Wie könnten Ihre Ergebnisse Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft beeinflussen?
Lersch: Aus unseren Befunden zur Vermögensverteilung erwarten wir politikrelevante Implikationen, etwa die Identifikation kritischer Zeitfenster für wirksame Maßnahmen zum Vermögensaufbau früh im Erwerbsleben, zur Absicherung gegen Risiken, zur fairen Förderung von Wohneigentum und zur gerechten Ausgestaltung von Erbschafts- und Schenkungsregeln.
Ullrich: Ich denke zwei Dinge sind hier am wichtigsten: Zum einen konnte das Projekt die Relevanz der Antibiotikaresistenz und des Antibiotikaverbrauchs im Gesundheitssystem noch einmal etwas stärker in den Vordergrund bringen. Insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften ist dies noch ein zu wenig beforschtes Thema. Zum anderen konnten wir einen wichtigen und gut geeigneten Anwendungsfall für die Datennutzung und künstliche Intelligenz identifizieren und aufzeigen – das war mir im Voraus gar nicht so klar. Hier gibt es in der Zukunft auch noch viel zu tun, damit wir als Gesellschaft Werkzeuge der künstlichen Intelligenz zielführend entwickeln und nutzen können.
Herr Ullrich, was haben Sie während der Förderung für das Projekt erlebt? Hat Sie da etwas erstaunt?
Ullrich: Es war beeindruckend, wie sehr der ERC-Stempel als Türöffner über die Disziplinen hinweg helfen kann. Insgesamt habe ich viel über interdisziplinäres Arbeiten gelernt und von einigen Akteuren auch viel Interesse hierfür erlebt. Ich denke, Medizin und die Wirtschaftswissenschaften können viel voneinander lernen und miteinander erreichen, gerade mit den zügigen technologischen Veränderungen, die wir gerade erleben. Ich habe bei Medizinern einige Offenheit hierfür erlebt, obwohl wir leider auch auf ernüchternde und aus meiner Sicht eher unnötige interdisziplinäre Barrieren gestoßen sind. Aber auch ganz praktisch habe ich in dem Projekt noch mehr über die Möglichkeit der Datennutzung in Dänemark gelernt und ich hoffe sehr, dass wir in Deutschland bald an einen ähnlichen Punkt, oder noch weiter, kommen.
Herr Lersch, worauf freuen Sie sich in den kommenden Jahren Projektlaufzeit am meisten?
Lersch: Es macht großen Spaß, mit meinem Team dicke Bretter zu bohren und dabei gemeinsam voranzukommen in unserem Verständnis der Entstehung von Vermögensungleichheiten.
Wie unterstützt Sie das DIW Berlin bei der Durchführung Ihrer Projekte?
Ullrich: Als Heimatinstitution hat mir das DIW sehr viele Freiheiten gegeben, meine Arbeit und Forschung so zu gestalten, wie ich es als am produktivsten erachtet habe.
Lersch: Die SOEP-Gruppe ist ein hervorragender Forschungsstandort. Die einzigartige Datenlage und die Zusammenarbeit mit anderen Vermögensforscher*innen bieten eine ideale Plattform für mein Projekt. Die Forschungsmanager*innen am SOEP helfen mir dabei, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche offenen Fragen möchten Sie nach Abschluss des Projekts noch weiter erforschen?
Ullrich: Aus dem Projekt haben sich eine ganze Reihe an Folgefragen ergeben, die ich nun noch weiterbearbeiten möchte. So können wir noch genauer untersuchen, warum sich Allgemeinarztpraxen in ihren Diagnostik- und Behandlungsstilen so unterscheiden. Zudem würde ich gerne noch näher an die Entscheider*innen in der klinischen Praxis herankommen, zum Beispiel anhand von Feldstudien, für die wir in Dänemark bereits einige Grundsteine gelegt haben. Aber auch in Deutschland wären mehr solcher Arbeiten wünschenswert, da wir gerade im Bereich KI mehr und besser experimentieren und evaluieren müssen. Nur so können wir zügig über Nutzen und Risiken lernen, und somit auch eine qualifiziertere Diskussion über politische Maßnahmen und Regulierungen führen. Dies gilt nicht nur im medizinischen Bereich, sondern in der Breite der Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Nur durch aktives Lernen behalten wir die Kontrolle über die immer wieder atemberaubenden und vielversprechenden technologischen Entwicklungen, die eben auch Unsicherheit, Veränderung und neue Gestaltungsspielräume mit sich bringen.
Lersch: Diese Liste wird jeden Tag länger. Aber jetzt konzentriere ich mich auf die aktuelle Arbeit.
Die Fragen stellte Lena Högemann.