenseitige Ausrichtung der Finanzpolitik der Gebietskörperschaften in den Jahren 2025 und 2026 neutral.

Bei den Sozialversicherungen führt die Rentenüberleitung Ost im laufenden Jahr zu Mehrausgaben. Im kommenden Jahr dürfte insbesondere vom Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz ein expansiver Impuls ausgehen, während sich die finanzpolitischen Maßnahmen seitens der Sozialversicherungen im Jahr 2026 die Waage halten.

Alles in allem beläuft sich die Budgetwirkung der finanzpolitischen Maßnahmen im laufenden Jahr auf 40,8 Milliarden Euro (0,9 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt), im Jahr 2025 auf 19,7 Milliarden Euro (0,4 Prozent) und im Jahr 2026 auf 11,3 Milliarden Euro (0,3 Prozent).

Die finanzpolitischen Maßnahmen werden im laufenden und den beiden kommenden Jahre in Summe restriktiv sein. Konkret werden sie voraussichtlich kontraktive Impulse in einer Größenordnung von 0,9, 0,4 und 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem jeweiligen Vorjahr aussenden. Im Einklang mit den finanzpolitischen Annahmen sind diejenigen Maßnahmen, die durch das frühzeitige Ende der Ampelkoalition nicht mehr auf den Weg gebracht werden (insbesondere im Zusammenhang mit der Wachstumsinitiative), im Folgenden nicht berücksichtigt.

Der Großteil der fiskalischen Maßnahmen betrifft private Haushalte. Um die Impulse für den privaten Konsum und das Bruttoinlandsprodukt unter Berücksichtigung ihrer Verteilungswirkungen abzuschätzen, kommt ein DSGE-Modell mit zwei verschiedenen Haushaltstypen zum Einsatz (TANK-Modell). Dazu wird zunächst unterschieden, in welchem Umfang die Maßnahmen die einkommensschwächsten 40 Prozent der Haushalte betreffen und wie die übrigen Haushalte profitieren oder belastet werden.

Die einkommensschwächsten 40 Prozent beziehen ungefähr 20 Prozent des verfügbaren Einkommens und haben eine Sparquote von Null, weshalb sie als liquiditätsbeschränkte (LC) Haushalte bezeichnet werden. Zusätzlich zu den privaten Haushalten gibt es noch Maßnahmen, die auf Unternehmen oder den Staat wirken. Gemäß ihrer Wirkung auf die beiden Haushaltstypen und die weiteren Akteure werden die finanzpolitischen Maßnahmen in sechs Kategorien eingeteilt:

  1. Maßnahmen, die nur LC-Haushalte betreffen
  2. Maßnahmen, die alle Haushalte pro Kopf betreffen
  3. Maßnahmen, die alle Haushalte proportional zu ihrem Einkommen betreffen
  4. Maßnahmen, die nur die einkommensstarken Haushalte betreffen
  5. Maßnahmen, die Unternehmen betreffen (unterschieden in Wirkung auf Gewinne und Subventionen)
  6. Maßnahmen, die den Staat betreffen

Aufgrund des unterschiedlichen Konsumverhaltens der beiden Haushaltstypen ist der Konsumeffekt laut Modell für einkommensschwache Haushalte am höchsten und nimmt über die weiteren drei Maßnahmenkategorien ab.

Zu den Maßnahmen, die nach dem Ende der Ampelkoalition vornehmlich die einkommensschwachen Haushalte belasten werden, zählen im kommenden Jahr die zu den Akten gelegte Kindergrundsicherung sowie das Ausbleiben einer Kindergelderhöhung. Einkommensstarke Haushalte dürfte ab dem Jahr 2025 vor allem der Wegfall des Kompensation der Kalten Progression im Einkommensteuertarif belasten. Zuletzt wird durch die aktuelle Regierungsstarre eine Reform der Sammelabschreibungen und die Verlängerung der degressiven AfA nicht mehr auf den Weg gebracht, was insbesondere im Jahr 2026 die Investitionsanreize (Subventionen für Investitionen) von Unternehmen dämpft.

Unabhängig vom Wegfall expansiver Maßnahmen durch das Ende der Ampelkoalition wirken zahlreiche andere Maßnahmen ebenfalls restriktiv: Zu den Maßnahmen, die beide Haushaltstypen pro Kopf belasten, zählt hier vor allem das Ende der Abgabenfreiheit der Inflationsausgleichsprämie, aber auch die auslaufenden Strom- und Gaspreisbremsen (die Wirkung dieses Instruments wird zur Hälfte den Haushalten und den Unternehmensgewinnen zugeschrieben). Andererseits dürfte die Erhöhung des Kinderfreibetrags im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes die Nettoeinkommen der Haushalte pro Kopf stützen. Zusätzliche Belastungen proportional zu den Einkommen der privaten Haushalte ergeben sich durch die Erhöhungen der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung. Haushalte mit höherem Einkommen werden durch das Auslaufen der Kaufprämie für Elektroautos und Kürzungen beim Elterngeld für Spitzenverdienende belastet. Für Unternehmen entfallen neben dem Auslaufen der Sonderregeln für degressive Abschreibungen, das sich vor allem in den Jahren 2025 und 2026 bemerkbar machen wird, im laufenden Jahr Maßnahmen zur Stabilisierung der Kosten für Strom und Gas. Zudem drückt die Anhebung der Lkw-Maut auf die Unternehmensgewinne.

Insgesamt werden die fiskalpolitischen Maßnahmen das Einkommen der privaten Haushalte in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um 1,1 Prozent sowie in den Jahren 2025 und 2026 um 1,5 und 1,7 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2023 mindern (Tabelle). Die Maßnahmen dämpfen den privaten Konsum im laufenden und kommenden Jahr um jeweils 0,4 und im Jahr 2026 um 0,5 Prozent (alle Effekte sind als kumuliert seit 2023 zu verstehen), was vor allem auf den Konsumrückgang bei den einkommensschwachen Haushalten zurückzuführen ist. Investitionen werden in diesem Jahr um 0,1 und in den Jahren 2025 und 2026 um 0,7 und 1,3 Prozent gemindert, da insbesondere Unternehmen ihre Investitionstätigkeit zurückfahren. Insgesamt belasten die restriktiven finanzpolitischen Impulse das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2025 und 2026 nur um 0,06 und 0,14 Prozent, da größere Effekte durch Ausweitungen des öffentlichen Konsums und der Investitionen abgefedert werden. Wenn die vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen (insbesondere aus der Wachstumsinitiative) im Bundestag noch verabschiedet worden wären, betrüge der Effekt der finanzpolitischen Maßnahmen in den Jahren 2025 und 2026 nur jeweils −0,06 Prozent.

Tabelle: Impulse der finanzpolitischen Maßnahmen

In Prozent des Bruttoinlandsprodukts

2024 2025 2026
Einkommensschwache Haushalte −0,04 −0,03 −0,04
Einkommensstarke Haushalte 0,23 0,22 0,27
Pro Kopf −0,16 −0,32 −0,37
Proportional −0,71 −0,88 −0,99
Unternehmen −0,44 −0,61 −0,81
Staat 0,09 0,11 0,14
Insgesamt −1,02 −1,51 −1,80

Quelle: DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Die gestiegene Unsicherheit trifft die deutsche Wirtschaft in einer ohnehin extrem schwierigen Gemengelage zwischen konjunktureller Schwäche und strukturellem Wandel. So ist für das laufende Quartal ein erneuter Rückgang der Wirtschaftsleistung zu erwarten (Tabelle 2). Frühindikatoren vom Beginn des laufenden Quartals – die also erhoben wurden, bevor US-Wahl und Ampelbruch für zusätzliche Verunsicherung sorgten – deuten darauf hin, dass die Industrieflaute auch ungeachtet der zusätzlichen Belastungsfaktoren angehalten und die Erholung sich erneut nach hinten verschoben hätte. Der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft verharrte im Oktober unterhalb der Expansionsschwelle von 50 Indexpunkten. Im November ging der Index erneut zurück. Während dabei der Wert für die Industrie unterhalb der Expansionsschwelle von 50 stagnierte, fiel der Index für den Dienstleistungsbereich erstmals seit Februar ebenfalls wieder unter diese Schwelle. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der Befragungen nach der Wiederwahl Trumps und nach dem Ende der Ampelkoalition stattgefunden hat. Inwieweit diese politischen Entwicklungen die Stimmung weiter gedrückt haben, wird wohl erst in der Dezembererhebung in Gänze sichtbar werden. Die Auftragslage bleibt derweil sowohl bei den Dienstleistungen als auch im Verarbeitenden Gewerbe schwach (Abbildung 12). So dürfte die Bruttowertschöpfung im laufenden Quartal insgesamt leicht zurückgehen, wobei weitere Rückgänge im Produzierenden Gewerbe durch leichte Zuwächse in den Dienstleistungsbereichen abgefedert werden.

Tabelle 2: Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungs- und Entstehungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland

In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorquartal, saison- und kalenderbereinigt)

2023 2024 2025 2026
1 II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
Privater Verbrauch −0,4 0,8 0,0 0,0 0,1 −0,5 0,3 0,1 0,1 0,2 0,3 0,4 0,3 0,3 0,2 0,2
Öffentliche Konsumausgaben 0,2 −0,2 1,2 0,7 −0,3 1,6 0,4 0,0 0,1 0,3 0,4 0,2 0,2 0,2 0,3 0,2
Bruttoanlageinvestitionen 0,6 −0,2 −0,3 −1,4 0,2 −2,1 −0,1 −0,4 0,2 0,3 0,5 0,5 0,5 0,5 0,6 0,6
Bauten 1,3 −0,7 −1,3 −1,9 0,7 −2,2 −0,3 −0,6 0,1 0,2 0,3 0,3 0,3 0,3 0,4 0,4
Ausrüstungen −1,0 −0,2 0,5 −2,1 −1,3 −3,4 −0,2 −0,3 0,1 0,3 0,7 0,8 0,8 0,8 0,9 0,9
Sonstige Investitionen 1,7 1,0 0,9 1,4 1,4 0,6 0,6 0,0 0,6 0,7 0,7 0,7 0,7 0,6 0,6 0,5
Lagerveränderung1 −0,3 −0,1 −0,2 −0,7 0,0 0,4 0,8 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Inländische Verwendung −0,3 0,2 −0,1 −0,9 0,1 0,1 1,0 0,0 0,1 0,2 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3
Außenbeitrag 0,5 −0,4 0,3 0,5 0,2 −0,4 −0,9 −0,1 0,0 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1
Export 0,2 −0,4 −0,7 −0,9 1,4 0,2 −1,9 0,2 0,3 0,1 0,2 0,3 0,4 0,4 0,3 0,3
Import −1,0 0,5 −1,4 −2,0 1,0 1,2 0,2 0,4 0,4 0,3 0,5 0,6 0,6 0,6 0,6 0,5
Bruttoinlandsprodukt 0,1 −0,2 0,2 −0,4 0,2 −0,3 0,1 −0,1 0,1 0,2 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2
Bruttowertschöpfung 0,5 −0,2 0,0 0,5 −0,1 −0,5 −0,2 −0,1 0,1 0,2 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2
Verarbeitendes Gewerbe 1,1 −0,1 −1,0 0,0 −1,0 −0,8 −1,4 −0,6 −0,2 0,0 0,2 0,4 0,4 0,3 0,3 0,2
Baugewerbe 5,8 −0,6 −0,9 −2,1 1,8 −3,4 −1,2 −0,5 0,0 0,3 0,3 0,4 0,4 0,4 0,4 0,4
Handel, Gastgewerbe, Verkehr −1,2 −0,2 0,6 0,8 −0,5 −0,8 0,1 0,2 0,2 0,3 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3
Unternehmensdienstleister −0,2 0,5 0,5 1,0 −0,7 0,3 −0,3 −0,1 0,0 0,1 0,3 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit 0,4 0,1 0,7 0,2 0,4 0,2 1,3 0,2 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1

1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.

Anmerkung: Prognose ab dem vierten Quartal 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Die Verunsicherung durch die außen- und innenpolitischen Entwicklungen dürfte dazu führen, dass Unternhemen im laufenden Quartal zurückhaltend agieren, sodass die privaten Ausrüstungsinvestitionen wohl merklich zurückgehen. Das verschlechterte außenwirtschaftliche Umfeld hinterlässt zusätzlich Spuren und dämpft die Investitionsfreude ebenso wie den Außenhandel. Andererseits ist für das laufende und kommende Quartal mit Vorzieheffekten bei den Exporten in die USA zu rechnen, da das Risiko kräftiger Zollanstiege deutlich über die hier angenommene Wiedereinführung der Zölle auf Aluminium und Stahl hinausgeht. Die vorübergehend steigenden Ausfuhren dürften wiederum auch die Importe von Vorleistungsgütern ankurbeln. Insgesamt wird der Beitrag des Außenhandels zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Quartal wohl noch einmal negativ ausfallen (Tabelle 3).

Tabelle 3: Beiträge zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland

In Prozentpunkten (preisbereinigt)

Veränderungsbeiträge1
2023 2024 2025 2026
Konsumausgaben −0,2 0,5 0,5 0,9
Private Haushalte −0,2 0,0 0,3 0,7
Staat 0,0 0,5 0,3 0,2
Bruttoanlageinvestitionen −0,3 −0,6 0,0 0,6
Bauten −0,4 −0,4 −0,1 0,2
Ausrüstungen −0,1 −0,4 0,0 0,2
Sonstige Anlagen 0,2 0,1 0,1 0,1
Vorratsveränderungen 0,1 0,1 0,5 0,0
Inländische Verwendung −0,4 0,0 1,0 1,5
Außenbeitrag 0,1 −0,2 −0,7 −0,2
Exporte −0,1 −0,3 −0,1 0,8
Importe −0,3 0,0 0,6 1,0
Bruttoinlandsprodukt2 −0,3 −0,2 0,2 1,2

1 Verwendungsaggregate abzüglich ihres Importgehalts.

2 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Der private Verbrauch dürfte sich ebenfalls weiter schwach entwickeln und die Wirtschaftsentwicklung im laufenden Quartal kaum stützen. Vor allem die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz trübt die Konsumlaune der privaten Haushalte offenbar merklich ein. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der seit nunmehr vier Quartalen steigenden Sparquote. Das dauerhaft höhere Preisniveau bremst den Konsum trotz weiter steigender real verfügbarer Einkommen zusätzlich aus. Die Bauinvestitionen, bei denen der Wohnungsbau – größtenteils von den privaten Haushalten getragen – eine zentrale Rolle spielt, dürften erneut zurückgehen.

Im weiteren Prognoseverlauf ist nur mit einer sehr allmählichen Entspannung der konjunkturellen Lage zu rechnen. Erst ab Mitte des kommenden Jahres dürften sich mit einer neuen Bundesregierung und klareren außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mehr und mehr Unwägbarkeiten auflösen und Haushalte und Unternehmen wieder zuversichtlicher gestimmt sein. Dazu dürfte auch beitragen, dass sich die Beschäftigung im Laufe des kommenden Jahres wohl wieder stabilisieren und im Jahr 2026 etwas zulegen wird. Auch die Arbeitslosigkeit dürfte allmählich zurückgehen. Im Zuge dessen ist damit zu rechnen, dass die gestiegenen verfügbaren Einkommen sowie zumindest ein Teil der Ersparnisse wieder vermehrt ausgegeben werden. Auch die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen dürften sich dann stabilisieren, wobei letztere wohl vor allem im kommenden Jahr von den Ausgaben der öffentlichen Hand im Rahmen des Sondervermögens Bundeswehr gestützt werden. Die Unternehmen düften erst 2026 wieder deutlich mehr in ihre Produktionskapazitäten investieren. Wenn sich die europäische Industrie zunehmend erholt, die Auslandsnachfrage daher steigt und die Europäische Zentralbank (EZB) wie angenommen weiter die Zinsen senkt, werden auch die deutschen Exporte wieder Rückenwind bekommen.

Während die Geldpolitik im Prognoseverlauf durch weitere Zinssenkungen zunehmend weniger restriktiv sein wird, dürfte die Finanzpolitik restriktiv ausgerichtet bleiben (Kasten 3). Dies ist einerseits dem Auslaufen expansiver Maßnahmen infolge der Energiekrise, dem Wegfall von Steuererleichterungen sowie Abgabenerhöhungen geschuldet. Andererseits werden einnahmensenkende Gesetzesvorhaben durch das Scheitern der Regierungskoalition annahmegemäß nicht mehr umgesetzt und expansive Impulse somit gemindert. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag ist die Ausrichtung der Finanzpolitik in diesem Zeitraum insgesamt allerdings mit hoher Unsicherheit behaftet.

Alles in allem dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr wohl das zweite Jahr in Folge sinken, um 0,2 Prozent (Tabelle 4). Im kommenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung voraussichtlich um 0,2 Prozent zunehmen – und damit deutlich weniger energisch als noch im Herbst erwartet worden war. Im Jahr 2026 wird es dann wohl mit einer Rate von 1,2 Prozent wieder kräftiger aufwärts gehen – allerdings liegt dies auch an Sondereffekten wie einer vergleichsweise hohen Zahl an Arbeitstagen. Das DIW Berlin senkt somit seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr um 0,2 Prozentpunkte und für die kommenden beiden Jahre um 0,7 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte. Die teilweise deutliche Abwärtsrevision geht primär auf die enormen zusätzlichen Belastungen für die deutsche Wirtschaft durch die vielfachen Unsicherheiten zurück, sowohl für die Unternehmen als auch die privaten Haushalte. Das potenzielle Bruttoinlandsprodukt revidiert das DIW Berlin mit dieser Prognose ein weiteres Mal nach unten. Im Jahr 2029 dürfte das Potenzialwachstum der deutschen Wirtschaft noch bei 0,3 Prozent liegen. Insgesamt fällt die Produktionslücke dieses und kommendes Jahr voraussichtlich etwas größer aus als es noch im Herbst erwartet worden war (Kasten 5). So liegt sie im laufenden Jahr bei –1,0 Prozent und im kommenden Jahr bei –0,9 Prozent. Mit voraussichtlich –0,2 Prozent wird sie zum Ende des Jahres 2026 im Rahmen der zaghaften Erholung dann fast geschlossen sein.

Tabelle 4: Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2023 2024 2025 2026
Bruttoinlandsprodukt1 −0,3 −0,2 0,2 1,2
Erwerbstätige2 (1000 Personen) 46011 46106 46071 46120
Arbeitslose (1000 Personen) 2609 2787 2854 2707
Arbeitslosenquote BA3 (in Prozent) 5,7 6,0 6,1 5,8
Verbraucherpreise4 5,9 2,2 2,0 2,0
Lohnstückkosten5 6,7 5,4 3,1 1,8
Finanzierungssaldo des Staates6
in Milliarden Euro −107,5 −108,6 −92,8 −82,7
in Prozent des nominalen BIP −2,6 −2,5 −2,1 −1,8
Leistungsbilanzsaldo
in Milliarden Euro 248,7 254,3 223,4 209,5
in Prozent des nominalen BIP 5,9 5,9 5,1 4,6

1 Preisbereinigt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.

2 Inlandskonzept.

3 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).

4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr.

5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.

6 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Die Berechnung des Produktionspotenzials basiert auf dem Verfahren der Europäischen Kommission.infoFür eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. Europäische Kommission in ihrer Reihe European Economy – Economic Papers Nr. 420. Demografische Effekte werden durch ein Alterskohortenmodell berücksichtigt.infoSiehe Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft bleibt gut ausgelastet: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2017. DIW Wochenbericht Nr. 36, 715–736 (online verfügbar).

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird im Wesentlichen anhand der 2021 aktualisierten Bevölkerungsprojektion (mittleres Szenario zwischen „moderater Wanderungssaldo” und „hoher Wanderungssaldo”) fortgeschrieben.infoStatistisches Bundesamt (2021): Ausblick auf die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und den Bundesländern nach dem Corona-Jahr 2020 – Erste mittelfristige Bevölkerungsvorausberechnung 2021 bis 2035. Diese Projektion musste infolge der hohen Zuwanderung Geflüchteter im Jahr 2022, vor allem aus der Ukraine, angepasst werden. Denn im Jahr 2022 erreichte die Nettozuwanderung eine Rekordhöhe seit 1950 und lag bei knapp 1,5 Millionen Personen.infoStatistisches Bundesamt (2023): Tabelle „Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland, Zugezogene, Fortgezogene und Saldo. Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland 1991 bis 2022“ (online verfügbar). Im laufenden Jahr soll die Nettoeinwanderung mit geschätzt 407000 Personen auch deutlich höher als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre ausfallen. Unter solchen Bedingungen wird die Erwerbsbevölkerung in Deutschland insgesamt noch bis zum Jahr 2024 zunehmen, danach aber im Zuge der demografischen Alterung allmählich sinken. Für den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung unter den Erwerbszuwanderern und den Nicht-Erwerbszuwanderern wird der Wert aus dem Ausländerzentralregister angesetzt.infoRund 90 Prozent der EU-Zuwanderer sind im erwerbsfähigen Alter. Bei der Nicht-EU-Zuwanderung beträgt der Anteil 71 Prozent. Siehe Statistisches Bundesamt (2020): Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2019. Fachserie 1, Reihe 2. Die Partizipationsquoten werden für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung getrennt geschätzt und anschließend zusammengefasst. Angefangen mit 74,9 Prozent im Jahr 2024 geht die gesamte Partizipationsquote zurück. Auch die natürliche Erwerbslosenquote ergibt sich als gewichteter Durchschnitt der entsprechenden Werte für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung. Sie liegt im Jahr 2024 bei knapp drei Prozent und steigt 2026 auf 3,3 Prozent. Danach geht sie bis 2029 auf 3,1 Prozent zurück.

Die durchschnittliche Wachstumsrate des Arbeitsvolumens dürfte bis 2029 bei –0,2 Prozentpunkt liegen. Bis 2024 wird sie hauptsächlich durch die wachsende Erwerbsbevölkerung getrieben werden, danach durch einen Abwärtstrend bei der Arbeitszeit und der Partizipationsquote. Außerdem wird auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den Jahren 2026 bis 2029 einen negativen Wachstumsbeitrag leisten. Alles in allem dürfte das potenzielle Arbeitsvolumen in Stunden bis 2028 damit durchschnittlich einen Wachstumsbeitrag von –0,1 Prozentpunkten leisten (Abbildung).

Zusammen mit dem Wachstumsbeitrag des Kapitalstocks in Höhe von 0,3 Prozentpunkten und dem der Totalen Faktorproduktivität in Höhe von 0,2 Prozentpunkten ergibt sich, dass das reale Produktionspotenzial bis 2029 um jahresdurchschnittlich 0,4 Prozent zunehmen wird, wobei die Raten demografisch bedingt von Jahr zu Jahr sinken werden (Tabelle).

Tabelle: Mittelfrist: Erwerbstätige, Beschäftigte und Arbeitszeit

In tausend Personen (sofern nicht anders angegeben)

Erwerbstätige (Inland) beschäftigte Arbeitnehmer*innen (Inland) jährliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen Bruttoinlandsprodukt
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte
insgesamt je Erwerbstätigen je Erwerbstätigenstunde in jeweiligen Preisen Deflator
in Tausenden in Tausenden in Stunden in Milliarden Euro in Euro in Euro in Milliarden Euro 2020 = 100
2020 44966 40927 1313 3450 76636 58 3450 100
2023 46011 42163 1335 3616 78615 59 4186 116
2029 45793 42115 1336 3710 81010 61 4824 130
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2023/2020 0,7 1,0 0,6 1,6 0,9 0,3 6,7 5,0
2029/2023 –0,1 0,0 0,0 0,5 0,6 0,6 2,7 2,2

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Die Verbraucherpreisinflation dürfte nach den kräftigen Anstiegen der vergangenen Jahre im Jahresdurchschnitt 2024 vor allem dank sinkender Energiepreise bei 2,2 Prozent liegen. Das entspricht wieder annähernd dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB. In den kommenden Jahren wird sich die Inflationsrate dann voraussichtlich bei zwei Prozent einpegeln. Im Vergleich zur Herbstprognose lässt das DIW Berlin seine Inflationsprognose damit unverändert. Die Kernrate, also die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel, dürfte ebenfalls weiter zurückgehen, sich dem Inflationsziel aber langsamer als die Gesamtrate annähern.

Die abwärts gerichteten Risiken für die deutsche Wirtschaft sind in den Herbstmonaten erheblich größer geworden. Vor allem wirtschaftspolitische Unwägbarkeiten im In- und Ausland bergen die Gefahr realwirtschaftlicher Verwerfungen, die deutlich größer ausfallen könnten als in dieser Prognose unterstellt. So kommt es möglicherweise zu Verzögerungen bei der Regierungsbildung und entsprechend in der Haushaltsfindung, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland länger in der Schwebe halten könnte als hier unterstellt. Auch könnte es seitens der neuen US-Regierung zu hohen Zöllen auf Automobilexporte in die USA kommen, was das ohnehin schon belastete Verarbeitende Gewerbe in Deutschland nochmals schwer treffen würde. Zudem ist unsicher, inwieweit die Wachstumsschwäche in Deutschland durch strukturelle Anpassungsprozesse geprägt ist und inwieweit durch konjunkturelle Faktoren. Zusätzlich greifen auch die weltwirtschaftlichen Risiken für Deutschland.infoSiehe dazu die Ausführungen zur Weltwirtschaft im ersten Teil dieses Berichts. So ist beispielsweise mit Blick auf die geopolitischen Krisenherde, etwa dem Krieg in der Ukraine, keine Entspannung in Sicht.

Arbeitsmarkt wird zunehmend in Mitleidenschaft gezogen

Die Industrieflaute schlägt sich mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt nieder. Nachdem die Zahl der Erwerbstätigen lange Zeit relativ konstant war und auf einen krisenfesten Arbeitsmarkt hindeutete, zeigen Datenrevisionen und neue Veröffentlichungen inzwischen, dass die Beschäftigtenzahl in Deutschland von Mai bis Oktober (letzter Stand) dieses Jahres saisonbereinigt bereits um 78000 Erwerbstätige gesunken ist. Insbesondere die Schwäche des Verarbeitenden Gewerbes zieht mittlerweile kontinuierliche Beschäftigungsrückgänge (minus 27000 Beschäftigte im dritten Quartal) nach sich. In der Folge haben nun auch die unternehmensnahen Dienstleister begonnen, Personal abzubauen. Die konjunkturelle Kurzarbeit ist zuletzt deutlich um 75000 auf 275000 Personen gestiegen, nachdem sie in den vergangenen Monaten nahezu konstant geblieben war. Die Zahl der Arbeitslosen hat im dritten Quartal um 50000 zugenommen. Trotz – zwar leicht rückläufigem, aber immer noch viele Branchen betreffenden – Fachkräftemangels rücken von Auftragsmangel betroffene Unternehmen wohl immer mehr davon ab, Arbeitskräfte zu halten. Stattdessen greifen sie vermehrt auf Freistellungen zurück.

Lediglich die öffentlichen Dienstleister (vor allem im Gesundheitswesen) haben im vergangenen dritten Quartal weiterhin solide Beschäftigung aufgebaut, während diese auch bei den konsumnahen Dienstleistungsunternehmen der Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe zuletzt zurückging.

Sowohl Unternehmensbefragungen im Rahmen des ifo-Beschäftigungsbarometers als auch Befragungen lokaler Arbeitsmarktagenturen (IAB-Arbeitsmarktbarometer) deuten aktuell nicht auf eine Erholung des Arbeitsmarkts hin. Während die Umfragen der Unternehmen im Dienstleistungsbereich bislang per saldo noch oberhalb der Expansionsschwelle lagen, fielen diese im ifo-Beschäftigungsbarometer zuletzt knapp darunter. Auch die Beschäftigungskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers, das Beschäftigungserwartungen angibt und dabei die öffentlichen Arbeitgeber einschließt, hat am aktuellen Rand (Stand November) leicht nachgegeben. Die Chance auf Vermittlung Arbeitsloser ist ausweislich der Komponente Arbeitslosigkeit zuletzt ebenfalls wieder rückläufig gewesen.

Vor dem Hintergrund der deutlich eingetrübten Geschäftsaussichten sowie der damit einhergehenden verminderten Einstellungsbereitschaft ist für das laufende Quartal ein weiterer Rückgang der Beschäftigung um etwa 30000 Personen zu erwarten. Wie bereits in den vergangenen Quartalen wird sich diese Entwicklung wohl vor allem in den Bereichen der ausschließlich geringfügigen Beschäftigung sowie der Selbstständigen zeigen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dürfte hingegen insbesondere durch einen weiteren Anstieg im Bereich Öffentlicher Dienst, Erziehung und Gesundheit leicht zulegen. Die Arbeitslosigkeit wird angesichts der weiterhin stagnierenden Konjunkturentwicklung im laufenden Quartal wohl weiter zunehmen. Der Anstieg dürfte dabei wie in den vergangenen Quartalen vor allem durch einen Zuwachs bei der konjunkturnahen Arbeitslosigkeit im Bereich der Arbeitslosenversicherung (Sozialgesetzbuch (SGB) III) bestimmt sein. Die Arbeitslosenquote wird zum Jahresende auf voraussichtlich 6,2 Prozent klettern.

Im weiteren Prognoseverlauf dürfte die Zahl der Erwerbstätigen zunächst noch von der Konjunkturflaute geprägt sein und in der ersten Jahreshälfte 2025 nochmals leicht sinken (Abbildung 13). Besonders im schwächelnden Verarbeitenden Gewerbe ist auf absehbare Zeit nicht mit einer Erholung der Beschäftigtenzahl zu rechnen. Mit verringerter Unsicherheit, einer anziehenden Auslandsnachfrage und verbesserten Konjunkturaussichten wird ab der zweiten Jahreshälfte 2025 aber voraussichtlich eine Bodenbildung einsetzen. Die Beschäftigungsaussichten im Dienstleistungsbereich und besonders bei den konsumnahen Dienstleistern dürften sich mit der Erholung des privaten Konsums im Jahresverlauf 2025 derweil deutlicher aufhellen. Zum Ende des Jahres 2026 wird der Anstieg der Erwerbstätigenzahl angesichts des demografischen Wandels an Grenzen stoßen. Alles in allem dürfte sich daraus ein Rückgang der Erwerbstätigenzahl im Jahr 2025 um 35000 Personen und im Jahr 2026 ein Anstieg um 49000 Personen ergeben.

Der konjunkturellen Entwicklung der Gesamtwirtschaft folgend wird die Arbeitslosenzahl ihren Zenit wohl erst zur Jahresmitte 2025 überschreiten und dann stetig sinken. Die Arbeitslosenquote dürfte damit zunächst von durchschnittlich 6,0 Prozent im laufenden auf 6,1 Prozent im kommenden Jahr steigen, um dann im Jahr 2026 wieder auf 5,8 Prozent abzusinken (Tabelle 5).

Tabelle 5: Arbeitsmarktbilanz

In tausend Personen (sofern nicht anders angegeben)

2023 2024 2025 2026
Arbeitsvolumen (in Millionen Stunden) 61437 61313 61443 61728
Erwerbstätige Inland 46011 46106 46071 46120
Arbeitnehmer*innen 42163 42286 42263 42321
darunter:
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 34799 34939 35082 35239
Geringfügig Beschäftigte 4199 4183 4146 4118
Selbstständige 3847 3820 3807 3799
Pendler*innensaldo −210 −200 −201 −187
Erwerbstätige Inländer 45800 45906 45870 45933
Arbeitslose 2609 2787 2854 2707
Arbeitslosenquote BA1 5,7 6,0 6,1 5,8
Erwerbslose2 1335 1509 1510 1429
Erwerbslosenquote3 3,0 3,4 3,4 3,2

1 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).

2 Definition der ILO.

3 Erwerbslose in Prozent der inländischen Erwerbspersonen (Erwerbstätige Inländer*innen plus Erwerbslose).

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Die Arbeitszeit je Erwerbstätigen wurde für das erste Quartal 2024 deutlich nach unten revidiert, hat sich in den letzten Quartalen allerdings wieder erholt. Im laufenden Quartal dürfte die Arbeitszeit zunächst einen Dämpfer erfahren – einerseits konjunkturell bedingt durch Kurzarbeit sowie den Abbau von Arbeitszeitkonten, andererseits aber auch durch einen über Saisoneffekte hinausgehend hohen Krankenstand. Im weiteren Prognoseverlauf dürfte sich die Arbeitszeit wieder auf dem Niveau von 2023 einpendeln, wobei insbesondere der Arbeitstageeffekt im Jahr 2026 wohl stützend wirkt.infoIn der langfristigen Betrachtung folgt die Arbeitszeit einem rückläufigen Trend, der sich seit der Umstellung auf die elektronische Krankschreibung und einer damit einhergehend umfangreicheren Erfassung des Krankenstandes seit dem Jahr 2022 auf niedrigerem Niveau befindet. Somit ist nicht davon auszugehen, dass sich die Arbeitszeit wieder auf das Niveau von vor dem Jahr 2022 erholen dürfte.

Lohndynamik schwächt sich ab

Die Tariflöhne inklusive Sonderzahlungen sind im dritten Quartal um kräftige 4,9 Prozent gestiegen. Auch ohne die Berücksichtigung von Sonderzahlungen fiel das Plus mit 4,6 Prozent deutlich aus. Damit zeigt sich zum einen, dass die Preissteigerungen vor allem des letzten Jahres nun mit Verzögerung in der Lohnentwicklung sichtbar werden. Zum anderen wird auch deutlich, dass Lohnsteigerungen zunehmend nicht mehr auf Sonderzahlungen, sondern auf tabellenwirksamen Lohnsteigerungen beruhen.

Der jüngste Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie,infoEinmalzahlung von 600 Euro, 2,0 Prozent Lohnsteigerung ab April 2025 und ein weiterer Anstieg um 3,1 Prozent ab April 2026, bei einer Laufzeit von 25 Monaten. der deutlich hinter den Forderungen zurückgeblieben ist, zeigt aber, dass die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer*innen vor allem im Verarbeitenden Gewerbe durch die anhaltenden Herausforderungen eingeschränkt ist. Für den Dienstleistungsbereich, wie auch im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen, dürften die Gehaltssteigerungen zwar etwas üppiger, aber dennoch niedriger als in der letzten, von der Hochinflationsphase geprägten, Tarifrunde ausfallen. Dennoch ist für das laufende Jahr bereits ein deutlicher Anstieg der Tarifverdienste angelegt, der sich insgesamt auf 4,6 Prozent belaufen dürfte (Tabelle 6).

Tabelle 6: Entwicklung der Löhne1 in Deutschland

In tausend Personen (sofern nicht anders angegeben)

2022 2023 2024 2025 2026
Durchschnittliche Arbeitszeit −0,1 −0,4 −0,4 0,3 0,4
Verdienst je Arbeitnehmer*in 4,4 6,5 5,1 3,2 2,9
Verdienst je Stunde 4,7 6,6 5,2 2,8 2,6
Lohndrift (Arbeitnehmer*in) 2,2 2,9 0,5 1,4 0,9
Tariflohn (Monat) 2,2 3,6 4,6 1,8 2,1

1 Inlandskonzept.

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Durch die zunächst noch schleppende konjunkturelle Entwicklung und ein sich weiter beruhigendes Inflationsgeschehen dürften die Lohnsteigerungen im kommenden Jahr insgesamt deutlich moderater ausfallen. Es ist damit zu rechnen, dass der Wegfall der Abgabenfreiheit von Sonderzahlungen zum Jahresende 2024 dazu führt, dass dieses Instrument in Tariflohnabschlüssen weniger genutzt wird und sich die Tarifpartner auf Anstiege der tariflichen Grundvergütung konzentrieren. Dies sollte im Jahr 2025 zu einer Steigerung der Tarifverdienste um 1,8 Prozent und im Jahr 2026 um 2,1 Prozent führen. Die Dynamik der Effektivverdienste läuft in der Regel der bei den Tarifverdiensten voraus. Zwar verzeichneten die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer*in im dritten Quartal noch einen deutlichen Anstieg von 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Dieser liegt jedoch schon unter dem Höchstanstieg von 6,8 Prozent im Vorjahr.

Für das laufende Quartal wird von einer weiteren Abschwächung der Lohndynamik ausgegangen, sodass die Tariflohnsteigerungen über denen der Effektivlöhne liegen könnten. Auf das gesamte Jahr 2024 gesehen wird das Wachstum der Effektivlöhne wohl 5,1 Prozent betragen. Die Lohndrift hätte sich damit im Vergleich zum Vorjahr deutlich vermindert.

Unter gleichen Vorzeichen wie die Tariflohnentwicklung dürften auch die Zuwächse der Effektivlöhne in den kommenden Jahren deutlich geringer ausfallen. Mit Wachstumsraten von 3,2 Prozent im Jahr 2025 und 2,9 Prozent im Jahr 2026 werden im Durchschnitt wohl moderate Reallohngewinne realisiert werden.

Die realen Lohnstückkosten bringen das Verhältnis zwischen den Kosten und der erbrachten Wirtschaftsleistung des Faktors Arbeit zum Ausdruck. Weil die Produktivitätssteigerungen im laufenden Jahr im Durchschnitt hinter den Lohnsteigerungen zurückgeblieben sind, haben die realen Lohnstückkosten in den letzten Quartalen stetig zugenommen. Dennoch ist dies nach der langen Phase von Reallohnverlusten lediglich eine Normalisierung in Richtung des Niveaus der Jahre 2018/19.

Inflationsrate wieder in Nähe des Zwei-Prozent-Ziels

Nachdem die Verbraucherpreisinflation in Deutschland im Jahresverlauf weiter zurückgegangen und im August und September sogar unter die Zwei-Prozent-Marke gefallen ist, hat sie zuletzt wieder zugenommen und im November mit 2,2 Prozent etwas über dem Stabilitätsziel der EZB gelegen (Abbildung 14). Der leichte Anstieg ist vor allem auf das Auslaufen von Basiseffekten der Energiekomponente zurückzuführen. Zudem trugen die Nahrungsmittelpreise wieder zunehmend stärker zur Preisdynamik bei. Die Kerninflationsrate, die die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, ging nur leicht zurück und war mit 3,0 Prozent im November noch deutlich erhöht. Ein wesentlicher Faktor dafür sind die nach wie vor kräftig steigenden Preise für Dienstleistungen, die die deutlichen Lohnzuwächse in diesem Bereich widerspiegeln.

Trotz rückläufiger Energiepreise dürfte der dämpfende Effekt der Energiekomponente auf die Gesamtinflation über den Prognosehorizont weiter abnehmen – auch, weil die schrittweisen Anhebungen des CO2-Preises auf Sprit, fossiles Gas und Heizöl in den Jahren 2025 und 2026 voraussichtlich preissteigernd wirken werden. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass die nachlaufende Dynamik der Löhne und Gehälter aufgrund der niedrigeren Inflation allmählich nachlässt und damit den Preisauftrieb im Dienstleistungsbereich verringert. Hinzu kommt, dass sich Veränderungen der Energiepreise nur verzögert auf das allgemeine Preisniveau auswirken, so dass die aktuell noch rückläufigen Energiepreise in den nächsten Monaten weiter dämpfend wirken dürften. Auch wichtige vorlaufende Preisindizes wie Import-, Erzeuger- und Großhandelspreise gehen weiterhin zurück und deuten somit auf nachlassenden Preisdruck hin, der sich in den nächsten Monaten weiter auf die Verbraucherpreise übertragen wird.

Die bevorstehende Preiserhöhung für das Deutschlandticket von 49 auf 58 Euro wird die Preisdynamik zu Jahresbeginn 2025 voraussichtlich leicht verstärken. Ansonsten sind für den Prognosezeitraum bisher keine wesentlichen finanzpolitischen Impulse auf die Konsumentenpreisentwicklung absehbar.

Alles in allem dürfte die Verbraucherpreisinflation im Jahresdurchschnitt 2024 bei 2,2 Prozent liegen. In den beiden Jahren 2025 und 2026 wird die Inflation dann voraussichtlich jeweils 2,0 Prozent betragen. Die Kernrate dürfte aufgrund des schwächeren Anstiegs der Löhne und Gehälter und der verzögerten Wirkung der Rückgänge bei den Preisen für Energie weiter zurückgehen, aber erst im Sommer 2025 wieder die Zwei-Prozent-Marke erreichen.

Privater Konsum durch Arbeitsplatzsorgen ausgebremst

Der private Konsum in Deutschland kommt nur mühsam in Schwung. Zwar hat er im dritten Quartal um 0,3 Prozent zugenommen und somit die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gestützt. Der Anstieg folgte allerdings auf eine negative Rate im zweiten Quartal, das mit – nach aktuellem Datenstand – einem Rückgang von 0,5 Prozent deutlich schlechter ausfiel als zunächst von der amtlichen Statistik berichtet. Im Ergebnis stagnieren die privaten Konsumausgaben in Deutschland seit einem Jahr. Das Konsumniveau liegt immer noch niedriger als vor Beginn der Corona-Pandemie. Die Konsumausgaben für Gesundheit sowie Versicherungs- und Finanzdienstleistungen sind im dritten Quartal deutlich gestiegen, während die privaten Haushalte weniger für Gastronomie und Beherbergungsdienstleistungen sowie für die Kategorie Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe ausgaben.

Dabei hatten sich die Rahmenbedingungen im Jahresverlauf eigentlich aufgehellt: Durch die weiter gesunkene Inflationsrate und kräftige Nominallohnsteigerungen haben die Reallöhne und die verfügbaren Einkommen zugenommen. Wohl auch deshalb ging es mit der Konsumstimmung der Haushalte etwas aufwärts.

Dass die Erholung des privaten Verbrauchs dennoch weitgehend ausgefallen ist, dürfte vor allem an zwei Faktoren gelegen haben: Zum einen ist das Preisniveau in den letzten beiden Jahren in Folge des Krieges gegen die Ukraine und der Energiekrise deutlich und nachhaltig gestiegen. Auch wenn die Inflationsraten mittlerweile deutlich gesunken sind, steigen die Preise nach wie vor, nur eben mit geringerem Tempo. Zwar wurden die Verluste der real verfügbaren Einkommen mittlerweile nahezu ausgeglichen, dennoch sind viele Haushalte aufgrund des dauerhaft höheren Preisniveaus vorsichtig und halten ihr Geld eher zusammen.

Zum anderen leidet der Konsum der privaten Haushalte unter einer deutlich erhöhten Unsicherheit bezüglich der eigenen finanziellen Situation. Die deutsche Wirtschaft stagniert und die Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung wurden auch in diesem Jahr immer wieder nach unten korrigiert. Dies schürt vermehrt Sorgen um einen möglichen Arbeitsplatzverlust und veranlasst die privaten Haushalte – trotz der Reallohnzuwächse – eher zu sparen als zu konsumieren. Im Ergebnis ist die Sparquote im Jahresverlauf weiter gestiegen. Zuletzt lag sie mit 11,8 Prozent sehr deutlich über dem Vor-Corona-Niveau und dem langjährigen Durchschnitt.

Die Unsicherheit hat sich am aktuellen Rand noch weiter erhöht und wird wohl auch in den nächsten Quartalen der bestimmende Faktor bleiben. So haben sich die Konsumstimmung und insbesondere die Einkommenserwartungen am aktuellen Rand merklich eingetrübt. Der wirtschaftliche Ausblick hat sich zuletzt nochmals abgeschwächt. In Folge des Bruchs der Ampelkoalition sind auch von der Wirtschaftspolitik zunächst keine Unterstützungspakete zu erwarten. Für das vierte Quartal deutet sich somit trotz der weiter steigenden Realeinkommen nur eine geringe Expansion der privaten Konsumausgaben an, sie dürften um 0,1 Prozent zulegen. Gleichzeitig wird die Sparquote wohl deutlich erhöht bleiben.

Auch zu Beginn des Jahres 2025 dürfte sich der private Konsum nur sehr vorsichtig erholen, da die beschriebenen Unsicherheiten bestehen bleiben. Erst im Jahresverlauf werden sie wohl allmählich abnehmen, wenn sich Arbeitsmarkt und Einkommensaussichten stabilisieren und mit einer neuen Bundesregierung klarer wird, wie die Wirtschaftspolitik künftig ausgerichtet sein wird.

Ab Mitte des nächsten Jahres dürfte die Entwicklung des privaten Konsums indes an Dynamik gewinnen, da sowohl die Nettolöhne und -gehälter als auch die monetären Sozialleistungen wohl weiter steigen werden, sodass auch die Massen- sowie die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte weiter zulegen dürften. Das gilt, da die Inflationsrate voraussichtlich stabil bleibt, auch in realer Sicht. Zusätzlichen Schub geben dann wohl auch die Ersparnisse der privaten Haushalte, die sich aufgrund der Verunsicherung und des Vorsichtsmotivs bis dahin anhäufen.

Alles in allem dürfte der private Konsum im Jahresdurchschnitt 2024, bedingt durch den deutlichen Rückgang im zweiten Quartal und die nur moderate Expansion in der zweiten Jahreshälfte, um 0,1 Prozent steigen. Mit der anziehenden Dynamik im Jahresverlauf dürfte die Expansion im Jahr 2025 dann bei 0,5 Prozent liegen und sich im Jahr 2026 auf 1,3 Prozent beschleunigen.

Öffentlicher Konsum wächst solide

Der Staatskonsum kann im laufenden Jahr deutliche Zunahmen bei den Vorleistungen im Gesundheitswesen, im Verkehrsbereich sowie bei den sozialen Sachleistungen verzeichnen. Die Erhöhung der Einnahmen aus „Verkäufen“ durch die Ausweitung der Lkw-Maut im Dezember 2023 schlug sich derweil nur in einer verminderten Dynamik des Staatsdeflators nieder. Durch einen weiterhin erhöhten Krankenstand dürften die Vorleistungskäufe und die Bereitstellung sozialer Sachleistungen auch im vierten Quartal weiter ausgeweitet werden. Der preisbereinigte Staatskonsum wird damit im laufenden Jahr wohl um 2,2 Prozent expandieren, wobei ein Gutteil des Effekts mit einem statistischen Überhang aus dem Vorjahr zu erklären ist.

Mit dem Beginn der vorläufigen Haushaltsführung zum 1. Januar 2025 dürfte die Dynamik des Staatskonsums zunächst abnehmen, da über den Erhalt bestehender Institutionen und der Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen hinaus keine neuen Maßnahmen initiiert werden dürfen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Bundesministerien allerdings bewilligen, pro Monat einen gewissen Prozentsatz des ursprünglichen Haushaltsentwurfs auszugeben. Damit dürfte es auch auf Bundesebene trotz der vorläufigen Haushaltsführung weiterhin leichte Zuwächse der öffentlich Beschäftigten und Vorleistungskäufe geben.

Im weiteren Prognoseverlauf wird der Staatskonsum zunehmend von strukturellen Entwicklungen wie der demografischen Alterung geprägt sein. Dadurch, dass Reformen im Gesundheits- und Pflegebereich – wie das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und eine Finanzreform der Pflegeversicherung – nicht zeitnah verabschiedet werden dürften, können die dadurch trendmäßig steigenden Mehrausgaben bei den sozialen Sachleistungen kaum abgefedert werden. Damit dürfte der Staatskonsum in den Jahren 2025 und 2026 weiter solide mit Raten von 1,2 und 1,0 Prozent expandieren. Die Quote des Staatskonsums in Relation zum Bruttoinlandsprodukt stabilisiert sich damit auf einem um etwa 2,5 Prozentpunkte höheren Niveau als in der Vor-Corona-Zeit.

Ausrüstungsinvestitionen von enormer Unsicherheit geprägt

Die Anschaffungen von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen sind im dritten Quartal zum vierten Mal in Folge zurückgegangen (um 0,2 Prozent). Dies ist ausschließlich durch die öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen zu erklären, die um elf Prozent einbrachen. Insbesondere die geplanten Ausgaben aus dem Sondervermögen Bundeswehr scheinen sich weiter verzögert zu haben – auch im zweiten Quartal legten die öffentlichen Investitionen lange nicht so stark zu wie noch im Herbst geschätzt worden war.infoDer Zuwachs der öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen im zweiten Quartal 2024 wurde mit der aktuellen Veröffentlichung des Statistischen Bundesamts von 15,2 auf 1,7 Prozent herunterrevidiert. Die Unternehmen weiteten ihre Investitionen dagegen erstmals seit dem ersten Halbjahr 2023 aus (um 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal). Dabei dürfte es sich allerdings nur um ein kurzes Aufatmen gehandelt haben – die Stimmung der deutschen Industrie und insbesondere der Vorleistungs- und Investitionsgüterhersteller bleibt äußerst pessimistisch, die Produktion ging im dritten Quartal weiter zurück.

Im laufenden Quartal dürften die Ausrüstungsinvestitionen erneut sinken. Dabei ist ein deutlicher Rückgang bei den Anschaffungen der Unternehmen zu erwarten. Neben der anhaltend schwachen Nachfrage aus dem In- und Ausland und den strukturellen Problemen der deutschen Wirtschaft nimmt die Unsicherheit der Unternehmen weiter zu und bremst die Investitionstätigkeit aus. Der Economic-Policy-Uncertainty-Index stieg im Oktober und November zwei Mal in Folge auf neue historische Höchstwerte. In der Herbstumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) – durchgeführt noch vor dem Bruch der Ampelkoalition – gaben 60 Prozent der Industrieunternehmen an, dass die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen eines der wichtigsten Geschäftsrisiken seien – nur die schwache Inlandsnachfrage wurde häufiger genannt (71 Prozent). Die öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen dürften im laufenden Quartal dagegen kräftig ausgeweitet werden und den Rückgang insgesamt abfedern. Auf das Gesamtjahr betrachtet bleiben sie jedoch deutlich hinter den bisherigen Erwartungen zurück, da wohl einige bereits geplante Ausgaben in das kommende Jahr geschoben werden.

Daher dürften die öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen die Gesamtentwicklung auch im weiteren Prognoseverlauf stützen, wenn vor allem die geplanten und bereits in Auftrag gegebenen Anschaffungen aus dem Sondervermögen Bundeswehr nach und nach verbucht werden. Die privaten Investor*innen werden sich angesichts der anhaltenden Unsicherheit im kommenden Jahr dagegen wohl noch zurückhalten und die Klärung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im In- und Ausland abwarten. So sind die Geschäftserwartungen der Investitionsgüterhersteller am aktuellen Rand wieder gesunken, die Auftragslage ist nach wie vor schwach und dürfte auch das ersten Halbjahr 2025 prägen. Erst in der zweiten Jahreshälfte werden sich die privaten Ausrüstungsinvestitionen wohl allmählich stabilisieren und dann im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Erholung im Jahr 2026 wieder ausgeweitet werden.

Insgesamt ergibt sich für das laufende Jahr ein Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen um 5,7 Prozent. Im kommenden Jahr dürften sie, gestützt durch eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen um mehr als 20 Prozent, nur noch leicht sinken (um 0,3 Prozent) und im folgenden Jahr um vier Prozent ausgeweitet werden (Tabelle 7).

Tabelle 7: Reale Investitionen

In Prozent

2022 2023 2024 2025 2026
Anteile in Prozent Veränderung gegenüber dem Vorjahr
Wohnungsbau 61,6 −4,1 −5,0 −1,1 2,4
Nichtwohnungsbau 38,4 −2,3 −1,5 −0,5 1,2
Gewerblicher Bau 24,0 −4,1 −3,3 0,8 2,0
Öffentlicher Bau 14,4 0,8 1,5 −2,6 0,0
Bauinvestitionen 100,0 −3,4 −3,6 −0,9 1,9
Ausrüstungen −0,8 −5,7 −0,3 4,0

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Bauinvestitionen entwickeln sich weiter schwach

Die Bauinvestitionen sind im dritten Quartal erneut gesunken (um 0,3 Prozent). Damit setzte sich der negative Trend, der nun seit vier Jahren anhält, weiter fort, schwächte sich im Vergleich zu den vorherigen Quartalen aber merklich ab. Der Rückgang war wie zuvor vom Wohnbau geprägt, der um 0,6 Prozent und damit erstmals seit 2013 preisbereinigt unter 50 Milliarden Euro im Quartal fiel. Zum Vergleich: Während der Corona-Pandemie waren noch in etwa 60 Milliarden Euro pro Quartal in Wohnbauten investiert worden. Dabei dürften nach wie vor die hohen Kosten durch die weiter steigenden Baupreise und die anhaltend erhöhten Bauzinsen entscheidend sein. Der Nichtwohnbau konnte dagegen im dritten Quartal leicht ausgeweitet werden (um 0,1 Prozent) – der Zuwachs wurde vom Wirtschaftsbau getragen, der um 0,7 Prozent expandierte. Hierbei dürfte sich der zweigeteilte Trend zwischen Hoch- und Tiefbau weiter fortgesetzt haben: Zwar sank die Bauproduktion im dritten Quartal in beiden Bereichen, der Rückgang im Hochbau fiel mit über zwei Prozent jedoch deutlich kräftiger aus als der im Tiefbau. Die öffentlichen Bauinvestitionen, die einen geringeren Anteil an den Nichtwohnbauten ausmachen, gaben um 0,9 Prozent nach.

Im laufenden vierten Quartal ist erneut mit moderaten Rückgängen der Bauinvestitionen über alle Sparten hinweg zu rechnen. Bei den Wohnbauinvestitionen dürfte sich der Rückgang allerdings weiter abschwächen. So haben sich Auftragseingänge und Baugenehmigungen zuletzt stabilisiert, wenn auch auf äußerst niedrigem Niveau. Zwar liegt der Anteil der Unternehmen, der laut ifo-Umfragen über Auftragsmangel klagt, nahezu konstant um die 50-Prozent-Marke, ist am aktuellen Rand jedoch nicht weiter gestiegen. Vorsichtig positive Signale kommen auch von den Kreditmärkten: Die Zinsen für Wohnbaukredite sind zuletzt merklich zurückgegangen, während das Kreditvolumen etwas angestiegen ist. Dagegen ist das Geschäftsklima der Wohnbauunternehmen nach mehreren Anstiegen in Folge im November wieder deutlich gefallen, wobei die Unternehmen vor allem die aktuelle Lage schlechter bewerten als noch im Oktober. Insgesamt dürften die Wohnbauinvestitionen somit im laufenden Quartal noch leicht zurückgehen und sich im kommenden Jahr auf niedrigem Niveau stabilisieren. Die deutlich gestiegenen Ersparnisse werden mit der abnehmenden Unsicherheit im Jahr 2026 wohl auch vermehrt in Wohnbauten investiert werden. Das Investitionsniveau wird voraussichtlich aber weit von den Höchstständen vergangener Jahre entfernt bleiben.

Im Nichtwohnbau bleiben die Aussichten insgesamt positiver als im Wohnbau, haben sich zuletzt aber ebenfalls etwas eingetrübt. Vor allem aus dem Tiefbau kommen weniger positive Signale als noch im Sommer. So hat sich die Dynamik der Auftragseingänge zuletzt allerdings abgeschwächt, besonders im Straßenbau. Die Kapazitätsauslastung ist am aktuellen Rand ebenfalls gesunken. Die schwächere Indikatorik spiegelt sich in der Stimmung der Bauunternehmen wider, die sich im Tief- ebenso wie im Nichtwohnhochbau eingetrübt hat. Zwar hat die Tiefbauproduktion im Oktober im Vergleich zum Vorquartalsdurchschnitt leicht zugelegt, die Produktionserwartungen lassen für das gesamte laufende Quartal allerdings keine merkliche Ausweitung erwarten – auch, weil der Hochbau nach wie vor äußerst schwach läuft. Im weiteren Verlauf dürften sich die Nichtwohnbauinvestitionen weiterhin eher kraftlos entwickeln. Dies liegt vordergründig an den Ausgaben der öffentlichen Hand, die im kommenden Jahr wohl deutlich zurückgefahren werden. Vor allem die Kommunen, die einen Großteil der öffentlichen Bauinvestitionen stemmen, sind zunehmend knapp bei Kasse und dürften ihre Investitionspläne – auch angesichts weiter steigender Baupreise – eindampfen. Auch der Wirtschaftsbau wird sich angesichts der schwachen Konjunktur wohl nur verhalten entwickeln. Der noch hohe Auftragsbestand im Tiefbau dürfte die Entwicklung aber stabilisieren. Im Rahmen der konjunkturellen Erholung werden die Nichtwohnbauinvestitionen im Jahr 2026 voraussichtlich wieder moderat ausgeweitet.

Trotz der enorm gesunkenen Kapazitätsauslastung sind die Baupreise bis zuletzt kontinuierlich gestiegen. Dabei hat der Preisauftrieb im laufenden Jahr allerdings deutlich nachgelassen. Im weiteren Verlauf dürfte sich die Dynamik angesichts der konstant niedrigen Nachfrage weiter abschwächen. Mit Rückgängen im Preisniveau ist allerdings nicht zu rechnen. In den kommenden Jahren wird sich die Baupreisentwicklung wohl in etwa auf dem Niveau der Verbraucherpreisinflation einpegeln.

Alles in allem dürften die Bauinvestitionen im laufenden Jahr, vor allem aufgrund des äußerst schwachen Wohnbaus, um 3,6 Prozent sinken und im kommenden Jahr trotz leicht positiver Dynamik im Jahresverlauf erneut zurückgehen (um 0,9 Prozent). Im Jahr 2026 werden sie zwar um voraussichtlich knapp zwei Prozent steigen, das Niveau liegt aber immer noch mehr als zehn Prozent unter dem Boom-Jahr 2020.

Außenhandel unter Druck

Der Gegenwind für den deutschen Außenhandel wird stärker. Zunehmender Protektionismus und eine sicherheitspolitisch motivierte Industriepolitik in wichtigen Absatzmärkten der deutschen Exportindustrie erhöhen die Planungsunsicherheit und erschweren den Marktzugang. Gleichzeitig sehen sich deutsche Exportunternehmen einem wachsenden Wettbewerb durch chinesische Firmen ausgesetzt. Auch die deutsche Automobilindustrie gerät zunehmend in Bedrängnis. Vor diesem Hintergrund sind die deutschen Ausfuhren im dritten Quartal deutlich zurückgegangen, um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Besonders stark betroffen waren die Warenexporte, die um 2,4 Prozent einbrachen, während die Dienstleistungsexporte weitgehend stagnierten. Ein zentraler Belastungsfaktor war erneut der Handel mit China, wo insbesondere der Absatz von Kraftfahrzeugen stark zurückging. Doch auch der Handel mit den USA und europäischen Partnerländern entwickelte sich rückläufig. In die USA sanken zuletzt sowohl die Exporte von Kraftwagen und Kraftwagenteilen als auch von Maschinen „Made in Germany“ spürbar. Die Dienstleistungsexporte stagnierten. Nach einem vorübergehenden Aufschwung durch eine erhöhte Tourismusnachfrage im Zuge der Fußball-Europameisterschaft der Männer im Frühsommer kühlte sich die Dynamik im dritten Quartal spürbar ab.

Im laufenden Quartal dürften die Exporte leicht zulegen. Dies ist jedoch teilweise auf Vorzieheffekte zurückzuführen. Um sich gegen möglich Zölle und Handelshemmnisse abzusichern, ist zu erwarten, dass Unternehmen einen Teil ihrer Bestellungen vorziehen. Dieser temporäre Effekt überdeckt die weiterhin rückläufige Grunddynamik des Außenhandels. So haben sich die ifo-Exporterwartungen im November zwar leicht verbessert, verbleiben aber nach wie vor deutlich im negativen Bereich. Zudem belasten strukturelle Anpassungen den Außenhandel, wie die anhaltend rückläufige Entwicklung der Beschäftigung in vielen exportabhängigen Branchen zeigt. Gleichzeitig erholt sich die Investitionstätigkeit im europäischen Ausland weiterhin nur schleppend, sodass deutsche Exporte voraussichtlich erst ab der zweiten Jahreshälfte 2025 spürbaren Rückenwind erhalten werden. Insgesamt wird erwartet, dass die Ausfuhren im laufenden Jahr um 0,6 und im kommenden Jahr um 0,3 Prozent zurückgehen. Erst im Jahr 2026 dürften die Exporte – angeschoben von einer höheren Kapitalgüternachfrage aus dem europäischen Ausland – mit 1,9 Prozent wieder ein positives Wachstum verzeichnen (Tabelle 8).

Tabelle 8: Indikatoren zur Außenwirtschaft1

In Prozent bzw. Milliarden Euro

2023 2024 2025 2026
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
Exporte (preisbereinigt) −0,3 −0,6 −0,3 1,9
Waren −0,9 −0,8 −0,8 1,8
Dienstleistungen 1,7 0,1 1,3 2,0
Importe (preisbereinigt) −0,6 −0,1 1,5 2,7
Waren −3,7 −1,3 1,6 2,2
Dienstleistungen 8,2 2,8 1,4 3,6
Terms of Trade 3,8 1,3 0,0 −0,3
In Milliarden Euro
Außenbeitrag (nominal) 167,7 181,7 151,3 136,4

1 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Die Importe sind im dritten Quartal insgesamt leicht um knapp 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gestiegen. Dabei entwickelten sich die Waren- und Dienstleistungsimporte jedoch gegensätzlich: Während die Wareneinfuhren kräftig um 1,3 Prozent zulegten, sanken die Dienstleistungsimporte deutlich um 2,4 Prozent. Besonders stark stützten die Wareneinfuhren aus China die Entwicklung, wobei vor allem Industriegüter wie Maschinen, Metalle und Metallerzeugnisse verstärkt in Deutschland eingeführt wurden. Vor dem Hintergrund der schwachen inländischen Industrieproduktion scheinen diese Anstiege jedoch ebenfalls durch Vorzieheffekte überzeichnet zu sein. Unternehmen könnten Vorleistungsgüter verstärkt importiert haben, um weiterverarbeitete Produkte – etwa für den Export in die Vereinigten Staaten – herzustellen. Bei den Dienstleistungsimporten wirkten Tourismusausgaben – also Reisen von Personen mit einem Wohnsitz in Deutschland ins Ausland – weiterhin stützend, die Dynamik wurde aber von rückläufigen Fertigungsleistungen und unternehmensnahen Dienstleistungen gedämpft.

Im laufenden vierten Quartal dürfte die Dynamik der Importe leicht zunehmen. Dabei profitieren die Einfuhren wohl erneut vom verstärkten Vorsichtsmotiv deutscher Exportfirmen, die Vorleistungsgüter verstärkt ins Land holen, um möglichen Zöllen zuvorzukommen. Die Dienstleistungseinfuhren dürften sich im laufenden Quartal hingegen stabilisieren, insbesondere gestützt durch IT- und EDV-Dienstleistungen, die weiterhin eine robuste Nachfrage verzeichnen. Ab der zweiten Jahreshälfte 2025 dürfte der private Konsum einen stärkeren Beitrag zur Importdynamik leisten. Gleichzeitig wird erwartet, dass die allmähliche Belebung der Investitionstätigkeit zum Jahresende 2025 die Warenimporte zusätzlich stützen wird.

Für das laufende Jahr wird ein leichter Rückgang der Einfuhren um 0,1 Prozent erwartet. Im Jahr 2025 dürften die Importe dann im Zuge der allmählichen Belebung des privaten Konsums und der inländischen Investitionstätigkeit um 1,5 Prozent und im Jahr 2026 um 2,7 Prozent zulegen.

Im dritten Quartal wurde die leicht anziehende Preisdynamik bei den Waren vor allem durch rückläufige Preise fossiler Energieträger und Mineralölerzeugnisse gebremst. Preisauftrieb kam hingegen von den Nahrungs- und Futtermitteln; auch die Preise industrieller Erzeugnisse nahmen sowohl bei den Ein- als auch Ausfuhren zu. Die Dienstleistungspreise sind zuletzt kräftig gestiegen. Diese Entwicklung ist vor allem auf weltweit steigende Löhne zurückzuführen, die den Preisdruck bei Dienstleistungen erhöhen. Über den Prognosehorizont hinweg dürften die zunehmende Konkurrenz für deutsche Produkte auf wichtigen Absatzmärkten sowie protektionistische Handelshemmnisse die Preissetzungsspielräume hiesiger Unternehmen einschränken. Infolgedessen werden die Terms of Trade nach ihrem Höchststand Ende des laufenden Jahres voraussichtlich allmählich zurückgehen und sich langfristig ihrem langjährigen Mittelwert annähern.

Öffentliche Haushalte mit nur langsam sinkenden Fehlbeträgen

Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage dürfte das gesamtstaatliche Defizit im laufenden Jahr nicht kleiner ausfallen als das Minus von 107,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Und das, obwohl das Auslaufen einiger expansiver finanzpolitischer Maßnahmen wie der Strom- und Gaspreisbremsen für sich genommen defizitmindernd wirkt. Dass das Defizit dennoch nicht sinkt, liegt unter anderem an deutlich gestiegenen geleisteten monetären Sozialleistungen infolge der wirtschaftlichen Abkühlung. In den Folgejahren dürfte sich die gesamtstaatliche Haushaltssituation leicht entspannen. Hierzu trägt neben der konjunkturellen Belebung auch eine Finanzpolitik bei, die nicht zuletzt aufgrund der zerbrochenen Ampelkoalition weiterhin leicht restriktiv ausgerichtet sein wird. Defizitsteigernd wirken dürften allerdings die trendmäßig zunehmenden Ausgaben für Altersrenten, Gesundheit und Pflege im Zuge der demografischen Alterung.

Sowohl die Staatseinnahmen als auch die Staatsausgaben werden wohl im gesamten Prognosezeitraum stärker als das nominale Bruttoinlandsprodukt expandieren. Bei der Lohn- und Einkommensteuer dürfte eine stabil zunehmende Bruttolohnsumme zu Mehreinnahmen führen. In den kommenden Jahren wird dabei der Wegfall der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie die Einnahmedynamik stärken. Das gilt auch mit Blick auf die fiskalpolitische Annahme, dass die Anpassung des Einkommensteuertarifs zum Ausgleich der Kalten Progression nicht mehr umgesetzt wird. Die Staatseinnahmen durch gewinnabhängige Steuern dürften hingegen verhaltener steigen. Positiv wird im Prognosehorizont wohl zu Buche schlagen, dass Abschreibungen aufgrund der degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA) vorgezogen wurden und nun dementsprechend weniger geltend gemacht werden. Zwar dürfte der Effekt zunächst durch das Wachstumschancengesetz abgeschwächt werden. Ab dem Jahr 2026 wird die Fortführung und Ausweitung der degressiven Abschreibungsregeln annahmegemäß aber ausgesetzt, was einnahmenstabilisierend wirken dürfte. Einnahmen durch die Umsatzsteuer werden im laufenden Jahr gestützt durch die Normalisierung der Steuersätze auf Gas und in der Gastronomie. Im weiteren Verlauf dürften sie mit dem privaten Konsum und sachte anziehenden Bauinvestitionen solide steigen. Die sonstigen Produktionsabgaben werden wohl maßgeblich von den Erhöhungen der CO2-Abgabe zu den Jahreswechseln 2025 und 2026 angeschoben.

Insgesamt dürften die Steuereinnahmen im laufenden Jahr um 3,2 Prozent zunehmen, im Jahr 2025 um 3,6 Prozent und im Jahr 2026 schließlich um 3,3 Prozent. Die Steuerquote nimmt damit nach 23 Prozent im laufenden Jahr auf 23,4 Prozent im Jahr 2026 zu.

Bei der Sozialversicherung lassen im laufenden wie auch in den kommenden Jahren eine deutliche Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung wie auch Beitragserhöhungen bei der Pflegeversicherung die Einnahmen steigen. Deutliche Impulse dürften im Jahr 2025 auch vom Wegfall der Inflationsausgleichsprämie kommen.

Aufgrund des trotz der Zinssenkungen der EZB erhöhten Zinsniveaus haben sich die vom Staat empfangenen Vermögenseinkommen im laufenden Jahr deutlich erhöht. Auch für die kommenden Jahre ist hier noch eine Steigerung der Zinseinnahmen zu erwarten, sie dürften aber mit weiteren Senkungen des Leitzinses an Fahrt verlieren. Die Verkäufe des Staates dürften sich insbesondere durch die Anhebung und Ausweitung der Lkw-Maut im laufenden Jahr dynamisch entwickeln. Im weiteren Prognoseverlauf werden sie wohl weiter solide zulegen, begünstigt durch die Anhebung des Preises des Deutschlandtickets auf 58 Euro zum Jahreswechsel 2025 wie auch durch die voraussichtliche Anhebung von Gebühren zur Verbesserung der Finanzsituation auf kommunaler Ebene. Die sonstigen laufenden Transfers sind vornehmlich geprägt von volatilen Zahlungen aus dem Next-Generation-EU-Aufbauinstrument. Im laufenden Jahr dürfte der Mittelabrauf deutlich geringer als im Vorjahr ausfallen. Nachdem für das Jahr 2025 mit einem kräftigen Zuwachs gerechnet wird, fallen diese Einnahmen zum Ende des Prognosehorizonts wohl wieder gering aus.

Alles in allem dürften die Staatseinnahmen im laufenden Jahr um 4,5 Prozent und in den Jahren 2025 und 2026 um 4,3 und 3,7 Prozent steigen. Damit erhöht sich die Staatseinnahmenquote stetig von 46,6 Prozent im laufenden Jahr auf 48,0 Prozent im Jahr 2026.

Ausgabenseitig dürften die Staatsfinanzen zunächst durch die Konjunkturschwäche, kräftig expandierende Arbeitnehmerentgelte und hohe Refinanzierungskosten belastet werden. Dem entgegen wirkt der Wegfall von Subventionen wie der Strom- und Gaspreisbremsen, die im Zuge der Energiepreiskrise aufgesetzt worden waren. Im Prognosehorizont dürften sich die Ausgaben moderater entwickeln als die Einnahmen, da sich die treibenden Kräfte abschwächen und von finanzpolitischen Maßnahmen nur geringe expansive Impulse ausgehen.

Die mit der aktuellen wirtschaftlichen Abkühlung einhergehende steigende Zahl von Arbeitslosen und Bürgergeldempfänger*innen schlägt sich in deutlich zunehmenden Ausgaben für monetäre Sozialleistungen nieder. Zudem hat im ersten Halbjahr 2024 noch die kräftige Rentenerhöhung zum Juli des Vorjahres nachgewirkt. Über den Prognosehorizont dürfte sich die Dynamik der monetären Sozialleistungen etwas abschwächen. Mit der unterstellten konjunkturellen Erholungsphase in der zweiten Jahreshälfte 2025 wird sich die Inanspruchnahme von Transferleistungen wohl wieder rückläufig entwickeln. Entlastend für das Staatsbudget wirkt zudem, dass die Sätze zur Grundsicherung nach einer kräftigen Anhebung zum Jahresbeginn 2024 zum 1. Januar 2025 nicht weiter steigen werden und auch das Kindergeld annahmegemäß nicht erhöht wird. Dass die Preis- und Lohndynamik weiter an Fahrt verlieren sollte, dürfte im weiteren Prognoseverlauf zudem zu geringeren Rentenanpassungen führen.

Die sozialen Sachleistungen werden im laufenden Jahr wohl deutlich ausgeweitet werden, nachdem das Auslaufen pandemiebedingter Maßnahmen im Vorjahr zu einer nur geringen Expansion geführt hatte. Weil die Nachfrage nach Pflege- und Gesundheitsleistungen im Zuge der alternden Gesellschaft voraussichtlich steigen wird, dürften die Ausgaben für soziale Sachleistungen auch im weiteren Prognosehorizont robust zulegen. Bei den Vorleistungskäufen wird die weiter rückläufige Inflation in den kommenden Jahren wohl zu einer abschwächenden Dynamik beitragen.

Die geleisteten Arbeitnehmerentgelte des Staates haben im laufenden Jahr vornehmlich durch die Einmalzahlungen an Beschäftigte der Länder noch einmal deutlich zugelegt. Die dauerhafte Tabellenanhebung für Beschäftigte des Bundes und der Kommunen im März wirkte hingegen etwas weniger ausgabentreibend, weil sie vom Wegfall von Einmalzahlungen begleitet wurde. Nach demselben Muster dürfte auch die kräftige Entgelterhöhung der Landesbeschäftigten im kommenden Jahr abgefedert werden. Aufgrund eines sich weiter beruhigenden Inflationsgeschehens werden die laufenden Tarifverhandlungen des Bundes und der Kommunen für die nächsten Jahre wohl geringere Lohnsteigerungen als zuvor ergeben, sodass die Ausgaben für Arbeitnehmerentgelte mit geringeren Raten als zuletzt expandieren dürften.

Gestützt werden die Staatsausgaben wohl von den Bruttoinvestitionen, allen voran von einer weiteren Ausweitung der Ausrüstungsinvestitionen im Rahmen des Sondervermögens Bundeswehr. Die Bauinvestitionen des Staates dürften im Prognoseverlauf hingegen nur eine geringe Dynamik aufweisen. Für die Gütersubventionen ist im laufenden Jahr zwar ein deutlicher Rückgang durch den Wegfall der Strom- und Gaspreisbremsen angelegt. Dem steht allerdings eine merkliche Expansion der sonstigen Subventionen durch Zahlungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gegenüber. Letztere dürften auch in den kommenden Jahren zu insgesamt steigenden geleisteten Subventionen beitragen.

Die geleisteten Vermögenstransfers werden durch Mittelabflüsse aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie Unterstützungsleistungen an die Ukraine im laufenden Jahr voraussichtlich deutlich steigen. In den nächsten Jahren dürften beide Posten geringer ausfallen, so dass sich die Dynamik merklich abschwächt. Das aktuell hohe Zinsniveau erhöht derzeit die Refinanzierungskosten von Staatsanleihen deutlich. Noch mehr als im Vorjahr dürfte dies die geleisteten Vermögenseinkommen anschieben, da ein wachsender Anteil von Anleihen mit längeren Laufzeiten sukzessive zu diesem deutlich höheren Zinssatz refinanziert werden muss. Über die Zeit wird sich dieser Effekt aber nach und nach wieder abschwächen. Gegenläufig werden sich wohl die sonstigen laufenden Transfers entwickeln, wo höhere Zahlungen an die EU in den kommenden Jahren die Dynamik anschieben dürften.

Insgesamt werden die Staatsausgaben in diesem Jahr um voraussichtlich 4,3 Prozent steigen, im kommenden Jahr um 3,6 Prozent und im Jahr 2026 um 3,1 Prozent. In Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dürften sie somit ausgehend von 48,4 Prozent im Jahr 2023 über den Prognosehorizont bis auf 49,8 Prozent zunehmen. Der Finanzierungssaldo des Staates wird im laufenden Jahr mit –2,5 Prozent deutlich im defizitären Bereich verharren. In den kommenden Jahren wird er sich zunächst auf –2,1 Prozent in Relation zum BIP und dann im Jahr 2026 auf –1,8 Prozent verbessern. Aufgrund der im Vorjahresvergleich erhöhten Konjunkturkomponente und Zinsausgaben nimmt der strukturelle Primärsaldo bereits im laufenden Jahr um 0,6 Prozentpunkte auf –0,8 Prozent in Relation zum Produktionspotenzial zu (Abbildung 15). Über den Prognosehorizont verbessert er sich weiter bis auf –0,3 Prozent im Jahr 2026. Der Bruttoschuldenstand des Staates wird sich, ausgehend von 62,9 Prozent im Jahr 2023, bis auf 64,5 Prozent im Jahr 2026 erhöhen (Tabelle 9).

Tabelle 9: Ausgewählte finanzpolitische Indikatoren1

In Prozent (in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt)

Staatseinnahmen Staatsausgaben Finanzierungssaldo Nachrichtlich: Zinssteuerquote2 Staatsschuldenquote nach Maastricht
Insgesamt darunter: Insgesamt darunter:
Steuern Sozialbeträge Zinsausgaben Bruttoinvestitionen
2015 45,4 23,4 16,2 44,5 1,4 2,4 0,9 5,9 71,2
2016 45,9 23,7 16,4 44,7 1,2 2,4 1,1 5,0 68,3
2017 45,9 23,8 16,5 44,6 1,0 2,5 1,3 4,3 64,0
2018 46,6 24,1 16,7 44,7 0,9 2,6 1,9 3,8 60,8
2019 46,9 24,1 16,9 45,6 0,8 2,7 1,3 3,3 58,7
2020 46,7 23,2 17,6 51,1 0,6 3,1 −4,4 2,8 68,0
2021 47,5 24,4 17,2 50,7 0,6 2,9 −3,2 2,4 68,1
2022 46,9 24,3 16,9 49,0 0,7 2,8 −2,1 2,9 65,0
2023 45,8 22,9 17,0 48,4 0,9 2,8 −2,6 3,8 62,9
2024 46,6 23,0 17,5 49,1 1,0 2,9 −2,5 4,6 63,7
2025 47,6 23,3 18,1 49,8 1,1 3,0 −2,1 4,8 64,6
2026 48,0 23,4 18,3 49,8 1,1 3,1 −1,8 4,8 64,5
2026/2023 47,0 23,2 17,7 49,3 1,0 2,9 −2,3 4,5 63,9

1 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.

Anmerkung: Prognose ab dem vierten Quartal 2024.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2024.

Angelina Hackmann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Nina Maria Brehl

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

Ruben Staffa

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Teresa Schildmann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Jan-Christopher Scherer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Frederik Kurcz

Doktorand in der Abteilung Makroökonomie

Pia Hüttl

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Hannah Magdalena Seidl

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

Laura Pagenhardt

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

Geraldine Dany-Knedlik

Leitung Prognose und Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Hella Engerer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Themen: Konjunktur



JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-50-2

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